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Spiel’s noch mal, Registrar!

Haben Sie sich je überlegt, wie es wäre, wenn man die gleiche Ausstellung noch einmal machen würde? Welche Möglichkeit Fehler zu vermeiden, es anders, besser zu machen! Nun, wir hatten gerade diese Chance!
 
Wie es alles anfing

TECHNOSEUM, Bild Klaus Luginsland

Einrichtung der Ausstellung "Die Sammlung : 1001 Objekte zum Hören und Sehen"
TECHNOSEUM, Bild Klaus Luginsland

Im Jahr 2010 waren in unserem Museumsgebäude verschiedene Sanierungsmaßnahmen nötig, die einen großen Teil des Etats fraßen. Aber natürlich wollten die Besucher trotzdem etwas sehen. Kein Geld, kein Personal, keine Zeit – gab es einen Ausweg? Ja! Wir hatten schließlich unsere eigene Sammlung! Ein Minimum an Transportkosten, keine Ausgaben für Kuriere, keine Versicherungsprobleme. Wenn wir nur Depotregale als Vitrinen nutzen würden und Archivmaterial für die Präsentation, dann würden wir nicht sehr viel Ausstellungsdesign brauchen und das Material später weiter nutzen können. Je länger wir darüber nachdachten, desto besser gefiel uns die Idee. Ganz nebenbei könnten wir so eine Revision eines großen Teils unserer Sammlung vornehmen und dabei Einträge in der Datenbank korrigieren, vielleicht einige der Objekte mit „Standort unbekannt“ wieder finden und einige der Rätsel um „in der Sammlung gefunden“ lösen. Um es kurz zu machen: 2011 eröffneten wir: „Die Sammlung: 1001 Objekte zum Hören und Sehen“. Eine Präsentation unserer Sammlung an Radios, Fernsehgeräten, Kassettenrecordern, Filmprojektoren, Fotoapparaten, Tonbandgeräten, Videogeräten… Unsere Besucher waren begeistert!

Sie können sich vorstellen, dass wir alle ganz aufgeregt waren, als klar war, dass wir das nochmal machen würden, diesmal mit unserer Sammlung von Haushaltsgeräten. Bei der Vorbereitung der ersten Ausstellung, beim ersten Mal, war die Stimmung im Team ein bisschen wie bei der Vorbereitung einer Schiffsexpedition, die ins Unbekannte aufbricht. Diesmal war es mehr wie ein Fußballspiel gegen uns selbst, gegen die, die wir damals waren: wir wollten es größer, besser und bunter machen als das letzte Mal.

Größer, besser, bunter: Die Sammlung 2. Bild: Bernd Kießling

Größer, besser, bunter: Die Sammlung 2.
Bild: Bernd Kießling


 
Der Wille zur Verbesserung: rechts oder links – was ist meine Position?

Wir wussten, was das letzte Mal gut funktioniert hatte und so hatten wir einen Plan, dem wir folgen konnten. Aber statt ihm sklavisch zu folgen, nach dem Motto „wir habe es schon immer so gemacht“, war diesmal die treibende Kraft der Wunsch nach Verbesserungen.

Arbeit an Bestückungsregal im Depot, 2 Teams arbeiteten auf gegenüberliegenden Seiten

Arbeit an Bestückungsregal im Depot, 2 Teams arbeiteten auf gegenüberliegenden Seiten

Zum Bespiel hatten wir das letzte Mal die Verteilung der Objekte auf den einzelnen Regalböden im Vorfeld ausprobiert. Wir hatten ein Bestückungsregal im Depot, ähnlich den Regalen in der Ausstellung, so konnten wir die Dinge gruppieren, bis sie den bestmöglichen Anblick boten. Diese Investition an Zeit reduziert den Stress bei dem endgültigen Aufbau beträchtlich. Außerdem ist es dann nicht so wichtig, wer den endgültigen Aufbau vornimmt. Die Position der Objekte im Regal ist klar und jeder, der Erfahrung im Umgang mit Objekten hat, kann ihn vornehmen, ohne groß über das perfekte Layout nachdenken zu müssen. Wenn die Objekte platziert waren, erhielten sie Positionsnummer für den Regalboden. Das letzte Mal hielten wir die Positionen verbal fest, die Packlisten sahen dann so aus:

Inventarnummer, Objektbezeichnung, Regalnummer, Nummer des Fachbodens, links

Wenn das auch recht gut funktionierte, war uns doch aufgefallen:

  • Rechts und links, das ist auf dem Papier zwar klar, aber wenn man im Team Leute hat, die rechts und links schon mal verwechseln (wie es mir passiert), dann können doch Fehler beim Platzieren vorkommen.
  • Links, Mitte und Rechts, das funktioniert ganz gut, wenn man nur drei Radios im Fach hat. Wenn es mehr Objekte werden, muss man Begriffe wie „Rechts außen“ und „Mitte Links“ erfinden. Das klingt ganz nett, ist aber unpraktisch.

So wechselten wir zu Positionsnummern von 1 bis unendlich, vergeben von links nach rechts. Jetzt sah unsere Packliste so aus:

Inventarnummer, Objektbezeichnung, Regalnummer, Nummer des Fachbodens, Pos. 3

Beispiel: Packliste mit Foto

Beispiel: Packliste mit Foto

Aus dem gleichen Grund entschieden wir uns, einen zusätzlichen Schritt bei der Vorbereitung ein zu führen: das letzte Mal hatten wir die Position im Regal in unserer Datenbank nur schriftlich fixiert, diesmal fotografierten wir jedes Probearrangement im Fach und schrieben zusätzlich die Positionsnummer dazu. Wir hängten die Bilder jeder Packliste an. So konnte jeder, der ein Objekt an seinen Platz brachte, sich auf das Foto als Referenz beziehen.

Das ist nur ein Beispiel für die vielen Verbesserungen, die wir vornahmen.

Eine zweite Verbesserungsrunde

Wir waren also alle auf „Verbesserungsmodus“ geschaltet und das blieb auch während des Aufbaus so. Dabei fielen und einige Dinge auf, die wir das nächste Mal besser machen können.

Zum Beispiel haben wir die Inventarkarten abgenommen und eingesammelt, nachdem wir die Ausstellungsbeschriftungen angebracht hatten. Das letzte Mal hatten wir sie alle nach Inventarnummer geordnet in eine Schachtel getan, sodass man sie anhand der Inventarnummer rasch finden konnte. Plötzlich sagte unsere wissenschaftliche Hilfskraft: „Augenblick, wäre es nicht besser, sie nach Regal- und Fachnummer zu sortieren?“

Das "Pakenis-Manöver"

Das „Pakenis-Manöver“

Wir besprachen uns kurz, fanden die Idee gut und nannten sie ihm zur Ehre „Pakenis Manöver“. Von da an sammelten wir die Inventarkarten, mit Regal- und Fachnummer versehen, in Beuteln mit Reißverschluss, jeweils einen für jedes Regal. Wenn wir die Ausstellung abbauen kann sich jeder den Beutel „seines“ Regals (das er packen muss) holen und ist so mit allen nötigen Inventarkarten gut versorgt.

Ein anderes Beispiel sind die Layout-Bilder. Ich habe Ihnen gesagt, wie wir sie angefertigt haben, und das klang doch ganz gut, oder? Wir waren sehr stolz auf die Idee. Aber während des Ausstellungsaufbaus merkten wir, dass die gute Idee nicht die beste war.

  • Wir hatten an jede Packliste ein Foto angehängt, das war nicht nötig. Meistens nahmen wir gleich das Bild von der ersten Kiste, legten es in das Fach und nützten dieses Bild als Referenz. D. h., das nächste Mal können wir uns den Aufwand sparen, das Bild auch noch an die Packliste an zu heften. Wir werden alle Bilder kurz vor dem Ausstellungsaufbau ausdrucken und sie auf die passenden Fächer verteilen. Das spart auch Papier und Druckfarben.
  • Die Positionsnummer auf den Bildern war hilfreich – aber man musste zwischen Bild und Packliste hin und herwechseln, dann man hatte die Inventarnummer auf dem Objekt selbst und auch auf der Packliste, nicht jedoch auf dem Foto. Das führte zu Verwirrungen bei Objekten im gleichen Fach, die sehr ähnlich aussahen. Das nächste Mal werden wir die Inventarnummer auf den Fotos vermerken.

Blick auf eine Puppenküche...

Blick auf eine Puppenküche…


 
Die Kunst Fehler zu machen

Bei der Vorbereitung und dem Aufbau der Ausstellung wurde uns auch bewusst, dass uns Fehler unterliefen, die wir schon das letzte Mal gemacht hatten. Fehler nicht zugeben zu wollen ist menschlich, den gleichen Fehler zweimal zu machen töricht. Der Hauptfehler, den wir das letzte Mal gemacht hatten, war, dass wir nicht sofort notiert hatten, was nicht funktionierte. So konnten wir nur die Dinge verbessern, an die wir uns erinnerten und mussten alle Fehler nochmal machen, die wir vergessen hatten.

Da wir im „Verbesserungsmodus“ arbeiteten, beschlossen wir, es diesmal besser zu machen. Jedes Mal wenn uns etwas auffiel, das man besser machen könnte, sagte jemand: „Halt! Schreib das auf!“ Und so geschah es. Ganz gleich, ob wir gerade auf einer Leiter standen, Acrylglas reinigten oder Beschriftungen befestigten, jemand machte eine kurze Notiz von dem, was uns aufgefallen war.

Kurz nach der Ausstellungseröffnung setzten wir uns hin, trugen alle Notizen zusammen, und besprachen alles, woran wir uns erinnerten. Wir wollen das alles in einem Heft zusammentragen, einschließlich der Dinge, die gut funktioniert haben, die wir unbedingt wieder genau so machen wollen. Das kann dann als Referenz für kommende Ausstellungen dienen und wenn auch manches sehr spezifisch für diese Ausstellung war, so kann es doch auch für andere Projekte hilfreich sein.

...moment mal, ist das die Küche eines Registrars?

…moment mal, ist das die Küche eines Registrars?


 

Das Endergebnis

Am 19. Februar eröffneten wir „Sammlung 2: der elektrische Haushalt“. Unser Teammitglied Bernd Kießling hat einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung zusammengestellt. Falls Sie eine 3D-Brille (rot-cyan) zur Hand haben, gibt es den auch noch in 3D.

Einen weiteren Einblick bieten zwei Fernsehvideos:

http://www.rnf.de/mediathek/kategorie/themenserien/technoseum-mannheim/#.UwoZBYUnYyM

http://www.swr.de/swr4/bw/nachrichten/rhein-neckar/technoseum-in-mannheim-ausstellung-der-ungewoehnlichen-haushaltsgeraete/-/id=258328/did=12909124/nid=258328/m1pgqm/index.html

Einrichtung der Ausstellung "Die Sammlung 2: Der elektrische Haushalt"

Einrichtung der Ausstellung "Die Sammlung 2: Der elektrische Haushalt"
Bild: Bernd Kießling

Ich habe uns mit einem Fußballteam verglichen, das gegen sein früheres Selbst spielt. Was ist nun das Ergebnis?

  • Wir zeigen sehr viel mehr Objekte als das letzte Mal (1750 gegen 1639, außerdem waren beim letzten Mal ca. 300 kleine archivalische Objekte dabei, während wir diesmal fast nur Produkte zeigen)
  • Wir haben enger mit der Marketingabteilung zusammengearbeitet, was zu mehr Blog-Beiträgen geführt hat und zu einem Weihnachtsbaum, der mit Haushaltsgegenständen geschmückt war und schließlich zu einem Tweetup (#Sammlung2)
  • Wir haben mehr Objektgruppen gesichtet und konnten deshalb mehr Einträge in der Datenbank korrigieren.
  • Wie das letzte Mal waren wir mit der Einrichtung der Ausstellung im Prinzip ein paar Tage vor der Eröffnung fertig, so dass wir ganz unmittelbar einige Verbesserungen vornehmen konnten.
  • Wir werden sehen, ob wir auf mehr Besucher kommen als das letztes Mal, damals kamen mit 14 400 mehr als erwartet.

Kein Grund hier aufzuhören. Wenn es darum geht Sachen besser zu machen gibt es keinen Schlusspfiff. Das nächste Mal heißt es wieder:
 
Los, zeigt wir es uns!
 
P.S. Im Lauf der Vorbereitungen haben wir viel gelernt (zum Beispiel, warum man ein Regal kontrollieren sollte, ehe man die Acrylglasfront befestigt), das gibt noch Material für weitere Geschichten im Registrar Trek. Bleiben Sie dran!

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

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Wie wird meine Sammlung nützlich ?

FeuLogoArbeiten mit Datenbanken gehört zu den Kernaufgaben jedes Sammlungsbetreuers. Oft genug ärgert man sich über die ein oder andere Unzulänglichkeit des eigenen Systems. Um so begeisterter war ich, als ich auf das Projekt von Michael Hesemann stieß. Da hatte sich jemand die Mühe gemacht, für sein eigenes Interessensgebiet, die Foraminiferen, eine Online-Datenbank zu entwickeln, die genau seinen Ansprüchen entsprach. Ehrenamtlich, aus Begeisterung für sein Fachgebiet. Sie ermöglicht Wissenschaftlern und Sammlern aus aller Welt schnellen Zugriff auf relevante Informationen und inzwischen stellen auch namhafte Institutionen wie das Smithonian und die Geologische Bundesanstalt Österreich Informationen zu ihren Foram-Bestände dafür zur Verfügung. Lesen Sie hier, wie das Projekt entwickelt wurde.
Herzliche Grüße
Angela

von Michael Hesemann, Foraminifera.eu Project, Hamburg

Zur Entstehung

Im Dezember 2007 erwachte mein Interesse für Foraminiferen (= Forams) – weitgehend unbekannte Einzeller, die seit 540 Mio. Jahren bis heute grazile Innengehäuse bilden. Dass die Kliffs von Dover, ägyptische Pyramiden und anderes Gestein zu 1/3 aus ihnen bestehen war mir neu. Ebenso überraschte die Information, dass alle lebenden Forams knapp 1% der Erdbiomasse ausmachen und damit bedeutender sind als alle Säugetiere.

Sie lesen das vermutlich auch zum ersten Mal, was belegt, dass wesentliche Informationen erst bei genauerer Betrachtung, Studium von Literatur und intensiver Recherche zu Tage treten. Glücklicher-weise traf ich in Hamburg auf zwei engagierte Foramliebhaber, die sich wie einst Ernst Häkel um 1900 für Schönheit und Formenreichtum der Forams schon länger begeisterten. Die Idee wurde geboren, unsere Sammlungen zu fotografieren und über die Webseite www.foraminifera.eu ins Internet zu stellen.

Es funktionierte zunächst ganz prächtig, die mühsam durchs Mikroskop gefertigten Aufnahmen online zu stellen. Doch schon nach wenigen Wochen meldete sich Fabrizio, ein italienischer Wissenschaftler mit dem Angebot 100 Rasterelektronenaufnahmen beizusteuern. Nun gab es plötzlich 250 Aufnahmen und die Notwendigkeit sie irgendwie zu sortieren und sinnvoll zugänglich zu machen. Ein Konzept musste entwickelt werden, das auch für 2500 Bilder noch tragfähig sein sollte.

(Bild: Michael Hesemann / www.foraminifera.eu)

Ein eigenes Datenbankkonzept ist unausweichlich!

Die Datenbankkonzepte der großen Museen, wissenschaftlichen Institutionen und Online-datenbanken wie EOL oder WORMS entpuppten sich als eindimensional auf Taxonomie und Nummerierung zugeschnitten. Haben Foraminiferen nicht mehr Informationen zu bieten und was wünschen wir uns als Nutzer von einer Sammlung? Unbefriedigend erschien uns die erhebliche Inkonsistenz von Datensätzen, das Fehlen von Illustrationen und umständliche Interfaces.

Unser multidimensionales Datenbankkonzept mit konsistenten Kategorien

Eine Sammlung soll nach unserer Philosophie ihre Objekte und verbundenen Informationen absoluten Laien bis zu hoch spezialisierten Wissenschaftlern auf einfache Weise zugänglich machen. Jede Klasse von Objekten – bei uns den Gehäusen der Forams – trägt eine Vielzahl von Informationen. Für eine Datenbank können wir allerdings nur Informationskategorien verwenden, die für nahezu alle Objekte bekannt oder mit vertretbarem Aufwand recherchierbar sind. Eine hohe Datenkonsistenz ist für die Auswertung unerlässlich.
Bei den Forams halten wir die Taxonomie und Morphologie, Ort, Zeit (Erdzeitalter), Literaturreferenz, Relevanz des Datensatzes und sammlungsbezogene Informationen für konsistente Kategorien. Ob der Lebensraum (= ökologische Nische) konsistent ermittelt werden kann ist umstritten.

Nutzerorientierte Zugänglichkeit

Der Nutzer soll die Möglichkeit erhalten, durch ein einfach zu bedienendes Interface alle verfügbaren Informationen auf verlässliche und einfache Weise abzufragen. Als notwendig wird erachtet:

  • jedes Objekt wird durch möglichst realistische Illustrationen (Zeichnungen, Fotos, 3D-Objekte) repräsentiert und mit Werten für alle definierten Kategorien verknüpft (Metadaten)
  • der User erhält ein Interface in dem er in allen Kategorien aus den vorhandenen Werten auswählen kann.
  • Als Ergebnis erhält der User eine Trefferliste aus Vorschaubildern mit wesentlichen Informationen, von denen er durch einen Klick zu detaillierteren Informationen bis hin zu einer Literaturreferenz kommt.

Technische Mittel und finanzielle Ausstattung

Als nicht kommerzielles Projekt gibt es keine finanzielle Ausstattung. Alle Beiträge basieren auf Begeisterung für die Sache. Jeder trägt die Kosten seines Beitrages privat selbst. Alle Beitragenden werden detailliert genannt und erhalten eigene Webseiten und Auswertungsmöglichkeiten für Ihre Beiträge.
Technisch kommen nur einfachste Programme und Systeme zum Einsatz: Excel, PHP, SQL, HTML und eine Basis-Homepage bei einem Massenprovider.

Es werden eine umfassende Literatursammlung zu Forams, Zeitschriftenabbos sowie gute Kontakte zu einschlägigen Wissenschaftlern gepflegt. Es werden Sediment- und Foramsammlungen geführt sowie wurde detailliertes Know-how und Werkzeug für die Probenbearbeitung erworben. Es besteht ein kostenloser Zugang zu einem Rasterelektronenmikroskop.

Meilensteine

nicht alles wurde so geplant, hat sich aber im Rückblick so ergeben:

Milestone 2008:
Aufbau/Bekanntmachung der Webseite, Erhalt von Proben durch Hobbyfossilsammler

Milestone 2009:
Erweiterung der Abdeckung in Zeit und Raum durch 1200 Bilder, Schaffung einer Unterstützerszene aus Amateuren und Juniorwissenschaftlern.

Milestone 2010:
Vorstellung des Projektes auf der FORAMS2010 Konferenz in Bonn vor 400 Wissenschaftlern. Ausbau auf 2500 Bilder. Unterstützung durch Wissenschaftler. Hilfsangebote an Amateure und junge Wissenschaftler insbesondere aus weniger entwickelten Ländern.

Milestone 2011:
Erweiterung der Datenbankkriterien auf 20. Umstellung von reinem HTML auf PHP-SQL. Gewinnung von Senior-Scientists als Unterstützer. Präsentation auf internationalen Konferenzen. Ausbau auf 4000 Bilder.

Milestone 2012:
Top Ranking bei Google (SEO) Erweiterung der Datenbankriterien auf 30. Networking. Erhalt von Bildrechten durch Verlage und Institutionen. Ausbau auf 5500 Bilder.

Milestone 2013:
SI National History Museum Washington, Österreichisches Geologisches Bundesamt und die Grzybowski Foundation gestatten die Nutzung Ihrer ca. 30.000 Forambilder, darunter von zahllosen Typexemplaren. Senior Scientists gestatten die Nutzung Ihres Lebenswerkes. Ausbau der Bilddatenbank auf 7700 Bilder. Pflege der Unterstützerszene. Kooperation mit WORMS.

Milestone 2014:
Präsentation des Projektes auf der FORAMS2014 in Chile. Weitere Kooperation mit WORMS. Schließung der Lücken aus den erhaltenen Bildrechten. Ausbau der Datenbank auf über 10.000 Bilder. Pflege der Unterstützerszene.

*)
EOL= Encyclopedia of Life: www.eol.org
WORMS= World Register of Marine Species: www.marinespecies.org

Dieser Artikel ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Marzia Loddo.

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Rückblick auf 2013 – Ein gewaltiger Fortschritt: Die Gründungskonferenz des internationalen Vereins der Registrare und Sammlungsspezialisten (ARCS)

Von Derek Swallow

Üppige Kristalllüster tauchen die mit Wandmalerei des Historismus geschmückten und mit vergoldeten Reliefs verzierten Wände des beeindruckenden Ballsaals in sanftes Licht: ein atemberaubendes Ambiente, das einer der Teilnehmer als „das Versailles Chicagos“ beschrieb. Dieser riesige, üppige Saal im historischen Hotel Hilton in Chicago, der einst rauschende Bälle und hochoffizielle Empfänge beherbergte, war unser Versammlungsraum. Im Vergleich zu unseren kleinen, zweckmäßigen Büros in den jeweiligen Museen eine überwältigende und fast niederdrückende Umgebung. Das schien eine wenig passende Wahl für den Veranstaltungsort. Beim Nachdenken sprang mich dann aber die wahre Bedeutung dieser Umgebung an.

Grand Ballroom in the Chicago Hilton – Conference room

Der große Ballsaal im Chicago Hilton – Konferenzraum

Der weiträumige Saal und das dynamische Ornament standen metaphorisch für die Energie, den Optimismus und die umfassenden Interessen des neu gegründeten, internationalen Vereins der Registrare und Sammlungsbetreuer sowie den funkelnden Reichtum an Wissen, den die 530 Teilnehmer aus 28 Ländern mitbrachten. Auch die Wahl des Ortes, Chicago, war ideal, ist es doch die Heimat von innovativen, weltberühmten öffentlichen Kunstsammlungen und hochgeschätzten Institutionen wie dem Art Institute of Chicago und dem Field Museum, um nur zwei zu nennen.

The Field Museum, Chicago

Field Museum, Chicago

Art Institute of Chicago

Art Institute of Chicago

Die dreitägige Konferenz bot 24 Veranstaltungen mit 60 Referenten. Die vielfältigen Themen repräsentierten in angemessener Weise das breite Interessenfeld, das eine so große, bunt gemischte Gruppe vertritt. Ich war sehr glücklich, an dieser wichtigen Gründungssitzung teilnehmen zu können und möchte mich ganz persönlich bei allen Organisatoren und Referenten bedanken und ganz besonders bei den Sponsoren der Gründungsveranstaltung, deren großzügige Unterstützung das alles möglich machte. Um es uns besonders angenehm zu machen, wurden wir von den Sponsoren mit köstlichen, nahrhaften Lebensmitteln überschüttet. So waren die informationsgesättigten Sitzungen gut aus zu halten.

Public art sculpture near the Art Institute of Chicago

Public art sculpture near the Art Institute of Chicago

Für diejenigen, die die ARCS noch nicht kennen: die Abkürzung steht für Association of Registrars and Collections Specialists (= Vereinigung der Registrare und Sammlungsspezialisten). Seine Aufgabe:
„… Registrare und Sammlungsverwalter zu repräsentieren und zu fördern, sowohl national als auch international, sie am Beispiel von best practice in beiden Bereichen aus zu bilden, sowie Kommunikation und Networking zu erleichtern.“
(http://www.arcsinfo.org/home).

Zum Nutzen der Registrar Trekker werde ich in weiteren Artikeln die Informationen aus den Sitzungen zusammenfassen, die meiner Meinung nach für Registrare, Sammlungsverwalter und andere Museums-Mitarbeiter von besonderem Interesse sind. Der erste wird über die Sitzung „Deakzise: gibt es da einen richtigen Weg?“ berichten. Sie wurde moderiert von Devon Pyle-Vowles Mitglied des ARCS Vorstands und Vorsitzender der Konferenz, es sprachen Dawn Roberts, Sammlungsverwalter der Chicago Academy of Sciences, Peggy Notebaert Nature Museum; Elizabeth Varner, Executive Director of the National Art Museum of Sport; und Linda Wilhelm, Associate Registrar, Collections, The Museum of Fine Arts, Houston.

“Cloud Gate” affectionately known as “The Bean” in Millennium Park

“Cloud Gate” (Wolkentor), liebevoll “The Bean” (die Bohne) genannt, im Millennium Park

Zum Schluss möchte ich noch mal auf die Gründungsphase des ARCS zurück kommen. Die Wurzel dieser Organisation reichen weit zurück, es beginnt alles mit der Anstellung der ersten Registars der USA, der 1880 mit der Verwaltung der Sammlungen des National Museum des Smithonian Instituts betraut wurde. Dann dauerte es fast 100 Jahre, bis der nächste größere Schritt erfolgte. 1977 bildeten die Registrare in den USA das Registrar-Komitee innerhalb der American Association of Museums (RC-AAM) und zwei Jahre später entstand auch eine Registrar-Gruppierung in Großbritannien. In den folgenden Jahren wuchsen überall auf dem Globus weitere Registrar-Gruppen. „Best practice“ und verbesserte Möglichkeiten des Dialogs verbanden nun weit entfernte Kollegen. Das beginnende 21. Jahrhundert brachte eine bedeutende Zunahme internationaler Ausleihen und damit verbunden die Notwendigkeit, weltweite Standards für Transporte, Dokumentation etc. zu etablieren. Um diese Standards zu entwickeln war ein angemessenes Forum nötig. Das bot das RC-AAM, indem es vier internationale Symposien sponserte, das erste 2004 in New Orleans. Beim letzten, 2011 in Houston, schlug der anerkannte US-amerikanische Registrar Jean Gilmor vor, eine neue Organisation zu gründen, die den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts entspricht. Nach vielen Monaten intensiver Arbeit entstand die Association of Registrars and Collections Specialists: eine offene, aber doch sehr präzise umschriebene Gruppe, die sich den Herausforderungen unseres Berufes im neuen Jahrtausend stellt.

„Erstmals in der Geschichte haben sich Registrare und Sammlungsverwalter zusammengefunden, um als einheitliche, unabhängige, internationale Gruppe Programme und Unterstützung speziell für Betreuer von Sammlungen bereit zu stellen“
(Geschichte der Association of Registrars and Collections Specialists http://www.arcsinfo.org/about/history).

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

Dieser Artikel ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Marzia Loddo und auf französisch, übersetzt von Marine Martineau.

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Sie verdienen Ihren Lebensunterhalt womit?

Von Derek Swallow

„Und was ist ihr Beruf?“ werde ich gefragt. „Ich arbeite als Registar in einem Museum“ antworte ich und sehe, wie die Augen meins Gegenübers leer werden. Ich fahre fort und beschreibe kurz meine dienstlichen Pflichten: mögliche Ankäufe registrieren, den Ankaufsprozess begleiten und schließlich die Akzession. Daraufhin kommen meist die niederschmetternden Worte: „Das klingt interessant“ in einem Ton, der mit „Das ist aber ein tödlich langweiliger Job“ zu übersetzen ist.

Schönes: Bupresti aurulenta – der goldene Budprest. Interessant – die Larven ernähren sich vom Holz kürzlich gestorbener oder sterbender Bäume. Wenn die Bäume sehr trocken sind kann es über 60 Jahre dauern bis die Tiere geschlechtsreif sind. (Aus der Entomologischen Sammlung – Royal BD Museum)

Schönes: Bupresti aurulenta – der goldene Budprest. Interessant – die Larven ernähren sich vom Holz kürzlich gestorbener oder sterbender Bäume. Wenn die Bäume sehr trocken sind kann es über 60 Jahre dauern bis die Tiere geschlechtsreif sind. (Aus der Entomologischen Sammlung – Royal BD Museum)

Mit Mühe kann ich dann meinen Ärger unter Kontrolle halten, um nicht etwas aus zu spucken wie: „Ich liebe meinen Beruf. Er ist sehr interessant, Sie wissen ja Garnichts davon. Und zum Teufel was für einen wunderbaren Beruf haben Sie denn? Astronaut?“. Statt dessen atme ich einmal tief durch, lächle freundlich und bereite einen Gegenschlag vor.
Bizarre: Goose-neck Barnacle (Pollicipenes polymerus) Stalked barnacles that grow in clusters or colonies along exposed shores of the BC Coast) (From the Invertebrate Collection – Royal BC Museum)

Bizarres: Gänsehals-Rankenfüßler (Pollicipenes polymerus) Rankenfüßler mit Stiel, der in Klustern oder Kolonien an exponierten Stellen der Küste von BC wächst (aus der Sammlung der Wirbellosen Tiere – Royal BC Museum)

Ich wende mich halb ab, um gleichgültig zu scheinen und lass dann die Worte fallen:„Und ich organisiere millionenschwere Ausleihen, indem ich unsere unschätzbaren Museumsobjekte zu Ausstellungen rund um die Welt sende.“ Darauf herrscht erst einmal Stille, der Zuhörer dreht sich um und sein Gesichtsausdruck zeigt großes Erstaunen, dann kommt seine Antwort: „Was für einen faszinierenden und wichtigen Beruf Sie haben!“. Ich muss unwillkürlich „Hab Dich!“ denken. Dann werde ich mit Fragen zu diesen Ehrfurcht gebietenden Ausleihen gelöchert. Ja – Ausleihen haben etwas Fesselndes. Aber in Wirklichkeit bescheren sie einen ganzen Berg von sehr unromantischer Arbeit, haben oft kaum zu erreichende Zeitvorgaben und können einen Abstinenzler in das nächste Wirtshaus treiben.

Ethnologically enlightening: Kwakwaka’wakw model sealing canoe (early 20th century) (From the Ethnology Collection – Royal BC Museum #14097 a, b)

Ethnologisch erhellend: Modell eines Kanus der Kwakwaka’wakw für die Robbenjagd (aus der Ethnologischen Sammlung –Royal BC Museum‚ 14097 a, b)

Ich sage nicht, dass ich Ausleihen nicht mag – im Gegenteil. Aber der Arbeitsbereich Erwerbung ist ein unterschätzter Teil unserer Arbeit. Ohne Zweifel hat diese Arbeit mechanisch zu erledigende Bereiche, aber wenige Arbeitsplätze im Museum eröffnen wie dieser den Zugang zu Informationen über das ganze Spektrum der Sammlung. Ich habe das Privileg genau zu wissen, was in die Sammlungen aufgenommen wird, und das jeden Monat, gleich ob es sich um Archivmaterial, oder Dinge zur modernen Geschichte, zur Ethnologie oder Naturgeschichte handelt. Zugleich sehe ich, auf welche Weise diese Aufzeichnungen, Gegenstände oder Exemplare für die menschliche oder Naturgeschichte unserer Provinz wichtig sind; intellektuelle Leckerbissen für einen, der sein Leben lang lernt, wie ich. Es macht mir Vergnügen, meine kleine Rolle bei der Erwerbung von wichtigen Objekten zu spielen – vom historischen Leuchtturmobjekt zum ethnologisch Erhellenden, zum Bizarren und Schönen.

Sir James Douglas – A-01229 (from the BC Archives Collection – Royal BC Museum

Sir James Douglas – A-01229 (aus dem Provinzarchiv von BC – Royal BC Museum)

Meist ist der Registrar erst beteiligt, wenn eine Sammlung schon ins Haus gekommen ist. Vor einigen Jahren hatte ich aber das Glück, einen unserer Konservatoren bei der Erwerbung des Douglas-Armstuhls und anderer Objekte aus der Douglas-Sammlung begleiten zu dürfen, da der Konservator im Hinblick auf die Größe der Objekte noch zupackende Hände benötigte. Der Schenker war ein Verwandter von Sir James Douglas, einer bekannten politischen Figur in der Geschichte British Columbias. Douglas gründete die Pelzhandelsniederlassung Fort Victoria in der Mitte des 19. Jahrhunderts, und war der führende Politiker unter den wenigen weißen Siedlern, als dieser Bereich der Westküste den Status einer Britischen Kolonie erhielt. Nach seiner Pensionierung schloss sich 1871 die Kolonie als 6. Provinz an Kanada an: British Columbia. map of Canada-DEBald nach dieser Vereinigung erlitt Douglas einen Herzinfarkt. 1877 starb er zu Hause in seinem Armstuhl. Der Stuhl wurde in der Familie weiterhin benutzt und als der Bezugsstoff abgenutzt war, wurde er in den 1960/70er Jahren neu gepolstert mit einem gängigen Stoff in einer zeitgenössischen Farbe: modernem Dänischem Orange. Sir James Douglas war trotz seiner glücklichen Karriere und seinem gesellschaftlichen Rang ein praktischer Mensch. Ich bin sicher, er hätte es für richtig gehalten, die Nutzbarkeit des Stuhls mit einer solchen Auffrischung auf über 140 Jahre auszudehnen.

Historically Stellar – Douglas Chair – C1870 – Victorian Parlour Chair - History Collection – Royal BC Museum

Historisches Highlight – Douglasstuhl – C1870, Viktorianischer Wohnzimmerstuhl (Historische Abteilung – Royal BC Museum)

Konservatoren, Sammlungsverwaltern und Registraren stellt der restaurierte Stuhl interessante Fragen. Ist er noch „echt“? Muss ein Objekt sein ursprüngliches Aussehen behalten, oder genügt es, dass es noch seine ursprüngliche Funktion hat und die entsprechenden Assoziationen vermittelt? In diesem Fall ist es noch immer ein Stuhl, genau der Stuhl in dem James Douglas starb, gleich ob der ursprüngliche Bezug erhalten ist oder nicht. Beim Nachschlagen in der Vereinbarung zu unserer Sammlungspolitik, die den Leitfaden bildet für das, was wir sammeln oder nicht, zeigte sich, dass der Douglas-Armsessel den Anforderungen der Sammlung entsprach. Die Objekte, die in die Sammlung des RBCM (Royal British Columbia Museum) aufgenommen werden, sollen – wenn möglich – vollständig sein, intakt und/oder im Originalzustand. Der Zusatz „wenn möglich“ erlaubt es uns, Objekte mit großer historischen Bedeutung zu sammeln, auch wenn sie, wie der Douglas-Stuhl, im Lauf der Zeit Änderungen unterzogen worden waren.

Ich bin auf diesen interessanten Link gestoßen, den ich mit Ihnen teilen möchte: http://ejarchaeology.wordpress.com/2013/03/29/my-bike-the-authentic-object-with-its-own-biography/.
Es geht um den Begriff „Authentizität“ im Zusammenhang mit Denkmalpflege/Museum. Die Autorin macht einige interessante Bemerkungen. Ich warte auf Ihre Kommentare zu diesem Thema. Es wäre auch schön, etwas über die Richtlinien Ihrer Museen zur Frage der „Authentizität“ zu hören.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

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Kinder im Palast

von Alana Cole-Faber

Perseus by Antonio Canova, picture by Hans Weingartz

Perseus von Antonio Canova, Bild von Hans Weingartz

Vor ein paar Wochen bin ich mit meinen vierjährigen Zwillingen in das Metropolitan Museum of Art in New York gegangen, um die schöne Neapolitanische Weihnachtskrippe anzusehen. Wie das immer so ist, wurden wir natürlich von Mumien und Tempeln und Skulpturen abgelenkt, als wir angekommen waren und hatten kaum Zeit für die Krippe. Während wir durch die Halle mit europäischen Skulpturen schlenderten, wurden wir von Antonio Canovas Perseus mit dem Kopf von Medusa verzaubert. Wir hatten in der Vergangenheit die Sage von Perseus mehrfach gelesen und die Kinder erkannten diese Darstellung des Helden sofort. Meine Tochter war entzückt davon, dass Perseus einen Helm trug aber mein Sohn war ziemlich aufgebracht darüber, dass er offensichtlich das entscheidende Geschenk von Athene vergessen hatte: das spiegelnde Schild. Während die Zwillinge also über die Genauigkeit der Darstellung diskutierten, liefen zwei Männer vorbei. Einer sagte zum anderen: „Oh, hey, das ist eine Statue von diesem Typen aus dieser Sage.“ Meine Tochter bekam das mit und antwortete leise „Perseus“, aber die Männer hörten sie nicht. Der zweite Mann sagte „Ja, das ist der Typ, der die Medusa umgebracht hat. Wie hieß er doch gleich?“ Die Männer standen schweigend da und kratzten sich eine Weile am Kopf. „Perseus“, sagte meine Tochter etwas lauter, aber sie wurde wieder ignoriert. „Perseus!“ rief der erste Mann nach einer langen Pause und meine Tochter drehte sich zu mir um und sagte: „Ich hab ihm gesagt, dass es Perseus ist, aber er hat mir nicht zugehört.“

„Er hat mir nicht zugehört.“ Ich konnte die Worte meiner Tochter hören, als ich den kürzlich erschienenen Artikel über Kinder im Museum von Tiffany Jenkins mit dem Titel „Children Should Be Seen and Not Heard.“ (Kinder sollten zu sehen, aber nicht zu hören sein) las. Die Autorin behauptet, dass Museen in den letzten Jahren zu kinderfreundlich geworden sind und macht geltend, dass dies eine Verschwendung von Finanzmitteln sei, da sie glaubt, dass Kinder nicht in der Lage sind, wirklich von den ausgestellten Sammlungsstücken profitieren zu können. Der Artikel kritisiert die Einbeziehung von Kindern in Museen so stark, dass es sich fast wie eine Satire liest. Fast.

Children discovering the secret of calculating machines in the TECHNOSEUM in Mannheim/Germany. TECHNOSEUM, Bild Klaus Luginsland

Kinder entdecken die Geheimnisse von Rechenmaschinen im TECHNOSEUM in Mannheim. TECHNOSEUM, Bild Klaus Luginsland

Ja, Kinder sind oft laut in Museen. Ja, manchmal rennen sie, obwohl sie gehen sollten. Ja, manchmal fassen sie etwas an, was sie nicht sollten. Trotzdem werden Kinder ins Museum gebracht, um etwas zu lernen und dieses Lernen umfasst mehr als wer was wann gemacht hat. Kinder ins Museum zu bringen lehrt sie, dass diese Institutionen einen Wert haben und dass die Menschen, die dort arbeiten einen Wert haben. Mit Hilfe eines engagierten Museumspädagogen können sie vielleicht sogar lernen, wie man sich in Ausstellungen verhält, aber selbst wenn nicht, wird die Saat für späteres Wachstum gepflanzt. Studien des National Endowment for the Arts weisen darauf hin, dass es eine ganze Reihe von Vorteilen bringt, wenn man Kinder mit Kunst vertraut macht und dass Kinder aus Familien aus den unteren Einkommensschichten ganz besonders davon profitieren.

Die Behauptung von Frau Jenkins, dass Museen zu kinderfreundlich geworden sind, kann man unmöglich unterstützen. Ich habe über die Jahre für verschiedenen Museen gearbeitet und viele verschiedene Museen in verschiedenen Ländern besucht. Nicht einmal habe ich geglaubt, dass ein Museum zu kinderzentriert war. Neulich habe ich das Smithsonian’s Air and Space Museum besucht, das in den Vereinigten Staaten als eine Art Mekka für die Kleinen angesehen wird. Flugzeuge und Raumschiffe hängen von der Decke und es gibt Experimente und Videos überall auf der Ausstellungsfläche. Überall sind Kinder und viele Dinge, die sie anfassen und darauf herumklettern können. Wenn man irgendeinem Museum vorwerfen könnte, dass es übermäßig auf Kinder zugeschnitten ist, dann diesem. Allerdings habe ich an jedem Experiment wenigstens genau so viele Erwachsene wie Kinder gesehen. Großväter haben ihren kleinen Begleitern berühmte Flugzeuge gezeigt und Kinder haben wiederholt von ihren Eltern wissen wollen „Was steht da? Was ist das?“ Natürlich war es laut, aber in jeder Ecke und jedem Winkel dieser Ausstellung wurde gelernt, und zwar von Besuchern jedes Alters. Ich habe keinen Zweifel, dass wenigstens einige dieser Kinder als Erwachsene wiederkommen und ihre Erfahrungen mit ihren Kindern und Enkeln teilen werden.

Hand papermaking at the TECHNOSEUM in Mannheim/Germany TECHNOSEUM, Bild Hans Bleh

Papierschöpfen im TECHNOSEUM in Mannheim. TECHNOSEUM, Bild Hans Bleh

Wenn unsere Museen nicht für Kinder sind, für wen dann? Sind wir nicht in diesem Berufszweig um Kunst, Kultur und Geschichte für kommende Generationen zu erhalten? Für die, die hinter den Kulissen mit den Sammlungen arbeiten ist es leicht zu glauben, dass wir nichts damit am Hut haben unsere jüngsten Bürger ins Museum zu locken. An irgendeinem Punkt in unserer Karriere haben die meisten von uns gesagt „Oh, ich bin nicht wirklich ein Ausstellungsmacher und/oder ein Museumspädagoge.“ Aber wir, die wir die Dinge erhalten sind Teil der Bildungsmission und es liegt in unserem ureigensten Interesse, dass sie gelingt. Wenn wir unseren Jüngsten nicht beibringen, dass es wichtig ist, was wir tun, dass all das alte Zeug, um das wir uns kümmern, einen Wert hat, dann werden wir alle keine Arbeit mehr haben, wenn diese nächste Generation herangewachsen ist und Frau Jenkins wird ganz ohne ihren „Palast des Wissens“ dastehen. Das nächste Mal wenn wir eine laute Gruppe von Schulkindern durch eine Ausstellung gehen hören, sollten wir vielleicht dankbar sein, dass jemand genügend daran gelegen ist, sie mitzubringen. Und dann können wir auch dafür sorgen, dass sie nichts anfassen, was sie nicht sollten.

Wenn Sie auf die Auflösung des Registrars-Trilemmas gewartet haben, warten Sie bitte noch eine Woche, am 17. Januar verraten wir, wie es ausgegangen ist.

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Der Registrar bei Leihen ist…

von Derek R. Swallow
Registrar am Royal BC Museum

…Jongleur/in, Mediator/in, Kapellmeister/in, Regler/in, ultimative/r Sammlungsverwalter/in, Yogameister/in, Risikomanager/in, Zollagent/in, Transportkoordinator/in, Ausstellungstechniker/in, Bestandskontrolleur/in, Diplomat/in, Bürokrat/in, Rechtsberater/in, Kommunikationsknotenpunkt, Papierkriegsdiva oder -divo und Hirte/Hirtin: Das sind alles Begriffe, die die Tätigkeiten von Registraren bei Leihvorgängen beschreiben.

Der Grundgedanke dieses Artikels ist das Verständnis für die Rolle des Registrars zu erweitern, indem die oben genannten Fähigkeiten mit konkreten Arbeitsaufgaben verknüpft werden. Diese Fähigkeiten bestehen aus vier Kategorien: mentale Veranlagung, kommunikative und organisatorische Belastbarkeit, Fähigkeiten der Sammlungsverwaltung und Dokumentationsfähigkeiten.

I’ve got this under control, I think?

Ich habe das unter Kontrolle, glaube ich?
Image I-27378 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Multi-tasking, die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun oder im Blick zu halten ist eine Veranlagung, die „Jongleure“ und Registrare gleichermaßen besitzen müssen. Gleichzeitig verschiedene Leihvorgänge betreuen, die sich in verschiedenen Stadien des Gesamtablaufs befinden und unterschiedliche Komplexitätsgrade aufweisen gleicht der Aufgabe eines Jongleurs, der den Fluß verschiedener Objekte verschiedener Größe und unterschiedlichen Gewichts in der Luft halten muss, ohne dass eines davon herunter fällt. Wie ein „Yogameister“ ist die Grundeigenschaft des Registrars, dass er oder sie Ruhe bewahrt und diese auch ausstrahlt und das in diesem Fall unter hoher beruflicher Belastung, flexibel zwischen verschiedenen Leihvorgängen hin- und herwechselnd, getrieben von sich ständig ändernden Prioritäten im Ablauf der Leihvorgänge.

Okay, I guess we’re not on the same page yet.

Okay, ich glaube, wir sind noch nicht ganz auf dem gleichen Stand
Image C-04790 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Aus der Rolle des Kommunikators erwächst die Rolle des „Mediators“. Der Registrar trägt dazu bei, dass Probleme zwischen Teammitgliedern des Ausleihteams, der eigenen Institution und dem Leihnehmer oder Leihgeber gelöst werden. Das Taktgefühl, das hierbei von Nöten ist, entspricht dem eines „Diplomaten“. Um den Fluß der richtigen Informationen and die richtigen Stellen zu ermöglichen, wird der Registrar zum „Kommunikationsknotenpunkt“, er oder sie ist der eine Ansprechpartner für die Institution und der Kommunikationskanal, der Fragen, Antworten und Informationen vom Leihnehmer zum Ausleihteam weiterleitet und umgekehrt.


In seiner Funktion als Organisator konzentriert sich der Registrar sowohl auf das große Ganze, so dass der Leihvorgang am Laufen gehalten wird, verliert aber auch die Details nicht aus dem Auge, so dass an keiner Stelle ein wichtiger Schritt vergessen wird.

The loans team at the ready. Image   C-02802  courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Das Ausleihteam am Start.
Image C-02802 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Dies entspricht der Rolle des „Hirten“, der die Herde zusammenhält, sie vorantreibt und aufpasst, dass kein Gruppenmitglied auf der Reise verloren geht. Als „Kapellmeister“ agiert der Registrar wie ein Dirigent, der alle Beteiligten des Leihverkehrs harmonisch zusammenspielen lässt, seinen Teammitgliedern oder dem Leihnehmer das Zeichen zum Einsatz gibt, wenn es Zeit ist, aktiv zu werden. Die Fähigkeiten des „Hirten“ und des „Kapellmeisters“ unterstützen die Tätigkeit des „Projektmanagers“, der sicherstellt, dass alle Schritte mit dem effizientesten Zeit- und Arbeitseinsatz abgearbeitet werden, so dass alle Deadlines eingehalten werden können.

So what were those crate dimensions again?

Wie groß sollte die Transportkiste nochmal werden?
Image B-03338 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Der Registrar übernimmt auch die allumfassende Rolle des „ultimativen Sammlungsverwalters“. Sie kann so definiert werden: weitgehendes Wissen zum Umgang mit Sammlungen und Erfahrung im Umgang mit allen Sammlungstypen, die in seinen Aufgabenbereich fallen. Unterstützt von Restauratoren und auf ihren Bereich spezialisierten Sammlungsmanagern sorgt diese Fähigkeit dafür, dass alle Vorgaben und Handlungsanweisungen korrekt beachtet werden, so dass bei der Ausleihe die speziellen Bedürfnisse jedes erdenklichen Objekts aus jeder erdenklichen Sammlung beachtet werden. Wenn die Leihgaben für den Transport vorbereitet werden, ermöglicht das Wissen, das der Registrar als „Ausstellungstechniker“ hat, den Verpackungsprozess zu überwachen und wenn nötig einzugreifen, damit das geliehene Objekt auf die bestmögliche Art und Weise mit dem bestmöglichen Schutz transportiert wird.

Perhaps we should find a new artefacts transport company.

Vielleicht sollten wir doch eine andere Kunstspedition beauftragen.
Image B-07174 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Das leitet über zu den Aufgaben des Registrars als „Transportkoordinator“, der nur solche Transportspeditionen beauftragt, die die optimalen Sicherheitsvorkehrungen und Transportbedingungen bieten können. Der Registrar als „Risikomanager“ sucht Unternehmen aus, die Verpackung und Transport in wirklicher Museumsqualität im besten Sinne des Wortes anbieten. Zu dieser Rolle gehören noch weitere Verantwortlichkeiten: sicherzustellen, dass Leihobjekte zum korrekten, aktuellen Wert versichert sind und dass die ausleihende Institution die internationalen Standards in Bezug auf klimatische Bedingungen, Gebäudesicherheit, Sicherheitstechnik, Sicherheitspersonal, qualifiziertes Sammlungspersonal, etc. erfüllt. Als „Regler“ veranlasst der Registrar die Beschaffung von Dokumenten und Informationen, die zum Risikomanagement gehören, wie z.B. Versicherungsbestätigungen, Facility Reports 1, usw. Der „Bestandskontrolleur“ ist eine weitere Facette des Risikomanagements, alle Leihobjekte werden kontrolliert wenn sie ankommen oder herausgegeben werden, sei es nun eine Leihnahme oder eine Leihgabe und natürlich werden alle Standortveränderungen dokumentiert, wenn die Leihnahmen im Hause sind.

You don’t have the loan agreement signed. I see.

Sie haben also keinen unterschriebenen Leihvertrag dabei. Aha.
Image C-04362 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Bevor eine Leihe die Institution verlassen kann, um ans andere Ende der Stadt, des Landes oder ins Ausland zu kommen, kommt der Aspekt des „Rechtsberaters“ im Registrar zu tragen. Juristisch verbindliche Dokumente wie Leihverträge werden erstellt und andere wichtige Dokumente, wie z.B. CITES-Zertifikate 2 oder andere Genehmigungen werden angefordert. Die Regelungen und erforderlichen Dokumente für den Im- und Export zu kennen und zu verstehen ist die Aufgabe des „Zollagenten“ im Registrar. Das Beschaffen und sichere Aufbewahren all dieser wichtigen Dokumente macht den Registrar zum „Dokumentar“ und „Papierkriegsdiva“ und das unnachgiebige Festhalten an präzisen Regeln erfordert, dass er auch ein guter „Bürokrat“ ist.

Die eben beschriebenen Fähigkeiten sind weder vollständig noch gehören sie ausschließlich zur Rolle des Registrars. Verschiedene Kombinationen dieser Fähigkeiten gehören zu vielen Berufen. Das komplette „Paket“ dieser Fähigkeiten macht jedoch die Rolle des Registrars einzigartig.

Also, sind wir Meister in allen diesen genannten Fähigkeiten? Ich bin es sicherlich nicht. Ich habe den erforderlichen akademischen Hintergrund, gefestigt und gemäßigt durch die Ausbildung direkt im Beruf und mit mehr Erfahrung, so denke ich, wächst die Befähigung. Ralph Waldo Emerson schrieb: “The years teach much which the days never know.” („Die Jahre lehren viel, was die Tage niemals wissen werden.“)

I’m serious. Don’t mess with the collection                 Image   C-02996 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Ich meine es ernst. Macht keinen Unsinn mit unserer Sammlung.
Image C-02996 courtesy of Royal BC Museum, BC Archives

Trotz meiner über dreißigjährigen Karriere im Sammlungmanagement von Kunst, ethnologischen, zeitgeschichtlichen und naturkundlichen Sammlungen, mit Aufgaben als Ausstellungstechniker, Kurator, Bewahrungsspezialist und Registrar, lerne ich immer noch neue Dinge und verfeinere meine Fähigkeiten. Für mich waren die Jahre der praktischen, weniger der akademischen, Erfahrungen die besten, manchmal die einzigen Lernprogramme. Am Anfang meiner Karriere lernte ich zum Beispiel indem ich als Ausstellungstechniker zusammen mit einem Veteranen in diesem Beruf arbeitete. Ich machte viele Fehler, aber diese führten oft zu einmaligen Lernerfahrungen. Mark Twain hat einmal gesagt “A man who carries a cat by its tail learns something he can learn in no other way.” („Ein Mann der eine Katze am Schwanz trägt lernt etwas, das er auf keine andere Art und Weise lernen kann.“)

Es gibt noch eine hervorstechende Fähigkeit, die ich oben nicht erwähnt habe. Vielleicht sollte man es besser eine Besessenheit nennen. Wir setzen uns verbissen für die Sammlungsstandards unserer Institution ein. Wir sind in unserem Berufsbild als Registrare darauf trainiert, uns an hohe ethische Standards zu halten und unsere professionellen Fähigkeiten auf ein immer höheres Niveau zu bringen. Das ist eine gute Sache. Um es mit einem Zitat zu sagen, das Michelangelo zugeschrieben wird: “The greatest danger for most of us lies not in setting our aim too high and falling short, but in setting our aim too low and achieving our mark.” („Die größte Gefahr für die meisten von uns besteht nicht darin, dass wir unsere Ziele zu hoch stecken und sie dann verfehlen, sondern darin, dass wir unsere Ziele zu niedrig setzen und sie erreichen.“)

Dieser Beitrag ist auch auf Polnisch erhältlich, übersetzt von Natalia Ładyka, die Übersetzung erschien zuerst auf dem Blog der Vereinigung der Polnischen Museumsregistrare http://inwentaryzatorzy.blogspot.de/.

  1. hierfür gibt es keine gute deutsche Entsprechung, der Begriff hat sich im deutschen Museumswesen eingebürgert. Der Facility Report einer Institution umfasst Angaben zur Gebäudekonstruktion, klimatischen Bedingungen, Sicherheitseinrichtungen, usw. die für die Zu- oder Absage von Leihgaben entscheidend sein können. Anm. d. Übers.
  2. CITES = Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, deutsch: Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen
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Sammlung und Ausstellung – eine symbiotische Beziehung

von Anne T. Lane

Eine Ausstellung aufbauen ist Teamarbeit. Dank an Matt Leininger fuer das Foto.

Eine Ausstellung aufbauen ist Teamarbeit. Dank an Matt Leininger für das Foto.

Eine Ausstellung kommt auf unterschiedlichem Wege zustande. Normalerweise steht am Anfang die Idee und die Texte und Exponate kommen hinzu, um die Idee zu unterstützen. Manchmal verkörpert ein Objekt oder eine Gruppe von Objekten die Ausstellungsidee und der Rest der Ausstellung entsteht um das Objekt herum. Manchmal, zum Beispiel weil die Ausstellung bombensicher oder transportabel sein muss, besteht die Ausstellung nur aus Texten und Bildern und Bilder von Objekten unterstreichen die Ausstellungsidee. Egal ob die Objekte Teil der eigenen Sammlung sind oder von anderen Institutionen oder Einzelpersonen ausgeliehen werden müssen, die Sammlungsabteilung wird schon ganz früh in den Ausstellungsprozess einbezogen.

Mögliche Kandidaten für die Ausstellung herauszufinden ist zunächst Recherchearbeit in der eigenen Datenbank oder in den Beständen von potentiellen Leihgebern. Eine Liste mit möglichen Objekten wird an die Sammlungsmitarbeiter gegeben, die sie heraussuchen, damit der Ausstellungsmacher und der Ausstellungsdesigner sie sich ansehen können. Jedes Objekt wird nicht nur danach beurteilt, wie gut es die Geschichte erzählt, sondern auch nach seinem Zustand und wie gut es mit den Gefährdungen zurecht kommt, denen es während des Ausstellungsbetriebes ausgesetzt sein wird, wie z.B. Transporte und Lichtbelastung. Manchmal sind Größe und Gewicht einschränkende Faktoren, oder auch davon, ob ein Objekt gut genug vor den Zugriff von Besuchern geschützt werden kann, die den Schaden, den ihre Berührungen hervorrufen gar nicht absehen können.

Wenn die Wahl getroffen ist, ist eine ganze Reihe von Schritten erforderlich, um das Objekt auf die Ausstellung vorzubereiten. Zustandsprotokolle werden geschrieben oder auf den neuesten Stand gebracht, inklusive einer vollständigen Fotodokumentation. Der Ausstellungsdesigner muss die Größen und Beleuchtungsanforderungen kennen, damit er entscheiden kann, welche Vitrinen er braucht und wohin er die Objekte platzieren kann. Er muss auch wissen, ob manche Objekte wegen ihrer Empfindlichkeit während der Ausstellungsdauer ausgetauscht werden müssen. Die Sammlungsmitarbeiter müssen im Gegenzug entscheiden, welche Halterungen und Stützen gebaut werden müssen, damit das Objekt sicher ausgestellt werden kann. Sowohl die Ausstellungsmacher als auch die Sammlungsmitarbeiter müssen ein tiefgreifendes Wissen darüber haben, welche Materialien für Ausstellungszwecke verwendet werden dürfen. Dies betrifft nicht nur Vitrinen, Sockel und Beschichtungen, sondern auch Beschriftungstafeln, Tinten und Klebstoffe.

Just in case... the registrar makes sure the lights are alright. Thanks to Abbi Kaye Huderle for the picture

Alles im Kasten? Die Registrarin kümmert sich um die richtige Beleuchtungsstärke. Dank an Abbi Kaye Huderle für das Bild.

Der Ausstellungsaufbau ist immer ein gemeinsames Projekt. Damit alles reibungslos abläuft, müssen alle wissen, wann welches Stück wo platziert wird. Mitarbeiter und Ehrenamtliche arbeiten beim Transport der Objekte zwischen Depot und Ausstellung zusammen, räumen den Weg frei und öffnen und schließen Türen je nach Bedarf. Sobald das erste Objekt auf der Ausstellungsfläche ist, muss immer jemand vor Ort sein, um Unbefugten den Zutritt zu verwehren. Halterungen und Isoliermaterial werden aufgebaut, Objekte platziert und die Beleuchtung eingerichtet. Ausstellungsmitarbeiter auf der Leiter, Sammlungsmitarbeiter am Boden regeln und kontrollieren die Beleuchtungsstärke, damit sie so ist, dass das Objekt gut ausgeleuchtet, aber nicht durch zu viel Licht gefährdet ist. Das Wohlergehen der Öffentlichkeit muss ebenfalls berücksichtigt werden, denn ein strahlend helles Licht, das direkt in die Augen der Besucher am anderen Ende des Ausstellungsraums scheint ist ein böses Foul. Ein letztes Wischen über die Plexiglasvitrinen und die Eröffnung kann kommen.

Auch nachdem die Ausstellung eröffnet ist müssen Ausstellungs- und Sammlungsmitarbeiter regelmäßig überprüfen ob die Vitrinen sauber sind, dass sich nichts verschoben hat, dass die Besucher keine Möglichkeit gefunden haben, an die Objekte zu kommen und dass die Beleuchtungsstärken eingehalten werden. Die Sammlungsmitarbeiter überprüfen auch regelmäßig, ob es Hinweise auf Schädlingsbefall gibt. Wenn irgendetwas schief läuft, wird das sofort der zuständigen Abteilung gemeldet, die mit so wenig Störung der laufenden Ausstellung wie möglich für Abhilfe sorgt.

Dieser Beitrag ist auch auf französisch erhältlich, übersetzt von Marine Martineau, in russisch, übersetzt von Arina Miteva und in italienisch, übersetzt von Silvia Telmon.

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Unterwegs mit Noahs Gehilfen

skeletons_anika.-08 by Klaus Pichler

© Klaus Pichler

Als ich zum ersten Mal Fotos aus dem Projekt „Skeletons in the Closet“ von Klaus Pichler sah, war ich überwältigt. Da hatte jemand genau das gemacht, was ich und sicherlich viele meiner Kollegen schon oft gedacht hatten: DAS sollte man fotografieren. Die schönen und absurden Kompositionen, die sich dort ergeben, wo Sammlung und tägliche Museumsarbeit aufeinander treffen. Vorsichtig fragte ich bei dem Wiener Fotografen an, ob wir vielleicht ein paar Bilder zusammen mit einem Text über das Projekt auf unserem Blog veröffentlichen dürften? Die Antwort war sehr positiv: nicht nur das, er würde auch speziell für uns einen Text schreiben darüber, wie er die Zusammenarbeit mit uns Registraren während seiner Arbeit erlebt hat. Viel Vergnügen.

skeletons_anika.-21 by Klaus Pichler

© Klaus Pichler

Es ist jetzt mehr als vier Jahre her, seit ich für meine Fotoserie ‚Skeletons in the Closet‘ zum ersten Mal in den nichtöffentlichen Räumlichkeiten des Naturhistorischen Museums Wien fotografieren durfte. Dennoch kann ich mich an meinen ersten Ausflug durch die Keller, Depots und Lagerräume erinnern, als wäre es gestern gewesen.

Zur Vorgeschichte: ich bin auf dem Land aufgewachsen, und wann immer ein Besuch in Wien anstand, war ein Besuch im Naturhistorischen Museum Wien Pflicht. In diesem Sinne hat die Tatsache, dass ich jetzt, als erwachsener Mensch, in den ‚privaten‘ Räumen des Museums fotografieren durfte, einen sentimentalen Gehalt.

skeletons_anika.-17 by Klaus Pichler

© Klaus Pichler

Zurück zum Eigentlichen: der erste Besuch auf der Hinterbühne war faszinierend: für mich war es eine Mischung aus dem Film ‚Nachts im Museum‘ und dem Anblick der Arche Noah, deren Türen soeben geöffnet worden sind: Tiere über Tiere, Schulter an Schulter, in ihren Posen erstarrt, tot, aber höchst lebendig. Und mittendrinnen die Registrare, die mich mit großer Kenntnis durch die Tierherden führten, mit jedem Winkel der riesigen Lagerflächen vertraut waren und mir eine wichtige Orientierungshilfe waren. Ohne deren Hilfe wäre ich wohl noch immer in den Kellern des Museums, hilflos verirrt in den Gangfluchten.

skeletons_anika.-03 by Klaus Pichler

© Klaus Pichler

Es ist mir noch in lebhafter Erinnerung, welche Vorfreude ich ihnen anmerkte, wenn sie im Begriff waren, mir eine neue Türe zu einem noch nicht besichtigten Raum aufzusperren, wohl wissend, welch besonderer Anblick sich dahinter verbirgt. Ebenso, wie schnell die Antwort kam, wenn ich eine Detailfrage zu einem bestimmten Exponat hatte, und die Begeisterung, die ich in ihren Ausführungen spürte. Oft hatte ich den Eindruck, dass die Registrare zu den Exponaten eine fast schon freundschaftliche Beziehung aufgebaut hatten und sich inmitten ihrer ‚Familie‘, oft vier Etagen unter der Erde, sehr wohl fühlten.

skeletons_anika.-10 by Klaus Pichler

© Klaus Pichler

Imponiert hat mir der Stolz der Registrare über ein bestimmtes Exponat, etwa einen ausgestopften Blaubock, der seit langem ausgestorben ist und von dem es weltweit nur mehr eine handvoll Exemplare gibt. Oder der Eifer, der in einem Raum spürbar war, in dem bereits pensionierte Registrare freiwillig und ehrenamtlich (!) ihre Zeit damit verbrachten, die Herbarien der Botanischen Abteilung zu restaurieren.

Ich kann nur sagen, dass meine Fotoserie wohl nur die Hälfte des Umfangs hätte, wenn ich nicht Tipps und Empfehlungen von den Registraren bekommen hätte, wo besonders spezielle Exponate gelagert sind oder wo es noch verborgene Winkel gibt, in denen ich auf die Suche nach Motiven gehen konnte. Dafür gebührt den vielen Abteilungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die mich durch mein Projekt geleitet haben, großer Dank.

Klaus Pichler

Buch: ‚Skeletons in the Closet‘, Fotos von Klaus Pichler, Texte von Klaus Pichler, Julia Edthofer und Herbert Justnik, englische Ausgabe, Erscheinungstermin: 15. Juni 2013, limitiert auf 750 Exemplare (handnummeriert), Hardcover, gebunden, 112 Seiten, 63 Abbildungen. Preis: € 30,- plus Porto. Beziehbar über die Website von Klaus Pichler.

Diesen Beitrag gibt es auch in Zulu und Ndebele , übersetzt von Phineas Chauke

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Zwei Wege, ein Ziel

picture by THX0477„Registrar Trek. Die Nächste Generation“ entstand dadurch, dass Fernando und ich jeweils einen Artikel über die Arbeit von Registraren schrieben. Ohne voneinander zu wissen, aus zwei unterschiedlichen Richtungen kommend, ja, von zwei unterschiedlichen Kontinenten und Werdegängen. Fernando veröffentlichte sie Seite an Seite in der Rubrik „Reden wir über…“ der ILAM Website. Jetzt haben wir wieder die Gelegenheit ergriffen, ein Thema von zwei verschiedenen Seiten anzugehen: Fernando zum Thema der Erfassung von Zeitgenössischer Kunst, Bernd und ich zur Erfassung von technischen Objekten. Zwei Wege, ein Ziel: Gedanken austauschen und Kollegen inspirieren.

 
Erfassung von Möbeln und Elektrogeräten: Zeitgenössische Kunst (Video-Skulpturen, Multimedia, Installationen)
Fernando Almarza Rísquez

Mit dem augenzwinkernden Humor des Registrars könnte man die amüsante – aber durchaus ernst gemeinte – Arbeitshypothese aufstellen, dass die Dokumentation von einigen zeitgenössischen Kunstwerken den Umgang mit Elektrogeräten und Möbeln bedeutet. Aber in Wirklichkeit hat hier das künstlerische Talent neue Wege beschritten, die Suche nach Originalität und Wohlgefallen der Modernen Kunst transzendiert und andere, dynamische Formen der Sinnlichkeit, Kommunikation und Ansprache der Sinne gefunden. Lasst uns also die Arbeitshypothese umformulieren: diese künstlerischen Ansätze sind mehr als Möbel und Elektrogeräte. Ergo ist auch die Dokumentation dieser Werke viel mehr als die Dokumentation von Möbeln und Elektrogeräten. Weiter…

 
Haushaltsgeräte, Möbel und darüber hinaus – Technische Objekte erfassen
Angela Kipp, Bernd Kießling

Wenn man als Registrar arbeitet, hält man es oft für selbstverständlich, dass man weiß, was Registrare in anderen Museen tun. Wenn man sich dann aber mit den Kollegen unterhält, stellt man oft fest, dass manche Dinge gleich sind, aber andere sehr verschieden. Als Fernando uns erzählte, dass er einen Artikel über die Erfassung zeitgenössischer Kunst vorbereitet, nahmen wir die Herausforderung an, einen Artikel über die Erfassung von technischen Objekten zu schreiben. Also, wenn Sie normalerweise mit Kunst zu tun haben: lassen Sie sich von uns in das Wunderland der Technik entführen. Wenn Sie mit Technik befasst sind: schauen Sie uns über die Schulter und sagen Sie Bescheid, wenn wir etwas wichtiges vergessen haben sollten.Weiter…

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Erfassung von Möbeln und Elektrogeräten: Zeitgenössische Kunst (Video-Skulpturen, Multimedia, Installationen)

Mit dem augenzwinkernden Humor des Registrars könnte man die amüsante – aber durchaus ernst gemeinte – Arbeitshypothese aufstellen, dass die Dokumentation von einigen zeitgenössischen Kunstwerken den Umgang mit Elektrogeräten und Möbeln bedeutet. Aber in Wirklichkeit hat hier das künstlerische Talent neue Wege beschritten, die Suche nach Originalität und Wohlgefallen der Modernen Kunst transzendiert und andere, dynamische Formen der Sinnlichkeit, Kommunikation und Ansprache der Sinne gefunden.

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Kunstinstallation zur Paarkommunikation (Museum für Kommunikation, Berlin). (Bild: dalbera from Paris).

Lasst uns also die Arbeitshypothese umformulieren: diese künstlerischen Ansätze sind mehr als Möbel und Elektrogeräte. Ergo ist auch die Dokumentation dieser Werke viel mehr als die Dokumentation von Möbeln und Elektrogeräten. Wenn sie Eingang in eine Museumssammlung finden, sind ganz andere Anforderungen an den Registrar gestellt, ebenso wie sie Wissenschaftler und Restauratoren vor neue Herausforderungen stellen. Tatsächlich wird der Registrar direkt mit diesen wissenschaftlichen und restauratorischen Belangen konfrontiert.

Globusboissier

Jean-Louis Boissier. Globus oculi, video-interaktive Installation. 1992-1993.

Pipiloti Rist

Himalaya Goldsteins Stube, (Himalaya Goldstein’s Living Room), 1999
Audio/Videoinstallation mit 13 Videoprojektionen, 11 Abspielgeräten, orangenem Sessel, rotem Sofa, Tischlampe, hohem Sideboard, niedrigem Sideboard, Stuhl, Tisch und Bar (alle mit eingebauten Abspielgeräten), Lampem, auf Holz aufgezogener Tapete, Audiosystem, 4 Lautsprechern. (Installation von Pipilotti Rist, Kunsthalle Zürich; photo von Alexander Tröhler)
Dieses Kunstwerk macht dem Registrar Freude …

Auf den Punkt gebracht: Was ist zeitgenössische Kunst?

Das sind Kunstwerke, die stilistisch als „zeitgenössische Kunst“ klassifiziert sind und darunter beschäftige ich mich hier mit Installationen, Skulpturen, Videos, Multimedia, Rauminszenierungen, ephemerer Kunst und Performancekunst. Definiert durch ihre Entstehungszeit (in den letzten etwa 60 Jahren) und anderen Reden, Diskussionen, Deutung und Umdeutung, Räumlichkeit und Kontextunterscheiden sie sich von moderner Kunst und brechen mit den herkömmlichen ästhetischen Codes.
Moderne Kunst hat bestimmte Implikationen, aber zeitgenössische Kunst hat mehr technische und technologische Implikationen, ästhetische und konzeptionelle Bedeutungen: sie muss als ein Objekt in einem erweiterten Kontext dokumentiert werden. Der Registrar benötigt zusätzliche Kriterien für eine ordentliche Dokumentation in Hinblick auf Inventarisierung, Katalogisierung und Kontrolle dieser Kunstwerke, wenn sie Teil einer Museumssammlung werden. Für diese Art von Kunstwerken ist das klassische Konzept der „technischen Daten“ zu beschränkt. Zeitgenössische Kunst hat weit darüber hinausgehende Problematiken, die erkannt und in den Registrierungsprozess mit einbezogen werden müssen, um dann auch Eingang in die Datenbank zu finden: Etiketten, kontrollierte Schlagworte, die Möglichkeit, spezielle Begrifflichkeiten in Freitextfeldern aufzunehmen, Taxonomy und Umgangssprache, konzeptionelle Bezüge, Andeutungen und Erwartungen des Künstlers, Maßangaben, die eventuell komplexere Meßgeräte als einen Zollstock erfordern, spezielle Lagerungs- und Präsentationsfragen, usw. Diese zusätzlichen Kriterien erlauben eine bessere Erfassung der materiellen Dimension durch erweiterte technische Daten und der abstrakten Dimension durch möglichen Bedeutungen. Es gibt Handreichungen für die Erfassung dieser Sammlungsgüter, unter anderem: In Lateinamerika herausgegeben von DIBAM in Chile und COLCULTURA in Kolumbien; in Kanada von Institutionen wie dem Canadian Heritage Information Network (CHIN) und in Spanien vom Dirección Estatal de Museos [hier sind die deutschen Kollegen, die sich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen gefragt: da gibt’s doch bestimmt auch etwas deutschsprachiges… Anmerkung der Übersetzerin].

Ein Registrar für zeitgenössische Kunst

Seit Jahren bezeichne ich den Registrar in Museumssammlungen als Vor-Kurator und als wieder-aufgeladen. Dies ist der führende Profi wenn es darum geht, Daten auf Papier und Datenträgern zu managen und hier geht es um nichts weniger, als lineare Texte in Papierform in den Computer zu übertragen und dadurch nonlineare Hypertextinformation zu schaffen, richtig zu verwalten und zugänglich zu machen. Dieser Registrar erfasst technische Daten mit den richtigen Kriterien, die die erweiterten Informationen mit einschließen, bis hin zu gewissenen Ebenen der Bedeutung, Beziehungen und Kontexten. Diese Erfassungstiefe ist erforderlich, da diese Kunstwerke kulturelle Schöpfungen sind und diese Elemente von Bedeutung-Beziehung eben in diesem Fall auch als technische Daten der Erfassung zu betrachten sind. Also, ein Registrar, der ein wiederaufgeladener Vor-Kurator ist, arbeitet wesentlich aktiver als früher mit Kuratoren und Wissenschaftlern zusammen, ohne dass er natürlich in andere Reviere eindringt – er erweitert nur sein eigenes innerhalb des Museums. Das ist ein wichtiger Schritt, der Registrar ist nicht mehr der bloße Abschreiber von technischen Informationen, sondern wird ermutigt, mehr Einsatzmöglichkeiten und Kriterien zu erkennen.
Wenn man einige „Klassiker“ der Literatur zur Registrierung, die vor dreißig Jahren geschrieben wurden, zu Rate zieht, wird man Unterschiede erkennen: Im letzten Absatz des im Original spanischen Textes von Concha Vela mit dem Titel “El Departamento de registro del MoMA” [Die Registrierungsabteilung des MoMA], in den 1980ern geschrieben, lesen Sie: „der Registrar muss sich mit den physischen Aspekten der Kunst beschäftigen, nicht den ästhetischen“. Aber vorsicht! In der zeitgenössischen Kunst beziehen sich die ästhetischen Aspekte nicht einfach auf das „Schöne“, sie beziehen sich auch auf die Sprache der Kunst, ihre Codes, ihre Bedeutungen, ihre Sinne. Das Material und die Abstraktionsebene sind hier untrennbar miteinander verbunden.

Der Registrar als Vor-Kurator erfasst Kunstobjekte, ihre Bedeutung und Ästhetik als Teil von erweiterten technischen Daten. Und bei zeitgenössischer Kunst erfasst sie oder er eben auch die Fernseher, Computer, Wiedergabegeräte, Stühle und Tische aus denen manche dieser Installationen oder Anordnungen bestehen, genauso wie die Zusammenhänge. Aber der Registrar muss nicht nur diese Materialien und technischen Komponenten eines zeitgenössischen Kunstwerks dokumentieren. Zeitgenössische Kunst (nicht im Sinne der „Schönen Künste“) zu erfassen impliziert, dass man „künstlerisch ungeborene“ Objekte erfasst. Ebenso, wie rein virtuelle Kunst erfasst wird (oder: digital geborene Kunst), nicht materielle Kunst, die „nicht existiert“, wenn es keinen Computer, Software und Monitor gibt, um sie abzuspielen.

Also: wie und was werden wir registrieren?

Bei der Verleihung des Turner Prize 2010 zeichneten Kunstkritiker und Künstler in Großbritannien Susan Philipsz aus. Das ausgezeichnete Werk ist ein Video in dem sie traditionelle Schottische Lieder singt, in drei Szenen, jedes unter einer anderen Brücke in London. Man kann dieses Video, „Songs of the City„, auf Youtube finden. Das Video gehört der Tate Gallery in London.

Nun, wenn das selbe Werk in unserem Büro in der Registrarabteilung ankommt, wie gehen wir vor und was dokumentieren wir? Ein Video? Eine Musikdarbietung? Eine Installation? Ein virtuelles oder ephemeres Kunstwerk? Eine Landschaft „Brücken in der Stadt“ oder „Die Themse“? Was wäre das „Bild“ dieses Kunstwerks, eines oder jedes einzelne Photogramm? Was sind die technischen Voraussetzungen zum Abspielen? Was sind die physischen Abmessungen und sollten diese auch die dreidimensionalen Abmessungen der „Installation“ umfassen? „Beinhaltet“ das Werk einen DVD-Player, einen Monitor oder eine CD? Und wie inventarisieren wir dieses Meisterwerk formal korrekt? Unter welcher Kategorie sollten wir es in unserem Katalog fassen? Welche Datenfelder brauchen wir und welche sind angemessen? Welche Art von konzeptionellen Referenzen und Schlagwörtern haben wir? Ist es nur ein Kunstwerk, während es abgespielt wird? Hypothesen, bitte!

Etwas anderes gelagert, aber mit zusätzlichen Fragestellungen versehen wäre die Installation (die nicht aus Fernsehgeräten, Computern, Kabeln und Monitoren besteht) von Joseph Beuys: Das Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts, 1982-83, ausgestellt im Hamburger Bahnhof, Berlin.

(picture: Velvet)

Beuys: Das Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts (Bild: Velvet)

Lasst uns einen Blick auf das Konzept der Installationen in der zeitgenössischen Kunst werfen. Wikipedia [im englischsprachigen Artikel – Anm. d. Übers.] sagt dazu: “Installationskunst kann entweder temporär oder dauerhaft sein. Installationskunstwerke wurden in Ausstellungsräumen wie Museen und Galerien eingerichtet, ebenso wie in öffentlichen und privaten Plätzen. Das Genre umschließt eine breite Palette von alltäglichen und natürlichen Materialien, die oft aufgrund ihrer „sinnträchtigen“ Qualitäten eingesetzt werden, ebenso wie neue Medien wie Videos, Geräusche, Performance, Immersive Virtual Reality und das Internet. Viele Installationen sind spezifisch für ihren Errichtungsort insofern, als sie so geschaffen wurden, dass sie nur an diesem Platz existieren können.“ Das zeigt, dass Installationen Merkmale beinhalten, die neue Herausforderungen für den Restaurator, den Kurator und natürlich den Registrar darstellen: es ist ein Aufeinanderprallen mit den herkömmlichen Wegen und Abläufen, die wir für den Umgang mit Kunstwerken entwickelt haben, seien sie jetzt modern, alt oder traditionell. Und sie zeigen, dass wir als Registrare unseren Kriterienkatalog überarbeiten müssen.

Vieja iglesia. Pared de pan. Instalación de arte efímero

Alte Kirche, Amsterdam. Brotmauer. Ephemere Kunstinstallation (Bild: Becky Houtman)

Lasst uns auch einen Blick werfen auf Videoskulpturen, Multimedia, ephemere Kunst, Konzeptionskunst… Registrare als Vor-Kuratoren kümmern sich wie immer um die Organisation des Papierkrams und erfassen die Materialien, aus denen das Objekt besteht und die, wenn sie kombiniert werden, das Kunstwerk ergeben. Wir betrachten sie auch als kulturell-ästhetische Objekte, was es notwendig macht, auch die Bedeutungen, Ästhetik, Kommunikationsprozesse und Zusammenhänge zu erfassen, die von diesen Objekten ausgehen, nach der Ausrichtung organisiert, die der Künstler ihnen gegeben hat (das ist es, was Kunst ausmacht). Um das tun zu können, müssen wir unsere Kriterien, nach denen wir vorgehen, auf den notwendigen Stand gebracht haben, denn wenn wir das nicht getan haben, erstellen wir einfach „eine Liste“ von Materialien von Elektrogeräten und Möbeln. Für multimediale Kunstformen (auch Medienmix oder Medienkunst genannt) gibt es eine unverzichtbare Website: das Canadian Heritage Information Network (CHIN). Eines ihrer Materialien trägt den Titel “Media Art and Museums: guidelines and case studies” und enthält neben einer Definition dieser Kunstform auch Hinweise zur Dokumentation und Restaurierung sowie einige Fallstudien. Siehe auch: http://www.pro.rcip-chin.gc.ca/gestion_collections-collections_management/docam/module_1-module_1-eng.jsp
Es ist nur eine dünne Linie zwischen einigen Ausprägungen von zeitgenössischer Kunst, viele sind sehr eng miteinander verwandt. Die besagte Handreichung hilft uns bei Videoskulpturen, Videokunst und Installationen, die Elemente davon enthalten. Im Fall von ephemerer Kunst haben wir ein großes Problem, denn sie ist nicht beständig. Es ist Kunst, die verschwindet, kurz nachdem sie geschaffen wurde, und das bringt konzeptionelle Herausforderungen für den Registrar: das Objekt registrieren, das Konzept, ein Foto, die Idee? Es hilft viel, wenn man ein Vor-Kurator Registrar ist, der sich schon lange darüber Gedanken gemacht hat, bevor das ephemere Kunstwerk auf seinem Schreibtisch landet.

Konservatorische Herausforderungen dieser Kunstform, die der Registrar kennen muss

Ein Registrar, der mit zeitgenössischer Kunst umgehen kann sollte Inside Installations kennen. Das ist eine Website, die mit dem International Network for the Conservation of Contemporary Art (INCCA) assoziiert ist und ihr Hauptquartier in Amsterdam hat. Es ist ein Netzwerk von Fachleuten, die mit der Restaurierung und Konservierung von moderner und zeitgenössischer Kunst befasst sind. Restauratoren, Kuratoren, Wissenschaftler, Registrare, Archivare, Historiker und Forscher befinden sich unter den Mitgliedern, die über die Datenbank „Artist Archives“ Zugang zu unveröffentlichten Informationen (Interviews mit Künstlern, Zustandsprotokolle, Anleitungen zur Einrichtung, usw.) haben. Deren Beiträge sind von unschätzbarem Wert für diese Art von Kunst und es gibt eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Instanzen der Museumskuratoren, Restauratoren und Registraren, die direkt mit den Kunstwerken zu tun haben und Alternativen und kontextuelle Herausforderungen vorbringen können.

„Inside Installations: Conservation and Preservation of Installation Art“ [In Installationen: Restaurierung und Erhaltung von Installationskunst] war ein Forschungsprojekt, das über drei Jahre lief (2004-2007) und sich mit der Pflege und der Verwaltung einer Kunstform beschäftigte, in der die konservatorischen Herausforderungen vorherrschen. Es wurde kürzlich ein Buch herausgegeben: „Theory and practice in the care of complex artwork“ [Theorie und Praxis in der Pflege von komplexen Kunstwerken]. Rufen wir uns in Erinnerung, dass dies komplexe Kunstwerke sind und wir, wenn wir über sie nachdenken und mit ihnen arbeiten eine ebenso komplexe Denkweise vorlegen müssen. Der Vor-Kurator Registrar ist ein komplexer Registrar, der wissen sollte, wie man Kunstobjekte und ihre Zusammenhänge inventarisiert – und der die angemessene Terminologie anzuwenden weiß. In dem Buch können Sie ein Beispiel von Inside Installations sehen: Installation Revolution, ein Monument für die Fernsehrevolution, mit einem besonderen Bericht eines Registrars. Ebenso finden Sie eine Modelldatenerhebung, die von der Foundation for the Conservation of Modern Art (SBMK) 1997 in den Niederlanden entwickelt wurde.

Der Registrar auf dem neuesten Stand

Ein Vor-Kurator Registrar muss auf dem neuesten Stand mit allen Entwicklungen sein, die es in der zeitgenössischen Kunst und ihrer Erhaltung und ihren ästhetischen Implikationen gibt.
Wichtige Veranstaltungen waren: About performing documentation in the conservation of contemporary art ; The Meaning of Materials in Modern and Contemporary Art; und das Forging the Future Projekt. Für die fast ätherische Natur der Dimensionen der Kommunikation, Bedeutung, Interpretation und Kontext die Teil der Werke der zeitgenössischen Kunst sind, ist auch die Website der Veranstaltungsreihe interessant, die vom Museo Reina Sofia in Madrid im März unter dem Titel “Repensar el espectador: teoría y crítica de las artes performativas” [„Den Betrachter neu denken: kritische Theorie und Performancekunst“] veranstaltet wurden.

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Frau im Kühlschrank – 798. (Bild: Televiseus)

Als Essenz lässt sich der Ansatz festhalten, dass darstellende Künste, die „ausgeübt, dargestellt werden“ nicht länger nur ein Objekt oder ein Produkt der künstlerischen Kreativität sind, sondern eine Veranstaltung werden, in denen der Zuschauer in den Prozess der Bedeutungsbildung mit einbezogen wird. Die Mit-Schöpfung der Bedeutung ist Teil des Werkes, die das Thema und der Kontext ist, Event, Zusammenfassung und ästhetische Wahrnehmung, die jetzt öffentlich ist – und all das sollte registriert werden, die erweiterten und die technischen Daten sollten auch katalogisiert werden. Diese auf Stand gebrachten Kriterien müssen Eingang finden in die Formulare oder die Formate, sie müssen die Dokumentation dieser Variablen ermöglichen (außerdem benötigt man Platzhalter für Informationen und Wege, an die zu dem Zeitpunkt der Registrierung noch gar nicht gedacht werden konnte). Das beinhaltet auch die Anforderungen von Gastkünstlern, die ihre eigenen Vorstellungen und Wahrnehmungen und technischen Erfordernisse einfließen lassen, ebenso wie die Dinge, die Betrachter durch ihre Interaktionen mit dem Kunstwerk einbringen. Es erfordert außerdem eine Software, in der solche Felder angelegt werden können und es muss die Möglichkeit geben, diese mit Hypertext zu versehen.

Und, wo wir gerade dabei sind, was macht man mit Performancekunst bei der der Künstler Teil des Werkes ist? „Erfassen“ wir ihn / sie selbst? Und im Hinblick auf die Dokumentation dieser Kunst ist es auch wichtig, auf die nächste Veranstaltung hinzuweisen: Performing Documentation in the Conservation of Contemporary Art, in Lissabon, vom 20 bis zum 21 Juni 2013.

Von Referenzen, Schlagworten und einem Registrar mit einem elastischen Gehirn

Wie wir gesehen haben, beinhaltet die informationelle Dimension von zeitgenössischen Kunstwerken Referenzen, Konzepte, kontrolliertes Vokabular, Taxonomie, Semantik und Umgangssprache, zusammengefasst: erweiterte technische Daten. Sie liefern viele Ausgangspunkte für die Bedeutung und Anders-Deutung und die Interpretation und Neu-Interpretation, weshalb sie Teil der Unterlagen und technischen Dokumentation dieser Art von Kunstwerk sein müssen. Es sind Suchbegriffe für die Kunstwerke und ihre Zusammenhänge. Es gibt exakte Begriffe, standardisiert, klar, mit nur einer Bedeutung, angemessen für Objekte und andere, die sich auf die Sinnhaftigkeit beziehen, wie sie bei der Neu-Interpretation von Kunst auftauchen, diese sind komplex und implizieren verschiedene mögliche Deutungen und Anders-Deutungen, so dass eine offene Matrix entsteht, wie sie für Zusammenhänge angemessen ist.

Für diese Quellen muss der Registrar sein Gehirn und sein Vorstellungsvermögen anstrengen, elastisch sein und mehrere Verbindungsmöglichkeiten eröffnen. Dies ist eine Hypothese, die sich bei der Erfassung von zeitgenössischer Kunst bestätigt.

Das ist eine angemessene Hypothese!

Fernando Almarza Rísquez

Übertragung vom Englischen ins Deutsche: Angela Kipp
Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Silvia Telmon.

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