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Kunstwerk, Werkstück, Auto und Heiligtum der Pop-Kultur, 2. Teil

Transport und Ausstellung des Rolls-Royce von John Lennon

Von Derek Swallow – Royal BC Museum

Fortsetzung von Teil 1
Fortsetzung von Teil 1
Ich hatte das Gefühl zu ersticken, da das ja nur schief gehen konnte und versuchte langsam aus zu atmen. Entspanne dich, murmelte ich. Ich bin nur dafür verantwortlich ein Auto aus unserer Sammlung zu einer Ausstellung in Montreal zu bringen, wenn auch mit ein paar erschwerenden Faktoren: das Auto ist ein Oldtimer, den einst die Beatels–Legende John Lennon fuhr; die gesamte Metall-Oberfläche ist zugleich Malgrund für ein originales Ölgemälde, es wiegt 2700 kg und kann deshalb nur mit funktionierenden Bremsen transportiert werden – diese funktionieren aber nur, wenn der Motor läuft; der Motor und andere mechanische Teilen müssen überholt werden: außerdem entdeckte das Restauratorenteam, dass Farbe abblättert UND wir haben weniger als fünf Wochen Zeit, bis das Auto bei dem Leihnehmer sein muss. Der Eröffnungtermin konnte auf keinen Fall verschoben werden. Also, dache ich, packen wir’s an. Ich rief gleich unseren zuständigen Mechaniker an und rief einen unserer Restauratoren zu mir, der zufälligerweise auf bemaltes Metall spezialisiert war. Ersatzteile wurden bestellt und die Restaurierung der Oberfläche begann.

Was den Transportplan betrifft: ursprünglich gingen wir davon aus, dass der Wagen natürlich in einer Transportkiste bewegt würde. Wir entschieden uns dafür, den Wagen in einer Kiste zu verpacken, auf einen Transportwagen mit Bremsen zu setzen und das Transportrisiko dadurch zu minimieren, dass wir einen Flugtransport wählten.

Ein guter Plan? Nein!

Eine Kiste in dieser Größte müsste mit einem Frachtflugzeug transportiert werde, der nächste Landeplatz war Seattle. Das hätte bedeutet, die Kiste von der Insel zu holen auf der Victoria liegt, die Grenze zu den USA zu überschreiten und schließlich den Wagen zurück in die USA zu bringen – ein logistischer und bürokratischer Albtraum. Außerdem zeigte ein zweiter Blick auf den Facility Report des Leihnehmers, dass die Kiste die größte Eingangstüre nicht hätte passieren können.

Mehr als nur ein bißchen beunruhigt fragte ich unsern Rolls-Royce Mechaniker um Rat. Der schlug vor, eine Transportfirma unter Vertrag zu nehmen, die auf hochwertigste millionenschwere Rennautos spezialisiert ist. Ich suchte wie verrückt nach einer solchen Firma, fand sie schließlich und regelte den Vertrag. Gut zwei Wochen vergingen wie im Flug: die Logistik organisieren, ebenso Leihvereinbarungen und Versicherung. Der Termin, zu dem der Wagen abgeholt werden sollte, war in einer Woche. Die Konservierungsarbeiten schritten voran, die am meisten geschädigten Stellen waren stabilisiert, aber aus Zeitmangel konnte die Arbeit nicht fertiggestellt werden. Wir hatten uns aber darauf verlassen, denn das einzige klimatisierte Fahrzeug der Transportfirma war schon vor 6 Monaten vergeben gewesen.

Verzweifelt riefen wir beim Nationalen Institut für Konservierung an, mit der Frage, wie diese Farbe auf Metall reagieren würde bei den raschen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen denen Wagen und Fracht bei der Überlandfahrt ausgesetzt sein würden. Unter Wettergesichtspunkten gab es in Kanada keinen schlechteren Monat für diesen Transport. Das Kanadische Nationale Konservierungsinstitut antwortete rasch, dass diese ungewöhnliche Farbe normalerweise nur auf Holz verwendet wird. Jedoch, so meinten sie unter Vorbehalt, könnte die Farbe unter diesen Bedingungen halten. Das ergab eine allgemeines Aufatmen, das aber doch von Unruhe gedämpft war.

Ich rief unseren Mechaniker an. Die Ersatzteile sollten am Donnerstag ankommen. Donnerstag? Der Transporter würde am folgenden Dienstag sehr früh da sein. Können Sie die Reparaturen rechtzeitig fertigstellen, fragte ich erwartungsvoll. Sollte kein Problem sein, war die Antwort – noch ein zögerlicher Seufzer der Erleichterung.

Rolls load – RBCM secure storage
Rolls load – RBCM Sicherheitsdepot
Der Dienstagmorgen kam. Die Ersatzteile waren gekommen, die Reparaturen durchgeführt, der Wagen geprüft und fertig fürs Verladen. Der Lastwagen kam herein und ließ seine Hebebühne herab. Der Fahrer hielt, kam aus seiner Kabine, blickte auf den Rolls, sah skeptisch drein und sagte: wie lang ist nochmal der Achsabstand des Wagens? Alle Augen richteten sich darauf und alle Herzen des Teams blieben einen Moment lang stehen, während dieser fürchterliche Gedanke in allen Köpfen gleichzeitig erschien: der Rolls ist zu lang für die Hebebühne. Messbänder erschienen und Maße wurden genommen. Das Ergebnis: der Wagen sollte so gerade passen. Unser Mechaniker setzte sich in den Wagen und bugsierte ihn zuversichtlich, aber vorsichtig in seine richtige Position. Es funktionierte. Die Bremsen wurden angezogen, der Wagen angehoben, dann in den Laster gefahren und an den Rädern gesichert.

Der Fahrer verschloss die Ladefläche, sprang in seinen Führerstand und die Überlandreise begann. Wie blieben regelmäßig in Kontakt mit dem Fahrer, der gute Wetterbedingungen meldete, bis kurz vor dem Ende seiner Reise, als die Wettervorhersage mit einem großen Tiefdruckgebiet drohte, das vom Nordwesten her mit hoher Windgeschwindigkeiten und Schnee seine Route kreuzen würden. Der Fahrer schlug vor, weiter zu fahren um dem Sturm zuvor zu kommen. Das war die eine Möglichkeit – oder das Ende des Sturms abwarten und damit den Termin für die Ablieferung verpassen. Nachdem wir uns vergewissert hatten, dass er erst vor kurzem eine Rast eingelegt hatte, ließen wir ihn fahren.

heavy duty dollies
Schwerlast-Transporteinrichtung
Am späten Nachmittag des 4. März, mit 8 Stunden Verspätung, steuerte er sein sperriges Fahrzeug durch die schmalen Straßen der Innenstadt von Montreal. Zuvor war die Polizei von Montreal aufgeboten worden, die Gegend zu sichern, kritische Straßen zu sperren und Fußgänger um zu leiten und die Museumsmitarbeiter versammelten sich schon, um den Lastwagen zu empfangen. Die Mitarbeiter hatten sich – mit wunderbaren Schwerlast-Transportwagen ausgerüstet – darauf eingestellt, den Rolls auf der Straße vom Lastwagen zu ziehen und dann eine Metallrampe zum Museum hinauf zu schieben.

Unser Mechaniker und unser Oberrestaurator, die beide voraus geflogen waren, erklärten aber, dass die Karosserie durch das Schieben beschädigt würde und dass es nur eine Möglichkeit gäbe: den Wagen an seinen Platz zu fahren. Die Straße war nass und voll Streusalz sodass der Weg erst abgedeckt werden musste, ehe der Wagen bewegt werden konnte. Decken, Plastikfolien und Verpackungsschaumplatten wurden aus dem Lastwagen und dem Museum entführt, aber das reichte nicht.

off  load
off load
In seiner Verzweiflung durchsuchte jemand einen Müllcontainer in der Nähe und entdeckte eine große Rolle orangener Plastikfolie, die für diesen Zweck mehr als ausreichte.

Als der Weg bereitet war startete unser Mechaniker vorsichtig den Wagen, setzet ihn zurück aus dem Transporter heraus und manövrierte ihn dann die Straße hinunter zum Museumseingang. Da gab es den nächsten kurzen Herzstillstand – es sah so aus, als sei der Eingang zu schmal für den Rolls. Wir hatten die Maße des Eingangstores vorher erhalten und hatten für die Maße des Wagens die der Katalogbeschreibung benutzt. Menschen mit Maßbändern traten in Aktion. Schließlich erklärte ein Museumsangestellter mit selbstgerechtem Lächeln, dass wir gerade mal 10 cm auf jeder Seite Luft hätten. Es gibt Leute, die sagen Sammlungsverwalter wären geradezu obsessiv, wenn es um die Größe und andere Details der Sammlungsobjekte geht. Gott sei dank erwies sich diese Behauptung als richtig.

into the museum
in das Museum
Die nächste Herausforderung für unseren Mechaniker war es, den großen Wagen mit viel Fingerspitzengefühl durch einen ziemlich engen Gang zu bugsieren. Das waren schwierige Minuten mit Leuten, die Anweisungen brüllten und mit wachsender Spannung, aber schließlich erreichte der Wagen unversehrt die Ausstellungshalle.

Den Wagen rasch an seine Ausstellungsposition auf verstärkten Bodenplatten zu bringen war die nächste große Herausforderung. Die Meisten der schwimmend verlegten Bodenfliesen vertrugen maximal 567 Kilo Gewicht, während die Last an jedem Einzelnen der Räder 680 kg betrug. Ziemlich sofort nachdem der Wagen in die Halle gekommen war, begannen sich die ersten Bodenfliesen zu wölben und drohten zu brechen. Der Wagen drohte den Boden zu zerstören. Die Museumsmittarbeiter eilten in eine Schreinerei und kamen mit Sperrholplatten zurück. Rasch wurde der Wagen auf sie gefahren, um so das Gewicht besser zu verteilen und das Unglück ab zu wenden. Aber wie sollte der Wagen nun an seinen Platz gebracht werden? Eine kreative Lösung, die Technik und rohe Gewalt verband wurde ausgekocht.

creative moving technique
kreative Transporttechnik
Transportrollen mit anhängenden Gurtbändern wurden unter jedes Rad platziert. Dann zog das Team den Wagen händisch über die Spanplatten bis neben die verstärkten Bodenfliesen. Dann fuhr der Mechaniker den Wagen rasch und sicher so, dass die vier Räder genau auf den verstärkten Fliesen standen. Der Wagen war nun in Position. Ja! Nun galt unsere Sorge der Farbe. Hatten der dramatische Wechsel der Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit ernste Folgen gehabt? Ein Gemälderestaurator vor Ort, der die Eingangsprotokolle anfertigte, untersuchte den Wagen sorgfältig und fand die Farbe unbeschädigt.

Geschafft! Wir hatten die Zielvorgabe eingehalten. Der Wagen war an seinem Platz, 24 Stunden vor der feierlichen Eröffnung mit den beiden bedeutendsten Politikern der Provinz Quebec, dem Premierminister und dem Vizegouverneur. Harte Arbeit und Planung, unterstützt von einer außerordentlich genauen Katalogisierung und gemildert durch innovative Problemlösungen hatten zum Erfolg dieses Projekts geholfen.
http://pacmusee.qc.ca/en/media/press-releases/john-lennon-s-rolls-royce-at-pointe-a-calliere (Geschichte des Rolls und seine Überführung)

Dies ist meine letzte Geschichte für RegTrek. Ich möchte dem Team von RegTrek für seine intensive Arbeit und Unterstützung danken, besonders Angela Kipp für den Enthusiasmus mit dem sie dieses wunderbare Projekt voran treibt. Ich möchte allen von Herzen alles Gute wünschen, da ich einen neuen Lebensabschnitt beginne: ich unterrichte Englisch als Fremdsprache und entwickle Unterrichtsmaterial und Lehrpläne dazu. Ich wünsche allen das Beste bei diesem erstaunlichen Abenteuer RegTrek voran zu bringen und bedanke mich dafür, dass ich teilnehmen konnte.

Herzliche Grüße
Derek Swallow
Senior Registrar, Royal BC Museum

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Kunstwerk, Werkstück, Auto und Heiligtum der Pop-Kultur

Transport und Ausstellung des Rolls-Royce von John Lennon, Teil 1

Von Derek Swallow Royal BC Museum

Lennon Rolls – RBCM 992.66.2 Collection Royal British Columbia Museum - RBCM
Lennon Rolls – RBCM 992.66.2 Sammlung des
Royal British Columbia Museum – RBCM

Widmung: Dem Team der Registrare in den Nordischen Ländern, das die Europäische Registrar-Konferenz 2014 gesponsert hat, die ich vor kurzem im Helsinki besucht habe und allen Kollegen, die ihre Objekte exakt vermessen (s. den zweiten Teil dieses Artikel).

Einleitung

rolls2Als Gerücht zog die Nachricht schon seit etwa einem Monat durch das Museum, aber dann schlug sie zu, während ich an jenem kalten Januarmorgen im Jahr 2013 meine Nachrichten überflog. Mein Auge blieb an der Betreffzeile hängen: „Ausleihe Lennon Rolls“.
Ich zögerte und öffnete dann die Nachricht. Es war also wahr: wir hatten fünf Wochen Zeit um den Transport des Rolls Royce von hier nach Montreal zu planen. Er ist groß und schwer: 6 Meter lang und 2,2 breit, mit einem Gewicht von 2.700 Kilogramm. 5000 Kilometer sind zu überwinden, quer-feld-ein, während des kältesten kanadischen Winters, möglicherweise bei strenger Kälte, von Blizzards bedroht auf trügerischen Highways.
Ich atmete tief durch, beunruhigt wegen des engen Zeitrahmens, des Gewichts des Objekts, der möglichen Gefahren bei ungünstigen Witterungsverhältnissen aber auch, weil ich keine Erfahrung mit einem solchen Projekt hatte. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung mit hunderten von Ausleihen hatte ich nie einen Wagen betreut. Das Unwohlsein wuchs noch, denn ich wusste, dass dies nicht einfach ein museumswürdiges Auto war, ein Repräsentant seiner Zeit, seines Stil und seiner Produktionstechnik. Dieses Auto war eine verehrte Ikone der Pop-Kultur und ein wirkliches Kunstwerk, einmalig und viel wertvoller als sein Versicherungswert.

Der John-Lennon-Rolls-Royce

Ein Gebrauchsfahrzeug

Beatles in the Rolls at Buckingham Palace Oct. 26,1965 www.beatlebrunchclub.com
Beatles im Rolls vor dem Buckingham Palast, 26. Oktober 1965 www.beatlebrunchclub.com
Diese voll funktionsfähige 1965er Rolls-Royce Phantom Touring Limousine, die jetzt dem Royal BC Museum gehört, war ursprünglich im Besitz der Rockmusiklegende John Lennon und wurde von den Beatles drei Jahre lang genutzt.

Eine Ikone der Popkultur

John Lennon in the Rolls in Spain Oct.1966 www.beatlebrunchclub.com
John Lennon im Rolls in Spanien im Oktober 1966
www.beatlebrunchclub.com
Die 60er Generation erhob Lennon und die andern Mitglieder der Band in den Stand von „Halbgöttern“ der Popkultur. Deshalb verlieh die Tatsache ihrer physischen Präsenz in diesem Fahrzeug diesem einen solchen Assoziationswert, dass es einem „Heiligtum“ gleich geachtet wird. Dass es später von anderen Superstars der Musikszene, wie den Rolling Stones, Moody Blues und Bob Dylon ausgeliehen wurde verstärkte diese mystische Qualität noch.

Kunstwerk

John and Julian Lennon beside Rolls 1967 thegilly.tumblr.com
John und Julian Lennon neben dem Rolls, 1967 thegilly.tumblr.com
1968 beschloss Lennon dieses teure Gebrauchsfahrzeug in ein Kunstwerk zu verwandeln. Er beauftragte den Künstler Steve Weaver das düstere „Valentine-Schwarz “ der Karosserie des Autos in eine spektakuläre, leuchtende Malerei zu verwandeln. Weaver grundierte seine metallene „Leinwand“ mit mehreren Schichten chromgelber Farbe und versah sie dann eigenhändig mit plakativen Motiven, die von Zigeunerkunst inspiriert waren. Dabei verwendete er grelle Farben, die mit den gesättigten Pigmenten der „Psychedelischen Kunst“ verwandt waren, einem in Europa in den 1960ern populären Stil. Das Endprodukt, mit Malerei auf der ganzen Oberfläche des Autos, war eine kraftvolle, einzigartige Komposition. Diese Transformation schuf mehr als nur ein dreidimensionales Kunstwerk. Der Rolls-Royce, das vollkommene Sinnbild von Prestige und traditionellem Establishment, war nun umgeformt in das Symbol der Gegenkultur der 1960er Jahre und eine eindrucksvolle Ikone der Werte des Anti-Establishments. Die Beatles sollten eine Generation verkörpern, die begierig war, das „Establishment“ an zu prangern, und so entfachten sie die „Beatlemania“.

Verbindung mit den Nordischen Ländern

Beatles in Copenhagen at the KB June 4th, 1964  http://thegilly.tumblr.com
Beatles in Copenhagen at the KB June 4th, 1964 http://thegilly.tumblr.com
1963 rollte die Welle der Beatlemania über Großbritannien und strömte dann nach Norden in diese wunderbare Skandinavische Region. Schweden war für den ersten Schritt außer halb der Vereinigten Königreiche gewählt worden. Fünf Tage lang tourte die Band und erschien sogar im Schwedischen Fernsehen http://www.youtube.com/watch?v=-clOQdFRyig . Im gleichen Jahr 1963 puschte die Jugend eines einzigen Landes den bahnbrechenden Beatle-Song „Twist and Shout“ an die Spitze der Musikcharts. Diese Land war Finnland http://www.youtube.com/watch?v=pVlr4g5-r18&feature=kp (Twist and shout Video, in Deutschland gesperrt). Letzte Woche (am 4. Juni 2014) feierten Beatles-Enthusiasten in Dänemark das 50jährige Jubiläum des Konzerts der Gruppe in Kopenhagen, wo die Beatls ihre zweijährige „Welt-Tour“ begannen http://www.youtube.com/watch?v=8_zzoJYoeao (Video der Beatles in Dänemark).

Trotz ihrer Herkunft aus England bleiben die Beatle, ihre Musik und das Phänomen der Beatles–Manie ein dauerhafter Teil der Geschichte der Popkultur der 60er Jahre in Skandinavien, Europa und Nordamerika und der Lennon Rolls Royce eines seiner hervorstechendsten Symbole und Ikonen. Das Royal BC Museum bewahrt den Rolls Royce nicht nur für die Bewohner von British Columbia, sondern für die ganze Welt.
http://www.youtube.com/watch?v=imXZS6WTxEw (Victoria news cast about the Rolls).

Die Überstellung des Lennon Rolls Royce vom Royal BC Museum in Victoria nach Montreal, Quebec diente dazu, diese Ikone beim Jubiläum der „Beatle Mania“ zu zeigen und an das Konzert der Gruppe in Montreal bei ihrer Welt-Tour zu erinnern. Es war ein Beatles-Fest für die ganze Welt.

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Images from Pointe-à-Callière website: http://pacmusee.qc.ca
Bilder von der Pointe-à-Callière website: http://pacmusee.qc.ca

Bleiben Sie dran für den 2. Teil: Der Transport des John Lennon Rolls Royce kommt bald…

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Transit Totem – Manöverkritik

Von Brett Dion

Alex Gallafent mit einer etwas langen Beschriftung für „U-Bahn Totems“.
Alex Gallafent mit einer etwas langen Beschriftung für „U-Bahn Totems“.
Angela Kipp vom Registrar Trek war so freundlich, „Erzähle eine Geschichte von einem Transit-Totem“ als ein neuartiges Konzept für die Präsentation der Museumssammlung vor zu stellen. Aber ich muss gestehen, dass ich einem Vorschlag folgte, der im Jahr 2013 in einer Sitzung der AAM (American Alliance of Museums)-Konferenz in Baltimore gemacht worden war. Das Generalthema war da „Die Macht der Geschichten“ und Rob Walter vom Experiment „Bedeutsame Objekte“ hielt dort einen Vortrag.

Wie alles begann

Vor diesem Zeitpunkt hatte ich vier Jahre lang ruhig vor mich hin die dreidimensionalen Objekte des NYTM (New Yorker U-Bahnmuseum) katalogisiert. Dabei stieß ich auf Werkzeuge unbekannter Herkunft und auf Teile aus dem weiteren Geschäftsbereich der Städtischen Verkehrsbetriebe. Es war immer ein großes Vergnügen, den allgemeinen historischen Zusammenhang und den Kontext heraus zu finden. Ein oder zwei konkrete Fakten heraus zu bekommen hatte für mich als gelernten Archivar eine große Bedeutung, aber ich ging auch zum Mittagessen oder fuhr abends nach Hause und dachte über den Schienenarbeiter nach, der mit einem Sechskantschlüssel arbeitete, der so dick war wie mein Arm oder über den Ingenieur, der Tests zur Leitfähigkeit einer Stromschiene machte.

Rob Walker rief mir alle diese Spekulationen wieder ins Bewusstsein. Ich konnte mir gut eine formelle oder informelle Schreibgruppe vorstellen, platziert in einem Raum mit einigen der unbekannteren und abstrakten Objekte und daneben einigen der kultigen und allgemein mit der Geschichte der New Yorker U-Bahn verbundenen Gegenstände um die Personen dann zu einem „Geschichten-Slam“ zu animieren. Ich kam von dieser AAM-Offenbarung zurück und erzählte einigen wenigen in der Verwaltung und in der Pädagogik und Programmentwicklung davon. Ich sah es nicht als meine Aufgabe an, ein solches Programm selbst durch zu führen, ich wollte es aber unterstützen. So erwähnte ich es mehrere Monate lang hin und wieder bei den zuständigen Leuten, um die Idee am Leben zu halten.

Das Projekt nimmt Fahrt auf

Teilnehmer schrieben und trugen ihre erfundenen Beschriftungen vor.
Teilnehmer schrieben und trugen ihre erfundenen Beschriftungen vor.
Gegen Ende des Jahres 2013 beschritt die Programmentwicklung des Museums neue Wege, indem eine kreative Person engagiert wurde, der Öffentlichkeitsarbeit am Herzen lag. Julia Malta-Weingard eröffnete auf kluge Weise eine neue Ära der Öffentlichkeitsarbeit, indem sie die Mitarbeiter und Freunde des Museums um Programmideen bat und deren Schwarmintelligenz nutzte. Inhaltliche Vorschläge auf zu greifen war die eine Sache, aber zugleich brachte sie auch die verschiedenen Abteilungen des Museums zu kreativen Aktivitäten derjenigen Museumsmitarbeiter zusammen, die schöpferische Impulse haben, aber ihre Kreativität nicht jeden Tag bei ihrer Arbeit als grundlegendes Instrument einsetzen.

Das war meine Gelegenheit, auf die Frage nach Programmideen zu antworten. Da ich schon einige im Hinterkopf hatte und sie ganz unverbindlich mehrfach angesprochen hatte, war es nicht schwer, sie zu präzisieren, sodass sie zu denen gehörten, die ausgewählt und zu Papier gebracht wurden. Eine davon verschmolz meine Kenntnisse der Museumsobjekte mit dem „Significan Object“- Projekt und Foren für Geschichten-Erzähler, wie etwa „The Moth“.

Teilnehmer finden

Susan Augenbrau liest ihre Übernatürliche, von einem U-Bahn Totem inspirierte Kurzgeschichte vor.
Susan Augenbrau liest ihre Übernatürliche, von einem U-Bahn Totem inspirierte Kurzgeschichte vor.
Die Aktion „Erzähle die Geschichte eines U-Bahn Totems“ zu nennen, war ein bisschen ein Lockvogel-Geschichte. Ich hatte mir vorgestellt, wir könnten Besucher mit Hilfe von nostalgischen und gefühlvollen Erinnerungen an die besonders bekannten Elemente der New Yorker U-Bahn ins Museum holen und dann auch Dinge verwenden, die seltener zu sehen oder abstrakter sind, um daraus originelle, kreative Funken zu schlagen. Mein ursprünglicher Vorschlag war auch ganz bescheiden nur gewesen, Studenten, die einen Kurs „kreatives Schreiben“ belegt hatten ein zu laden. Im Nachhinein sehe ich, dass das schon eine gute Idee war, aber keine sehr publikumswirksame.

Im Frühherbst trafen sich die Sammlungsmitarbeiter mit Julia und wir einigten uns darauf für den 12. November schreibende Studenten, Museumsmitarbeiter, Schreibgruppen, Improvisations-Schulen und Theater und die Freunde des NYTM ein zu laden. Da wir nur wenige Wochen bis zu dem Termin am 12. November 2014 hatten, der für die Beteiligten kostenlos sein sollte, erreichten wir mehr Aufmerksamkeit und erhielten mehr Anmeldungen indem wir Bilder verschiedener Objekte und alter Aufnahmen auf die Tumblr-Seite des Museums stellten, um Einsendungen schon im Vorfeld zu bekommen. Damit konnten auch Personen teilnehmen, die sich nicht in der Lage fühlten vor Ort zu improvisieren oder laut vor zu lesen. Diese anfänglich publizierten „Totems“ und die 25 weiteren für die folgende „Pop-Up-Ausstellung“ im Museum wurden von einem spontan gebildeten Produktions-Team aus Mitarbeitern des Hauses ausgewählt.

Die Abendveranstaltung

Alex Gallafent hielt die Gruppe in Bewegung und bei der Sache.
Alex Gallafent hielt die Gruppe in Bewegung und bei der Sache.
Während sich bescheidene 50 Personen angemeldet hatten und dann etwa die Hälfte gekommen war, war es dann ein wirklich erfreuliches Pilotprojekt für etwas, von dem wir hoffen, dass es eine dauerhafte oder periodisch wiederkehrende Veranstaltung wird. Der Schlüssel zum Erfolg des Abends war der von Julia verpflichtete Conférencier, der dafür sorgte, dass alle Teilnehmer 90 Minuten lang bei der Sache blieben. Alex Gallafent nahm nicht nur selbst am Schreibprozess teil, er improvisierte auch und schüttelte einige wirklich witzige Bemerkungen aus dem Ärmel. Wir hatten ein Podium und eine Bestuhlung vorbereitet, aber beides wurde nicht benötigt. Außer bei zwei Schreib-Intervallen, in denen Snacks für neue Energie sorgten, standen die Teilnehmer und Alex sorgte dafür, dass sie in Bewegung blieben. Er sorgte für eine lockere Stimmung und dafür, dass das Engagement aller die ganze Zeit anhielt.

Das improvisierte Schreiben von Beschriftungsschildern war ein wunderbarer Auftakt und sorge dafür, dass die Kreativität aller ins Fließen kam. Einige Gäste nahmen sogar die größere Aufgabe war, ihre hier entstandenen Entwürfe für Kurzgeschichten vor zu lesen, einige der vorher eingereichten Arbeiten wurden ebenfalls vorgetragen.

Die Besucher mit einbeziehen – und die Mitarbeiter

Wir fanden ein wunderbares und anpassungsfähiges Muster für Fortsetzungen dieses Programms. Ich tendiere dazu, mit einem Schreibkurs auf Grundstudiums-Ebene zu kooperieren. Damit bekämen wir einen Besucherstamm mit Vorbildfunktion der es schon gewöhnt ist, Ideen und Fragmente von Geschichten mit einander zu teilen. Dann können weitere Kontakte darauf aufbauen.

Nachhaltig war für mich die Erfahrung aus erste Hand, dass eine große Gruppe von Museumsmitarbeitern zu diesem Event zusammen fand. Auch wenn wir das nie wieder machen würden wäre ich doch sehr stolz auf die Gelegenheit zur Teambildung, die aus diesem Programm-Vorschlag erwuchs. Museen könnten oft nur einen Teil Ihrer Sammlungen zeigen, aber wir wissen, dass Neugier darauf besteht. Unzweifelhaft sind die Sammlung und das Archiv die Abteilungen mit dem größten Informations-Inhalt, aber die Mitarbeiter hinter dden Kulissen bekommen davon oft nicht viel mit. Hausintern zeigt mir das Projekt, dass die nie genutzte Neugier und Kreativität unserer vielseitigen und zuverlässigen Mitarbeiter ausgewertet und zur Programmgestaltung verwendet werden kann.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Europäische Konferenz der Registrare 2013:
Umzug von Sammlungen

Niin makaa, kuin petaa
Wie man sich bettet, so liegt man
(Finnisches Sprichwort)

Moving, moving, moving... we sure do a lot at the TECHNOSEUM.
Immer in Bewegung… unsere Objekte im TECHNOSEUM sind viel unterwegs.
An diesem Thema war ich besonders interessiert, da ich als Depotleiterin in einem Museums arbeite in dem 3% der Sammlung ständig in Bewegung sind – sei es wegen Ausstellungen, Ausleihen oder aus anderen Gründen.

Verlagerung von Sammlungen und Organisationen

Per Hedström vom Schwedischen Nationalmuseum sprach über die „Verlagerung von Sammlungen und Organisationen“. Dort musste das Hauptgebäude wegen einer Restaurierung geschlossen und 700 000 Objekte aus dem Haus in ein Magazin gebracht werden. Sie waren erfolgreich, nichts ging kaputt oder verloren und nun warten sie darauf zurück zu kommen. Die Wiedereröffnung ist für 2017 geplant.

Per legte dar, warum das Projekt so erfolgreich ablaufen konnte und wie aufkommende Probleme an zu gehen sind: ein entscheidender Punkt ist, dass das Umzugsprojekt Top-Priorität haben muss. Man muss berücksichtigen, dass jede Änderung Unsicherheit auslöst und die Belegschaft nervös macht. Man muss Sondermittel für die Aktion finden, denn man wird zusätzliche Kräfte brauchen.

Dann kam die Feststellung, die ich mit Großbuchstaben festhalten und mit einem goldenen Rahmen versehen möchte:

EIN UMZUG IST EINE UMZUG, NICHTS SONST!

Es ist kein Projekt für die Dokumentation oder für die Restaurierung, man hat nicht einmal die Zeit, neues Packmaterial aus zu probieren, es geht nur darum die Objekte sicher von A nach B zu bringen und damit gut.

Allerdings muss man auch die Besucher im Blick behalten, die werden enttäuscht sein, dass sie die Objekte nicht sehen können, so dass man andere Wege finden muss, um sie weiter an das Haus zu binden. Und man muss die Mitarbeiter einbinden, damit sie sich engagieren und nicht andere Arbeitsplätze suchen.

Andererseits ist eine Schließung auch eine Chance, die man nicht ein zweites Mal bekommt. Man kann sich auf die Zukunft konzentrieren, neue Ideen gewichten und diskutieren. Man wird auf 100 neue Ideen kommen und dann die Schwierigkeit haben aus zu wählen und dabei die aus zu wählen die strategisch richtig sind. Per sagte, dass sie sich während der Schließung auf drei Punkte konzentriert haben:

  1. Vision und Charakteristika dieses Museums
  2. Strategisch wichtige Ausstellungen
  3. Neue Dauerausstellung

"Selfies – Now and Then" http://www.nationalmuseum.se/selfieseng
„Selfies – Now and Then“ http://www.nationalmuseum.se/selfieseng
Ein Punkt, der diskutiert wurde war, ob während der Schließung der Leihverkehr weiter bedient werden sollte. Es wurde dann beschlossen, ihn auf die Ausstellungen zu beschränken, die als strategisch wichtig eingestuft wurden. Dazu zählten dann zum Beispiel „Slow Art“, die schwedisches Design im Schwedischen Institut in Paris präsentierte https://paris.si.se/agenda/slow-art/ und die Ausstellung “Crossing Borders” http://www.nationalmuseum.se/sv/English-startpage/Exhibitions/Crossing-Borders-bra-collaboration-with-Swedavia/ deren Wert als Experiment hoch eingeschätzt wurde.

Was die neue Dauerausstellung betrifft, so soll der Schwerpunkt auf die besonders signifikanten Objekte der Sammlung gelegt und die Bereiche betont werden, in denen das Museum besonders gut aufgestellt ist. Aber er räumte auch ein: „Es ist nicht leicht, vielleicht tun wir zu viel, vielleicht sollten wir uns auf weniger konzentrieren und das besser machen“.

Umzug des Magazins des Museums Islamischer Kunst in Qatar und die Herausforderungen die die Organisation eines neues Museums mit sich bringt

Atemberaubend waren die beiden Präsentationen von Marie-Astrid Martins und Nancy Konstantinou, die über die Herausforderungen sprachen, die das Sammlungs-Management und die Umstände eines Umzugs in der Golfregion mit sich bringen.

Um es kurz zu fassen: stellen Sie sich vor, Sie machen genau das, was Sie gerade jetzt in Ihrem Museum machen – nur dass es an diesem Platz zum ersten Mal geschieht. Alles was an Arbeitsabläufen und Methoden in einem nordeuropäischen oder amerikanischen Museum selbstverständlich ist, muss hier in Qatar erst einmal eingeführt werden – und das in einem extremen Klima, bei dem auch eine kurze Zeit ohne Klimatisierung enormen Schaden an den Objekten anrichten kann und mit einer Infrastruktur, die weit entfernt ist von der, an die man gewöhnt ist. Unnötig zu sagen, dass es nur wenige Versicherungen gibt, die bereit sind, dort etwas zu versichern und in Qatar gibt es bisher auch keine Staatshaftung. Die Formel dafür ist: „Die größte Herausforderung ist die, in der Wüste zu leben“. Aber die Museumsleute dort haben sich der Herausforderung gestellt und schafften es, die Sammlung in ein neu gebautes Museumsdepot mit 9.940 Quadratmetern Hochregal-Einheiten zu überführen. Hut ab vor Marie-Astrid, Nancy und ihren Kollegen!

Umsiedlung einer XXL-Sammlung – Man kann kein Omelette machen, ohne Eier zu zerschlagen

Es gab sicher keinen Vortrag bei der ERC 2014 bei dem ich öfter mit dem Kopf nickte, als bei dem von Joachim Hüber. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Wackel-Dackel…

The "move" as the black box between the old and the new storage.
Joachim Hüber: „Der Umzug“ als die große Unbekannte zwischen der momentanen und der zukünftigen Situation.
Joachim stellte fest, dass „der Umzug“ in der Regel als black box zwischen der Situation, die zum Umzug führt und dem neuen Domizil angesehen wird, bei dem natürlich alles nach den besten Vorbildern gebaut und eingerichtet wurde. Um dieses neue Gebäude machen sich der Architekt, der Museumsdirektor, der Abteilungsleiter Sammlungen, die Restauratoren, der Umzugs-Beauftragte und der Verantwortliche für Logistik viele Gedanken, während sich um den Umzug nur die beiden letzteren kümmern. Deshalb wird der Umzug oft unterschätzt und mit zu wenig Personal angegangen.

Joachim empfahl, immer im Blick zu behalten, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem Umzug der Sammlung und der Ausstattung der Lagerräume gibt, sodass es sich auszahlt, Synergieeffekte zu nutzen. Sehr oft wird einfach auch der Arbeitsumfang unterschätzt – extra Ressourcen sind hier unumgänglich. Es ist auch ganz entscheidend zu verstehen, dass in der Umzugszeit der Leihverkehr eingeschränkt werden muss und auch die Verfügbarkeit von Objekt im Haus begrenzt wird.

Joachim warnte auch davor, dass man Kräfte aus anderen Abteilungen abzieht und sie beim Umzug einsetzt. Das sei keine gute Idee. Umzüge von Sammlungen haben ihre spezifischen Erfordernisse, die nicht dadurch zu lösen sind, dass man Leute einsetzt, die es gewohnt sind etwas völlig anderes zu tun. Statt dessen gibt es drei Möglichkeiten: Mehr Leute einstellen, Werkverträge abschließen oder ganze Aufgabenpakete vergeben (z. b. für den Transport oder die Reinigung). Wie immer die Entscheidung ausfällt, darf nicht vergessen werden, dass man extra Personal braucht, Personal, das vertrauenswürdig und verlässlich ist. Joachim wies darauf hin, dass die Umzugskosten bis zu 20 % der gesamten Kosten für den Magazinneubau betragen, und dass das sehr oft unterschätzt würde. Man sollte auch bedenken, dass es um so teurer wird, je mehr Verantwortung der Vertragspartner übernehmen soll.

Ganz praktisch: man wird mehrere Teams benötigen, sowohl im „alten“ Depot als auch im neuen Gebäude. Ein wichtiger Tipp dazu: man sollte an beiden Stellen eine Hilfskraft haben, die nichts anderes tut als Material herbei zu schaffen etc. Auch eine zu Entscheidungen befähigte und befugte Kraft sollte an beiden Plätzen zur Stelle sein, damit der Arbeitsprozess sich nicht verlangsamt, weil man lange auf Entscheidungen warten muss. Diese Person muss jemand sein, der sich mit allen Aufgaben auskennt, ein Generalist mit Problemlöse-Persönlichkeit – er/sie ist die wichtigste Person am Platz.

Äußerst wichtig bei XXL-Umzügen ist es auch, nicht mehr in einzelnen Objekte zu denken sondern in Konvoluten. Wenn man für jedes einzelne Objekt maximale Sicherheit möchte bewegt man gar nichts, denn jede Bewegung bedeutet ein Risiko. Wenn man einen Umzug auf kostenbewusste Weise organisieren möchte, dann muss man ein gewisses Risiko eingehen. Vom minimalen Risiko muss man zum akzeptablen Risiko wechseln. Das heißt, dass wir 95 % der Objekte als Standard-Fälle ansehen sollten und nur 5 % als solche, die eine Sonderbehandlung brauchen. Es muss genau darauf gesehen werden, was absolut notwendig ist und was nur wünschenswert.

Der Umzug rennt der zukünftigen Situation hitnerher - keine gute Situation!
Der Umzug rennt der zukünftigen Situation hinterher – keine gute Situation!
Sehr wichtig ist es, die richtige Reihenfolge der einzelnen Schritte beim Bewegen/Packen/Transportieren genau zu planen – aber auch: nicht tot-planen.

Was sich als hilfreich erwiesen hat, sind Sicht-Verpackungen, so dass man sehen kann, was transportiert wird und so unmittelbar deutlich wird, wo Transportprobleme vorliegen. Auch sollte so früh als möglich alles auf Räder gesetzt werden. Standardverpackungen zu benutzen macht alles einfacher und kostengünstiger. Standard-Palletten, Standard-Schachteln, die in Standard-Regale passen … Und außerdem immer daran denken dass Platz, Platz, genügend Platz alles ist!

Auch wenn wir das immer mit bedenken, so sollte man sich daran erinnern, dass bei einem Umzug die Sicherheit nicht das größte Problem ist. Joachim formulierte das so: Sorgt für die Sicherheit des ganzen Vorgangs, nicht für die Sicherheit des einzelnen Objekts. Wenn man das Team bei guter Laune hält und gut bezahlt ist das Sicherheitsrisiko sehr gering.

Joachim gab uns auch die Mahnung mit, frühzeitig an das benötigte Material zu denken, auf die absehbaren Kosten eingestellt zu sein, Standardprodukte zu nutzen und Werkzeug und Material frühzeitig zu bestellen. Einfache Lösungen an Stelle von komplizierten verringern die Gefahr, dass etwas schief läuft. Manchmal braucht es spezielle Lösungen, dann sollte man sich aufmerksam umschauen, denn meistens liegt die Lösung ganz nah.

Noch ein Wort zu Verträgen: erfahrenes Personal muss frühzeitig unter Vertrag genommen werden, das gilt besonders für die Entscheider. Zu viel überqualifiziertes Personal ist nicht vorteilhaft. Nochmals: man halte das Team bei guter Laune und bezahle es gut.

Um zusammen zu fassen:

  • Kosten nicht unterschätzen
  • Einen stimmigen Ablaufplan erstellen
  • Angemessenes Personal, Werkzeug und Material
  • Akzeptable Risiken eingehen

Von dem vielen Nicken etwas schwindelig ging ich in die Mittagspause.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Die freakigen Details – wie wir das hingekriegt haben

Wenn es sich bewegt – gib ihm einen Barcode Teil 2

Von Sheila Perry

Hinweis: Dies ist der zweite Teil des Artikels „Wenn es sich bewegt – gib ihm einen Barcode“, den ersten Teil finden Sie hier.

Wir ließen uns drei Serien von Barcode-Etiketten machen, mit jeweils fortlaufender Zählung für Zeichnungen, Drucke und Photographien, beginnend mit DR00001, PR00001 und PH00001. Diese Nummern hatten keine weitere Bedeutung, einzig wichtig war, dass wir wussten, welche Objekte in welcher Schachtel waren. Ich legte eine riesige Tabelle an mit einer Konkordanz der verschiedenen Nummerierungssysteme und die nutzten wir dann für ein Update unserer Datenbank, sodass dort die Nummern der Schachteln geändert wurden. Das war ziemlich Nervenaufreibend, denn es bestand die Gefahr, dass sich die Zellen der Tabelle beim Bearbeiten verschieben könnten und nicht mehr synchron wären. Der schlimmste Teil der Arbeit war es aber, die Etiketten an den Schachteln zu befestigen. Die Etiketten wurden einzeln geliefert und mussten von einem Trägermaterial gelöst werden. Wie bei doppelseitigem Klebeband bestand beim Ablösen immer die Gefahr sie zu verknittern. Das Beste dabei war, dass wir keine Listen ausdrucken oder schreiben mussten, als wir anfingen, die Schachteln zurück ins Gebäude zu bringen. Wir haben sie nur mit einem mobilen Barcodescanner (Datalogic Skorpio mobile computer) eingelesen. Damit konnten wir die Bewegungen festhalten und am Ende des Tages eine Exceliste erstellen, mit der wir dann die Datenbank wieder auf den neuesten Stand brachten.

powerpick screenshot barcode

Die Software (PowerPick – s. Screenshot) welche die drei Kardexmaschinen steuert, verfügt über eine kleine, einfache Datenbank mit einer Liste der Schachtelnummern, zwei Beschreibungsfeldern, die wir für die älteren Beschriftungen der Schachteln nutzen und für die Position der Schachtel im Lagersystem. Die Schachtelnummer dient als Referenz zur Datenbank, wo man dann den Inhalt der Schachtel findet. Wenn ein Nutzer also ein bestimmtes Objekt sucht, sieht er in der Datenbank nach, findet die Schachtelnummer, gibt diese dann in die PowerPick-Datenbank ein, die den Standort findet (Maschinennummer, Schubnummer und Position im Schub) und die zuständige Maschine dann beauftragt , diesen Schub heran zu fahren. Die Schachteln haben einen ständigen Standort in den Lagereinheiten und werden für gewöhnlich auch an genau diesen Ort zurück gebracht, wenn das auch bei Bedarf geändert werden kann. In der anderen Richtung kann der Barcode auf der Schachtel gescannt werden, um den richtigen Standort zu finden und den entsprechenden Schub bereit zu stellen, in der Praxis wird aber oft die Schachtelnummer in das Suche-Feld eingegeben oder einkopiert.

Jetzt sind wir nicht mehr zu bremsen!

Bald danach habe wir noch ein paar kleinere Barcodeprojekte durchgeführt, um einzelne Objekte finden zu können. In dem Fall befestigten wir selbstklebende Etiketten verschiedener Art auf den Boxen oder dem Verpackungsmaterial. Wir druckten die Etiketten selbst aus, das hatte den Vorteil, dass wir so viel zusätzliche Informationen unterbringen konnten, wie wir wollten. Für die Miniaturporträts benutzten wir Museums-Standard-Etiketten und fügten eine Abbildung, den Künstlernamen, den Titel und die in einen Barcode verwandelte Inventarnummer hinzu. Ehe wir das machten, hatten wir immer Probleme mit dem Auffinden von Objekten in dieser Sammlung. Die einzelnen Miniaturen waren schwer zu identifizieren und es war auch schwierig, sie mit Etiketten zu versehen, bis sie in Schachteln untergebracht wurden. Jetzt, wo sie Barcodes haben, ist es sehr viel leichter, eine Revision vor zu nehmen. Ein Problem bei den selbst gemachten Etiketten ist es allerdings, dass der Barcode manchmal nicht lesbar ist. Ich meine, dass das in etwa 5-10 % der Fälle passiert, während bei den vorgedruckten Barcodes die Fehlerrate sehr viel geringer ist. Als nächstes Projekt versahen wir dann die Umschläge in denen Porträtmedaillons gelagert sind mit Barcodes. Auch sie waren vorher sehr schwierig zu finden und zu überprüfen.

portrait miniatures with barcodes

Einige meiner Kollegen haben nun ein Revisionsprojekt für das Kupferstichkabinett der Scottish National Gallery begonnen und befestigen auch dort vorgedruckte Barcode–Etiketten auf den Schachteln. In der nächsten Zeit wird es keine Umzüge geben, wir haben aus der Erfahrung gelernt und haben nun genügend Zeit, alles zu organisieren. Der letzte Schritt auf unserem Weg ins 20. Jahrhundert (ja, noch nicht ins 21. Jh.) findet gerade statt.

Was wir gelernt haben (falls wir etwas gelernt haben)

  • Wir haben uns bisher darauf konzentriert, relativ kleine und unbedeutende Kunstwerke, oder richtiger, ihre Aufbewahrungsbehälter mit Barcodes zu versehen. Nicht weil wir sie weniger schätzen als andere, aber weil die kleinen im Allgemeinen schwerer auf zu finden sind und bei ihnen leichter Unordnung entsteht. Für wichtigere und größere Objekte sollten wir vielleicht in RFID investieren (radio-frequency identification = Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen) anstatt auch hier Barcodes zu verwenden, dann wäre zusätzliche Sicherheit mit der Möglichkeit der leichteren Auffindbarkeit und der Klimaüberwachung verbunden. Aber diese Schlacht muss erst noch geschlagen werden.
  • Selbst gemachte Barcodes sind nicht so leicht zu scannen wie fertig gedruckte – aber man kann alles, was man möchte in einen Barcode verwandeln, wenn man die Barcodes im Haus druckt. Das verleiht auch mehr Flexibilität, denn dann können nach Bedarf andere Informationen angefügt werden und man kann nach Bedarf auch nachdrucken.
  • Die Verwendung von Barcodes ist eine gute Methode um eindeutige Etiketten zur Verfügung zu haben und um rasche Revisionen zu ermöglichen, aber es gibt auch andere Methoden, die ebenso funktionieren würden, wenn man sie nur konsequent und akkurat anwenden würde.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Wenn es sich bewegt – gibt ihm einen Barcode!

(Noch besser: gib ihm einen Barcode ehe es sich bewegt …)

Von Sheila Perry

Unsere Anstrengungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Barcodes wurden von praktischen Notwendigkeiten angestoßen und waren nicht das Resultat einer umfassenden Übernahme dieser Technologie durch die ganze Organisation. Wir wären vermutlich etwas anders vorgegangen, wenn wir das Ganze strategisch angepackt hätten und versucht hätten, alle Objekte in den National Galleries of Scotland mit Barcodes zu versehen. Andererseits: wenn wir auf einen Konsens in dieser Sache gewartet hätten wäre vermutlich nichts geschehen.

So fing es an:

PNIN - Kardex tray with boxes

Ursprünglich wurde unser Projekt Barcodes zu verwenden durch die Einrichtung einer automatischen Magazinlieferanlage (Kardex) in der renovierten Scottish National Portrait Gallery im Jahr 2011 angestoßen, aber es war auch die schließlich angestrebte Lösung für das Vorhaben, alle Objekte in der Graphik- und Photoabteilung einer Revision zu unterziehen. Diese waren ursprünglich, meist in modernen Sammlungsschachteln, an verschiedenen Örtlichkeiten rund um die Portraitgalerie verstaut. Das ist ein viktorianischer Gebäudeteil mit Wendeltreppen, die zu Türmchen und Dachböden führen. Wir wussten nie so genau, was in diesen Räumen aufbewahrt wurde, bis wir sie im Jahr 2009 vollständig leeren mussten.

Das größte Problem bei den Drucken und Zeichnungen war zu diesem Zeitpunkt das Nummerierungssystem der Schachteln, auch wenn es zusätzlich Zweifel gab, ob der Inhalt dieser Schachteln in der Datenbank richtig eingegeben war. Bei den Photographien war es so, dass große Stöße noch in keiner Weise erfasst waren.

Die Schachteln mit den Zeichnungen waren mit einer ganzen Reihe von Zahlen versehen, die von einem nicht mehr benutzten Nummerierungssystem stammten. In manchen Fällen waren die Schilder (Pappkärtchen in Metallhalterungen an der Vorderseite der Schachtel) auch herausgefallen und verloren gegangen. Ähnlich war es bei den Schachteln mit Drucken, die mit einer ganzen Reihe von Nummern versehen worden waren, die mit den Zugangsnummern der Drucke korrespondierten, die angeblich in der Schachtel sein sollten.

box labelling example

Die Drucke waren nicht nach der numerischen Reihenfolge sortiert, sondern nach einem komplexen System, das festhielt, ob ein Druck schottisch, englisch oder ausländisch war, in welchem Jahrhundert er entstanden war und in manchen Fällen auch noch die kodierte Identität des Porträtierten anzeigte. So konnte die Beschriftung einer Box zum Beispiel so aussehen: SO IV 58.1-150.6. Manche der Schachteln für die Drucke hatten diese Bezeichnungen aufgedruckt, zum Teil sogar in Gold, andere hatten Pappschildchen, wie die bei den Zeichnungen.

Wir holten also alle Schachtel aus der Porträtgalerie, nachdem wir unsere eigenen provisorischen Schildchen angebracht hatten, um sie in den neuen Regalen in eine vernünftige Reihenfolge zu bringen und um diese neuen Standorte in der Datenbank zu verzeichnen. Dabei kamen die Drucke und Zeichnungen in ein Magazin und die Fotografien in ein anderes. Zwei Projekte wurden auf den Weg gebracht: eines um den Inhalt der Schachteln bei den Drucken und Zeichnungen einer Revision zu unterziehen und eines, um die restlichen Fotos zu katalogisieren.

Lesen Sie in Teil zwei die wirklich freakigen Details – wie haben die das hingekriegt?

Sheila Perry ist Collections Information Systems Manager (Sammlungsinformationssystemmanager) bei den National Galleries of Scotland, angesiedelt in der Registrierungsabteilung, verantwortlich für die Pflege und Weiterentwicklung der NGS-Datenbank und verwandter Systeme. In ihrer früheren Karriere war sie Programmiererin und Datenbankentwicklerin. Und sie schreibt unter Pseudonym Romane der Gattung Mystery.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Europäische Konferenz der Registrare 2014: Sei vorbereitet!

Ei vahinko tule kello kaulassa.
Das Unglück hat keine Glocke um den Hals
= Ein Unglück meldet sich nicht vorher an
(Finnisches Sprichwort)

Den nächsten Tag begannen wir alle ein bisschen müde. Wir mussten uns zwischen „Bewertung und Versicherung“ und „Sei vorbereitet!“ entscheiden. Nun, ich fühlte mich nicht gut vorbereitet, nachdem ich erst um 2 Uhr in Bett gekommen war und so entschied ich mich für „Sei vorbereitet“.

Die erste Präsentation „Schadensbehebung / AIC-CERT“ bestand aus zwei Teilen, einem, in dem Julie Bakker, Chief Registrar des Kunstmuseums in Houston/USA die zugrundeliegenden Ideen und die daraus resultierende Fortbildung vorstellte, und zum anderen Teil aus „Steve’s Reality Show“, vorgestellt von Steve Pines, Chefrestaurator für Kunstgewerbe am gleichen Museum.

Nachdem 2015 der Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hatte, wurde es offensichtlich, dass das größte Problem bei der Rettung von Sammlungen nicht darin besteht, dass es zu wenig Leute gäbe, die helfen möchten und auch nicht, dass es zu wenige Fachwissen gäbe. Das Problem bestand darin, dass es keine organisierte Form der Zusammenführung dieser beiden so wichtigen Komponenten gab.
Daher schuf das American Institute for Conservation das AIC-CERT (American Institute for Conservation – Collections Emergency Response Team: Team zur Hilfe bei Notfällen in Sammlungen). Es ist eine Gruppe von freiwilligen Restauratoren und Sammlungsspezialisten, die in Notfällen ihr Wissen zur Verfügung stellen – per Telefon, Email oder vor Ort.

Übung ist immer ein ganz wichtiger Punkt, wenn es darum geht nach einer Katastrophe eine Sammlung zu retten. Personen, die das geübt haben wissen eher, was zu tun ist und verlieren nicht so leicht den Kopf. Deshalb führt AIC-CERT auch überall in den Vereinigten Staaten Fortbildungen durch. In 5 Tagen lernen die Teilnehmer wie sie wirksame Katastrophenteams bilden, wie sie effektiv mit anderen Katastrophenhelfern zusammenarbeiten und wie sie sich und andere schützen. Der letzte Punkt ist sehr wichtig, da Museumsmitarbeiter in der Regel nicht an ihre eigene Sicherheit denken, wenn sie einen Unglücksbereich betreten. Einige der Empfehlungen waren:

  • Unbedingt Sicherheitsausrüstung anlegen, wie Schutzhelme, Handschuhe, Masken
  • Vor dem Betreten des Gefahrenbereichs sicherstellen, dass andere wissen, wo man hin geht
  • Nie alleine vordringen, immer mit einem Kollegen
Be prepared: Julie Bakke with hard hat, mask and, of course, clipboard. Picture via twitter @BergFulton
Gut vorbereitet: Julie Bakke mit Helm, Maske und, natürlich, einem Klemmbrett (via Twitter @BergFulton)

Auch bei „kleineren“ Unfällen ist es entscheidend, dass jemand alles koordiniert, was vor Ort geschieht und auch sicher stellt, dass alle Informationen weitergegeben werden: Warnungen der Polizei und der Feuerwehr an das Helferteam, Anweisungen für die Vorgehensweise von den beratenden Restauratoren an das Helferteam, Beobachtungen und Kenntnis neuer Gefahren, auf die das Helferteam aufmerksam wird, an die Verantwortlichen…

Nach den Vorschlägen des AIC-CERT besteht ein Helferteam normalerweise aus 4 Personen: 1 Teamleiter, 2 Personen vor Ort und 1 Koordinator für die Logistik. Registrare und Sammlungsverwalter scheinen sich besonders gut für die Koordination der Logistik zu eignen, wohl weil sie oft in ihren Institutionen sowieso für den Katastrophenplan zuständig sind. Aber sie eignen sich auch gut für die Teamleitung.

Die Schulung durch das AIC-CERT beinhaltet nicht nur Theorie. Sie simulieren auch Katastrophen. Sie kreieren zum Beispiel ein bestimmtes Szenario (Hurrican der Stärke 3 im Museum, Brand in der Bibliothek nach einem Kurzschluss…) und das Team muss das dann abarbeiten, um dabei zu lernen, was wann zu tun ist.

In dieser Sitzung wurde auch mitgeteilt, dass das lange bekannte „Emergency Response and Salvage Wheel“ (Drehscheibe für Notfälle) nun auch als App für Mobilgeräte zu haben ist: http://www.heritagepreservation.org/wheel/

Steve Pine berichtete dann, welche Hilfe von AIC-CERT kam, als Sandy zuschlug.
In diesem Fall übernahm das MOMA die Informationsbeschaffung durch Restauratoren, die Rat gaben und Hilfe koordinierten. Sie nutzen ihren „Inside/Out“-Blog, um Hilfe anzubieten und Fragen von Künstlern zu beantworten, deren Werke von der Flut betroffen waren. Man kann sich diese Postings ansehen unter http://www.moma.org/explore/inside_out/tag/hurricane-sandy

Steve zeigte Bilder von der Arbeit, die AIC-CERT-Mitglieder zusammen mit Künstlern und anderen Freiwilligen leisteten, um die Arbeiten einer Künstlerkolonie und die Kostüme und Requisiten der Marta Graham Tanz Company zu retten (http://afrnyc.org/emergency-response-martha-graham-dance-company). Mit Toiletten- an Stelle von Japanpapier wurden Bilder getrocknet, ehe sie anfangen konnten zu schimmeln. Fliegengitter wurden als Trockengestelle genutzt und eine leere Industriehalle als „Feldlazarett“ für Kunstwerke und Requisiten … Es war außerordentlich eindrucksvoll zu sehen, wie das Fachwissen der Restauratoren und der Improvisationsgeist die Rettung tausender von Kunstwerken ermöglichten.

Feuer im Museum

Die nächste Sitzung konfrontierte uns mit einem anderen Alptraum des Registrars: „Feuer im Museum“. Adina Ekbergh, Sicherheitsbeauftragte im Museum für Ethnographie in Stockholm/Schweden berichtete über diesen Schwarzen Tag ruhig, aber mit Nachdruck.

Als der Rauchmelder im Kalt-Lagerraum anschlug, wurde das Museum sofort evakuiert und die Feuerwehr kam 7 Minuten später. Unglücklicherweise hatte der Rauch auch weitere Magazine in der Umgebung des Kaltraums erreicht und so tat die Sprinkler-Anlage 13 Minuten lang das, wofür sie da war – sodass die Objekte dort klatschnass wurden. Zum Glück war Adina da und wurde von den Vorgesetzten sofort ermächtigt, alles zu koordinieren.

Als die Feuerwehrmänner alles unter Kontrolle hatten, wurden die Türen geöffnet, um den Rauch abziehen zu lassen, und Museumsmitarbeiter bewachten die Einlässe. Die meisten Mitarbeiter warteten draußen, um mit der Rettung der Objekte zu helfen, Aber unglücklicherweise konnte die Spurensicherung an dem Tag nicht abgeschlossen werden und so wurde das Museum um Mitternacht versiegelt. Die Untersuchungen gingen am nächsten Tag weiter – und natürlich konnten die Museummitarbeiter erst mit der Behandlung der nassen Objekte beginnen, als diese abgeschlossen waren. Kostbare Zeit verstrich und für die Sammlung von Objekten aus Federn, Pelzen und Leder waren die 24 Stunden, die verstrichen waren, ehe mit der Arbeit begonnen werden konnte, lange genug, damit sich Schimmel bilden konnte.

Sobald man das Gebäude wieder betreten durfte, begann die Rettungsaktion. Es wurde beschlossen, alles, was befallen war einzufrieren. Von Donnerstag bis Samstag halfen alle Mitarbeiter bei der Behandlung der Objekte. Anfangs ohne Schutz, denn es gab nicht genügend Masken und Handschuhe. Der Kauf dieser Dinge war eine der ersten Aufgaben!

Adina betonte, dass sie eine Menge von dieser Katastrophe gelernt hätten:

  • Man sollte immer genügend Schutzkleidung vorrätig haben, denn natürlich wollen alle helfen, jedoch sollte die Gesundheit der Kollegen an erster Stelle stehen. Adina formulierte es so: wir verstehen uns immer als Profis, die mit Objekten umgehen und nicht als Menschen! Deshalb denken wir oft nicht an Gesundheitsrisiken.
  • Wenn jemand helfen möchte, sollte man nicht nein sagen. Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr solche Katastrophen erschöpfen: physisch, geistig und seelisch. Und man sollte sich nicht scheuen, selbst um Hilfe zu bitten.
  • Auf dem Boden dürfen keine Objekte stehen!
  • Während der Arbeit Tagebuch schreiben – man vergisst schnell
  • Beteiligen Sie ihre Nachbarn.
  • Gute Beziehungen zu Ämtern wie Feuerwehr und Polizei sind wichtig und sollten geknüpft werden, ehe etwas passiert.
  • Unbedingt die Mitarbeiter für den Katastrophenfall schulen.

Als Auslöser für das Feuer wurde eine Überspannung in einem Sensor des Kalt-Lagerraumes festgestellt. Mit dem Gedanken an unsere eigenen Sammlungen verließen wir den Konferenzraum zur Kaffeepause.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Europäische Konferenz der Registrare 2014: Diebstahl und Rückführung

Vahinko tulee viisaallekin.
Auch der Kluge erleidet Schaden
Finnisches Sprichwort

Die letzten Sitzungen des ersten Tages, bescherten uns zwei Sprecher, die sich im Aussehen und in der Art ihrer Präsentationen sehr unterschieden, die aber unbedingt an einem Strang ziehen, wenn es darum geht verlorene Kunstwerke zurück zu bringen: Christopher A. Marinello, der Direktor und Gründer von Art Recovery International and Rune Sivertsen, Kriminalhauptkommisar der Norwegischen Polizei. Der beredte Rechtanwalt und der beherzte Gesetzesvertreter sprachen und wir lauschten ihnen in den nächsten eineinhalb Stunden wie gebannt.

Chris Marinello speaking about the restitution of a Matisse (via twitter @erc2014)
Chris Marinello spricht über die Restitution eines Matisse (via twitter @erc2014)
“Wer stiehlt Kunst?” fragte Chris Marinello zu Beginn seiner Präsentation “Verlorene und wiedergefunden Kunst”. Er stellte klar, dass Kunstdiebe keineswegs so sind, wie sie in Hollywoodfilmen wie „Die Thomas Crown Affäre” oder in „Entrapment (dt. Verlockende Falle)“ gezeigt werden. Es ist nichts romantisches oder heroische an ihnen, sie sind ganz gewöhnliche Kriminelle, der gleiche Typ von Leuten, die auch Brieftaschen klauen.

Kunstdiebstahl ist eine „Industrie“, die 6 Billionen Dollar im Jahr umsetzt. Aber wie viele von den „guten Jungs“ gibt es, um diese Diebstähle zu verfolgen? Marinello hatte Zahlen: in Italien gibt es einen Beamten für Kunstdiebstahl auf 200.000 Einwohner, in Großbritannien einen auf 15 Millionen und in den USA sogar nur einen für 20 Millionen Bürger. Nur 15 % der Kunstwerke werden je wieder entdeckt. Darum ist es, nach Marinellos Meinung, wichtig Hilfe im privaten Bereich zu bekommen.

Er stellte die Datenbank „Art Claim“ für gestohlene, geraubte und vermisste Kunstwerke vor. Die Idee ist, dass Museen und Sammler ihre Objekte dort registrieren lassen können, ehe ihnen etwas passiert. Das macht deutlich, wer der rechtmäßige Besitzer ist und Kunsthändler können dort, um sicher zu gehen, dass es nicht gestohlen wurde, die Datensätze kontrollieren, wenn ihnen ein Kunstwerk angeboten wird. Auch die Polizei kann die Datenbank heranziehen, wenn sie ein Kunstwerk finden, zum Beispiel nach einer Razzia.

Ein andere Bereich der Arbeit von Artcovery sind die Verhandlungen bei Restitutionsfällen. Chris sprach von einigen besondere schwierigen Fällen, u.a einem aus dem Gurlitt-Kunst-Fund. Man kann sich die Schwierigkeiten lebhaft vorstellen bei den Verhandlungen, wenn etwas als legal und gesetzeskonform erworben erachtet wird und doch, unter moralischen Gesichtspunkten, seinem früheren Besitzer noch gehört. Wie überzeugt man jemanden davon, ein Kunstwerk ohne finanzielle Kompensation zurück zu geben, nur um die richtige Sache zu tun und um eine Unrecht lang vergangener Zeit auszugleichen?

Dann betrat Rune Sivertsen das Podium und berichtete von dem Raub des „Schrei“ und der „Madonna“ aus den Munch-Museum 2004. Wir waren ganz Ohr, als der Polizeioffizier die bittere Wahrheit dieses Diebstahls offen legte.

Es gab einige Umstände, die es den Räubern leichter machten, wenn sie diese auch nicht vorhersehen konnten. Der Wächter saß außerhalb des Raumes, in dem „Der Schrei“ und die Madonna ausgestellt waren und das Alarmsystem war schlecht gewartet, sodass der Alarm nicht los ging, als die Bilder entfernt wurden. Die Räuber waren aber auch für andere Umstände gerüstet: einer war bewaffnet und sie nutzten Montageschaum um die Alarmglocke still zu legen.

Picture of the robbery – approaching the getaway car
Bild vom Raub: Fast am Fluchtauto
Es gab auch glückliche Umstände: der Raubzug wurde gefilmt und ein Zeuge machte, ohne das zu wissen, eine Aufnahme des Fluchtautos. Während die Räuber maskiert waren, war es der Chauffeur nicht, sodass er identifiziert wurde. Ein anderer der Räuber wurde identifiziert, weil er bei der Festnahme in einem anderen Fall die gleiche Kleidung trug. Dennoch dauerte es 2 Jahre und 7 Tage bis es gelang, die Räuber fest zu setzen und die Bilder wieder zu finden, die größere Schäden davongetragen haben.

Was uns Museumsleute aber am meisten schockierte, war der wahre Grund für den Raub: die Bilder wurden nicht als Kunstwerke gestohlen, die man verkaufen wollte. Sie wurden nur gestohlen (22.8.2004), um die Polizei abzulenken und zu beschäftigen, die wegen eines größeren Gelddraubes bei NOKAS ermittelte (Nokas ist ein Anbieter von Sicherheitslösungen und Cash-Management für die Regierung, Unternehmen und Privatpersonen, zum Überfall s. http://en.wikipedia.org/wiki/NOKAS_robbery), der von der gleichen kriminellen Bande ausgeführt worden war (5.4.2004). Noch schockierender – wenn möglich: die Strafen für den Raub waren gering, der einzige der zu einer nennenswerten Gefängnisstrafe verurteilt wurde war derjenige, der eine geladene Waffe dabei gehabt hatte….

Mit dem Eindruck, dass offenbar nur wir einen Kunstraub als etwas Ernsthaftes ansehen, gingen wir zum Mitsommerfest im Kiasma Museum…

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf Französisch erhältlich, übersetzt von Marine Martineau.

Europäische Konferenz der Registrare 2014: Risiken der Ausleihe abschätzen

Niin metsä vastaa kuin sinne huudetaan.

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus
(Finnisches Sprichwort)

Nach dem Mittagessen stand wieder eine schwierige Wahl an: Risiken der Ausleihe abschätzen oder Herausforderungen beim Versand. Ich könnte stundenlang über Herausforderungen beim Versand in einem Museum für Technik und Arbeit sprechen, aber die stellen sich meist innerhalb meiner Institution und so entschied ich mich für die Ausleihe

„Mit freundlichen Grüßen“: ein Ausleihszenario wurde für beide Seiten – Leihgeber und Leihnehmer – durchgespielt von Kate Parsons, Abteilungsleiter Sammlungsverwaltung in der Tate (UK) und Jane Knowles, verantwortlich für die Ausstellungen dort und Präsidentin der englischen Registrar-Vereinigung.

Es begann mit einem kurzen Blick auf die Geschichte der Risiko-Beurteilung bei Ausleihen an Hand einiger besonders kurioser Funde aus dem Bereich der Kunsttransporte:

venue

handling valuable pictures

Ganz allgemein gibt es 3 Risikotypen, wenn es um Ausleihen geht:
1. Finanzielle Risiken
2. Logistische Risiken
3. Kuratorische und ethische Risiken

Alle diese Risiken sollten im Leihvorgang so früh als möglich ins Auge gefasst werden. Um ein Handlungsmuster zu zeigen schufen Kate und Jane ein Szenario: Die Royal Academy möchte einige Arbeiten aus der Tate ausleihen. Kate übernahm die Rolle des Leihgebers, Jane die des Ausleihenden und sie zeigten so, wie der Leihprozess in Gang kommt, wie die Bewertung der Risiken auf beiden Seiten immer berücksichtigt wird und welche Schlüsselrolle die Kommunikation dabei hat.

Wie bei den meisten Leihvorgänge, lief es auch hier nicht glatt. Zum Beispiel schickt der Leihnehmer eine Klimakurve von einem Ausstellungsraum, die so aussah:

graph

Ist das für eine Alabasterskulptur hinreichend? Nun, auch mit viel Wohlwollen gegenüber dem Leihnehmer ist es das nicht … Es muss ein anderer Raum für die Skulptur gefunden werden und es bestehen Bedenken wegen der Gewichts der Statue und wegen Transportproblemen. Im Hinblick auf ein anderes Kunstwerk zieht der Leihnehmer seine Leihanfrage zurück. Allerdings hat der Leihgeber schon Zeit in Konservierungsmaßnahmen investiert, sodass er eine Rechnung für die Kosten schickt – die der Leihnehmer nicht erwartet und natürlich nicht einkalkuliert hatte. So ging es weiter, aber am Ende fanden sie eine gute Übereinkunft für beide Seiten und lebten glücklich und zufrieden …

Ach, du meine Güte, ich wünschte mir, dass alle Leihanfragen und Leihverhandlungen auf so gesittete, freundliche und kollegiale Art und Weise erledigt würden wie in diesem Szenario! So handelt man im Interesse der Kunstwerke, der Institutionen und natürlich auch der beteiligten Kollegen. Auf den Punkt gebracht: Leihnehmer und Leihgeber sollten zusammenarbeiten und Risiken offen und kollegial besprechen. Das ist gutes Risikomanagement.

Nächste Vortragende war Eva-Lena Bergström mit: „Ausleihen – Risiken kalkulieren“
Sie blickte auf die Geschichte der Risiko-Beurteilung bei Ausleihen und besonders auf die Entwicklung der Staatshaftung. Einige der Punkte an die ich mich erinnere (bzw. meinem Notizbuch entnehme):

  • 2009 gab es in 22 von 30 europäischen Ländern Staatshaftung
  • seitdem wurden 2296 Ausstellungen mit Staathaftung gedeckt und es gab 16 gemeldete Fälle von Schaden bzw. Verlust bei den mindestens 100 000 Werken, die bewegt wurden (0,016%).
  • Von den 84 Institutionen, die an Evas Umfrage teilnahmen gab es nur 2, die keine Risikobewertung vornehmen.

Darauf folgte ein intensiver Blick auf die Daten aus der Umfrage, die die ERC 2014-Delegierten online vor der Konferenz beantwortet hatten (und die hoffentlich bald publiziert werden).

Die folgende Diskussion konzentrierte sich bald darauf, dass sich in vielen Leihverträgen ein Passus befindet, nach dem der Leihnehmer auch noch für Schäden verantwortlich ist, die bis zu 6 Monate nach der Ausleihe sichtbar werden. Dieser Passus scheint ein unabsehbares Risiko für den Leihnehmer zu beinhalten. Aber ein deutscher Teilnehmer betonte, dass es sich da vielleicht um ein Missverständnis handelt: nach deutschem Recht muss die Schadensersatzforderung für einen Schaden während der Leihphase unmittelbar nach der Rückgabe erfolgen. Dadurch kann kein verborgener Schaden reklamiert werden, der sich erst nach der Rückgabe zeigt, der aber ganz offensichtlich mit den Bedingungen der Ausleihe zusammenhängt (so habe ich es verstanden, aber ich bin kein Jurist). Aus diesem Grund verlängern deutsche Leihverträge die Frist für die Schadensmeldung auf 6 Monate.

Es wurde deutlich, wie wichtig es ist, dass die Formulierung der Verträge ganz klar ist und dass man keine nicht-versicherbaren Risiken akzeptieren kann. Für Ausleihe und Leihnahme stehen Museen in der Verantwortung und Leihgeber müssen akzeptieren, dann jede Ausleihe ein Risiko bedeutet, das nicht vollständig auf die leihnehmende Institution abgewälzt werden kann.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

Dieser Beitrag ist auch auf Italienisch erhältlich, übersetzt von Silvia Telmon.

Europäische Konferenz der Registrare 2014: Sicherheitsbelange

Älä laita kaikkia munia samaan koriin.

Man soll nicht alle Eier in einen Korb legen
(Finnisches Sprichwort)

Nach der Eröffnung und der ersten Sektion „Ist es denn Kunst?“ mit Daniel Birnbaum gab es Parallelveranstaltungen: Sicherheitsbelange und das Einmaleins des Kuriertransports. Da in unserem Museum selten Mitarbeiter als Kuriere eingesetzt werden habe ich die Sektion Sicherheit gewählt.

Der eindrucksvollste Vortrag war wohl der von Tygve Lauritzen, Verantwortlicher für Sicherheit und Transporte im Munchmuseet in Norwegen. Seine Präsentation umfasste ganz praktische hands-on Hinweise in Bezug auf die Sicherheit bei Transporten und einige ganz allgemeine Hinweise.

Was uns am meisten beeindruckte war eine Karte mit Angriffen auf Lastwagen in Europa (grün: niedrigste Rate, rot die höchste):

Tygve Lauritzen on the risk of road transportation
Tygve Lauritzen über die Risiken des Transports auf der Straße (Bild via twitter @ERC2014)

Tatsächlich ist Kunst, die auf der Straße transportiert wird, 1000mal gefährdeter als bei Luftfracht – was logisch, aber auch irgendwie erschreckend ist. Einer der Gedanken, die Tygve vorbrachte war, es sich zu überlegen, ob man Kuriere dem Risiko auf diesen Straßen aussetzen dürfe. Aus seiner Sicht ist die Gefahr, der man das wertvollste Gut – nämlich das Leben des Kollegen – aussetzt viel größer als der Nutzen. Was kann der Kurier tun, wenn der Lastwagen Feuer fängt? Was kann er tun, wenn der Wagen aufgehalten und von falschen Polizisten entführt wird?

Der Transport von Kunst auf der Straße ist ein Risiko, das nicht vermieden, aber durch gute Organisation minimiert werden kann. Einige seiner Empfehlungen waren:

  • Die Fahrt vorher zu planen, einschließlich Pausen, sicheren Parkmöglichkeiten und alternativen Routen
  • Den Fahrer mit allen nötigen Telefonnummern versehen und mit Anweisungen, was er jeweils tun soll und wen anrufen in welcher Situation.
  • Den Fahrer mit gedruckten Schildern versehen, auf denen in allen Sprachen der Länder, die er durchqueren muss steht: „Ich darf die Fenster nicht öffnen, bitte rufen Sie (Name +Telefonnummer) an und begleiten Sie mich zur nächsten Polizeistation.“ Es gibt viele Beispiele für Lastwagen, die von Verbrechern entführt wurden, die sich als Polizisten verkleidet haben. Zu ihrer Sicherheit sollten Fahrer nie die Fenster öffnen. Echte Polizisten eskortieren selbstverständlich einen Lastwagen zur nächsten Polizeistation.
  • Zahlenschlösser verwenden, die nur dann am Ziel die gleiche Nummer zeigen, wenn sie währen des Transports nicht geöffnet wurden. Das ist ein gutes Mittel um heraus zu finden, ob unterwegs etwas schief gelaufen ist.

Im Hinblick auf die Risiken des Straßentransports ist es logisch, eine Obergrenze für den Wert eines Kunsttransports in einem einzelnen Wagen fest zu legen. Auf dem Papier ist das sehr einfach, aber natürlich ist der Knackpunkt, das unter allen Umständen auch in der Praxis durch zu setzen.

Tygve betonte auch, wie wichtig es wäre, sich als Registrar in die „zukünftige Denkweise Krimineller“ hinein zu versetzen. Kunst wird heute im organisierten Verbrechen als Zahlungsmittel genutzt und wir sollten das Risiko nicht unterschätzen. Wir sollten uns darüber klar sein, dass Insiderwissen für Kriminelle sehr wertvoll ist und dass sie sich aktiv darum bemühen es zu erhalten. Scheinbar harmlose Fragen wie: “könnten Sie mir eine Telefonliste ihrer Institution geben“ sind keineswegs harmlos. Tatsächlich ist es, als ob man dem Verbrecher eine Hintertüre öffnet. Sie werden Erkundigungen über diese Leute einziehen und sicher finden sie irgendwo einen Schwachpunkt: jemanden, der Geld braucht, jemanden mit einem Alkoholproblem, jemand mit persönlichen Problemen …

Die „zukünftige Denkweise Krimineller“ muss auch im Hinblick auf die Sicherheit von Dokumenten bedacht werden. Wir machen uns oft nicht klar, dass Informationen, die wir mit Email schicken oder auf unseren Telefonen und Tablets mit uns herumtragen, ebenfalls Dokumente sind.
Einige von Tygves Empfehlungen:

  • Jedes Dokument vor dem Senden mit Passwort schützen. Denken Sie daran, dass jede normale, ungeschützte Email so etwas wie eine Postkarte ist – der Inhalt kann leicht ausspioniert werden. NIEMALS Dokumente offen versenden.
  • Das Passwort an die Personen, die das Dokument lesen müssen, am Telefon, nicht mit Mail weitergeben.
  • Dropbox ist kein sicherer Ort für Dokumente mit sensiblen Informationen.

In der nächsten Sektion stellte Simon Mears, der Gutachter für Sicherheitsrisiken und den Schutz von hohen Werten ist, GRASP vor, das Global Risk Art Survey Program (Programm zur Erhebung globaler Risiken). Es handelt sich dabei um ein System, das von Versicherern als Reaktion auf Unfälle erarbeitet wurde, bei denen auch Kunst betroffen war. Es ist ein holistisches Verfahren, um eine Abschätzung aller Risiken vor zu nehmen, die eine Sammlung treffen können, also nicht nur Diebstähle und Katastrophen, sondern auch Schäden, die durch das Klima entstehen können.

Pascal Matthey speaking on risk aggregation
Pascal Matthey spricht über die Kumulation von Risiken (Bild via twitter @ERC2014)

Der letzte Sprecher war Pascal Matthey (Schweiz) vom Rückversicherer XLGroup, Leiter der Abteilung Hochrisiko. Er sprach vom Ganzheitlichen Risiko-Management für Museen. Einige seiner Schlüsselsätze, an die ich mich noch erinnere:

  • Bei dem ganzheitlichen Risiko-Management hat man den größten vorhersehbaren Verlust (Maximum Foreseeable Loss – MFL) bei einem einzigen Unfall in Betracht zu ziehen. Das ist Murphys Gesetz in der Praxis: ein Feuer bricht aus, die Sprinkler funktionieren nicht, die Feuerwehr kommt mit Verzögerung – wie groß ist der größtmögliche Schaden?
  • Machen Sie sich klar, dass Versicherung und Risikomanagement nicht direkt miteinander zu tun haben – das Geld bringt die Kunstwerke nicht wieder und es bringt auch die Reputation des Museums nach einem Diebstahl nicht zurück.
  • Eine guter Ansatz bei der Risikoaggregation ist es, dieses Risiko für einzelne Bereiche des Museums zu definieren und nicht den MFL beim kompletten Verlust der Sammlung, der ja sehr unwahrscheinlich ist. Damit werden auch die Versicherungswerte in einer vernünftigen Höhe gehalten.
  • Beispiel: Das höchste Risiko für die Schauräume könnte Diebstahl und Feuer sein, Risiken, die man durch organisatorische Maßnahmen zu verringern sucht (z.B. indem man es so einrichtet, dass ein Dieb viel Zeit braucht, um das Gebäude zu verlassen, so dass die Polizei eine Chance hat, ihn noch innerhalb des Gebäudes zufassen) und versichert dann den MFL im Fall von Feuer und Diebstahl. Wenn die Schauräume nicht im Erdgeschoss sind, kann das Hochwasserrisiko sehr gering sein. Wenn sich das Depot im Keller befindet kann das Feuerrisiko gering sein – aber dann wird der MFL in Bezug auf Hochwasser versichert.

Sie können sich vorstellen, dass wir in der folgenden Mittagspause gut mit Ideen und Gesprächsstoff versorgt waren und daran zu knabbern hatten …

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

Dieser Beitrag ist auch auf Italienisch erhältlich, übersetzt von Silvia Telmon.