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Haushaltsgeräte, Möbel und darüber hinaus – Technische Objekte erfassen

Wenn man als Registrar arbeitet, hält man es oft für selbstverständlich, dass man weiß, was Registrare in anderen Museen tun. Wenn man sich dann aber mit den Kollegen unterhält, stellt man oft fest, dass manche Dinge gleich sind, aber andere sehr verschieden. Als Fernando uns erzählte, dass er einen Artikel über die Erfassung zeitgenössischer Kunst vorbereitet, nahmen wir die Herausforderung an, einen Artikel über die Erfassung von technischen Objekten zu schreiben. Also, wenn Sie normalerweise mit Kunst zu tun haben: lassen Sie sich von uns in das Wunderland der Technik entführen. Wenn Sie mit Technik befasst sind: schauen Sie uns über die Schulter und sagen Sie Bescheid, wenn wir etwas wichtiges vergessen haben sollten.
 
Technische Objekte erfassen: Ein oberflächlicher Blick

Blaupunkt (picture)

Blaupunkt Florida von 1954/55 (Bild: Eckhard Etzold)


Wenn Sie ein Kunstwerk erfassen, dann haben Sie normalerweise einen Künstler und ein Jahr, in dem es geschaffen worden ist. Sie können es erfassen und die technischen Daten auf klassische Weise angeben: Öl auf Leinwand, Aquarell, Lithographie… Die meisten Dinge können einfach mit bloßem Auge gesehen werden, vorausgesetzt, man hat das entsprechende Wissen und die entsprechende Ausbildung in Kunstgeschichte und in den künstlerischen Techniken – und beim Erwerb des Kunstwerkes ist alles nach Vorschrift verlaufen. Zugegeben, wenn hier etwas schiefgegangen ist und man nicht weiß, wer das Bild gemalt hat, kann es knifflig werden. Dann muss man seine ganzen Kunsthistoriker- und Registrarsinne zusammen nehmen und anfangen, zu forschen.

Wenn Sie technische Objekte erfassen, ist das erst der Anfang. Lassen Sie uns ein einfaches, altes Radio nehmen. Es hat einen Hersteller und wenn Sie Glück haben, steht der auf dem Gerät. Es hat vielleicht ein Typenschild mit weiteren Angaben. Wenn Sie Glück haben, steht da sogar das Baujahr drauf. Aber das ist nicht allzu oft der Fall. Also ziehen Sie los und suchen nach alten Radiokatalogen, um diesen Typ Radio zu finden. Wenn Sie eine gute Bibliothek mit alten Versandhauskatalogen und Katalogen für Radiohändler haben, haben Sie eine gute Chance, das Baujahr oder, wahrscheinlicher, die Baujahre herauszufinden.

Wenn Sie keinen Hersteller und kein Typenschild haben, was nicht ganz unüblich ist, sind die Kataloge auch ein guter Ausgangspunkt für die Recherche. Natürlich sollte man eine Vorstellung haben, aus welcher Zeit das Radio ungefähr stammt, sonst wühlt man sich durch Jahrzehnte an Katalogen. Hier kommt wieder die künstlerische Seite zum Tragen. Man kann aufgrund des Designs eine grobe Schätzung vornehmen. Aber das kann einen auch in die Irre führen.

Braun SK2 von 1960 (Bild: Nite_Owl)

Braun Kleinsuper SK2 gleich gebaut zwischen 1955 und 1960 (Bild: Nite_Owl)

Ein Beispiel: Der Hersteller BRAUN entwickelte schon ab 1955 ein unglaublich klares und funktionales Design, inspiriert von der Bauhausbewegung, in Teilen von Professoren und Studenten der berühmten Ulmer Schule mitentwickelt. Wenn Sie sich einige Radios aus dieser Zeit ansehen, könnten Sie schwören, dass sie tief in den 1960er Jahren gebaut wurden. Zur selben Zeit setzten Hersteller wie Grundig noch auf Radios, die ein wenig an Neo-Barock erinnern (obwohl man, wenn man sich Brauns SK61 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Braun-Sk61.jpg und Grundigs SO271 http://www.radiomuseum.org/r/grundig_so271_barock.html ansieht, die beide 1961 gebaut wurden, nur schwer der Versuchung wiederstehen kann, den letzteren unter „Monstrosität“ zu verschlagworten).

Also, was kommt nun in die Datenbank? Als erstes der Hersteller und dann, in einigen seltenen Fällen, wo man es herausfindet, der Designer. Also genau umgekehrt wie in der Kunst, wo man normalerweise den Künstler kennt und in einigen wenigen Fällen einen Hersteller, normalerweise den Drucker.

Um bei der Datierung zu bleiben: Da der Blick aufs Design uns auf den Holzweg führen kann, ist es sicherer bei der Technik zu bleiben. Sie gibt uns hervorragende Hinweise, um in der richtigen Dekade zu bleiben. Manche Herstellungstechniken sind arbeitsintensiv und weisen uns auf frühe Zeiträume hin: Nieten ist zum Beispiel arbeitsintensiver als Punktschweißen. In Kriegszeiten herrscht Mangelwirtschaft und das schlägt sich in den verwendeten Materialien nieder: die Notwendigkeit, einheimische Materialien zu verwenden und generell Material zu sparen, wo immer es möglich ist, lässt sich meist ablesen. Wo wir gerade von Materialien sprechen: sie geben uns auch Hinweise für die Datierung. Kunststoffe wurden über die letzten hundert Jahre entwickelt und werden immer noch weiter verbessert. Ebenso Produktionsprozesse, die man am Objekt nachverfolgen kann: so hinterlässt Spritzgießen zum Beispiel Spuren der Auswerferstifte am spritzgegossenen Formteil. Also, das Wissen um Materialien und Technik hilft uns bei der Datierung sehr.

Als nächstes möchten Sie herausfinden, wo das Radio hergestellt wurde. Das bedeutet eine weitere Recherche. Ziemlich sicher werden Sie herausfinden, wo der Hersteller seinen Hauptfirmensitz hat, aber das ist nicht notwendigerweise der Ort, an dem das Radio hergestellt wurde. Große Konzerne haben meist im ganzen Land Standorte, wenn nicht gar auf der ganzen Welt. Einige produzieren unter Umständen das baugleiche Radio an verschiedenen Standorten. Einige Hersteller kooperieren mit anderen, so dass das Modell zwar in der Fabrik des einen hergestellt wird, aber den Namen des anderen Herstellers trägt. Viel zu erfassen…

 
Nichts leichter als das: die Abmessungen
Um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen, messen wir das Radio jetzt aus. Das ist einfach. Höhe, Länge, Tiefe. Aber Moment! Was ist mit dem Kabel? Es ragt aus der Silhouette hervor. Wenn wir nur das Gehäuse abmessen, wird jeder Vitrinenbauer in Schwierigkeiten kommen, weil er nicht wusste, dass er Platz für das Kabel einplanen muss. Wenn wir die Maximalmaße mit samt dem Kabel ausgelegt in alle Richtungen nehmen, bekommen wir absolut lächerliche Abmessungen. Wenn wir das Kabel hinter dem Gehäuse einrollen und dieses Maß zu der Tiefe dazurechnen? Tja… vielleicht misst dann jemand das Gehäuse nach und kommt zu dem Schluss, dass das nicht das Radio sein kann, nach dem er sucht, da die Daten voneinander abweichen.

Die beste Lösung für dieses Problem – das schon Generationen von Ausstellungsmachern wahnsinnig gemacht hat – ist es, manche Abmessungen mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen. Zum Beispiel „Gehäuse“, „Kabellänge“, „im geschlossenen Zustand“ oder „mit geöffnetem Deckel“.

 
Technische Daten: Das Innenleben
Was ist mit technischen Daten? Im Feld der klassischen Kunst kann man das meistens einfach halten und bringt es dabei trotzdem auf den Punkt. „Öl auf Leinwand“ enthält zum Beispiel alle technischen Informationen, die man gemeinhin braucht. Man weiß, was einen aus technischer Sicht erwartet, ohne das Bild vorher gesehen zu haben. Als erfahrener Registrar kann man sogar einen ganzen Katalog von benötigten Lagerbedingungen herunterbeten, ohne viel darüber nachdenken zu müssen.

Was sind die technischen Daten eines alten Radios? Die Materialien sind Holz, Metall, Glas und wahrscheinlich auch Kunststoff. Über dem Lautsprecher mag eine Textilbespannung sein. Und das ist nur die Außenseite. Wenn man die Rückwand abnimmt, findet man Röhren, Widerstände, Kondensatoren, Spulen und Kabel. Also erweitert sich die Materialliste auf Pappe, Blei, Teer, Wachs, verschiedene Klebstoffe und verschiedene synthetische Materialien, über die man lieber gar nicht so detailliert nachdenken möchte (zum Beispiel Pertinax, ein Faserverbundwerkstoff aus Papier und Phenol-Formaldehyd-Kunstharz). In den Kondensatoren sind sogar noch Elektrolyte, so dass unser Augenmerk auch noch Flüssigkeiten gelten muss.

Open backside of a Philco PT-44 Transitone from 1940/41. Can you name all the materials you see?

Geöffnete Rückseite eines Philco PT-44 Transitone von 1940/41. Können Sie alle Materialien nennen, die Sie sehen?

Was sind die idealen Lagerbedingungen für so einen Materialmix? Tja, was ich Ihnen flüstern kann ist, dass es keine idealen Lagerungsbedingungen für so etwas gibt. Man kann nur versuchen, das Klima einigermaßen stabil zu halten, aber man reißt mit Sicherheit die Messlatte für einzelne Materialien.
Und was ist nun mit der Herstellungstechnik? Holz wird gesägt und gefügt, Glas wird geblasen, Metall wird gestanzt, gebogen, gewalzt, gedrückt, geschweißt, punktgeschweißt, genietet, gelötet, geschraubt… Sind Sie noch da?

Wenn Sie also detailfixiert sind wie die meisten Registrare, dann haben Sie jede Menge zu erfassen. Ziehen Sie auch in Betracht, dass jede Röhre ihren eigenen Hersteller, ihr eigenes Baujahr, ihren eigenen Zweck (Verstärkerröhre, Gleichrichterröhre) und eigene technische Daten (Spannung, Leistung) hat, was sie von anderen Bauteilen unterscheidet, die auf den ersten Blick gleich aussehen mögen.

Und das ist jetzt nur ein einfaches Radio! Sie haben keine beweglichen Teile wie kleine Elektromotoren oder Antriebsriemen, die sie in einem Kassettenrekorder finden. Und das ist noch ganz weit weg von der Menge an Komponenten, aus denen ein Auto besteht.

 
Über die technischen Daten hinaus: der Kontext
Menschen nutzen Technik um ihre Umwelt zu formen. Und umgekehrt formt Technik den Menschen. Sie glauben uns nicht? Sehen Sie sich einfach mal Menschen an einer Bushaltestelle an und versuchen Sie sich das gleiche Bild vor 10 Jahren in Erinnerung zu rufen. Damals lasen die Leute Zeitungen oder Bücher oder sie starrten einfach vor sich hin, beobachteten ihre Umwelt und ließen das Leben an sich vorbeiziehen. Heutzutage starren die Menschen auf ihr Smartphone. Technik prägt unser Verhalten und das ist so, seit der erste Mensch entdeckte, dass man einen Stein als Werkzeug verwenden kann.

Um auf das Radio zurückzukommen: dieses Gerät hat das Leben der Menschen verändert. Vor dieser Erfindung erfuhr man die Neuigkeiten aus der Zeitung, etwa einen Tag nachdem sie passiert waren. Mit dem Radio erfuhr man Neuigkeiten nur Minuten oder Stunden, nachdem sie passiert waren. Als das Radio kam, war das eine Sensation. Es gab nur wenige Sendungen, nicht die Rundumversorgung, wie wir sie heute gewöhnt sind. Wenn eine Sendung kam, scharte sich oft die ganze Familie um das Radio – in den Anfangszeiten noch jeder mit dem eigenen Kopfhörer.

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Kleinkind beim Radiohören, 1920-1930 (Foto ist Eigentum der John Oxley Library, State Library of Queensland.)

Fertige Radios gab es kaum zu kaufen und wenn, waren sie sehr teuer. Also fingen die Menschen an, sich selbst Radios zu bauen. Selbstbau war ein weit verbreitetes Hobby. Die Radiohersteller zogen rasch nach und schon in den späten 1920er Jahren gab es unter deutschen Radioherstellern den Plan, gemeinsam ein erschwingliches Radio zu produzieren. Die Produktionskosten ließen sich dadurch senken, dass man die einzelnen Teile weitestgehend standardisierte. Der “Volksempfänger” VE 301 war also nicht Hitlers Idee, wie es oft propagiert wird.

Nach dem Krieg änderte sich die Rolle des Radios. Man arbeitete verstärkt daran, das Radio transportabel zu machen, was mit der Entwicklung der Transistoren, die die Röhren ersetzten, auch gelang. Als das Fernsehen aufkam, verdrängte es das Radio aus dem Zentrum der abendlichen Familienaktivität. Radiohören wurde zu einer Nebentätigkeit, etwas, was man neben einer wichtigeren Beschäftigung wie Kochen, Bügeln oder Auto fahren machte. So nutzen wir das Radio noch heute – wobei, nicht ganz.

Mit dem Internetradio ist es gelungen, dass man nun auch Stationen hören kann, die sich jenseits der eigenen Antenne befinden. Es war schon in den frühesten Zeiten der Radionutzung möglich, auf Kurzwelle Stationen aus der ganzen Welt zu empfangen. Aber damals war es noch nötig, dass man die damit verbundene Technik verstand. Das richtige Gerät, die richtige Antennenlänge, Ausbreitungsbedingungen… Heutzutage schaltet man einfach das kleine WLAN-Radio an, klickt sich durch die Stationsliste und kann Country aus dem Mittleren Weste, Samba und Bossa Nova aus Brasilien oder Volksmusik aus der Mongolei hören. Sie brauchen nicht zu wissen, wie es technisch funktioniert, Sie müssen nur wissen, wie man das Gerät bedient (zugegeben, manche Menüführungen sind so kompliziert, dass man sich wünscht, es wäre so einfach und logisch wie die Berechnung eines Dipols).

Wie hilft uns das bei der Erfassung unseres Radios? Naja, wenn Sie die Entwicklungsgeschichte im Hinterkopf haben, wird es einfacher, die Spuren, die sie am Radio finden richtig zu deuten.

Unter Umständen kann man die Geschichte eines gewöhnlichen Haushaltgerätes nachzeichnen: Während es vielleicht zu Beginn im Zentrum der Familie stand, weisen Schichten von Bratenfett vermischt mit Staub darauf hin, dass es zum Küchenradio degradiert wurde. Vielleicht, weil ein neueres und besseres Modell angeschafft wurde oder ein Fernseher ins Haus kam. Glasabdrücke auf der Oberseite zeigen, dass es oft zum Abstellen von Trinkgläsern genutzt wurde, also an einem Ort im Haus stand, der dazu einlud, vielleicht im Jugendzimmer eines Teenagers? Unter Umständen entdeckt man, dass es jemand mit dekorativer Klebefolie überzogen hat, um ihm in den 1970er Jahren ein jugendlicheres Aussehen zu geben. Oder man hat die Oberfläche abgeschliffen und weiß angemalt, damit es besser zur modernen Wohnzimmereinrichtung passt. Man kann Spuren von Restaurierungsversuchen finden, als das Radio Sammlerwert erreichte. Vielleicht sieht es aber auch aus wie Frisch aus der Fabrik, weil es über Jahrzehnte in hohen Ehren gehalten wurde.

Header of the category "What wiring do I chose to build?" of the popular German monthly journal "Radio Amateur" (taken from the issue 12/1928)

Selbstgebaute Radios waren in der Frühzeit durchaus üblich, ebenso wie das Wissen über die zugrundeliegende Technik. Titelbild der Rubrik „Nach welcher Schaltung baue ich?“ der deutschen Monatszeitschrift „Radio Amateur“ (hier aus der Ausgabe 12/1928)

Wenn man die Rückseite öffnet, findet man vielleicht Veränderungen zur ursprünglichen Schaltung. Vielleicht vorgenommen, um andere Frequenzen als die zu hören, für die das Radio ursprünglich ausgelegt war. Vielleicht nur, weil der ursprüngliche Besitzer eine andere zulässige Frequenz hören wollte, vielleicht aber auch, um “verbotene” Stationen zu hören (zum Beispiel Feindsender zu Kriegszeiten). Vielleicht findet man auch einen Umbau im Chassis, um andere als die ursprünglich vorgesehenen Röhren verwenden zu können, zum Beispiel weil die ursprünglichen Röhren nicht mehr hergestellt wurden oder andere günstiger zu haben waren.

Es liegt in Ihrer Verantwortung als Registrar solche Spuren lesen zu können und als guter Ermittler zu fungieren. Bloße Vermutungen kennzeichnen Sie zum Beispiel als solche. Sie können eventuell verifiziert werden, indem Sie beim Spender nachfragen, an was er oder sie sich im Zusammenhang mit diesem Objekt erinnert. Wenn Sie Glück haben, gibt es sogar noch zusätzliche Dokumente: Die Originalrechnung, die Lizenz für das Gerät oder ein Bild des stolzen Besitzers. Diese Dokumente müssen selbstredend gut archiviert und in der Datenbank mit dem Datensatz des Radios verknüpft werden. Wenn Sie zusätzliche Hinweise und Geschichten vom Spender erhalten, müssen die selbstverständlich auch dokumentiert werden.

Das Radio ist Teil der Menschheitsgeschichte. Vielleicht nur ein sehr kleiner Teil, aber als Bewahrer unseres kulturellen Erbes sind wir dafür verantwortlich, wichtige Informationen zusammenzuhalten.

 
Wie tief soll Erfassung sein?
Wenn Sie bis hier hin gelesen haben fühlen Sie sich sicher mit Informationen und Dingen, die erfasst werden sollten, überrollt. Alle scheinen sie wichtig zu sein, weil sie Zusammenhänge herstellen, nicht nur für das spezifische Objekt, sondern auch für allgemeine Radiogeschichte. Ihre Beobachtungen können tatsächlich hilfreich sein, um Thesen von Historikern zu verifizieren oder falsifizieren.

The perfect way to store technological objects? Certainly not! (picture: Philip (flip) Kromer from Austin, TX)

Die perfekte Art, technische Sammlungen zu lagern? Sicherlich nicht! Aber viele Leute glauben immer noch, dass es so in den Depots von Technikmuseen aussieht… (Bild: Philip (flip) Kromer from Austin, TX)

Aber in der Realität können wir kaum so viel Zeit in ein einzelnes Objekt investieren. Wir müssen Entscheidungen darüber treffen, was wir erfassen und was nicht. Das gilt besonders, da wir Registrare in Technikmuseen schwer an Altlasten zu tragen haben: Jahrelang war es gelebte Praxis, technische Objekte so zu sammeln, wie man einen Schrottplatz verwaltet: man sammelt sie einfach und stapelt sie in einer Industriehalle, ohne sie zu dokumentieren. Himmel, es sind einfach nur industrielle Massengüter, die kann man in der Zukunft immer noch erfassen, richtig? Tja, wir wissen alle, dass das nicht richtig war, dass wir Informationen verloren haben, weil sie unseren Vorgängern egal waren. Deshalb ist es Teil unserer Arbeit zu recherchieren und zu forschen, damit manche Objekte in unseren Sammlungen ihre Geschichte zurück bekommen.

Also müssen wir uns aber auch bei der Erfassung von einzelnen Objekten beschränken, um mehr für die gesamte Sammlung tun zu können. Irgendwann wird das Autorenteam einmal etwas darüber schreiben, wie man bei der Sammlungsverwaltung eine „Triage“ vornimmt, um so vielen Objekten wie möglich eine erfassungstechnische und bestandserhaltende Erstversorgung zukommen zu lassen.

TV storage gone wrong? Nope, we are back in the arts sphere: That's "idiot boxes" by Nam Jun Paik (picture: Artiii)

Falsche Lagerung von Fernsehgeräten? Nein, wir sind zurück in der Kunstszene: Das ist „Sensory Overload“ von Nam Jun Paik (Bild: Arti Sandhu)

Wie tief man in die Erfassung eines einzelnen Objekts einsteigt, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Für die meisten Ausstellungen und Ausleihen genügen die einfachen technischen Daten, die gemessen und vom Typenschild abgeschrieben werden können, zusammen mit einer groben Schätzung des Herstellungszeitraums. Es gibt spezielle Forschungs- und Ausstellungsprojekte, die eine genauere und tiefergehende Dokumentation erfordern. Aber da kann man dann wiederum Synergieeffekte nutzen: diese Projekte werden entweder von Spezialisten durchgeführt, deren Erkenntnisse dann wieder Eingang in die Datenbank finden, oder es stehen genügend Mittel zur Verfügung, um selbst mehr Zeit in eine detailliertere Dokumentation zu stecken.

Die Erfassung von technischen Objekten gleicht oft der Quadratur des Kreises: Wenn man akkurat erfasst, kann man nicht viele Objekte erfassen. Wenn man nicht akkurat genug erfasst, kann man hohe Zahlen an Datenbankeinträgen erreichen, doch diese sind dann unter Umständen nicht besonders hilfreich. Während „Nachtwache, Rembrandt van Rijn, 1642, Öl auf Leinwand” aussagekräftig genug ist, ist “Radio, BRAUN, 1950-1959, Holz” ausgesprochen nichtssagend. Also liegt es am Registrar einen guten Mittelweg zwischen zu detailliert und zu allgemein zu finden.

Angela Kipp, Bernd Kießling

 

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Bernd Kießling ist Museologe am TECHNOSEUM, Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Seine Arbeit ist mir der eines Registrars vergleichbar. Seine Spezialgebiete sind die Sammlungen zum Thema Radio, Fernsehen, Funk, Computer, Bürotechnik, Fotografie und Kernkraft.

Dieser Artikel ist auch auf Italienisch erhältlich, übersetzt von Silvia Telmon.

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Der Registrar: Eine merkwürdige, bedrohte Tierrasse, die selten zu beobachten ist

Neulich las ich eine Email von Alana Cole-Faber, Registrarin bei den Hawaiian Mission Houses in Honolulu, Hawaii, USA. Der Zusammenhang spielt hier keine Rolle, aber ihre Worte waren:
„…wir, die wir im wörtlichen Sinne isoliert sind. Wie auf Inseln. Umgeben von Ozeanen. Wo Registrare eine merkwürdige, bedrohte Tierrasse sind, die selten zu beobachten ist.“

A registrar in his natural habitat: caring for collections. Thanks to Matt Leininger for the picture.

Ein Registrar in seinem natürlichen Lebensraum: er kümmert sich um seine Sammlung. Dank an Matt Leininger für das Bild.

Ich habe immer wieder über diese Worte nachgedacht. Alana arbeitet auf einer Insel, daher sind diese Worte auf ihre Position natürlich ganz besonders zutreffend. Aber ich finde, dass es auch eine brillante Beschreibung unserer Arbeit als Registrare, Sammlungsmanager und Depotverwalter allgemein ist.

Manchmal wenn ich durch die Regalreihen unseres Depots gehe, auf der Suche nach einem Objekt, das ausgeliehen werden soll und in der Datenbank mit „Standort unbekannt“ vermerkt ist, kann ich fast die Stimme von Heinz Sielmann hören: „Die Registrarin schleicht durch den Urwald der Objekte, auf der Suche nach ihrem Opfer. In einiger Entfernung am Gang sitzt ein Objekt zusammen mit Artgenossen. Es ahnt nicht, dass das Verhängnis naht. Die Registrarin nähert sich. Sie erstarrt, überprüft die Unterlagen und mit einer einzigen, zielgerichteten Bewegung schnappt sie sich das Objekt.“

Ein Blick auf die Zahlen

Doch Scherz beiseite. Ist es nicht wirklich so, dass der Registrar ein Tier ist, das selten gesichtet wird? Unsere meiste Arbeit wird hinter den Kulissen geleistet. So weit hinter den Kulissen, dass wir sogar außer Sichtweite und damit auch manchmal aus dem Sinn unserer Kollegen arbeiten. Ich habe eine nicht representative Umfrage in verschiedenen fachbezogenen LinkedIn-Gruppen gestartet1, um zu sehen, ob sich meine persönliche Einschätzung mit der Arbeitswirklichkeit anderer KollegInnen deckt. Die Frage war: „Als Registrar: Wie sieht Ihre normale Arbeit aus (mehr als 50% Ihrer normalen Arbeitszeit)?“ Hier sehen Sie das Ergebnis:

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Glücklicherweise sind die einsamen Wölfe, die ihr Revier ganz allein durchstreifen müssen in der Minderheit. Aber, um im Bild zu bleiben, Registrare sind auch keine Rudeltiere. Die Arbeit, die der Registrar zu erledigen hat, muss zu 71% von ihm alleine erledigt werden.

Der Einsiedler im Depot

Registrars often work concentrated behind the scenes.Thanks to Lisa Verwys for the picture.

Registrare arbeiten oft hochkonzentriert hinter den Kulissen.
Dank an Lisa Verwys für das Bild.

Wie ist es, alleine zu arbeiten? Ich möchte einen Kommentar von Antony Aristovoulou zitieren2, der ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Situation wirft: „Ich wurde selten von denjenigen kontrolliert, die mich beauftragt hatten, noch zeigten sie Anzeichen von Interesse und so wurde es ein sehr einsamer Arbeitsprozess. Die Objekte wurden meine Freunde.“ Niemand wird bestreiten, dass es von Zeit zu Zeit großartig ist, allein im Depot zu sein. Als Registrar allein zu arbeiten bedeutet ein Ausmaß an Freiheit, das sich heutzutage nur noch sehr wenige Menschen leisten können. Je nach Architektur und Infrastruktur kann es sogar bedeuten, ohne Internet und Mobilfunkverbindung zu sein. Abgetrennt vom Rest der Welt, auf einer einsamen Insel.

Was sind die Konsequenzen? Allein zu arbeiten beinhaltet gewisse Risiken. Da sind einmal die rein körperlichen Faktoren. Es muss ein Sicherheitskonzept für diejenigen geben, die alleine arbeiten. Vor allem muss der- oder diejenige, die gezwungen ist, alleine zu arbeiten, jederzeit die Möglichkeit haben, nach Hilfe und Unterstützung zu rufen. Es muss gesichert sein, dass auffällt, wenn sie oder er in eine Situation gerät, in der sie oder er nicht mehr in der Lage ist, um Hilfe zu rufen. Eine Routine, dass er oder sie von Zeit zu Zeit angerufen wird, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist. Ein Handy, das er oder sie ständig bei sich trägt (natürlich nur, wenn Mobilfunkverbindung besteht). Eine Checkliste oder ein Procedere, das sicherstellt, dass niemand in den Lagerräumen eingeschlossen wird. Zusätzliche Kontrollrunden des Wachpersonals. All das sollte organisiert sein, bevor jemand seine Arbeit alleine aufnimmt.

Aber es gibt noch andere Gefahren, wenn man alleine arbeitet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass niemand an den- oder diejenige denkt, die noch im Magazin ist, wenn alle zum Mittagessen gehen. Wichtige Informationen in Institutionen erfährt man oft in den Arbeitspausen bei einer Tasse Kaffee. Menschen, die kein Feedback erhalten oder die Möglichkeit haben, sich mit ihren Kollegen auszutauschen, neigen dazu, eigenbrötlerisch zu werden. Es ist zunächst einmal Aufgabe des Registrars selbst, diesen Tendenzen entgegenzuwirken, indem er oder sie die totale Isolation vermeidet und versucht, weiterhin an den gemeinschaftlichen Aktivitäten im Museum teilzunehmen. Aber es ist auch die Aufgabe seiner/ihrer Kolleginnen und Kollegen, die- oder denjenigen im Depot nicht zu vergessen. Letztendlich ist es auch Aufgabe derjenigen, die für die Arbeitsorganisation verantwortlich sind, dafür zu sorgen, dass Möglichkeiten geschaffen werden, damit die Beschäftigten sich untereinander austauschen können. Dies ist vielleicht der einzige Weg, der verhindert, dass der Registrar das „seltsame Tier aus dem Depot“ wird, sondern der Kollege bleibt. Gut, vielleicht der „Kollege mit dem seltsamen Job“, aber immer noch der Kollege.

Der Job: Spaßbremse sein

Giving clear directions of what to do and what not is part of the job.Thanks to Zinnia Willits for the picture.

Klare Anweisungen zu geben, was zu tun und was zu lassen ist, ist Teil des Jobs.
Dank an Zinnia Willits für das Bild.

Die Zahlen zeigen, warum sich Registrare isoliert fühlen, sogar innerhalb eines Teams. Das hat viel mit der Aufgabe des Registrars zu tun. Sie oder er ist für das Wohlergehen der Sammlungsobjekte verantwortlich. Das schließt mit ein, dass sie oder er oft „nein“ sagen muss, wenn es um Veranstaltungen und Ausleihen geht. Wenn der Direktor der Institution ein großes Fest in den Ausstellungsräumen veranstalten möchte, muss der Registrar seine Position verteidigen und sagen, dass das nur ohne Speisen und Getränke geht. Wenn das Marketing-Team Schülergruppen mit einem historischen Schulbus abholen will, wird der Registrar mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass das unmöglich ist. Wenn eine befreundete Institution eine Flagge aus dem Sammlungsbestand ausleihen und sie ohne Tastschutz im Eingangsbereich der Ausstellung aufhängen will, kann der Registrar nur den Kopf schütteln. Sie oder er agiert als Anwalt der Sammlungsobjekte, die eben nicht für sich selbst sprechen können. Obwohl auf dem Papier alle Museumsangestellten für das Bewahren von Sammlungsgütern für zukünftige Generationen verantwortlich sind, hat trotzdem oft der Registrar den schwarzen Peter. Aber der Registrar ist nicht der Direktor. Normalerweise ist er auch nicht der Abteilungsleiter. Das bedeutet, dass, obwohl die Verantwortung für die Sicherheit der Objekte auf seinem oder ihrem Schreibtisch ruht, nicht sie oder er selbst es ist, der oder die die letztendliche Entscheidung fällt. Dieser Fakt verstärkt das Gefühl der Isolation.

Für die Teammitglieder sieht die Sache anders aus: Ausstellungsmacher haben großartige Ideen für künftige Ausstellungen. Gestalter haben neue Ideen, wie Objekte präsentiert werden können. Marketingverantwortliche denken angestrengt darüber nach, wie man das Museum für Besucher attraktiver machen kann. Und dann kommt der Registrar daher und sagt einfach „nein“ zu ihren Ideen. Natürlich scheint es ihnen, als seien Registrare seltsame Tiere! Diejenigen, die einem jeden Spaß verderben! Aber die bittere Wahrheit ist: das ist der Job. Wenn der Registrar Glück hat, dann sind noch Restauratoren mit von der Partie, die seine Sichtweise unterstützen. Andernfalls kann er nur auf Richtlinien und Standards verweisen (was für den Rest des Teams ziemlich langweilig ist) oder Fälle präsentieren, wo etwas schief gelaufen ist, weil man nicht auf den Registrar gehört hat (was unterhaltsamer, aber nicht notwendigerweise überzeugender ist). Schlussendlich kann der Registrar nicht mehr tun, als seine Meinung darzulegen und den ganzen Entscheidungsprozess dokumentieren, um auf der sicheren Seite zu sein.

Eine bedrohte Art?

High-quality work is important - and needs enough time and money. Thanks to Sharon Steckline for the picture.

Qualitativ hochwertige Arbeit ist wichtig – und braucht Zeit und Geld.
Dank an Sharon Steckline für das Bild.

Also, ist der Registrar eine bedrohte Art? Tja, der Registrar ist wahrscheinlich nicht mehr und nicht weniger bedroht als andere Museumsprofis heutzutage. Wenn das Geld knapp wird, ist der Kulturbereich der erste, der mit einem Stirnrunzeln von Entscheidungsträgern betrachtet wird. Aber soweit ich das beurteilen kann, ist das nicht auf Sammlungsmanagement beschränkt. Politiker fragen gerne, ob ein Museum nicht von weniger Leuten betrieben werden kann oder ob man es überhaupt braucht. Tatsächlich haben in den letzten Jahren einige Länder außerhalb der USA bemerkt, wozu Registrare gut sind und haben mehr Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.
Ein anderer Teil ist, dass die Qualität unserer Arbeit wirklich bedroht ist. Wenn das Geld knapp ist, sind die Entscheidungen, wohin das Geld fließen soll, besonders schwierig. Und of bekommt das Geld der, der am lautesten schreit. Registrare, darauf trainiert, so unauffällig wie möglich zu agieren, werden mit ihren Bitten um archivtaugliche Verpackungen und Manpower dabei gerne überhört. Aber wieder ist das nur ein Teil der Geschichte.

In vielen kleineren Museen ist das Geld so knapp, dass es nicht die Entscheidung zwischen Archivkartons für die Sammlungsabteilung oder Anzeigenschaltung in der Zeitung ist, sondern die Entscheidung, ob man das Dach repariert oder eine Ausstellung veranstaltet. In diesen Fällen ist Arbeitskraft ein großes Thema3. Die Stelle mag mit „Registrar“ betitelt sein, beinhaltet aber wesentlich mehr. Er oder sie arbeitet gleichzeitig in der Besucherbetreuung, dient als Beschwerdestelle, verkauft im Shop und sitzt an der Kasse und macht gleichzeitig noch Ausstellungen. Das bedeutet aber auch, dass diese Person nicht so viel Zeit ins Sammlungsmanagement investieren kann, wie vielleicht notwendig wäre.

Andere Museen entscheiden, dass sie sich keinen Registrar im festangestellten Personalstamm leisten können. Sie stellen einen freiberuflichen Registrar ein, wenn sie ihn dringend benötigen. Das ist eine gute Idee, wenn es darum geht, neue Lagereinrichtungen zu planen, Beratungsleistungen zur Inventarisierung und Dokumentation gefragt sind, die Objekte für eine Sonderausstellung in guten Händen sein sollen4 oder ein bestimmter Sammlungsbestand erfasst werden soll. Anders sieht es aus, wenn die Institution in Besitz eines Sammlungsbestandes ist, der eine gewisse Größe überschreitet (es ist nicht einfach, hier eine Zahl anzugeben, es hängt von der Zielsetzung der Sammlung ebenso ab, wie davon, wie der Bestand von der Institution „genutzt“ wird). Sammlungsverwaltung ist ein Ganztagsjob. Die Idee, die Sammlung einen Registrar katalogisieren zu lassen und dann die Betreuung „jemandem neben seiner sonstigen Aufgaben“ zu übertragen oder zu sagen „alle sind für die Sammlung verantwortlich“, funktioniert nicht.

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Qualitätvolle Arbeit in Museen ist immer eine gemeinsame Anstrengung. Teamwork ist der Schlüssel. Dank an Matt Leininger für das Bild.

Ein Registrar ist mehr als eine menschliche Datenbank. Wenn Sie alle Sammlungsgegenstände hundertprozentig korrekt in Ihrer Datenbank haben (nennen Sie mir ein Museum, das das von sich behaupten kann), heißt das nicht, dass das so bleibt. Die Objekte im Blick zu behalten ist eine dauerhafte Anstrengung. Alles richtig in der Datenbank zu haben genauso. Sie können alle Museumsmitarbeiter einen Eid darauf schwören lassen, dass sie jede Objektbewegung in der Datenbank dokumentieren, Sie werden immer noch sehen, dass die Heilige Entropie auf magische Weise Unordnung in Ihre Bestände bringt. Ein guter Registrar behält das im Auge und arbeitet dagegen an. Aber das geht noch weiter… Wie in jeder Bibliothek gehen Dinge „verloren“, weil sie auf den falschen Standort zurückgestellt werden. Ein Registrar, der mit seiner Sammlung vertraut ist, wird eine Ahnung haben, wo er danach suchen muss – basierend auf seiner Erfahrung und auf dem Wissen, wer zuletzt mit dem vermissten Gegenstand zu tun hatte. Vergessen Sie nicht, dass Sie normalerweise nicht einfach einen Registrar unter Vertrag nehmen – sie heuern auch ein Elefantengedächtnis an.

Zuletzt: Ein Registrar, der lange Zeit für eine Sammlung verantwortlich ist, wird irgendwie mit ihr und ihrem Lagerungsort verschmelzen. Er oder sie entwickelt so etwas wie einen sechsten Sinn für Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollen: ein plötzliches Ansteigen der Luftfeuchtigkeit noch bevor jemand das Messgerät überprüft hat, ein Objekt, das nicht so aussieht, wie es immer ausgesehen hat, eine Stimme, die dem Registrar sagt, dass er nochmal um die Lagerhalle gehen soll, bevor er oder sie geht… Das ist etwas, was sich mit der Zeit entwickelt. Das bekommen Sie mit kurzfristigen Verträgen nicht, die nur über ein paar Monate oder ein Jahr laufen.

Schlußfolgerung

Wie wir gesehen haben, ist ein Registrar wirklich ein Tier, das selten zu beobachten ist. Eine gemeinschaftliche Anstrengung ist notwendig, um ihn nicht zur bedrohten Tierart werden zu lassen:

  • Für das Individuum: Alle, die im Museum arbeiten müssen darauf achten, dass der Registrar sicher ist, wenn er alleine arbeitet und darauf achten, dass er nicht vom Rest der Museumsgemeinschaft isoliert wird.
  • Für die Fachleute: Alle Kollegen müssen verstehen, was die Aufgabe des Registrars ist. Er oder sie will keine Spaßbremse sein, es ist seine / ihre Aufgabe, die Objekte zu schützen, damit auch zukünftige Generationen daran Freude haben.
  • Für das Museum: Verantwortliche müssen ernsthaft über den Stellenwert eines professionellen Sammlungsmanagements nachdenken. Es ist ein alter Hut, dass vorbeugende Bestandserhaltung und professionelle Lagerung auf lange Sicht Geld spart. Hier Gelder zu kürzen heißt höhere Ausgaben in der Zukunft in Kauf zu nehmen.
  • Für die Gesellschaft: Politiker, Kommunen und Steuerzahler allgemein sollten sich fragen, was ihnen Museen und Sammlungen wert sind. Wir wissen alle, dass ein Mensch, der sein Gedächtnis verliert, sich selbst verliert. Für eine Gesellschaft, die ihre Geschichte verliert, gilt das gleiche. Unser Erbe zu bewahren ist nicht einfach ein Kostenfaktor, es ist ein hoher Wert für unsere Gesellschaft.

Das sind einfach meine Gedanken zu diesem Thema. Nun muss ich gehen. Mir ist so, als hätte ich just in diesem Moment zwei undokumentierte Objekte etwas weiter hinten in diesem Gang gesehen…

Angela Kipp

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  1. Association of Registrars and Collection Specialists, Collections Management und Collection Preservation and Care, die Daten wurden zwischen dem 27.1. und 23.2.2013 erhoben.
  2. Der Kommentar wurde zur oben genannten Umfrage in der LinkedIn-Gruppe „Association of Registrars and Collection Specialists“ auf www.LinkedIn.com gepostet.
  3. Als ich in der LinkedIn-Gruppe „Collections Management“ fragte: „Aufruf an alle Museumsmitarbeiter, die für Sammlungsmanagement und Registrierung verantwortlich sind: Was sind die Hauptprobleme in Ihrem job?“ antworteten überwältigende 50% „Arbeitskräfte“, noch vor „Geld für Klimatiesierung, Sicherheit usw.“ (16%), „Geld für Verpackungsmaterial, Regale, usw.“ (12%), „Schenkungen/Stiftungen“ (10%) und „Ausleihen“ (9%). Die Diskussion ist recht aufschlußreich und hebt hervor, mit welchen Problemen Sammlungsmanagement zur Zeit konfrontiert ist: http://www.linkedin.com/groupItem?view=&gid=3280471&type=member&item=175582165&qid=4a59729e-7bf2-4bb6-8b6b-e2883014a660&trk=group_search_item_list-0-b-ttl
  4. Ich empfehle, immer einen Registrar im Team zu haben, wenn es um eine Ausstellung mit einer gewissen Anzahl Originale geht. Siehe hierzu: „5 Tipps zum Umgang mit Registraren“ http://world.museumsprojekte.de/?p=24
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Der kritische Registrar

Mehr zur Aufgabe des Registrars in Museen und Sammlungen 1

Fernando Almarza Rísquez

Bei früheren Gelegenheiten habe ich bereits über die Rolle und das Aufgabenspektrum des Registrars in Museen und Sammlungen geschrieben, über seine Ausbildung und seine Arbeitsweise. Die aktuellste Veröffentlichung (auf Spanisch) ist im Oktober erschienen2. Darauf aufbauend, möchte ich ein paar Gedanken hinzufügen:

Der Registrar sollte ein aufgeschlossener und kritisch denkender Mensch sein. „Smarte“ Registrare müssen auf der Höhe der Entwicklungen, Reflexionen und Probleme sein, die sich in ihrem Beschäftigungsfeld – dem Museum – und der Museologie im Allgemeinen ergeben. Der kritische Registrar ist sowohl ein Praktiker als auch ein Museologe im Hinblick auf das Nachdenken und Entwickeln von Theorien, Trends und Analysen in der Museologie/Museumskunde.

Die Informationen, die in und über eine Museumssammlung gesammelt und aufgezeichnet werden, können als eine Mine des Wissens betrachtet werden, ein Gebiet, in dem Bedeutung und Aussagekraft wächst. Es ist in erster Linie der Registrar, der diese Information aufzeichnet, beherrscht und kontrolliert. Er oder sie ist die „Schnittstelle“ zur Sammlung, sowohl in Hinblick auf die zusammengetragenen Informationen, als auch zu den Objekten selbst.

Der kritische Registrar braucht substantielles Wissen über die Sammlungsgegenstände. Er muss sich darum kümmern, dass alle notwendigen „technischen“ Daten erfasst werden und in der richtigen Form Eingang in die Sammlungsdokumentation finden sei es nun auf Papier oder als Datei auf dem Computer. Heutzutage heißt das, dass der Regsitrar auch ein profundes Computerwissen braucht. Nur so kann er / sie die Informationen so im Computer / in der Datenbank zur Verfügung stellen, dass sie für Museumsmitarbeiter, Wissenschaftler und die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar sind. Deshalb muss der Registrar mit neuen Entwicklungen in der Computer- und Informationstechnologie Schritt halten. Der kritische Registrar denkt weitblickend, entwickelt und erfindet und hat einen hohen Anspruch bezüglich Qualität und Wahrheitstreue.

Zusätzlich zu den Daten, die er / sie selbst erhebt, ist der Registrar dafür verantwortlich, dass die Informationen, die Kuratoren oder Wissenschaftler beisteuern, ebenfalls in der Dokumentation erfasst werden. Der Registrar findet die geeignete Form, diese Daten zugänglich zu machen, was von der Art der Daten und Objekte abhängt: natürliches oder kulturelles Erbe, materiell oder immateriell, immer auch in Abhängigkeit von kulturellen und ethnologischen Zusammenhängen.

Das Anforderungsprofil eines kritischen Registrars kann wie folgt zusammengefasst werden:

Überwacht die bürokratischen Aspekte der Arbeit, ohne darauf reduziert zu sein: hält Ordnung in den Daten und protokolliert Standortwechsel, überwacht Lagereinrichtungen, entwirft und überwacht das Sicherheitskonzept, ist verantwortlich für Versicherungen, Leihverkehr, Transporte, Verpackung, für Notfallpläne und Maßnahmen zur präventiven Konservierung, für die Einhaltung der Gesetze, der Zoll- und Steuerbestimmungen;

Arbeitet im Team: agiert als Schnittstelle zu anderen Berufsgruppen innerhalb und außerhalb der eigenen Abteilung. Kultiviert das interdisziplinäre Miteinander, im Konsens und nicht im Konflikt mit anderen Museumsmitarbeitern, insbesondere mit Kuratoren, Restauratoren, Ausstellungsmachern3 und Museumspädagogen. Er / sie ist sich bewusst, was ihn / sie mit anderen Museumsmitarbeitern identifiziert und eint und was sie unterscheidet und verbinded. Als Integrator hat er / sie verstanden, dass sowohl die Gemeinsamkeit (im Museum zu arbeiten und seine Aufgaben zu erfüllen) als auch die Unterschiedlichkeit (der Rollen, Aufgabengebiete, Sichtweisen, Ausgangslagen und Organisationsstrukturen) für die Zusammenarbeit wichtig ist;

Mehr als ein Boss, ein Anführer, ein Manager, besonders wenn er / sie ein Team von Registraren oder Hilfskräften leitet. Er / sie befiehlt nicht. sondern berät und leitet an, fördert, delegiert und überwacht die anfallende Arbeit. Er / sie schätzt und teilt Erfolge ihres Teams oder einzelner Teammitglieder. Er / sie denkt pluralistisch und immer im Namen der Institution, der er / sie und ihr / sein Team angehört. Er / sie kümmert sich um seine Mitarbeiter, fördert ihre Potentiale und Fähigkeiten und schafft eine Atmosphäre von Ehrlichkeit und Arbeitsethos. Er / sie ist proaktiv, belastbar und lehnt jede Form von Verschleppung ab. Seine / ihre Art zu führen ist emotional intelligent: er / sie denkt logisch, ohne die eigenen Gefühle zu unterdrücken und lässt Gefühle zu, ohne dass dadurch der klare Blick auf die Realität getrübt wird;

Ein Co-Pädagoge: der kritische Registrar ist sich bewusst, dass die Unterlagen, die in seiner Obhut sind, Informationen bieten, die dazu beitragen oder es erleichtern können, neues Wissen aufzubauen oder anderen Menschen (Museumskollegen, der Öffentlichkeit und Wissenschaftlern, die mit der Sammlung arbeiten) Anreiz bieten, neu zu lernen und neu zu lehren. Er / sie weiß, „Lernen ist nicht der Transfer von Wissen, es ist die Möglichkeit zu schaffen, neues Wissen zu erzeugen.“ (Paulo Freire). Der kritische Registrar lernt ständig und gerne neu;

Ein Denker extensiver Konzepte und Netzwerke, der in seiner / ihrer täglichen Arbeit die Visualisierung, Präsentation und Vermittlung als lebendige Prozesse einsetzt, so dass eine kreativ-konzeptuelle Gedankenlandkarte der Sammlung entsteht. Zusammen mit seinen Museumskollegen entwickelt und teilt der kritische Registrar Ideen und Strategien für einen intelligenten, inspirierenden und interaktiven Zugang zu Informationen. Er / sie denkt in alle möglichen Richtungen, vernetzt sich international und hält Informationen über die Bedeutung und den Stellenwert von Objekten ebenso im Fluß wie neue Ideen – indem er / sie alle Möglichkeiten nutzt, einschließlich virtueller Sammlungskataloge und der Macht von Web 2.0 Ressourcen.4

Für das Themengebiet des Museums oder der Sammlung für die er / sie als Registrar und/oder Teamleiter verantwortlich ist, muss er / sie so gut wie möglich ausgebildet sein. Dies gilt sowohl für das Wissen über die technischen Aspekte seiner / ihrer Arbeit als auch für das Wissen über Geschichte, Bedeutung und Stellenwert des Natur- oder Kulturerbes, aus dem die Sammlung besteht. Das bedeutet auch – wie bereits bemerkt – dass der kritische Registrar nie aufhört, zu lernen, sondern sich auf dem Laufenden hält, was die Debatten in den Wissenschaften betrifft, die die Themengebiete seines / ihres Museums oder seiner / ihrer Sammlung betreffen.

Das heutige Verständnis der Dimensionen von Bedeutung und Stellenwert von Sammlungsobjekten hat sich erweitert. Neue Herangehens- und Sichtweisen wurden entwickelt, die über den Gegensatz von „Natur“ gegen „Kultur“ hinausgehen. Das Konzept der „Naturkultur”5 der Zoologin und Philosophin Donna Haraway ist ein wichtiger Ansatz, Natur und Kultur als Kombination und nicht als Gegensatz zu sehen. Dieses Konzept ist essentiell wichtig für naturhistorische, sozialgeschichtliche und humanwissenschaftliche Museen.

Der kritische Registrar kennt diese Konzepte. Er / sie hält sich auf dem Laufenden und erwägt, neue Konzepte in der Definition und Kategorisierung von Objekten anzuwenden. Das bedeutet, dass es heute nicht nur die klassische Unterscheidung zwischen Natur- und Kulturerbe und die weitere Unterscheidung dieser beiden in kulturell-materielles und kulturell-immaterielles Erbe gibt. Es gibt auch die Unterscheidung zwischen natürlich-materiellem und natürlich-immateriellem Erbe.

Einen offenen und kritischen Blick zu behalten und bereit zu sein, neue Kriterien in die Alltagsarbeit einfließen zu lassen endet damit nicht. Der kritische Registrar muss über die aktuellen Entwicklungen in allen Bereichen seiner / ihrer eigenen Profession und in den Wissenschaften, mit denen sich sein / ihr Museum befasst, informiert sein. Wissensgebiete entwickeln sich, auch das Museum und die Museologie. Der Vorteil, kritisch und informiert zu bleiben, kommt nicht nur dem Registrar selbst zugute, sondern auch seinem / ihrem Team, anderen Museumskollegen, dem Museum und nicht zuletzt auch der Öffentlichkeit.

Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Davide Bordenca

  1. Der Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in der Rubrik „Sprechen wir über…“ des  Instituto Latinoamericano de Museos ILAM(Lateinamerikanisches Museumsinstitut), im Dezember 2012.
  2. “El Registrador de colecciones del museo”. MUSEA Magazine N° 71 p 4-5. Oct 2012. Spain. www.museamagazine.com.
  3. Ich beziehe mich hier auf die Museologin Angela Kipp, Depotleiterin am TECHNOSEUM in Mannheim, Deutschland und ihren Artikel „5 Tipps zum Umgang mit Registraren“ http://www.ausstellungen-einstellungen.de/funf-tipps-zum-umgang-mit-registraren/
  4. “Cibermuseos o limitado aprovechamiento de la web 2.0” (als pdf erhältlich). Revista Digital Nueva Museología/Artículos. Rosario, Argentina. 2011. www.nuevamuseologia,com.ar.
  5. “Im Gegensatz zu anderen Objekten in musealen Sammlungen werden Objekte aus der naturkundlichen Sphäre nicht gemacht, nicht von Menschen hergestellt (Haraway, 1989). Aus dieser Perspektive können Objekte in Naturkundlichen Museen als Elemente betrachtet werden, die versuchen, den Gegensatz Natur / Kultur zu repräsentieren. Anfangs dachte man, dass diese Museen Objekte zeigten, die nicht von Menschen gemacht waren, aber andererseits kann man ursprüngliche Elemente aus der Natur in diesen Sammlungen durchaus als hergestellte Artefakte interpretieren (Haraway, 1992), zumindest die Elemente, die letztendlich durch die Einwirkung des Menschen entstanden sind. Natur und Kultur formen sich gegenseitig und sind untrennbar miteinander verbunden. Aus diesem Blickwinkel sind die Objekte in diesen Museen als das zu betrachten, was Haraway (2003) mit einer englischen Wortneuschöpfung zu „naturecultures“ erklärt hat, ein Konzept, das Natur und Kultur als ein untrennbares Miteinander betrachtet, nicht als Gegensatz. (Loureiro, 2007, p. 164)“. Sabrina Damasceno Silva. “O pedaço de outro mundo que caiu na Terra”: As formações discursivas acerca do meteorito de Bendegó do Museu Nacional. Universidade Federal do Estado do Rio de Janeiro. Dissertação de Mestrado apresentada ao Programa de Pós-Graduação em Museologia e Patrimônio. Orientador: Professor Doutor José Mauro Matheus Loureiro. P. 46. Rio de Janeiro, Brasil. 2010. Übersetzung vom Portugiesischen ins Spanische und Englische: Fernando Almarza Rísquez. 2012.
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5 Tipps zum Umgang mit Registraren

Warum Ausstellungsmacher und Sammlungsmanager oft aneinander vorbei reden – obwohl sie sich eigentlich perfekt ergänzen.

Die Zeit, als Lagerverwalter in Museen starke Männer mit kanaldeckelgroßen Händen waren, ist längst vorbei. Heute liegt das Sammlungsmanagement meist in den Händen von ausgebildeten Spezialisten für Kulturgut. Die Berufsbezeichnungen variieren von Museum zu Museum. Sie lauten Registrar/in, Depotleiter/in, Magazinverwalter/in, Sammlungsmanager/in und dergleichen mehr. Gemeint ist eigentlich immer das gleiche: diese Person ist verantwortlich für die sichere Lagerung und den Transport von Sammlungsgütern inklusive dem dazugehörigen Papierkram. Von allen Profilen im Museumswesen unterscheiden sich wohl keine zwei Personengruppen so stark voneinander wie Ausstellungsmacher und Registrar.

Wer Ausstellungen macht, muss:

  • kreativ sein
  • Besucher und Partner mit Neuem überraschen
  • nicht nur einen Plan B, sondern auch noch einen Plan C, D und E in der Schublade haben
  • kurzfristig auf Planänderungen und unvorhergesehene Ereignisse reagieren
  • Ausstellungsstücke so in Szene setzen, dass sie im besten Licht erscheinen

Wer Sammlungen verwaltet, muss:

  • in langfristigen Zeiträumen denken
  • Materialien einsetzen, die auf Herz und Nieren auf ihre Archivtauglichkeit geprüft wurden
  • alles, was irgendwie mit einem Ausstellungsstück passiert, dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren
  • auf größtmögliche Sicherheit achten
  • Aufmerksamkeit von Depoteinrichtungen, Transporten und Ausstellungsstücken ablenken

© Claudia Wagner, Der Super-Registrar

Kein Wunder also, dass es an dieser Schnittstelle bei Ausstellungen oft zu Reibungsverlusten kommt. Dabei ist das gar nicht nötig. Wenn beide Seiten das Denken und die Anforderungen des jeweils anderen verstehen, sind Ausstellungsgestalter und Sammlungsmanager sogar ein äußerst schlagkräftiges Team. Aus Sicht einer Depotleiterin, die lange genug auch für die »andere Seite« gearbeitet hat, gibt es 5 Punkte, die Ausstellungsmachende verstehen sollten, damit die Zusammenarbeit gut klappt:

Die Zukunft im Blick

Registrare denken in Generationen. Ob ein Objekt in einer Ausstellung für drei Monate zu sehen sein wird oder nicht und ob das für die Besucher toll wäre, ist für sie erst einmal zweitrangig. Wichtig ist, dass das Objekt unbeschädigt zum Ausstellungsort kommt, dort so präsentiert wird, dass es keinen Schaden nimmt und schließlich sicher und wohlbehalten wieder zurück kommt.

Das klingt erst einmal simpel, aber ein guter Registrar wird ein Objekt erst freigeben, wenn alle Stationen auf diesem Weg für sie oder ihn sichergestellt sind. Das bedeutet für Ausstellungsmachende: je mehr Details zur Präsentation sie liefern können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie seitens der Sammlungsverwaltung einen positiven Bescheid bekommen.

Das Procedere unterscheidet sich zwar von Museumssparte zu Museumssparte und oft genug auch von Objekt zu Objekt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Sammlungsverwaltung zu Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Sonneneinstrahlung, Zwischenlagerung, Sicherheitseinrichtungen usw. Rückfragen hat, ist ziemlich hoch. Einen guten Eindruck macht es, wenn diese Daten gleich bei der Leihanfrage für eine Ausstellung mitgeliefert werden. Das zeigt, dass man sich dieser Anforderungen bewusst ist.

Wenn bereits detaillierte Vorstellungen bestehen, wie das Objekt präsentiert werden soll, ist es gut, wenn diese Informationen mitgeliefert werden. Sollte daran etwas problematisch sein, kann das gleich, noch relativ früh im Planungsprozess, besprochen werden. Das ist allemal hilfreicher, als wenn der Kurier der ausleihenden Institution erst bei der Aufstellung kurz vor Ausstellungseröffnung die Notbremse zieht, weil die geplante Präsentation so nicht ohne Schaden für das Objekt möglich ist. Oder – noch schlimmer – das erst nach Ausstellungseröffnung bemerkt wird, die Institution unter Umständen ein wichtiges Stück zurückfordert und die Besucher vor einer leeren Vitrine stehen.

Depots sind keine Warenhäuser

Die Tendenz, seinen Sammlungsbestand auf der hauseigenen Website in einer Online-Datenbank zu präsentieren, ist aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit zu begrüßen. Allerdings weckt diese Art von Präsentation oft falsche Erwartungen. Weder sind alle Stücke, die dort gezeigt werden, grundsätzlich ausleihfähig, noch ist gesagt, dass der Gesamtbestand präsentiert wird.

Das führt bei Ausstellungen gerne zu Missverständnissen. Die Versuchung, sich einen »Warenkorb« zusammenzustellen und dann die Objekte für die nächste Ausstellung zu »bestellen« ist groß. Ebenso die Tendenz, gleich mehr anzufragen, als man eigentlich vernünftigerweise für die Ausstellung braucht, mit dem Hintergedanken aus dem Online-Versandhandel: »was ich nicht brauche, kann ich ja zurückschicken«.

Trotz der neuen Präsentationsformen hat sich aber nichts an der klassischen Sammlungsarbeit geändert: Jedes Objekt muss einzeln herausgesucht und auf seine Ausleihfähigkeit überprüft werden. Dazu gehört nicht nur der generelle Zustand, sondern auch das Abprüfen, ob das Objekt schon für andere Projekte vorgesehen ist, ob es für die speziellen Bedingungen in der anfragenden Ausstellung überhaupt geeignet ist und ob die Daten in der Datenbank noch aktuell sind. Jedes mehr angefragte Objekt erzeugt also beim zuständigen Registrar mehr Arbeitsaufwand. Für sie oder ihn ist es vollkommen unerheblich, ob das Objekt dann später in der Ausstellung real zu sehen sein wird, der Arbeitsaufwand bleibt gleich.

Wenn der zuständige Registrar den Eindruck hat, dass die anfragende Institution mehr oder weniger »auf Vorrat« bestellt, ohne sich vorher ausreichend Gedanken zu machen, wird seine Kooperationsbereitschaft ähnlich hoch sein wie bei einem Ausstellungsmacher, dem man sagt, er müsse ja schließlich nur Bilder an die Wand hängen.

Umgekehrt aber können Ausstellungsmachende immens vom Wissen des Depotleiters profitieren, wenn sie detailliert kommunizieren, um was es ihnen geht. Oft sind interessante Objekte noch gar nicht in der Online-Datenbank gelandet, aber der Registrar erkennt sofort, dass sie in den Ausstellungskontext passen könnten.

Der Faktor Zeit

Niemand hat Zeit, am wenigsten Menschen, die Ausstellungen machen. Trotzdem: gut Ding will Weile haben. Eine Leihanfrage, die zu kurzfristig kommt, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Fehlt die Zeit zur Prüfung, wird der Registrar sich eher auf die für ihn sichere Seite schlagen und Bedenken gegen die Ausleihe anmelden. Je frühzeitiger die Anfrage kommt, umso wahrscheinlicher, dass das Objekt noch nicht für ein anderes Projekt gebucht ist. Für Reinigungs- und Restaurierungsmaßnahmen, die das Objekt in einen ausleihfähigen Zustand bringen, bleibt so eher ein Zeitfenster. Außerdem kann man sich ausreichend Gedanken um die Verpackungs- und Transporterfordernisse machen und kritische Punkte zur Zufriedenheit aller Beteiligten abklären.

Doch wie rechtzeitig ist rechtzeitig? Die Antwort ist wie immer: es kommt darauf an. Wenn sich die Ausstellungsmachenden noch nicht sicher sind, ob ein Objekt überhaupt ausgestellt werden soll oder nicht, ist es in der Regel zu früh. Kein Leihgeber ist begeistert von Leihanfragen, die dann noch mehrmals geändert werden. Andererseits sind auf Leihgeberseite ja wie dargestellt noch diverse Punkte zu klären, so dass noch genügend Zeit bleiben muss, sich gegebenenfalls nach Alternativen umzusehen. Ganz tückisch wird es bei Museen, bei denen noch eine übergeordnete Institution wie ein Stiftungsrat oder ein Board of Trustees seine Zustimmung geben muss. In so einem Fall muss die Leihanfrage so rechtzeitig eingehen, dass sie noch auf der nächsten turnusmäßigen Sitzung behandelt werden kann.

Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist also nicht abschließend zu beantworten. Idealerweise hat man ohnehin eine Person im Ausstellungsteam, die sich schwerpunktmäßig um den Leihverkehr kümmert und daher genügend Gespür, Erfahrung und Kontakte besitzt, um den richtigen Zeitpunkt für die jeweiligen Anfragen zu erkennen.

Sicher von A nach B

Sicherheits- und Transportfragen sind das Tagesgeschäft eines Registrars. Das endgültige »go« wird sie oder er erst geben, wenn sie oder er vollständig davon überzeugt ist, dass alles in Ordnung ist. So kann es Ausstellungsmachenden durchaus blühen, dass ihr Kleintransporter unverrichteter Dinge wieder abfahren muss, weil keine ausreichenden Vorkehrungen zur Ladungssicherung getroffen wurden. Auch hier gilt: Kommunikation ist der Schlüssel.

Wenn klar ist, was ausgeliehen wird, können die Transportbedingungen festgelegt werden. Ist eine Kunstspedition mit klimatisiertem LKW notwendig? Genügt ein Kleintransporter? Passt alles auf die Ladefläche? Werden Klimakisten benötigt und müssen die eventuell extra angefertigt werden? Werden diese während der gesamten Ausleihdauer beim Leihnehmer gelagert oder kommen diese zurück, um dann zum Ausstellungsabbau wieder geliefert zu werden? Muss das Objekt von einem Kurier begeleitet werden? Tausend Kleinigkeiten sind zu beachten und festzulegen, damit es, wenn es dann mit dem Ausstellungsaufbau ernst wird, nicht zu Reibungsverlusten kommt. Ein guter Sammlungsmanager wird den Ausstellungsmacher von sich aus auf kritische Punkte hinweisen bzw. die richtigen Fragen stellen. Ein beliebtes Problem sind z.B. zulässige Deckentraglasten in historischen Gebäuden oder Fahrstühle, die zu klein für die Exponate sind. Trotzdem denkt auch ein Registrar nicht immer an alles. Je besser die Kommunikation im Vorfeld, desto unwahrscheinlicher, dass unliebsame Überraschungen auftauchen.

Von i-Punkten und t-Strichen

Registrare sind schon beinahe sprichwörtlich genau, wenn es um die Dokumentation geht. »Dot every i and cross every t« ist das englische Idiom für »sehr penibel sein« und gleichzeitig so etwas wie der internationale Wahlspruch der Registrare. So kommt es, dass Registrare durchaus nervtötend genau sein können, wenn es um Formalien geht. Im Zweifelsfall wird lieber einmal zu viel dokumentiert und abgezeichnet als einmal zu wenig. Das treibt Ausstellungsmachende, die schon wieder die drei nächsten Baustellen im Kopf haben, gerne in den Wahnsinn.

Ein Beispiel: Der Zustand des Objekts wird vor der Leihgabe protokolliert und in der Regel wird die ausleihende Institution zu jedem Objekt eine Art Laufzettel mitgeben. Auf diesem soll jeweils vermerkt werden, in welchem Zustand das Objekt nach dem Transport beim Leihnehmer ankommt und wie der Zustand nach der Ausstellung, bevor es auf den Rücktransport geht, aussieht. Diese Zustandsprotokolle binden natürlich Arbeitszeit, sowohl beim Aufbau, wo es meist schnell gehen soll, als auch beim Abbau, wo schon das nächste Projekt in den Startlöchern wartet.

Je objektzentrierter die Ausstellung und je mehr Leihen aus unterschiedlichen Institutionen oder gar aus dem Ausland anstehen, desto mehr Papierkrieg ist zu bewältigen und desto eher ist man geneigt, mal das ein oder andere nicht so genau zu nehmen oder genervt zu reagieren, wenn zum gefühlt 387. Mal unterschrieben werden soll, dass alles in Ordnung ist.

Aber spätestens, wenn ein Versicherungsfall da ist oder unangenehme Fragen von den Zollbehörden kommen, kann man froh sein, wenn da jemand im Team war, der eben die i-Punkte und t-Striche im Blick gehalten hat.

Fazit: Ein starkes Team

Ausstellungsmacher und Registrar haben sehr unterschiedliche Aufgaben und meist auch Persönlichkeiten. Aber gerade deshalb können sie sich in einem interdisziplinären Team perfekt ergänzen. Was ein guter Ausstellungsmacher leistet, darüber ist schon viel geschrieben und gesprochen worden. Über den guten Registrar ist weitaus weniger bekannt und das ist insofern konsequent, als das möglichst wenig Auffallen Teil des Berufsbilds ist.

Dabei sind die verborgenen Stärken nicht zu unterschätzen: Da wäre die erwähnte Genauigkeit bei Formalitäten und Detailorientierung bei der Planung. Dazu gehört je nach Museum auch ein reicher Erfahrungsschatz in Hinblick auf Zollformalitäten, Transportunternehmen und regionale oder institutionelle Besonderheiten. Hinzu kommt, dass Sammlungsmanagement in den meisten Fällen bedeutet, mit sehr beschränkten Budgets das bestmögliche herauszuholen. So haben Depotverwalter oft eine Idee, wo man am günstigsten an bestimmte Materialien oder Dienstleistungen kommt. Ein solides Netzwerk unter Kollegen besitzen sie durch ihre Arbeit meist zwangsläufig. Das ist für Ausstellungsmachende dann gut, wenn sie bewiesen haben, dass sie einen sensiblen Umgang mit Objekten an den Tag legen. Dann kann die Empfehlung unter Kollegen oft mehr bewirken als ein noch so schön formulierter Brief an den Museumsdirektor. Das gilt im negativen Fall natürlich analog. Außerdem besitzen Magazinverwalter oft nicht nur eine gute Datenbank, sondern auch noch ein Elefantengedächtnis. Das kann bei der Ausstellungsplanung äußerst hilfreich sein, da man so auf Objekte oder vergangene Ausstellungen hingewiesen wird, die man durch keine Datenbank- oder Internetrecherche findet.

Kurz: Wer mit Registraren zu tun hat, wird sich vielleicht manchmal an die Karikatur eines preußischen Beamten oder gar an Tolkiens Gollum erinnert fühlen. Wer aber versteht, wie sie arbeiten und welche Anforderungen und Grundgedanken dahinter stehen wird gut mit ihnen zusammenarbeiten können. Bei größeren Ausstellungsprojekten empfiehlt es sich ohnehin, einen solchen Detailfetischisten in den eigenen Reihen zu haben.

Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Davide Bordenca

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