Mehr zur Aufgabe des Registrars in Museen und Sammlungen 1
Bei früheren Gelegenheiten habe ich bereits über die Rolle und das Aufgabenspektrum des Registrars in Museen und Sammlungen geschrieben, über seine Ausbildung und seine Arbeitsweise. Die aktuellste Veröffentlichung (auf Spanisch) ist im Oktober erschienen2. Darauf aufbauend, möchte ich ein paar Gedanken hinzufügen:
Der Registrar sollte ein aufgeschlossener und kritisch denkender Mensch sein. „Smarte“ Registrare müssen auf der Höhe der Entwicklungen, Reflexionen und Probleme sein, die sich in ihrem Beschäftigungsfeld – dem Museum – und der Museologie im Allgemeinen ergeben. Der kritische Registrar ist sowohl ein Praktiker als auch ein Museologe im Hinblick auf das Nachdenken und Entwickeln von Theorien, Trends und Analysen in der Museologie/Museumskunde.
Die Informationen, die in und über eine Museumssammlung gesammelt und aufgezeichnet werden, können als eine Mine des Wissens betrachtet werden, ein Gebiet, in dem Bedeutung und Aussagekraft wächst. Es ist in erster Linie der Registrar, der diese Information aufzeichnet, beherrscht und kontrolliert. Er oder sie ist die „Schnittstelle“ zur Sammlung, sowohl in Hinblick auf die zusammengetragenen Informationen, als auch zu den Objekten selbst.
Der kritische Registrar braucht substantielles Wissen über die Sammlungsgegenstände. Er muss sich darum kümmern, dass alle notwendigen „technischen“ Daten erfasst werden und in der richtigen Form Eingang in die Sammlungsdokumentation finden sei es nun auf Papier oder als Datei auf dem Computer. Heutzutage heißt das, dass der Regsitrar auch ein profundes Computerwissen braucht. Nur so kann er / sie die Informationen so im Computer / in der Datenbank zur Verfügung stellen, dass sie für Museumsmitarbeiter, Wissenschaftler und die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar sind. Deshalb muss der Registrar mit neuen Entwicklungen in der Computer- und Informationstechnologie Schritt halten. Der kritische Registrar denkt weitblickend, entwickelt und erfindet und hat einen hohen Anspruch bezüglich Qualität und Wahrheitstreue.
Zusätzlich zu den Daten, die er / sie selbst erhebt, ist der Registrar dafür verantwortlich, dass die Informationen, die Kuratoren oder Wissenschaftler beisteuern, ebenfalls in der Dokumentation erfasst werden. Der Registrar findet die geeignete Form, diese Daten zugänglich zu machen, was von der Art der Daten und Objekte abhängt: natürliches oder kulturelles Erbe, materiell oder immateriell, immer auch in Abhängigkeit von kulturellen und ethnologischen Zusammenhängen.
Das Anforderungsprofil eines kritischen Registrars kann wie folgt zusammengefasst werden:
Überwacht die bürokratischen Aspekte der Arbeit, ohne darauf reduziert zu sein: hält Ordnung in den Daten und protokolliert Standortwechsel, überwacht Lagereinrichtungen, entwirft und überwacht das Sicherheitskonzept, ist verantwortlich für Versicherungen, Leihverkehr, Transporte, Verpackung, für Notfallpläne und Maßnahmen zur präventiven Konservierung, für die Einhaltung der Gesetze, der Zoll- und Steuerbestimmungen;
Arbeitet im Team: agiert als Schnittstelle zu anderen Berufsgruppen innerhalb und außerhalb der eigenen Abteilung. Kultiviert das interdisziplinäre Miteinander, im Konsens und nicht im Konflikt mit anderen Museumsmitarbeitern, insbesondere mit Kuratoren, Restauratoren, Ausstellungsmachern3 und Museumspädagogen. Er / sie ist sich bewusst, was ihn / sie mit anderen Museumsmitarbeitern identifiziert und eint und was sie unterscheidet und verbinded. Als Integrator hat er / sie verstanden, dass sowohl die Gemeinsamkeit (im Museum zu arbeiten und seine Aufgaben zu erfüllen) als auch die Unterschiedlichkeit (der Rollen, Aufgabengebiete, Sichtweisen, Ausgangslagen und Organisationsstrukturen) für die Zusammenarbeit wichtig ist;
Mehr als ein Boss, ein Anführer, ein Manager, besonders wenn er / sie ein Team von Registraren oder Hilfskräften leitet. Er / sie befiehlt nicht. sondern berät und leitet an, fördert, delegiert und überwacht die anfallende Arbeit. Er / sie schätzt und teilt Erfolge ihres Teams oder einzelner Teammitglieder. Er / sie denkt pluralistisch und immer im Namen der Institution, der er / sie und ihr / sein Team angehört. Er / sie kümmert sich um seine Mitarbeiter, fördert ihre Potentiale und Fähigkeiten und schafft eine Atmosphäre von Ehrlichkeit und Arbeitsethos. Er / sie ist proaktiv, belastbar und lehnt jede Form von Verschleppung ab. Seine / ihre Art zu führen ist emotional intelligent: er / sie denkt logisch, ohne die eigenen Gefühle zu unterdrücken und lässt Gefühle zu, ohne dass dadurch der klare Blick auf die Realität getrübt wird;
Ein Co-Pädagoge: der kritische Registrar ist sich bewusst, dass die Unterlagen, die in seiner Obhut sind, Informationen bieten, die dazu beitragen oder es erleichtern können, neues Wissen aufzubauen oder anderen Menschen (Museumskollegen, der Öffentlichkeit und Wissenschaftlern, die mit der Sammlung arbeiten) Anreiz bieten, neu zu lernen und neu zu lehren. Er / sie weiß, „Lernen ist nicht der Transfer von Wissen, es ist die Möglichkeit zu schaffen, neues Wissen zu erzeugen.“ (Paulo Freire). Der kritische Registrar lernt ständig und gerne neu;
Ein Denker extensiver Konzepte und Netzwerke, der in seiner / ihrer täglichen Arbeit die Visualisierung, Präsentation und Vermittlung als lebendige Prozesse einsetzt, so dass eine kreativ-konzeptuelle Gedankenlandkarte der Sammlung entsteht. Zusammen mit seinen Museumskollegen entwickelt und teilt der kritische Registrar Ideen und Strategien für einen intelligenten, inspirierenden und interaktiven Zugang zu Informationen. Er / sie denkt in alle möglichen Richtungen, vernetzt sich international und hält Informationen über die Bedeutung und den Stellenwert von Objekten ebenso im Fluß wie neue Ideen – indem er / sie alle Möglichkeiten nutzt, einschließlich virtueller Sammlungskataloge und der Macht von Web 2.0 Ressourcen.4
Für das Themengebiet des Museums oder der Sammlung für die er / sie als Registrar und/oder Teamleiter verantwortlich ist, muss er / sie so gut wie möglich ausgebildet sein. Dies gilt sowohl für das Wissen über die technischen Aspekte seiner / ihrer Arbeit als auch für das Wissen über Geschichte, Bedeutung und Stellenwert des Natur- oder Kulturerbes, aus dem die Sammlung besteht. Das bedeutet auch – wie bereits bemerkt – dass der kritische Registrar nie aufhört, zu lernen, sondern sich auf dem Laufenden hält, was die Debatten in den Wissenschaften betrifft, die die Themengebiete seines / ihres Museums oder seiner / ihrer Sammlung betreffen.
Das heutige Verständnis der Dimensionen von Bedeutung und Stellenwert von Sammlungsobjekten hat sich erweitert. Neue Herangehens- und Sichtweisen wurden entwickelt, die über den Gegensatz von „Natur“ gegen „Kultur“ hinausgehen. Das Konzept der „Naturkultur”5 der Zoologin und Philosophin Donna Haraway ist ein wichtiger Ansatz, Natur und Kultur als Kombination und nicht als Gegensatz zu sehen. Dieses Konzept ist essentiell wichtig für naturhistorische, sozialgeschichtliche und humanwissenschaftliche Museen.
Der kritische Registrar kennt diese Konzepte. Er / sie hält sich auf dem Laufenden und erwägt, neue Konzepte in der Definition und Kategorisierung von Objekten anzuwenden. Das bedeutet, dass es heute nicht nur die klassische Unterscheidung zwischen Natur- und Kulturerbe und die weitere Unterscheidung dieser beiden in kulturell-materielles und kulturell-immaterielles Erbe gibt. Es gibt auch die Unterscheidung zwischen natürlich-materiellem und natürlich-immateriellem Erbe.
Einen offenen und kritischen Blick zu behalten und bereit zu sein, neue Kriterien in die Alltagsarbeit einfließen zu lassen endet damit nicht. Der kritische Registrar muss über die aktuellen Entwicklungen in allen Bereichen seiner / ihrer eigenen Profession und in den Wissenschaften, mit denen sich sein / ihr Museum befasst, informiert sein. Wissensgebiete entwickeln sich, auch das Museum und die Museologie. Der Vorteil, kritisch und informiert zu bleiben, kommt nicht nur dem Registrar selbst zugute, sondern auch seinem / ihrem Team, anderen Museumskollegen, dem Museum und nicht zuletzt auch der Öffentlichkeit.
Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Davide Bordenca
- Der Artikel wurde ursprünglich veröffentlicht in der Rubrik „Sprechen wir über…“ des Instituto Latinoamericano de Museos ILAM(Lateinamerikanisches Museumsinstitut), im Dezember 2012. ↩
- “El Registrador de colecciones del museo”. MUSEA Magazine N° 71 p 4-5. Oct 2012. Spain. www.museamagazine.com. ↩
- Ich beziehe mich hier auf die Museologin Angela Kipp, Depotleiterin am TECHNOSEUM in Mannheim, Deutschland und ihren Artikel „5 Tipps zum Umgang mit Registraren“ http://www.ausstellungen-einstellungen.de/funf-tipps-zum-umgang-mit-registraren/ ↩
- “Cibermuseos o limitado aprovechamiento de la web 2.0” (als pdf erhältlich). Revista Digital Nueva Museología/Artículos. Rosario, Argentina. 2011. www.nuevamuseologia,com.ar. ↩
- “Im Gegensatz zu anderen Objekten in musealen Sammlungen werden Objekte aus der naturkundlichen Sphäre nicht gemacht, nicht von Menschen hergestellt (Haraway, 1989). Aus dieser Perspektive können Objekte in Naturkundlichen Museen als Elemente betrachtet werden, die versuchen, den Gegensatz Natur / Kultur zu repräsentieren. Anfangs dachte man, dass diese Museen Objekte zeigten, die nicht von Menschen gemacht waren, aber andererseits kann man ursprüngliche Elemente aus der Natur in diesen Sammlungen durchaus als hergestellte Artefakte interpretieren (Haraway, 1992), zumindest die Elemente, die letztendlich durch die Einwirkung des Menschen entstanden sind. Natur und Kultur formen sich gegenseitig und sind untrennbar miteinander verbunden. Aus diesem Blickwinkel sind die Objekte in diesen Museen als das zu betrachten, was Haraway (2003) mit einer englischen Wortneuschöpfung zu „naturecultures“ erklärt hat, ein Konzept, das Natur und Kultur als ein untrennbares Miteinander betrachtet, nicht als Gegensatz. (Loureiro, 2007, p. 164)“. Sabrina Damasceno Silva. “O pedaço de outro mundo que caiu na Terra”: As formações discursivas acerca do meteorito de Bendegó do Museu Nacional. Universidade Federal do Estado do Rio de Janeiro. Dissertação de Mestrado apresentada ao Programa de Pós-Graduação em Museologia e Patrimônio. Orientador: Professor Doutor José Mauro Matheus Loureiro. P. 46. Rio de Janeiro, Brasil. 2010. Übersetzung vom Portugiesischen ins Spanische und Englische: Fernando Almarza Rísquez. 2012. ↩
I absolutely love your line „The critical registrar re-learns permanently and joyfully“ One of my fascinations with the job is that there is always something else to learn, and no matter how rote and habitual the task, there is always some way to improve it, streamline it, or scrap it entirely to make way for new procedures and/or technology.
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Español:
Amo absolutamente tu línea [que dice] „El registrador crítico re-aprende permanentemente y con alegría“ Una de mis fascinaciones con este trabajo es que siempre hay algo más que aprender, y no importa cuán rutinaria y habitual sea la tarea, siempre hay alguna manera de mejorar, racionalizar, o desechar por completo para dar paso a los nuevos procedimientos y / o tecnología.
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Deutsch:
Ich liebe Deine Formulierung „Der kritische Registrar lernt ständig und gerne neu“ Eines der Dinge, die mich an meinem Job faszinieren, ist, dass es immer wieder etwas anderes zu lernen gibt und egal, wie sehr eine Aufgabe Routine und Ritual ist, es gibt doch immer etwas zu verbessern, es rationeller zu gestalten oder es einzustampfen, um neuen Abläufen und/oder neuen Technologien Platz zu machen.
Thanks, Anne! Certainly, what you add with your comment is very meaningful to us and our partners, because the more fascinated we are with our work, the better our professional service. Our blog proves it!
Fernando
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