Europäische Konferenz der Registrare 2014: Sei vorbereitet!

Ei vahinko tule kello kaulassa.
Das Unglück hat keine Glocke um den Hals
= Ein Unglück meldet sich nicht vorher an
(Finnisches Sprichwort)

Den nächsten Tag begannen wir alle ein bisschen müde. Wir mussten uns zwischen „Bewertung und Versicherung“ und „Sei vorbereitet!“ entscheiden. Nun, ich fühlte mich nicht gut vorbereitet, nachdem ich erst um 2 Uhr in Bett gekommen war und so entschied ich mich für „Sei vorbereitet“.

Die erste Präsentation „Schadensbehebung / AIC-CERT“ bestand aus zwei Teilen, einem, in dem Julie Bakker, Chief Registrar des Kunstmuseums in Houston/USA die zugrundeliegenden Ideen und die daraus resultierende Fortbildung vorstellte, und zum anderen Teil aus „Steve’s Reality Show“, vorgestellt von Steve Pines, Chefrestaurator für Kunstgewerbe am gleichen Museum.

Nachdem 2015 der Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hatte, wurde es offensichtlich, dass das größte Problem bei der Rettung von Sammlungen nicht darin besteht, dass es zu wenig Leute gäbe, die helfen möchten und auch nicht, dass es zu wenige Fachwissen gäbe. Das Problem bestand darin, dass es keine organisierte Form der Zusammenführung dieser beiden so wichtigen Komponenten gab.
Daher schuf das American Institute for Conservation das AIC-CERT (American Institute for Conservation – Collections Emergency Response Team: Team zur Hilfe bei Notfällen in Sammlungen). Es ist eine Gruppe von freiwilligen Restauratoren und Sammlungsspezialisten, die in Notfällen ihr Wissen zur Verfügung stellen – per Telefon, Email oder vor Ort.

Übung ist immer ein ganz wichtiger Punkt, wenn es darum geht nach einer Katastrophe eine Sammlung zu retten. Personen, die das geübt haben wissen eher, was zu tun ist und verlieren nicht so leicht den Kopf. Deshalb führt AIC-CERT auch überall in den Vereinigten Staaten Fortbildungen durch. In 5 Tagen lernen die Teilnehmer wie sie wirksame Katastrophenteams bilden, wie sie effektiv mit anderen Katastrophenhelfern zusammenarbeiten und wie sie sich und andere schützen. Der letzte Punkt ist sehr wichtig, da Museumsmitarbeiter in der Regel nicht an ihre eigene Sicherheit denken, wenn sie einen Unglücksbereich betreten. Einige der Empfehlungen waren:

  • Unbedingt Sicherheitsausrüstung anlegen, wie Schutzhelme, Handschuhe, Masken
  • Vor dem Betreten des Gefahrenbereichs sicherstellen, dass andere wissen, wo man hin geht
  • Nie alleine vordringen, immer mit einem Kollegen
Be prepared: Julie Bakke with hard hat, mask and, of course, clipboard. Picture via twitter @BergFulton

Gut vorbereitet: Julie Bakke mit Helm, Maske und, natürlich, einem Klemmbrett (via Twitter @BergFulton)

Auch bei „kleineren“ Unfällen ist es entscheidend, dass jemand alles koordiniert, was vor Ort geschieht und auch sicher stellt, dass alle Informationen weitergegeben werden: Warnungen der Polizei und der Feuerwehr an das Helferteam, Anweisungen für die Vorgehensweise von den beratenden Restauratoren an das Helferteam, Beobachtungen und Kenntnis neuer Gefahren, auf die das Helferteam aufmerksam wird, an die Verantwortlichen…

Nach den Vorschlägen des AIC-CERT besteht ein Helferteam normalerweise aus 4 Personen: 1 Teamleiter, 2 Personen vor Ort und 1 Koordinator für die Logistik. Registrare und Sammlungsverwalter scheinen sich besonders gut für die Koordination der Logistik zu eignen, wohl weil sie oft in ihren Institutionen sowieso für den Katastrophenplan zuständig sind. Aber sie eignen sich auch gut für die Teamleitung.

Die Schulung durch das AIC-CERT beinhaltet nicht nur Theorie. Sie simulieren auch Katastrophen. Sie kreieren zum Beispiel ein bestimmtes Szenario (Hurrican der Stärke 3 im Museum, Brand in der Bibliothek nach einem Kurzschluss…) und das Team muss das dann abarbeiten, um dabei zu lernen, was wann zu tun ist.

In dieser Sitzung wurde auch mitgeteilt, dass das lange bekannte „Emergency Response and Salvage Wheel“ (Drehscheibe für Notfälle) nun auch als App für Mobilgeräte zu haben ist: http://www.heritagepreservation.org/wheel/

Steve Pine berichtete dann, welche Hilfe von AIC-CERT kam, als Sandy zuschlug.
In diesem Fall übernahm das MOMA die Informationsbeschaffung durch Restauratoren, die Rat gaben und Hilfe koordinierten. Sie nutzen ihren „Inside/Out“-Blog, um Hilfe anzubieten und Fragen von Künstlern zu beantworten, deren Werke von der Flut betroffen waren. Man kann sich diese Postings ansehen unter http://www.moma.org/explore/inside_out/tag/hurricane-sandy

Steve zeigte Bilder von der Arbeit, die AIC-CERT-Mitglieder zusammen mit Künstlern und anderen Freiwilligen leisteten, um die Arbeiten einer Künstlerkolonie und die Kostüme und Requisiten der Marta Graham Tanz Company zu retten (http://afrnyc.org/emergency-response-martha-graham-dance-company). Mit Toiletten- an Stelle von Japanpapier wurden Bilder getrocknet, ehe sie anfangen konnten zu schimmeln. Fliegengitter wurden als Trockengestelle genutzt und eine leere Industriehalle als „Feldlazarett“ für Kunstwerke und Requisiten … Es war außerordentlich eindrucksvoll zu sehen, wie das Fachwissen der Restauratoren und der Improvisationsgeist die Rettung tausender von Kunstwerken ermöglichten.

Feuer im Museum

Die nächste Sitzung konfrontierte uns mit einem anderen Alptraum des Registrars: „Feuer im Museum“. Adina Ekbergh, Sicherheitsbeauftragte im Museum für Ethnographie in Stockholm/Schweden berichtete über diesen Schwarzen Tag ruhig, aber mit Nachdruck.

Als der Rauchmelder im Kalt-Lagerraum anschlug, wurde das Museum sofort evakuiert und die Feuerwehr kam 7 Minuten später. Unglücklicherweise hatte der Rauch auch weitere Magazine in der Umgebung des Kaltraums erreicht und so tat die Sprinkler-Anlage 13 Minuten lang das, wofür sie da war – sodass die Objekte dort klatschnass wurden. Zum Glück war Adina da und wurde von den Vorgesetzten sofort ermächtigt, alles zu koordinieren.

Als die Feuerwehrmänner alles unter Kontrolle hatten, wurden die Türen geöffnet, um den Rauch abziehen zu lassen, und Museumsmitarbeiter bewachten die Einlässe. Die meisten Mitarbeiter warteten draußen, um mit der Rettung der Objekte zu helfen, Aber unglücklicherweise konnte die Spurensicherung an dem Tag nicht abgeschlossen werden und so wurde das Museum um Mitternacht versiegelt. Die Untersuchungen gingen am nächsten Tag weiter – und natürlich konnten die Museummitarbeiter erst mit der Behandlung der nassen Objekte beginnen, als diese abgeschlossen waren. Kostbare Zeit verstrich und für die Sammlung von Objekten aus Federn, Pelzen und Leder waren die 24 Stunden, die verstrichen waren, ehe mit der Arbeit begonnen werden konnte, lange genug, damit sich Schimmel bilden konnte.

Sobald man das Gebäude wieder betreten durfte, begann die Rettungsaktion. Es wurde beschlossen, alles, was befallen war einzufrieren. Von Donnerstag bis Samstag halfen alle Mitarbeiter bei der Behandlung der Objekte. Anfangs ohne Schutz, denn es gab nicht genügend Masken und Handschuhe. Der Kauf dieser Dinge war eine der ersten Aufgaben!

Adina betonte, dass sie eine Menge von dieser Katastrophe gelernt hätten:

  • Man sollte immer genügend Schutzkleidung vorrätig haben, denn natürlich wollen alle helfen, jedoch sollte die Gesundheit der Kollegen an erster Stelle stehen. Adina formulierte es so: wir verstehen uns immer als Profis, die mit Objekten umgehen und nicht als Menschen! Deshalb denken wir oft nicht an Gesundheitsrisiken.
  • Wenn jemand helfen möchte, sollte man nicht nein sagen. Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr solche Katastrophen erschöpfen: physisch, geistig und seelisch. Und man sollte sich nicht scheuen, selbst um Hilfe zu bitten.
  • Auf dem Boden dürfen keine Objekte stehen!
  • Während der Arbeit Tagebuch schreiben – man vergisst schnell
  • Beteiligen Sie ihre Nachbarn.
  • Gute Beziehungen zu Ämtern wie Feuerwehr und Polizei sind wichtig und sollten geknüpft werden, ehe etwas passiert.
  • Unbedingt die Mitarbeiter für den Katastrophenfall schulen.

Als Auslöser für das Feuer wurde eine Überspannung in einem Sensor des Kalt-Lagerraumes festgestellt. Mit dem Gedanken an unsere eigenen Sammlungen verließen wir den Konferenzraum zur Kaffeepause.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

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