Es fing alles an einem Freitagmorgen damit an, dass mir eine gusseiserne Gedenktafel in die Hände fiel, die irgendjemand mit einem Post-It mit der Inventarnummer, dem Objekteigename und dem Herstellungsjahr versehen hatte. Und damit das auch ganz bestimmt hält war der Post-It an allen vier Seiten mit Tesafilm festgeklebt worden. Ich fand das zugleich furchtbar und furchtbar komisch, also erzählte ich es den Kollegen von der RCAAM-Emailliste (http://www.rcaam.org/Listserv). Offensichtlich war ich nicht alleine. Hier sind die Erlebnisse, die die Kolleginnen und Kollegen daraufhin mitteilten:
Ich habe mal mit einem Objekt gearbeitet, bei dem die Inventarnummer über das Original-Herstellerschild gepinselt war.
Das klingt nach den Dingen, die ich gesehen habe als ich meinen Job angefangen habe! Meine Vorgänger wussten nicht, wie man etwas inventarisiert oder wo man die Inventarnummer hinschreibt. Einige der schönen Bilderrahmen haben an allen vier Seiten Inventarnummern, geschrieben in gigantischen Eddingziffern. Es ist furchtbar!
Und dann war da noch das feine Leinentaschentuch aus dem 19. Jahrhundert, dessen Inventarnummer in anderthalb Zentimeter großen Buchstaben mit rotem Nagellack direkt auf das Gewebe geschrieben wurde. Wenn ich daran denke, treten mir immer noch die Tränen in die Augen.
Ein Kartenspiel aus den 1880er Jahren mit weißer Farbe und Tintennummern.
Ich habe selbst gesehen wie der Abteilungsleiter der Abteilung Sammlung dort wo ich damals gearbeitet habe eine Inventarnummer mit einem großen, schwarzen Edding auf eine Hutschachtel aus Pappe geschrieben hat!!
Edding auf unglasierter Keramik…
Ein weiteres Beispiel dafür, dass ein Etikett eingetackert wurde.Das Etikett in den Pelzkragen eintackern statt es einzunähen.
Edding auf Panzerband, das um ledergebundene Bücher aus dem 19. Jahrhundert geklebt wurde (um sie am aufgehen zu hindern).
Wow – ihr hattet alle die noblen Eddings. In meinem Museum mussten sich die Mitarbeiter mit der minderwertigen Billigvariante zufrieden geben, um Pappe und Seide zu beschriften.
Ich hatte rote Ölfarbe auf unglasierter Keramik. Zählt die Größe? Die Nummern waren fast 2 cm groß…
Wie wäre es mit Papieranhängern, die mit einem Bleistift beschrieben wurden welcher nach weniger als 5 Jahren schon komplett verblichen ist?
Viele unserer älteren Gemälde sind Opfer der alten „roter Nagellack“ Methode….
An einem meiner früheren Arbeitsplätze waren fast alle Inventarnummern in Edding auf den Sammlungsgegenständen angebracht. Zusätzlich stimmte die Nummer oft nicht mit dem Inventarbuch überein, z.B. war es ein anderes Zugangsjahr.
Viele Dokumente in unserem Archiv sind so beschriftet: erst kommt eine Schicht weißer oder durchsichtiger Kunstharzlack, dann mit einem archivtauglichen Stift die Nummer und dann eine weitere Kunstharzschicht… das wundert ich immer wieder.
Die Universitätsverwaltung verfolgte den Verbleib ihrer „Sachen“ indem sie Inventarnummern vergab, die zum Teil als Metallplatten fest mit den „Sachen“ verbunden waren. Zum Glück machen wir das nicht mehr. Ja, wir lernen… wir sind ja schließlich auch eine Bildungseinrichtung.
An einem Museum an dem ich vor Jahren gearbeitet habe gab es eine Landkarte auf Pergament von 1770, die auf der Frontseite mit großen Lettern mit einem blauen Kugelschreiber nummeriert war. Und wer auch immer das gemacht hat wollte wohl sicher gehen, dass sie da drauf blieb denn er hat richtig feste aufgedrückt.
Ich fand eine Kiste vollgestopft mit Objekten. Einige in (zu großen) Plastiktüten und ein Paar Mokkasins (nicht alt, sehr, sehr modern). Jemand hatte mit Edding auf die Plastiktüten geschrieben, hatte das nicht trocknen lassen und hat alle Tüten zusammen mit den ungeschützten Mokkasins in die Kiste gestopft…. tja, die Eddingfarbe hat sich auf die Mokkasins übertragen. Die haben jetzt eine Inventarnummer in Spiegelschrift oben drauf.
Ich habe schon eine Menge Tinte in Büchern gesehen. Und nicht nur Nummern…
Wir finden dauernd Dinge, die vor 50 oder mehr Jahren gemacht wurden und die bei uns leichtes Kopfschütteln hervorrufen. Hier sind meine beiden Lieblinge.
1. Bei Metallwerkzeugen hatte ich den Fall, dass jemand einen nicht unerheblichen Teil der Oberfläche abgeschliffen hat (genügend, um die Form des Objekts zu verändern) um es schön glatt zu machen und dann wurden mit einem Dremel die Nummern in die Oberfläche eingefräst.
2. Kennen Sie die Plastik-Klebestreifen in die Nummern mit einer kleinen Handstanze eingedrückt werden? Ich habe solche direkt auf Objekte geklebt gefunden und dazu wurden die noch an beiden Enden festgetackert. Der Klebstoff ist so stark dass sie sich scheinbar kaum entfernen lassen, ohne dass das Objekt Schaden nimmt, deshalb lasse ich es meist wie es ist wenn ich so etwas sehe.
Man findet schon sehr interessante Dinge in einer über 100 Jahre alten Sammlung!
Wie wäre es mit in eine Holzmaske eingeritzt? Ich kann zumindest sagen, dass dies nicht von jemand gemacht wurde, der sich als Experte bezeichnet hat. Es wurde vom Spender gemacht, um einen Überblick über seine Sammlung zu behalten. Wie man am Foto sieht wurde die Aufhängevorrichtung gleich mitgeliefert. Hab ich ein Glück!Unser Büro für Bestandsverwaltung an der Universität vergibt immer noch Inventarnummern, aber schon vor langer Zeit hat ihnen jemand erklärt, dass Kunstwerke Schaden nehmen, wenn man die direkt draufklebt. Jetzt schicken sie nur noch die Aufkleber und ich sortiere sie in die Objektunterlagen ein.
Als ich hier anfing fand ich es amüsant, dass, wenn die Bestandsverwaltung stichprobenartig Inventur machte, sie das Objekt gar nicht sehen wollten, sondern nur die Aufkleber. Das hat sich seit ein paar Jahren geändert und jetzt wollen sie beides sehen. Ich schätze es sehr dass ihnen scheinbar wirklich an der Sammlung gelegen ist und dass sie sicher gehen wollen, dass wir sie aufpassen.
So witzig das alles ist, wir sollten uns daran erinnern, dass zu irgendeinem Zeitpunkt die Leute dachten, dass sie mit der Markierung das richtige tun. Ich frage micht, was zukünftige Registrare in 50 Jahren über uns sagen…
Das hat so direkt mit Objektbeschriftung nichts zu tun, aber… wir haben vor einigen Jahren eine Spende von Büchern, Fotografien und andere Kleindrucksachen erhalten, die nun Teil unseres Archives sind. Ich vermute, es wurde gemacht, um die Eigentümerschaft klar zu stellen und/oder vielleicht für die Nachwelt, jedenfalls hat die Spenderin alles mit ihrem Ex-Libris-Stempel versehen, der auch ihren Namen enthält. Die meisten Werke wurden mehrfach gestempelt (vorne, hinten, auf der Umschlagseite). Und in vielen Fällen (mein Lieblingsärgernis) steht der Stempel auf dem Kopf…
Wir hatten einen ähnlichen Fall am Thomas Wolfe Memorial in Asheville, aber mit Namenszügen. Thomas Wolfe gehörten einige Bücher in unserer Sammlung und er hat sie auf dem Vorsatzblatt signiert. Nach seinem Tod ist eine seiner Schwestern die Bücher durchgegangen und hat überall „Tom hat das geschrieben“ dazugesetzt, dazu einen dicken Pfeil, der auf seine Signatur deutet.
Ich habe 45 Jahre alte Kugelschreibertinte auf Malerkrepp, die auf hunderten von Objekten aus den frühen 1970ern vor sich hinaltert.
Im Farmers‘ Museum in Cooperstown, New York, hat eine arbeitsame Seele in den 1940ern mit einem Eimer roter Farbe und einem kleinen Pinsel Inventarnummern auf viele dreidimensionale Objekte geschrieben. Dank der offensichtlich fehlenden Begabung für diese Tätigkeit wird er oder sie traditionell als „Roter Kleckser“ bezeichnet. Die Nummer zu finden ist nie das Problem aber eine 5 von einer 6 oder eine 8 von einer 9 (ad nauseam) zu unterscheiden kann ein unmögliches Unterfangen sein.
Ich erinnere mich auch an eine Geschichte der verstorbenen Caroline Keck, betreffs der Nummern auf hunderten von archäologischen Metallgegenständen, die katalogisiert und in ein klimatisiertes Depot eingebracht wurden. Das schnelle Austrocknen der korrodierten Oberflächen bewirkte, dass fast alle Objekte ihre äußerste Schicht abwarfen… zuammen mit der Nummerierung.
Ich arbeitete mal irgendwo wo die ObjeKte mehrfach nummeriert worden waren, mit einer ganzen Bandbreite von Nummerierungssystemen und einer ganzen Bandbreite von Größen und Materialien. Wir spielten oft „kannst Du es jetzt noch sehen?“ indem wir Gegenstände hoch hielten und ausprobierten, von wie weit entfernt man die Nummern noch lesen konnte…
Großartiges Thema, könnte ein Kapitel eines Buches sein. Hier ist mein persönlicher Favorit: Wenn die schwarze 4 cm große Nummer nicht lesbar ist, sollte es zumindest die weiße 4 cm Nummerierung sein. Was auch immer als durchsichtige Schutzschicht verwendet wurde, es hat bislang allen meinen Versuchen widerstanden sie zu entfernen. Ich habe schon an Sandstrahlen gedacht aber ich fürchte, es wird eher das Metall verschwinden als die durchsichtige Schutzschicht (nur ein ganz klein wenig Galgenhumor).
Die Plage der verrückten Nummerierer hat auch die hintere Pampa heimgesucht. Wir haben Beweise, wie die bereits geschilderte mehrfarbige Nummerierung. Auf einigen Objekten wurde die Nummer auch eingraviert, manchmal mit einem Schnitzwerkzeug, manchmal mit einem angeschliffenen Nagel.
Jemand muss vor langer, langer Zeit mal ein Schnäppchen bei gelber Wandfarbe gemacht haben. Einige unserer Objekte sehen so aus wie es die Bilder zeigen. Das zweite zeigt die Unterseite eines Totems, man kann meine kleine Nummer im Zentrum erkennen, zusammen mit der gelben Nummer, die ich vorgefunden habe. Ich musste es einfach nochmal nummerieren um meine Verachtung für die erste Methode herauszustellen. Sie hätte wenigstens beim ersten Mal die Nummer richtig schreiben können (man sieht, dass sie durchgestrichen und darüber geschrieben wurde, as ob ein Anstrich mit Farbe nicht schon genug wäre – tztztz!!) Gut zu wissen, dass man unter Freunden ist! Hier sind einige unserer Sünden der Vergangenheit… Edding, roter Nagellack, gelber Nagellack, Metallgravur, Schlagzahlen, Kugelschreiber auf Papier, Tipp-Ex (ja, die Objekte wurden quasi mit Tipp-Ex angestrichen), verschiedene Nummernsysteme auf einem Objekt, Heftklammern in Textilien, Malerkreppetiketten, Metallklammern… Nummern in verschiedenen Größe und Formen… wir haben soweit ich weiß sogar ein paar neonfarbene Beschriftungen… Seufz.
Ich bin ja so froh, dass meine Institution nicht die einzige ist, das eine Geschichte hat in der mit diesen Plastikbeschriftungsdingern gearbeitet wurde! Unsere unerschrockenen Vorfahren hatten offensichtlich Angst, dass wir bei manchen Dingen den Zweck nicht mehr erfassen würden, also haben sie uns Plastikschilder hinterlassen, auf denen Dinge stehen wie „hölzerne Schale“ oder „Buttermodel“. Direkt auf der Vorderseite des Objekts. Diese armen Schalen hatten nicht den Hauch einer Chance.
Tatsächlich habe ich die teuflischste aller Nummerierungsmethoden vergessen. Vor Jahren hat ein Kurator für die historischen Stätten im Staat North Carolina die Mitarbeiter in den einzelnen Gedenkstätten angewiesen, die Inventarnummern auf Klebeetiketten zu schreiben und diese auf die Objekte zu kleben. Über die Jahre sind die Etiketten ausgetrocknet, sind abgefallen und die dienstbaren Mitarbeiter haben sie zusammengefegt und weggeworfen. Nicht nur, dass wir jetzt eine klebrige Stelle dort haben, wo das Etikett war, wir haben auch ziemliche Mühe herauszufinden, welches Objekt zu welchem Datensatz passt – dank schlechter Maßangaben und Beschreibungen. Aber das ist eine andere Geschichte. (Seufz)
Bevor ich hier arbeitete gab es mal einen Direktor, der seinen Mitarbeitern Anweisung gab silbernen Nagellack als Grundierung zu verwenden, auf die dann die Inventarnummer mit rotem Edding geschrieben wurde. Gefolgt von einer Schutzschicht aus klarem Nagellack. Über die Jahre sind die Nummern so ausgeblichen, dass sie fast unmöglich zu lesen sind. Wenn es kein silberner Nagellack war, dann war es Tipp-Ex.
Der selbe Direktor nahm auch den Radierer am anderen Ende von Tintenschreibern, um ein Areal auf einer Münze zu „reinigen“, bevor er die Nummer darauf schrieb.
Einen hab ich noch – als die Sammlung noch an einer Hochschule war, wurde ein emeritierter Professor Direktor. Er entschied, dass alles gekennzeichnet werden müsse. Er malte also einen großen weißen Klecks auf alles, schrieb die Nummer mit Tusche darauf und versah das Ganze mit einer Schutzschicht aus Schellack, der oft am Objekt herunterlief. Das machte er meistens an der auffälligsten und herausragensten Stelle an der Vorderseite des Objektes und die Größe änderte sich nie. Es war immer RIESIG! Manchmal schrieb er noch zwei- oder dreimal die exakt gleiche Nummer auf das gleiche Objekt. Wir haben einen wunderschönen Zuni Pueblo Topf bei dem die Nummer auf das Muster gemalt ist. Der Schllack ist dann an den Seiten des Topfes heruntergelaufen. Oh, die Menschheit!
Und der Gewinner ist…
Drei Tage nach meinem ursprünglichen Aufschrei gab es einen Beitrag, den wir einvernehmlich als ultimativen Gewinner auszeichneten:
“An einer ehemaligen Arbeitsstelle hatten wir einen menschlichen Schädel auf dem die Inventarnummer irgendwann im letzten Jahrhundert pflichtschuldigst mit schwarzem Stift mitten auf die Stirn aufgebracht wurde. Und das war ausgerechnet einer der Fälle, den wir repatriiert haben.”
Dies wird für Rupert Shepherd und alle Unterstützer des Hashtags #MuseumDocumentation auf Twitter ein Schock sein. Tatsächlich war es für mich auch ein Shock. Um das zu erklären muss ich etwas ausholen:
Zur Zeit ist es wirklich heiß in Süddeutschland mit Temperaturen bis zu 40 Grad Celsius. Bis vor etwa drei Wochen hätte ich im Brustton der Überzeugung gesagt, dass das einem richtigen Museumsmenschen nichts ausmacht. Dass mein Hirn immer anfing „In the Summertime“ von Mungo Cherry oder irgendeinen anderen Sommerhit der letzten 40 Jahre zu summen, wenn ich ernsthaft versuchte über etwas nachzudenken hätte mir ja zu denken geben können. Aber ich habe ja schon mal darüber geschrieben, dass es im Kopf eines Registrars manchmal seltsam zugeht, deshalb machte ich mir darüber nicht allzuviele Gedanken.
Dann ist es passiert. Ich habe ein Kapitel aus dem Buch über unbearbeitete Sammlungen, an dem ich zur Zeit schreibe, an eine Freundin geschickt, die es irgendwie hinbekommt, mich mit Gegenlesen und Kommentieren zu unterstützen, obwohl ihr Zeitplan auch übervoll ist. Sie ist immer sehr höflich und zurückhaltend mit Kommentaren, aber sie meinte, dass ich in dem folgenden Abschnitt den Einsatz der Worte „documentation“ und „document“ doch in einigen Fällen überdenken sollte (der Text ist hier im Original wiedergegeben, da ich sicherlich den gleichen Mist nicht noch einmal im Deutschen wiederholen möchte):
„As you see by these examples, your documentation strategy will look different every time, because the foundation of a good documentation strategy is to consider all circumstances that play a role in this process. It is also important to recognize that ”documentation strategy“ doesn’t mean to define a certain set of fields you will fill in your data base and totally ignore that there is other useful information contained in the objects that is worth being documented. A ”documentation strategy“ is seldom one single step after which all the documentation is done but more likely a set of steps where you first document what needs to be documented immediately and define later circumstances under which you will add further documentation. Be careful to define these ”later circumstances“, as they have the tendency of translating into ”never“ if not properly defined. In Example X it is the moment the online data base is online and the proper documentation is done by the volunteers (and preferably checked by a museum professional), in Example Y it is the time directly after the move. Preferably the order in which the objects will be documented after the move is already laid out in the documentation strategy.“
Ja, ich habe es hinbekommen, insgesamt zwölf Mal „documentation“ oder „to document“ zu schreiben, in einem Absatz, der gerade mal 200 Wörter lang ist. Logischerweise macht das den Sachverhalt nicht gerade klarer und das ist es schließlich, was gute Dokumentation leisten sollte. Ich sollte dieses Zeug wirklich nicht schreiben, wenn es über 30 Grad hat…
Ich hoffe, Sie behalten alle einen kühlen Kopf und schaffen es trotz allem, Ihre Arbeit gut zu machen! Genießen Sie den Sommer!
Manche sagen, dass Museumsleute geborene Jäger und Sammler sind. Das ist möglicherweise richtig, aber es ist auch wahr, dass Stauraum in Museen immer knapp ist. Für Sammlungsmanager ist das besonders schwierig: während die haushälterische Seite ihrer oder seiner Persönlichkeit alles behalten möchte, falls man es wieder benötigt, sagt die logistische Seite, dass man das nicht machen kann, sonst baut man sich innerhalb kürzester Zeit so zu, dass gar nichts mehr geht.
Ein üblicher Konfliktfall sind Spezialkisten, die für einen bestimmten Zweck maßgefertigt wurden, zum Beispiel, um ein Objekt oder eine Gruppe von Objekten über eine weite Strecke zu transportieren. Nach ihrem Einsatz verstellen sie eigentlich nur noch Platz. Meist sind sie zu sperrig oder nicht geeignet für die Langzeitlagerung und es ist fast zum verrückt werden: es scheint nie eine Leihanfrage zu geben, bei der wieder eine Kiste mit exakt diesen Maßen benötigt wird.
Es gibt viele Möglichkeiten, was man mit gebrauchten Kisten machen kann. Sie anderen Museen anbieten ist zum Beispiel eine sehr gute Möglichkeit. Hier ist eine sehr bequeme Möglichkeit: Eine Bank, die aus einer Kiste gebaut wurde, mit der ursprünglich ein paar Schiffsmodelle transportiert wurden.
Sich über Dinge zu unterhalten, ganz gleich welche es sind, ist leichter, wenn alle Beteiligten genau wissen, wie bestimmte Dinge benannt werden.
Hier ein mögliches Szenario:
Bei der Jahresversammlung des Gartenvereins „Jedermann“ ist auch eine Pflanzen-Tauschbörse vorgesehen. Einige der Mitglieder stehen um einen großen Topf, in dem etwas Grünes, zart und haarig mit tief roten Blüten wächst. Frau Seifenwürze ruft: „Oh, daran erinnere ich mich, es wuchs im Garten meiner Großmutter. Es ist der behaarte Purpurbecher!“ Herr Thymian streicht sein Kinn und grummelt: „Nein, nein, mein Bruder baute das gewerbsmäßig an, das sind Kaminrote Fingerblätter, das weiß doch jeder.“ „Karminrot“ brummelt seine Frau, die Lehrerin gewesen ist. „Als ich ein Kind war machte übrigens meine Mutter Tee aus den Blättern und nannte das Falsche Kamille.“
An dem Punkt beschlossen sie, Dr. Grünpflanz zu befragen, den Spezialisten für Pflanzenanbau an der Universität. „Sie haben alle Recht,“ war seine Antwort, „das sind alles volkstümliche Bezeichnungen für Jargonius confusus bzw. Gemeines Anderblatt. Wahrscheinlich hat es in anderen Weltgegenden auch noch andere Namen und diese Bezeichnungen werden möglicherweise auch für mehr als eine bestimmte Pflanze verwendet. Wenn man diese bestimmte Pflanze aber irgendwo in der Welt bestimmen will, dann kann ihr zweiteiliger wissenschaftlicher Name sie eindeutig kennzeichnen.
Der Experte verwendete eine Art „Kontrolliertes Vokabular“, in diesem Fall das System der binomischen Nomenklatur, das wir alle aus dem Biologieunterricht kennen. Es erlaubt Wissenschaftlern in der ganzen Welt, unabhängig von ihrer Muttersprache, exakt zu wissen, welche Art Pflanze oder Tier dieser „jargonius confusus“ ist.
Wechseln wir nun zum Museum: wir haben eine Sammlung von Möbeln, Glasbehältern und Instrumenten aus einer Arztpraxis geschenkt bekommen. Ich habe keine Ahnung, wie die Mehrzahl dieser Objekte genannt wird. Zum Glück ist unser Hausarzt auch schon lange ein Freund der Familie. Ihn bitte ich, mir zu sagen, was dieses „verchromte Dingsbums mit einem herausstehenden Draht und einem kleinen Gummiball am Ende“ wirklich ist. Er brachte einen befreundeten pensionierten Arzt mit, der mit genau den Instrumenten praktiziert hatte, die mit der Schenkung ins Museum kamen. Den beiden macht es großes Vergnügen die Sammlung durch zu sehen. Manchmal benennt einer ein Ding so und der andere anders. In der Regel können sie sich aber einigen, so dass ich vernünftiger Weise annehmen kann, dass die Bezeichnung, die ich im Inventar festhalte das wissenschaftlich Äquivalent zum Purpurbecher im Blumentopf ist.
Damit sind wir aber noch nicht am Ende: Die meisten Museen verwenden, um die Verständigung über ihre Objekte zu erleichtern kontrollierte Wortlisten. Viele verwenden ein Buch, das „Nomenclature“1 heißt und in dem der Autor die Objekte nach ihrem Gebrauch klassifiziert hat. Es gibt 10 Kategorie, wie „Möbel“ oder „Werkzeuge und Ausrüstungen für die Kommunikation“ und dort dann wieder zahlreiche Unterkategorien wie „Bettzeug“ und „Bodenbelag“ oder „Ausrüstung für schriftliche Kommunikation“. Wenn man einen dieser Unterpunkte aufschlägt erhält man jeweils eine lange Wortliste. Das sind die zugelassenen Begriffe für die Gegenstände aus dieser Untergruppe. So ist gewährleistet, wenn ich ein Museum anrufe und sage, dass ich einen Esszimmerstuhl ausleihen möchte, dass ich dann keinen Dielenstuhl bekomme. Und wenn ich nach einem Sofa frage bekomme ich nicht etwas, das nur an einem Ende eine Lehne hat. Schwierig wird es aber, wenn man nur einen Namen für das Objekt hat und dieser nicht in dem Buch verzeichnet ist. Manchmal muss man dann einfach den nächstgelegenen nehmen und den Begriff, den man verwenden möchte in der Beschreibung unterbringen. In der besten aller Welten gäbe es auch Begriffserklärungen in der „Nomenclature“. Da dies aber nicht der Fall ist muss ich oft zum Wörterbuch greifen oder zum Art & Architecture Thesaurus des Getty-Museums2, einem wunderbaren online-Wörterbuch, das auch Definitionen bietet. Oder aber ich verlasse mich, wenn ich in der Klemme stecke, auf einen Fachmann – am besten aber auf zwei.
„Nomenclature“ ist ein kontrolliertes Vokabular für die Klassifikation von Kulturgütern, es wurde von Robert G. Chenhall zusammengestellt und 1978 erstmals veröffentlicht. Seitdem wurde es mehrfach überarbeitet und ist in den USA das Standardwerk für die Klassifizierung von Kulturgütern. Vor kurzem erschien die Version 4.0: Paul Bourcier, Heather Dunn and The Nomenclature Task Force (ed.): Nomenclature 4.0 for Museum Cataloging, Robert G. Chenhall’s System for Classifying Cultural Objects, 4th Edition, Lanham: Rowman & Littlefield Publishers /AASLH 2015. ↩
Wenn man anfängt mit einer bis dahin nicht betreuten Sammlung zu arbeiten wird man in der Regel mit einer ganzen Reihe von Faktoren konfrontiert, die die Sammlung schädigen: Klimabedingungen, Ungeziefer, undichte Dächer, tropfende Wasserleitungen, Risse in den Wänden… Während jeder dieser Faktoren ganz oben auf der Liste stehen sollte, die die Dinge auflistet, die professionell angegangen werden müssen wird es doch eine Weile dauern, bis das nötige Geld dafür aufgetrieben ist. In der Zwischenzeit leidet die Sammlung jeden Tag. Das ist dann die Zeit und der Ort für etwas, das ich „Großmutters Remedur“ nenne.
Wir wissen alle, dass Großmütter die wunderbare Fähigkeit haben, Dinge zu heilen – gleich ob es eine zerbrochene Vase, ein gebrochener Finger oder eingebrochens Herz ist. Großmütter haben viele Erfahrung dabei gesammelt ihre Familie durch schwere Zeiten zu bringen oder mit knappen Ressourcen aus zu kommen. Bei „Großmutters Remedur“ (von remedium = Heilmittel) geht es darum, Dinge sofort zu verbessern – mit eigenen Händen und mit Sachen, die zur Hand sind und wenig bis gar nichts kosten. Natürlich sollte man keine Vase mit Schnellkleber reparieren, wie es die eigene Großmutter tun würde. Die Großmutter, die ich vor Augen habe ist ein Ideal von einer Großmutter, eine Superheldin mit überaus ausgeprägtem gesundem Menschenverstand und ebenso großer Kreativität. Sehr alt, sehr weise und sehr aufmerksam. Einfach ein Bild von einer „Großmutter“.
Meine eindrucksvollster Fall einer „Großmutter Remedur“ wurde bei einer Sammlung angewendet, die in einer großen Industriehalle gelagert war. Etwa 50% des Dachs bestand aus Fenster, sodass der Platz wunderbar hell zum Arbeiten war – aber auch sehr ungeeignet für eine Sammlung. Eine Notiz mit Kugelschreiber auf Papier verblasste so rasch, dass sie nach 6 Monaten in dieser Halle nicht mehr lesbar war. „Großmutters Remedur“ war unglaublich einfach: die Fenster wurden zugestrichen. Das war in wenigen Tagen getan, kostete nur ein paar Eimer Farbe und reduzierte den Lichteinfall beträchtlich. Die Langzeitlösung bestand darin, die Sammlung ein paar Jahre später in ein passenderes Magazin zu überführen, aber die Remedur reduzierte die Belastung für die Sammlung unmittelbar.
Was war Ihre eindrucksvollste „Remedur“ bei der Betreuung einer Sammlung?
Eines der zerbrechlichen Glasbilder.Ich liebe meine Arbeit, ohne Frage. Dafür verantwortlich sein, dass jedes Objekt an seinem richtigen Platz ist, und das zu dem Zeitpunkt an dem es gebraucht wird ist eine wunderbare Aufgabe, ebenso wie die Herausforderung, die Objekte für zukünftige Generationen sicher auf zu bewahren. Trotzdem gibt es eine Sache die mich ärgert und ich weiß, dass sie viele der Kollegen im Bereich der Sammlungspflege ärgert, gleich ob sie Sammlungsmanager, Depotverwalter, Registrare, Restauratoren, Konservatoren, Kuratoren, Dokumentare oder EDV-Verantwortliche sind. Das ist die Frage: „Warum dauert das so lange?“ oder „Warum ist das noch nicht fertig?“. Sie ärgert mich so sehr, dass ich geschworen habe, darüber einen Blogbeitrag zu schreiben, sobald ich ein gutes Beispiel bei der Hand hätte. Nun, letzte Woche war ein gutes Beispiel.
In säurefreies Seidenpapier eingeschlagene Glasbilder.Eines der ersten Dinge, die ich am frühen Montagmorgen entdeckte, war eine sehr schwere Schachtel, in etwa von der Größe einer Schuhschachtel. Darinnen waren Dutzende von bemalten Glasscheiben, wie sie damals, im 19. Jahrhundert, für die „Laterna Magica“, die „Zauberlaterne“ verwendet wurden. Einige waren in ihren Originalschachteln, einige waren ohne jeden Schutz aufeinander gestapelt. Einige der Glasscheiben hatten auf Grund der schlechten Lagerungsbedingungen schon Schaden gelitten. Es war unvermeidlich, sie neu zu verpacken. Den ganzen Montag verbrachte ich deshalb damit zu recherchieren und mir eine bessere Lagerungsmöglichkeit aus zu denken.
Passender Ethafoam-Block mit hineingeschnittenen Haltern.Sie erst einmal in säurefreies Seidenpapier ein zu wickeln schien mir ein guter Anfang. Um sie dann zu lagern sollten sie aber eine Art der Aufbewahrung haben, bei der sie sich nicht bewegen und dadurch beschädigt werden konnten. Man sollte die gesuchte Scheibe leicht finden, ohne eine andere an zu fassen. Ich nahm einen Ethafoam-Block und schnitt ihn in der Größe einer Archivschachtel zu und da hinein schlitzte ich Halter für die Glasscheiben. So können die Glasprojektionsbilder sicher transportiert werden, sie können innerhalb der Schachtel nicht verrutschen und jeder kann rasch ein bestimmtes Glas finden.
Auf jeder Halterung steht, welches Glasbild darin zu finden ist.Am Dienstag beauftragte ich meine Hilfskraft damit die Schachteln für die übrigen Glasbilder zu machen. Vor allem, weil ich andere Dinge zu tun hatte, aber auch, weil ich nicht sehr begabt bin für das Herstellen von Schachteln, während sie wunderbare „Wohnungen“ für alles mögliche produziert (vgl. „Lagerungslösungen: Ein Zuhause für den Barcode-Scanner“). Ich konzentrierte mich darauf, einen Platz für die Projektionsbilder zu finden. Sie sollten dort untergebracht werden, wo unsere Sammlung von Foto- und Filmausrüstungen aufbewahrt ist. Aber, wie in vielen anderen Museen ist das mit dem Platz so eine Sache. Neu verpackt würden die Glasscheiben den Raum von 6 Archivboxen benötigen, einen Platz, den ich in dieser Regalreihe nicht hatte. Schließlich kam mir die Idee: wenn ich die Sammlung von Schmalfilmkameras in Archivboxen verpacken würde, dann könnte ich sie stapeln und so circa 3 freie Regalbretter gewinnen.
Nun, das ist nicht so einfach, wie es klingt. Wir überführen gerade unsere Standortverwaltung von einem rein händischen System zur Nutzung von Barcodes. Um dieses System voran zu bringen gibt es die Vereinbarung, dass jedes Objekt, das in die Hand genommen wird ein neues Beschriftungsschild mit Barcode bekommt. Das ist auch deshalb gut, weil viele unserer alten Objektbeschriftungen Hüllen aus Polyvinylchlorid haben, die wir los werden wollen.
Regalböden mit den umgepackten Schmalfilmkameras und den sechs Archivkartons mit Glasbildern (rot markiert). Man kann auch die jetzt leeren Regalböden erahnen.Ich musste also 118 Schmalfilmkameras umpacken, druckte deshalb 118 neue Objektbeschriftungen aus, schnitt sie zurecht und ordnete sie den entsprechenden Kameras zu. Natürlich brauchte auch jede neue Archivbox eine Beschriftung, damit wir über den Inhalt Bescheid wissen. Auch die mussten gedruckt, geschnitten und angebracht werden. Da die Objekte nun auf einem anderen Regalboden lagerten, musste der neue Standort in die EDV eingegeben werden, und auch die Archviboxen bekamen neue, unverwechselbare Identifikationsnummern, die ebenfalls in der Datenbank hinterlegt sein müssen.
Nun können Sie sich leicht vorstellen, was ich von Dienstag bis Freitag tat. Natürlich hatte ich auch noch ein paar andere Aufgaben zu erledigen (wer mehr wissen möchte lese Anne T. Lanes „Direkt ab Lager – Ein Tag im Leben eines Sammlungsmanagers“). Nachdem die 6 Archivschachteln mit den Projektionsgläsern an ihrem Platz waren, blieben mir 2½ Regalböden an neu gewonnenem Platz für die nächste Kameraausrüstung, die ankommt. Aber wenn man sich die Sache nicht im Detail ansieht, dann könnte man meine Arbeitswoche so zusammenfassen: ich habe eine Schachtel mit Glasplatten an einen anderen Ort gebracht.
Wie ich neulich angekündigt habe, suche ich nach Beispielen aus dem wahren Leben für mein Buch über nicht betreute Sammlungen. Das erste Kapitel wird davon handeln, wie man einen ersten Überblick darüber bekommt woraus die Sammlung besteht, wie man Prioritäten setzt und wie man eine Strategie entwickelt um dann die Probleme zu lösen.
Der schlimmste Moment ist wahrscheinlich, wenn man die Sammlung zum ersten Mal sieht. Es ist der Augenblick, in dem man eine erste Vorstellung davon bekommt, wie viel Arbeit das sein wird und wie vielen Aufgaben man sich wird stellen müssen. Was war Ihr schlimmster erster Eindruck?
Bei mir war es wohl ein Schuppen voll mit Oldtimern und landwirtschaftlichen Geräten, alles so ineinander geschoben, dass man kaum durch kam und zum Teil über Objekte klettern musste, um weiter in die Sammlung vor zu dringen. Alle Objekte waren rostig und ein großer Teil der Windschutzscheiben war zerschlagen. Die Tatsache, dass hier Mäuse, Marder und Tauben lebten war nur zu offensichtlich. Um die Sache noch schlimmer zu machen waren einige empfindliche Objekte ganz achtlos zwischen größeren Objekten verstaut und etwas, das wie ein Damenkleid aussah, lag unter einem Pflug.
Was war ihr schlimmster erster Eindruck, als Sie für eine unbetreute Sammlung zu Arbeiten begannen?
Sagen wir, Sie kaufen ein Dingsbums, das in einer Schachtel geliefert wird. Diese schützende Kiste hat vielleicht bunte Bilder von dem drauf, das sich darin befindet, eine Anleitung, wie man es in Betrieb nimmt und benutzt und Barcodes, mit denen der Hersteller, der Zusteller und der Laden den Lagerbestand und das einzelne Stück im Blick halten. Wenn die Schachtel nicht mehr gebracht wird, macht man sie flach und übergibt sie dem Recycling.
Denken Sie jetzt einmal, sagen wir, fünfzig Jahre weiter. Sie geben das Dingsbums an ein Museum. Was macht das Museum? Es packt das Ding in eine Schachtel. Diese Schachtel dient sehr ähnlichen Zwecken wie die ursprüngliche Verpackung, manchmal hat sie sogar den allgegenwärtigen Barcode darauf. Es gibt trotzdem einen entscheidenden Unterschied zwischen der Originalverpackung und der Museumsverpackung. Die alte Verpackung mag dazu gedient haben, das Ding kurzfristig vor Beschädigungen bei der Lagerung und beim Versand zu schützen. Aber sie war sicherlich aus Materialien gemacht, die längerfristig das arme Dingsbums beschädigt hätten. Säurehaltiges Papier und Kartonmaterial, Schaum, der schädliche Gase ausdünstet, vielleicht Kunststoffe, die sich zersetzen, Klebebänder, die die Oberfläche beschädigen und Klebstoffe mit Lösungsmitteln, die sich zersetzen und aus dem Band oder den Verbindungsstellen auf den Inhalt wandern.
Die neue Schachtel ist aus speziell hergestelltem säurefreien Karton, gepuffert gegen wandernde Säuren. Sie ist ohne Klebstoffe hergestellt. Die inneren Einlagen oder Stützen können aus inaktivem Schaum, ungebleichter Rohbaumwolle oder Polyestergewebe oder -fasern oder auch aus geknülltem säurefreiem Seidenpapier sein. Auf der Schachtel steht die Nummer und die Beschreibung des Dingsbums, manchmal ist sogar ein digitales Bild darauf angebracht, so dass man die Schachtel nicht öffnen muss, um zu sehen, was drin ist. Manchmal gibt es auch Hinweise, wie man die Schachtel öffnen muss und wie man das Dings sicher herausnimmt.
Viele Objekte in Museumssammlungen können einfach so auf Regalbrettern oder in Schubfächern liegen. Sehr viele andere werden in kommerziell erhältliche säurefreie Kartons mit minimaler weiterer Auspolsterung gepackt. Manche Dinge sind aber zu zerbrechlich oder zu ungewöhnlich geformt um in vorgefertigte Kartons zu passen. Da kommt der Schachtelmacher ins Spiel. Ich verwende einfache Werkzeuge – ein Messer, eine Schneidmatte und eine Klebepistole. Mein Arsenal umfasst säurefreie Pappe und Karton, Schaum in Bögen, Blöcken und Stangen, archivtaugliches doppelseitiges Klebeband, Musselin und Baumwollbindfaden sowie säurefreies Seidenpapier.
Um eine maßangefertigte Schachtel herzustellen, muss man das Objekt vermessen und sich überlegen, wie es am besten in der Schachtel liegt. Außerdem muss man einberechnen, wieviel zusätzlichen Platz man für Polsterung und Stützkonstruktionen braucht und man muss sich überlegen, wie man das Objekt mit dem wenigsten Aufwand aus der Schachtel nehmen und hineinlegen kann. Manchmal kuschelt sich das Objekt dann in ein Kissen aus Polyesterfaserfüllung, machmal ist es auf seinen Stützen festgebunden, manchmal ist es auch in entfernbaren Schaumblöcken eingekeilt, nummeriert und mit Anleitung. Wie findet man heraus, was man benutzen muss? Erfahrung und, in meinem Fall, die Fähigkeit, sich in das Objekt hineinzudenken, um herauszufinden, wo Belastungen und Schwachpunkte sind, um die man sich kümmern muss.
Die Schachtel, die man hier sieht, kennt man als „Lotos Box“. Sie hat vier herunterklappbare Seiten, die es ermöglichen, dass man das Gefäss der Amerikanischen Ureinwohner sieht, ohne sie herausnehmen zu müssen. Der Deckel hält die Seiten im geschlossenen Zustand zusammen. Ich arbeite gerade an einer ähnlichen Schachtel für ein Objekt des Levine Museums. Sie wird eine Einlage haben und nur eine Seite zum Aufklappen, es werden sich Schaumblöcke darin befinden, die es ermöglichen, dass beide Objekte sicher ineinander verpackt verschickt werden können. Ich werde diesen Sommer auch einen Kurs zur Schachtelherstellung am North Carolina Preservation Consortium halten.
Behältnisse haben mich schon als Kind fasziniert. Ich habe immer Schachteln und Dosen und Flaschen aufbewahrt. Ich saß im Geometrieunterricht und entwarf kleine Faltschachteln auf dem Karopapier. Meinen Abschluß als jemand zu machen, der Behältnisse für Sammlungsgegenstände entwirft, war irgendwie eine natürliche Entwicklung und es ist immer noch meine Lieblingsaufgabe in meiner Rolle als Sammlungsmanager.
Meistens geht man davon aus, das die Arbeit in einer Museumssammlung eine sichere Sache ist. Ich würde sagen, das stimmt auch meistens. Aber manchmal gibt es so Tage … Lesen Sie die Geschichte von Julie Blood, Sammlungs- und Ausstellungsmanagerin am Museum der San Joaquin County Historical Society in Lodi, Kalifornien.
HandgranateEs war im August 2009. Ich arbeitete seit etwa 8 Monaten im Museum der San Joaquin County Historical Society als ich zusammen mit einem Ehrenamtlichen auf eine Schachtel stieß, die mit „Munition“ beschriftet war. Es war spät am Freitag Nachmittag und wir öffneten die Schachtel und fanden dort eine nicht gesicherte Eierhandgranate aus dem 2. Weltkrieg, eine japanische Mörsergranate und einen Kanister, von dem wir nach den Beschriftungen annahmen, dass er Pikrinsäure enthielt.
Als im Jahr 2000 eine ganze Sammlung Militaria dem Museum übergeben werden sollte, waren viele der möglichen Sammlungsobjekte von der Polizeibehörde von San Joaquin County inspiziert, entfernt und zur Detonation gebracht worden, da man sie für nicht sicher hielt. Aus unbekannten Gründen war die Schachtel mit diesen Objekten nicht inspiziert oder von der Polizeibehörde als sicher eingestuft worden. Bis heute weiß ich nicht, wie und warum diese Objekte ihren Weg in die Sammlung gefunden haben.
Japanische MörsergranateAm Montag morgen habe ich die Polizeibehörde benachrichtigt und ein Angestellter kam, um sich das gleich an zu sehen, aber offensichtlich war militärisches Gerät nicht sein Spezialgebiet und ich wartete nur darauf, das er womöglich den Sicherungsstift zieht, oder etwas ähnliches. Es war ziemlich beängstigend … Schließlich sprach er mit seinem Vorgesetzten und so wurde der örtliche Luftwaffenstützpunkt verständigt. Von dort kamen Sprengstoffspezialisten um die Objekte mit zu nehmen, die wir natürlich auch sofort deakzessioniert haben.
KanisterNichtwissen ist manchmal ein Segen – das war das längste Wochenende meines Lebens! Seitdem benutzte ich diese Geschichte, um Dozenten, Ehrenamtlichen und Studenten, die zu Depotbesichtigungen kommen darauf hin zu weisen, welche Gefahren manchmal im Museum lauern. Ich hoffe, dass ich um Gotteswillen nie wieder etwas ähnliches finde – das ist sicher. Es hat uns wirklich einen großen Schreck eingejagt.
Es war eine heiße Debatte und auf einmal fiel mir auf, dass zumindest ein Teil der Unstimmigkeiten darauf zurückzuführen war, dass man den Begriff „Alte Garde“ verschieden interpretieren kann.
In Hinblick auf Museen kann er bedeuten:
Entscheidungsträger an der Spitze der Museen, die diese Position schon seit Jahren inne haben.
Museumsprofis die ihren Job schon seit Jahren ausüben.
Menschen, die an Normen, Verfahrensweisen und Praktiken festhalten, die seit Jahren etabliert sind.
Menschen, die dem Versuch Neues auszuprobieren skeptisch gegenüber stehen und glauben, dass man am besten die Dinge so macht, wie man das immer gemacht hat.
Ich wette Ihre erste Reaktion als Sie die vier Punkte gelesen haben war: oh ja, diese Typen kenne ich! Und ich glaube, das war auch genau das, was Paul vor Augen hatte, als er den Artikel geschrieben hat. Bei näherer Betrachtung ist diese Beschreibung nicht halb so homogen, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Und da fangen die Probleme an:
Es gibt „alte“ Museumsprofis, die permanent Neues ausprobieren. Es gibt Entscheidungsträger, die ihr Museum am liebsten von oben bis unten umkrempeln möchten, so dass nichts mehr so ist, wie es früher war. Es gibt junge Museumsprofis, die Neuem skeptisch gegenüberstehen und ihr Museum lieber so lassen wollen, wie es ist. Es gibt Museumsprofis aller Altersgruppen die glauben, dass einige Normen, Verfahrensweisen und Praktiken aus einem guten Grund entwickelt wurden und deshalb nicht angetastet werden sollten – die aber gleichzeitig neuen Ansätzen in der Einbeziehung der Besucher und der Erschließung neuer Bereiche offen gegenüber stehen.
Vor diesem Hintergrund ist leicht einsehbar, warum eine Diskussion über die „Alte Garde“ entgleisen kann. Als jemand, der sich um die Sammlung kümmert und allen Ansätzen, die ein Objekt potentiell gefährden könnten, kritisch gegenüber steht, würde ich mich selbst nach kurzem Zögern als Mitglied der „Alten Garde“ bezeichnen. Auf der anderen Seite glaube ich, dass „Das haben wir immer so gemacht!“ einer der gefährlichsten Sätze in jeder Sprache ist. Wir sollten immer neue Dinge ausprobieren, wenn wir nichts wagen, können wir auch nichts verbessern. So wird jemand, der denkt, dass alle oben genannten Punkte auf die „Alte Garde“ zutreffen mich unweigerlich in die falsche Schublade stecken.
Was hat das alles mit der Arbeit eines Registrars zu tun? Nun, ich denke, dass es ein gutes Beispiel dafür ist, warum wir, die wir mit Museumsdokumentation befasst sind, so unglaublich großen Wert auf die Benutzung der richtigen Terminologie und der richtigen Kategorisierung legen. Das ist auch der Grund, warum wir versuchen, fest definierte Standardbegriffe zu verwenden und regionale Ausdrücke und Metaphern vermeiden. Wenn selbst wir, die wir im selben Zeitalter leben und im selben Arbeitsbereich arbeiten uns missverstehen, weil ein Begriff auf unterschiedliche Art und Weise verstanden werden kann, kann man sich leicht vorstellen, was das für zukünftige Generationen mit einem völlig anderen Erfahrungshintergrund bedeuten muss.
Also, wenn Sie das nächste mal zufällig mitbekommen, dass sich Ihr Kurator und Ihr Datenbankmanager darüber streiten, ob es ein „Fön“ oder ein „Haartrockner“ ist, lächeln Sie ruhig, aber denken Sie daran, dass diese Unterhaltung für die Zukunft relevant sein könnte.
Angela
Eine Randbemerkung zum erwähnten Artikel:
Es ist immer erschreckend, dass Diskussionen über „neue Wege im Museum“ fast unausweichlich zu Technikdiskussionen gemacht werden. Überraschender Weise tun das sowohl diejenigen, die daran glauben, dass Technik alle Probleme löst als auch diejenigen, die glauben, dass Technik der Untergang der Menschheit ist. Meiner Meinung nach führt das lediglich dazu, dass alle Diskussionsteilnehmer dazu getrieben werden, sich auf eine der beiden Seiten zu schlagen, so dass es dazwischen keinen Platz mehr für fruchtbare Diskussionen gibt.
Wenn Sie mich fragen, sollte die erste Frage immer lauten „Was wollen wir denn erreichen?“, bevor wir dann die passenden Werkzeuge aussuchen, um es zu erreichen. Und wir sollten nicht zulassen, dass uns irgendetwas den Blick verstellt – weder das neue coole Dingsbums, das wir unbedingt in unserem Museum einsetzen „müssen“, noch die Annahme, dass jegliche Art von Technik die Besucher von den Ausstellungsstücken ablenkt.
Das Projekt: Die Mauern der Sprache durchbrechen und Registrare weltweit verbinden.