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Kultur-Tipp für die Ohren und fürs Hirn: Bermudafunk

Children discovering the secret of calculating machines in the TECHNOSEUM in mannheim/Germany.

Ruhige Zeiten im TECHNOSEUM – gibt es, wenn man weiß, wann.

Wenn Tanja Praske zur Blogparade aufruft, ist teilnehmen Ehrensache. Nun darf man eine Museumsmitarbeiterin natürlich nicht nach einem Museumstipp fragen, denn es ist wie mit Kindern: das eigene ist immer das beste, schönste, klügste…. Deshalb ist das TECHNOSEUM auch nicht mein Kultur-Tipp, sondern hier sei nur beiläufig ein Geheimtipp gestreut: wer das TECHNOSEUM mal in aller Ruhe besuchen möchte, entweder, weil ihr oder sein Kind nicht gut mit Trubel zurecht kommt oder aber man auch selbst mal an die Experimentierstationen will ohne gleich von einem wildfremden Achtjährigen erklärt zu bekommen, was man da machen muss, dem sei empfohlen, mal an einem Freitag Nachmittag oder aber am Wochenende zwischen 9 und 10.30 Uhr zu kommen.

Mein Kultur-Tipp ist ein freier Rundfunksender: Bermudafunk in Heidelberg http://bermudafunk.org/
Die meisten Radiosender sind gleich: alles aus dem Bereich Rock/Pop/Oldies bzw. Schlager/Volksmusik oder dann nur Klassik oder nur Nachrichten. Kaum ein Sender leistet sich ein vernünftiges Einschaltprogramm, die meisten versuchen, alle rund um die Uhr irgendwie zufrieden zu stellen. Ob das generell funktioniert weiß ich nicht, bei mir jedenfalls funktioniert das nicht. Ich bin genervt und greife zur eigenen Musiksammlung…. oder schalte um auf Bermudafunk.

Bermudafunk ist anders. Die erste Besonderheit: man kann ihn nicht immer hören, er teilt sich den Sendeplatz mit dem Campus-Radio radioaktiv. Die nächste Besonderheit: es gibt feste Sendungen, die immer von den gleichen Leuten moderiert werden, aber es gibt auch offene Sendeplätze, um die sich Gruppen, Einzelpersonen, Künstlerprojekte… bewerben können, um ihr eigenes Programm zu machen. Was dabei herauskommt, ist manchmal richtig gut, manchmal eher absonderlich, vor allem aber eines: nie langweilig.

Ich habe drei persönliche Favoriten:
„It’s Elvis-Time“ Am 1. Freitag des Monats ab 22 Uhr wird von einem absoluten Elvis-Enthusiasten moderiert, der so ziemlich alles über den King weiß und das vor allem auch musikalisch belegen kann. So hört man hier Stücke, die man sonst kaum zu hören bekommt: verschiedene Versionen bekannter Hits, verpatzte Aufnahmen aus dem Studio, interessante Parallelen… Ich habe mich nie besonders für Elvis Presley interessiert, aber diese Sendung ist ein Muss, seit ich sie zuerst entdeckt habe. Vielleicht, weil es als Nerd einfach Spaß macht, einem anderen Nerd beim Fachsimpeln zuzuhören….

„Latino“ Sonntags von 9 bis 11 Uhr (zur Zeit an jedem 2. und 4. Sonntag) bringt alle Sparten lateinamerikanischer Musik. Nun ist lateinamerikanische Musik von Bolero bis Salsa ohnehin schon klasse und genau das richtige, um beschwingt in den Sonntag zu starten, aber diese Sendung hat noch ein besonderes Extra: Der Moderator, der sich „DJ Pancho“ nennt, moderiert die Sendung nur teilweise auf Deutsch – und hat eine unglaubliche Stimme. „Rrrrritmo Cubano…“ Falls es je einen Wettbewerb um die erotischste Radiostimme geben sollte – mein Favorit steht fest.

Meine letzte Lieblingssendung ist neu dabei und trägt den sprechenden Titel „ich-habe-nicht-fertig“, im Moment am 3. Samstag von 21-22 Uhr. Der Moderator spielt Musik, die er selbst nicht kennt und entscheidet spontan, was er dazu sagen soll und ob er sie wirklich bis zum Ende laufen lässt. Die angespielten Titel befinden sich auf Demo-Tapes, die dem Sender ungefragt zugeschickt wurden oder auch auf Kassetten, die der Moderator auf dem Sperrmüll abgegriffen hat. Wie man sich denken kann, sind die dargebotenen Kostproben durchwachsen und natürlich unterscheidet sich der persönliche Musikgeschmack oft von dem des Moderators. Dessen Beschreibungen der Plattencover und Reaktionen auf das, was er da auch zum ersten Mal hört sind es allerdings allemal Wert, rein zu hören. Eine Reise in unerhörte Machwerke und oft ein gutes Training für die Lachmuskeln.

In der Rhein-Neckar-Region findet man den Sender auf UKW 89,6 MHz (Mannheim) und UKW 105, 4 MHz (Heidelberg), bundesweit im Livestream auf http://bermudafunk.org/livestream.html. Frohes Hören!

Angela Kipp

Erzähle die Geschichte eines Transit-Totems

new york transit museum
Am 12. November um 18.30
Was verbirgt sich dahinter?
Transit Museum New York

Objekte aus dem Transitbereich können wie Ikonen schimmern (ein Chip, ein beleuchteter Anzeiger für eine Haltestelle) oder mysteriös oder spleenig wirken, da sie so altmodisch sind (was ist ein Bend-o? ein Skleroskop ?). Kommen Sie und erwecken Sie zusammen mit unseren Archiv- und Sammlungsmitarbeitern Objekte und Fotografien von Sammlungsstücken zum Leben – indem Sie schreiben, Geschichten erzählen und phantasievolle Deutungen vorschlagen.

Beispiele dieser Gegenstände und Bilder sind jetzt schon online zu sehen.
Am Mittwoch 12. November um 18.30 Uhr werden diese und noch viele andere Dinge in einer Pop-up Ausstellung gezeigt, um Sie zum Schreiben zu inspirieren.

Erfinden Sie eine Ausstellungs-Beschriftung, ein Gedicht, eine kurze Geschichte; Versuchen Sie sich an der diffizilen Kunst der Lexikographie; oder demonstrieren Sie Ihr Wissen, indem Sie uns über die wahre Herkunft eines Objekts aufklären.

Füllen Sie den Abend mit einer Mischung aus Wahrem und Erfundenen; wir sind auf der Pirsch nach beidem, den pfiffigen Ideen und dem Glaubwürdigen!

Schicken Sie ihre Texte jetzt oder kommen Sie zur Schreib-Session und den offenen Mikrophonen am 12. November.

Erzähle die Geschichte eines Transit Totems!
Mittwoch, 12. November, 18.30 bei freiem Eintritt

New York Transit Museum
Downtown Brooklyn

Hier sehen Sie die erste Serie von Objekten – um Antwort wird gebeten!
http://nytransitmuseum.tumblr.com/post/100675462191/transittotem

Brett Dion

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Vögel in der Sammlung!

One single bird can keep a registrar occupied for quite a while.(c) Hans Bleh http://www.highspeedfotografie.de/

Ein einziger Vogel kann eine Depotverwalterin eine ganze Weile beschäftigen.
(c) Hans Bleh http://www.highspeedfotografie.de/

Neulich ging es um unsere Wunschvorstellungen und Träume als Registrare. Ich habe da einen ganz speziellen Wunsch: Ich möchte nur ein einziges Mal wenn mein Direktor auftaucht saubere Arbeitsklamotten anhaben, an meinem aufgeräumten Schreibtisch sitzen und sagen können: „keine besonderen Vorkommnisse“. Tja, leider ist das in den letzten 10 Jahren noch nie vorgekommen. Wann auch immer er auf mich trifft starre ich vor Staub und/oder Maschinenöl und es gibt Kollegen, die beschwören, dass ich ihm einmal sogar gesagt haben soll er möge sich beeilen, ich hätte noch zu arbeiten. Es sei wie es will, ich bin jedenfalls froh, dass er neulich nicht da war, als ich mit einem Besen bewaffnet brüllend im Depot auf und ab rannte, all das, um einen Vogel aus der Halle zu scheuchen. Nicht nur, dass ich mich wie ein Idiot aufführte, ich sah auch noch aus wie ein zeitgenössisches Kunstwerk aus Spinnweben, weil der Vogel in die hintersten Ecken flog, die jahrelang keinen Besen mehr gesehen hatten. Als ich da stand und zu dem Vogel hinaufsah, der es tatsächlich fertig brachte ein weit aufgerissenes Tor zu ignorieren, fragte ich mich plötzlich, ob ich eigentlich die einzige Depotverwalterin bin, die von einem Vogel veralbert wird und ob ich es besser machen könnte.

Logischerweise erhält man sehr einseitige Antworten, wenn man sich selbst fragt, also fragte ich meine Kolleginnen und Kollegen vom RCAAM. Ich erhielt eine ganze Reihe hilfreicher Ratschläge und einige großartige Geschichten über Vögel in Sammlungen. So bin ich jetzt in der Lage, eine Schritt-für-Schritt-Handreichung zur Verfügung zu stellen, wie man mit Vögeln in der Sammlung umgeht (sofern sie nicht tot und ausgestopft sind, natürlich):

  1. Schließe alle Türen, die zu dem Raum führen, in dem der Vogel ist.
  2. Öffne alle Türen und Fenster, die nach draußen führen.
  3. Schalte alle Lichter im Raum aus, so dass die Ausgänge für den Vogel erleuchtet erscheinen.
  4. Klatsch in die Hände, schwinge den Besen, führe Dich wie ein Idiot auf, mach alles, um den Vogel in Richtung der Öffnungen zu scheuchen. Je höher das Fenster oder das Tor, desto wahrscheinlicher, dass der Vogel hinausfliegt.
  5. Wenn der Vogel draußen ist, verschließe alles Fenster und Türen.
  6. Suche nach Löchern, die es dem Vogel ermöglicht haben einzudringen und verschließe sie (wie Elizabeth Alberding so schön schreibt: „Wenn Du Dein Gebäude nicht versiegeln kannst, wirst du in deinem Museum bald als die „Vogelflüsterin“ bekannt sein.“)

Kara Vetter wies darauf hin, dass es akustische Vogelschrecks gibt, die man in der Nähe der Tore installieren kann, falls die Vögel dort hineinkommen.

Anne T. Lane lieferte eine Geschichte, die eigentlich aus der Fernsehserie „MacGyver“ stammen könnte:

It's a good idea to inform the colleagues with a sign.

Wenn man die Tür geschlossen hta, weil ein Vogel im Raum ist, ist es eine gute Idee, die Kollegen zu informieren.

„Wir hatten dieses Problem in einem sehr offenen Gebäude in dem ich gearbeitet habe, man konnte die einzelnen Stockwerke nicht gegeneinander abriegeln. Die Vögel kamen nicht in die Sammlungsbereiche, aber sie konnten und kamen in die Spalten um die Fenster hoch oben im Zwischengeschoss, wo sie immer schwächer wurden und starben. Einen haben wir mal gefangen, indem wir eine Art Fischernetz aus einer Drahtschlinge, einem Besenstiel und etwas leichter Plastikfolie gebaut haben. Oh ja, und mit Blue Tape (einer Art Malerkrepp, Anm. d. Übers.). Mein Registrar ist auf einer hohen Leiter unter die Rotunde geklettert und hat das Netz wild nach dem Vogel geschwungen – ich war in Panik, dass er sich selbst von der Leiter und direkt auf den Fliesenboden schwingen würde. Aber hat er es nicht tatsächlich geschafft, den armen Kerl zu fangen! Ich habe ihn dann nach draußen gebracht und er ist weggeflogen.“

Kein Vogel sondern eine Fledermaus narrte Janice Klein als sie Direktorin eines kleinen Museums war:

„Das Museum hatte einen ziemlich offenen Grundriss und mein Büro war der einzige Raum mit einer Tür (von den Toiletten einmal abgesehen), als also eines späten nachmittags eine kleine braunnasige Fledermaus auftauchte und alle anderen schon nach Hause gegangen waren, musste ich sie genau da hinein treiben. Als ich sie schließlich in dem Raum hatte, bekam sie Panik und stieß wie wild Echolotsignale aus (und, ehrlich gesagt, ich machte auch solche hohen spitzen Schreie, da ich überhaupt nichts über Fledermäuse wusste). Ich schaffte es, sie unter einem Kistendeckel einzusperren, aber dann wusste ich nicht mehr weiter. Es war frostig kalt draußen, was möglicherweise der Grund war, warum sie in das schön warme Gebäude gekommen war, deshalb wollte ich ihr nicht so einfach die Tür weisen. Ich rief einen der Vorstandsmitglieder an (es zahlt sich immer aus, einen Naturforscher im Vorstand zu haben, der bereit ist, wilden Tieren eine Zuflucht in seinem Keller anzubieten) und während wir beide auf ihn warteten, wurde mir plötzlich klar warum einer der Bewegungsmelder letzte Nacht Alarm ausgelöst hatte.“

Und Suzanne Quigley steuerte noch einen Praxistipp bei, falls man es mit Spechten zu tun hat:

Of course, there are birds in collections that are not an issue.

Natürlich gibt es auch Vögel in der Sammlung, die kein Problem sind.

„Ich lebe auch in einem ländlichen Gebiet (eine erst vor kurzem erfolgte Veränderung des Lebensstils). Nachdem ich mein ganzes Leben lang in Großstädten gelebt habe, gab es vieles zu lernen. Passend zu dieser Diskussion habe ich ein bißchen was über Spechte gelernt. Das war wichtig, denn ich wohne in einem Haus mit Holzverkleidung. Nachdem wir festgestellt hatten, was die furchtbaren Geräusche machte und sahen, was die kleinen Teufel mit der Hauswand anstellten – war Krieg! Die Schlacht wurde gewonnen, auf eine etwas bizarre, aber lustige Art und Weise. Niemandem fällt auf (weil sie nicht darauf achten), dass um die ganze Außenseite herum an mehr oder weniger unauffälligen Stellen ein Duzend etwa 25 cm lange Streifen silbernes Geschenkband angebracht sind, die mit der Klinge einer Schere gekräuselt wurden (wie man das eben auch beim Geschenke einpacken tut). Das war vor drei Jahren und seither: keine Spechte mehr!“

Also, ich habe viel mehr gelernt als ich dachte. Dank an Kara Vetter, Anne Lane, Elizabeth Alberding, Julie Blood und Suzanne Quigley für die Antworten und Maria O’Malley für die Anregung, daraus einen Beitrag für Registrar Trek zu machen.

Ach, übrigens, ich habe es schließlich doch geschafft, den kleinen Kerl aus dem Depot zu scheuchen und meinem Kollegen in Rufbereitschaft dadurch einen gesunden Nachtschlaf zu ermöglichen. Einen Vogel jagen müssen ist das eine, aber mitten in der Nacht wegen eines Einbruchalarms aus dem Bett gerissen zu werden ist viel, viel schlimmer.

Der Fall des mysteriösen Kopfhörers

Beaujour, mes amis,

ich bin stolz, Ihnen heute die Eröffnung der französischen Version von Registrar Trek mitteilen zu können! Unsere französischsprachigen Leser haben jetzt die Möglichkeit, Beiträge direkt zu lesen, nicht nur als PDF und den französischen Newsfeed zu abonnieren. Mein besonderer Dank gilt Aurore Tisserand, die all die Texte übersetzt hat, die dafür notwendig waren. Wir feiern diesen Meilenstein mit einem Beitrag über eine deutsch-französische Zusammenarbeit bei der Sammlungsrecherche, ermöglicht durch das fantastische Netzwerk von Registrar Trek, insbesondere durch Marine Martineau.

À bientôt
Angela

Earphone

Kopfhörer

„Hattest Du nicht Französisch in der Schule?“, fragte mich mein Kollege Bernd Kießling von der anderen Seite des Tisches her, wo er eine Sammlung Kopfhörer inventarisierte.

„Ich kann Dir einen Flammkuchen und einen Milchkaffee bestellen, löse aber vermutlich einen internationalen Konflikt aus, wenn ich versuche, ein Hotelzimmer zu bekommen. Warum fragst Du?“, antwortete ich, indem ich von einer langen Liste von Objekten aufsah, die ich gerade mit der Datenbank abglich.

„Dieser Kopfhörer wurde in Paris hergestellt, aber ich bin mir bei dem Hersteller nicht sicher. Da, schau mal.“ Ich ging rüber und warf einen Blick auf seinen Monitor, auf dem er mir die winzigen Inschriften zeigte, die er mit dem USB-Mikroskop* vergrößert hatte.

Detail of one receiver of the earphone, picture taken by the USB microscope

Detail der Kopfhörermuschel, Bild vom USB-Mikroskop

„Slé INDlle des…“ entzifferte ich, „keine Ahnung, sieht nach einer Abkürzung aus, eventuell für einen Hersteller, aber ich bin mir nicht sicher. Weißt Du was? Ich schicke das Bild mal an Marine. Sie sitzt in Paris, vielleicht kann sie uns weiter helfen.“

Marine Martineau, Registrarin und Übersetzerin für Englisch/Französisch bei Registrar Trek erhielt die Mail wenige Minuten später. Sie sah sie sich an und leitete sie an Thierry Lalande weiter, den Sammlungsverwalter am Conservatoire National des Arts et Métiers. Er und seine Kollegin Marie Sophie Corcy kamen auf die Idee, Frédéric Nibart zu fragen, einen bekannten Experten für die Geschichte des Telefons in Frankreich.

Innerhalb weniger Tage wussten wir, dass der Kopfhörer im Juli 1928 von der Société Industrielle des Téléphones in Paris gebaut worden war. Wir erhielten sogar einen Artikel von Herrn Nibart zur Firmengeschichte, den wir sofort in unserer Datenbank verknüpften.

Es war ein großartiges Gefühl international zusammenzuarbeiten – möglich gemacht durch das weltweite Netzwerk der Registrar Trekker. Wir hoffen wirklich, dass wir den Gefallen irgendwann erwiedern können.

Storage solution for the collection of earphones: These long archival boxes are usually used for storing maps but have exactly the right dimensions to support earphones in the position most “natural” to them. For final storage we will support them with some bubble wrap and make a hood out of polyethylene foil for the boxes.

Lagerungslösung für die Kopfhörersammlung: Diese langen Archivkartons dienen normalerweise dazu, Schautafeln zu lagern. Sie haben aber genau die richtigen Abmessungen, um Kopfhörer in der für sie „natürlichsten“ Position zu lagern. Für die endgültige Lagrung werden wir sie mit etwas Luftpolsterfolie abpolstern und eine Haube aus Polyethylenfolie darüber ziehen.

* = Das USB-Mikroskop war ursprünglich Teil eines Hands-On-Experiments in einer Sonderausstellung und erfährt nun ein sehr nützliche Nachnutzung in der Sammlungsverwaltung.

Virtueller Rundgang durch „Die Sammlung 2: Der elektrische Haushalt“

Von Bernd Kießling

20 Element(e)

Sie können sich die Ausstellung auch in 3D ansehen, wenn Sie eine 3D-Brille (rot-cyan) haben.

Das Trilemma des Registrars – das Ergebnis

Ich hoffe, Sie haben alle Spaß daran gehabt, über die Situation nach zu denken, die ich im ersten Teil vorgestellt habe und inzwischen entschieden, was Sie getan hätten.

Wie ging die Geschichte wirklich aus?
Sie erinnern sich, dass ich im ersten Teil davon sprach, dass das wirklich Leben nicht so abläuft wie eine Übung. So hatte ich die Informationen nicht so übersichtlich, wie ich sie Ihnen präsentiert habe. Ich musste sie erst im Prozess der Schadensbegrenzung einholen – in einem begrenzten Zeitrahmen bei einem heraufziehenden Schneesturm.

Wie Sie sich denken können, ließ ich die Option a (die Lastwagen heraus zu holen) schnell fallen, auch wenn sie theoretisch möglich gewesen wäre. Die Gefahr die Wagen zu beschädigen war groß, entweder beim Bewegen selbst oder auf Grund der Wetter- bzw. Klimabedingungen. Man muss sich das nur vor Augen führen: historische Lastwagen in großer Eile bei einem beginnenden Schneesturm bewegen! Wie stehen die Chancen, dass alle Beteiligten einen kühlen Kopf behalten und das Richtige tun? Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand den Kopf verliert und los lässt, wenn er es nicht sollte oder einen falschen Tritt tut? Objekte vor Gefahren zu schützen ist eine Sache. Unfälle zu vermeiden, vor allem solche, die zu Verletzungen führen können, ist eine andere und sie ist für mich noch wichtiger.

Ich neigte zuerst zu Option c (bis Montag warten). Dann kontrollierte ich die Website des Deutschen Wetterdienstes, den Niederschlagsradar und die Wettervorhersagen des nahen Flughafens (das ist unsere Referenz für das lokale Wetter, denn er ist nur vier Kilometer entfernt.)
Zum gegebenen Zeitpunkt hatten wir etwa 55% relative Luftfeuchtigkeit in der Außenluft und circa 3 Grad Minus. Die Wettervorhersage für Montag lautete auf einen Temperaturanstieg auf Plus 2-5 Grad mit einer Regenwahrscheinlichkeit von 85 %. Der Niederschlagsradar sagte mir, dass der Schneefall im Anzug war, dass er aber erst einige Stunden später ankommen würde als die 10 Uhr, die in der Wetterwarnung angegeben war.

So rechnete ich mir aus, dass mir ein schmales Zeitfenster für Option b blieb (Tor öffnen, Hubsteiger außen platzieren und innen arbeiten), denn das Problem wäre am Montag das selbe, aber bei deutlich schlechteren Wetterbedingungen. Auch die Langzeit-Wettervorhersage gab nicht viel Hoffnung, dass die Bedingungen sich in der nächsten Woche bessern würden, vielmehr schien die Variante mit -3 Grad/55% RLF die beste im vorhersehbaren Zeitraum.

hxdiagrammZur Gegenprobe für meine Vermutungen zog ich mein treues hx-Diagramm nach Molier zu Rate. Es sagt mir, dass ich bei diesen Bedingungen den Taupunkt in der Halle nicht erreichen würde (nicht vergessen: 11 Grad /42% RLF). Erst würde sich die Luft vermischen und dabei die Temperatur ansteigen und die relative Luftfeuchtigkeit sinken, ehe die Temperatur dann fallen würde. Und da alle Objekte die Temperatur von 11 Grad hatten, schien das Risiko von Kondenswasserbildung sehr gering. (Anders als einige Jahre zuvor, als ein besonders kluger Bursche die Tore geöffnet hatte, um „die wunderbare warme Frühlingsluft“ (18 Grad/ 80 % RLF) in die Halle (11 Grad/50%) zu lassen.)

Wenn die Schneefront früher gekommen wäre, hätten wir die Arbeit immer noch unterbrechen können und die Tore innerhalb von 10 Minuten schließen. So entschied ich mich für Option b), auch wenn ich mich – um ehrlich zu sein – dabei nicht sehr wohl fühlte und jedem dankbar gewesen wäre, der eine Option d gefunden hätte.

Wir hatten Glück. Der Feuermelder wurde innerhalb einer Stunde ausgetauscht und die Schneefront kam erst um 14 Uhr. Wir erwärmten die Halle sehr vorsichtig (was nicht schwer war, da die Heizung sehr schwach ist) und alles war gut.

Warum habe ich alle diese Daten? Ist das vor kurzem passiert?

Einige von Ihnen wundern sich vielleicht, dass ich alle die Daten gegenwärtig habe, obwohl diese Sache vor einiger Zeit passiert ist? Ich schwöre es, ich musste das nicht erfinden – ich musste nur nachsehen.

Normalerweise kann man bei schwierigen Situationen mit den Experten im eigenen Museum oder im beruflichen Umfeld reden, um die beste Lösung zu finden. Man kann die Entscheidung treffen, nachdem man alles mit den Kollegen noch einmal durchgegangen ist, um zu sicher zu sein, dass man nichts wichtiges übersehen hat. Oder man präsentiert die Sache einem Vorgesetzten und lässt ihn entscheiden. Welchen Weg man auch geht, man kann immer sagen, man habe alles nach bestem Wissen getan. Aber dann gibt es auch Situationen, in denen man auf sich selbst gestellt ist. Man muss auf der Basis einer begrenzten Datenlage, der eigenen Erfahrung und des eigenen Gespürs entscheiden.

In diesen Fällen ist es wichtig, alles im Nachhinein noch einmal zu prüfen. Klar, wenn die Sache schief gelaufen ist, weiß man, dass die Entscheidung falsch war und dass man es das nächste Mal besser machen wird. Aber wenn es gut ging ist man nie sicher, ob es gut ging, weil die Entscheidung richtig war, oder weil man unglaublich viel Glück hatte. Das führt – im schlimmsten Fall – dazu, sich das nächste Mal ebenso zu verhalten, dann aber mit weniger Glück.

Deshalb fragte ich damals gleich nach dem Vorfall viele Kollegen genau das, was ich jetzt gefragt habe: Wie hätten Sie entschieden? Es war sehr interessant, ihre Antworten zu lesen. In der Mehrzahl fanden sie richtig, was ich getan hatte. Einige fragten, ob es nicht möglich gewesen wäre, das Risiko einzugehen, nur einen aktiven Brandmelder zu haben. Da er mit Infrarot arbeitete hätte er sicher angesprochen, auch wenn das Feuer in der anderen Hälfte der Halle ausgebrochen wäre. Hier einige der Gründe, warum ich dieses Risiko nicht einging:

1. Die beiden Infrarot-Feuermelder waren genau zur gleichen Zeit eingebaut worden. Wenn die Fehlfunktion ein Fabrikationsfehler war, konnte es sein, dass auch der andere Detektor nicht zuverlässig war.

2. Ich war mir nicht sicher, wie die Versicherung es aufgenommen hätte, wenn sich im Fall eines Brandes herausstellte, dass nur ein Detektor aktiviert war.

3. Meine Hauptsorge war diese: Was wäre, wenn ein kleines Feuer sich in einer Ecke über eine gewisse Zeit entwickeln konnte, ohne dass der andere Feuermelder es bemerkte? Das Feuer könnte an Stärke gewinnen und bis der andere dann Alarm auslöste, wäre wertvolle Zeit für die Feuerwehr verloren. Die Halle war aus Stein, so dass Fragen der Statik nicht meine Hauptsorge waren. Aber welche Menge an ölhaltigem, vermutlich giftigem Rauch würde sich durch das brennende, ölgetränkte Holz, die Wagen und Züge entwickeln, wie würde die kontaminierte Luft jedes Objekt in der Halle schädigen? Schließlich sind, zumindest unter den Kollegen der Technikmuseen, die Bilder von den Resten des Ringlokschuppens des Nürnberger Transportmuseums 2005 noch gegenwärtig http://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrsmuseum_N%C3%BCrnberg#Der_Brand_vom_17._Oktober_2005_und_die_Sch.C3.A4den.

Einige Kollegen hatten zusätzliche Ideen, wie die, eine freiwillige Feuerwache der Mitarbeiter einzurichten, um zu sehen, ob das Wetter am Montag wirklich so schlecht gewesen wäre. Daran werde ich mich in zukünftigen Fällen sicher erinnern.

Als ich nun diese Geschichte niederschrieb, brauchte ich nur in meinem Email-Archiv aus dem Unglücksjahr unter dem Stichwort Trilemma zu suchen. Da konnte ich alle Daten und auch zusätzliche Fakten, die ich inzwischen vergessen hatte nachsehen, ebenso wie die Vorschläge, die ich von anderen Registraren und Sammlungsverwaltern erhalten hatte.

Was folgt daraus?

  • Wenn ein Magazin geplant wird, sollte man überlegen, wie Sicherheitseinrichtungen gewartet werden können, ohne Museumsobjekte zu gefährden.
  • Alle Aufzeichnungen zu vergangenen Gefahrensituationen aufheben – man weiß nie, wann man sie wieder brauchen kann.
  • Murphys Gesetz gilt noch immer.

Ich hoffe, Sie haben Spaß gehabt mit diesem kurzen Sammlungs-Management-Krimi aus dem wahren Leben. Wenn Sie gerne auch einmal eine Ihrer Geschichten mit uns teilen wollen – tun Sie es, wir würden uns freuen, sie im Registrar Trek zu veröffentlichen.

Herzliche Grüße
Angela

Aus holprigen in korrektes Englisch übertragen von Molly S. Hope. Danke Molly, ohne Dich wäre ich verloren!

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

Das Trilemma eines Registrars – Wie würden Sie entscheiden?

fire-truck-4912_640Wenn man Museologie studiert oder eine Kurs zum Umgang mit Kunstgegenständen besucht und zu Präventiver Konservierung, dann lernt man sehr viel über ideale Lagerbedingungen, wie man die Klimabedingungen verbessert, was man tun und was man besser vermeiden soll. Nur, all diese Übungen, die man im Unterricht lösen soll, sind präzise zugeschnitten. Gewöhnlich gibt es eine richtige Antwort auf die Frage „Wie würden Sie entscheiden?“

Und daneben gibt es das wirkliche Museumsleben. Und wie das wirkliche Leben überhaupt besteht es nicht aus klaren Fällen. Immer wieder gibt es Situationen, in denen nicht entschieden werden muss, was die beste Lösung ist, man muss sich für Desaster oder Katastrophe entscheiden.

Dies ist eine Geschichte aus dem Leben und ich werde sie in zwei Teilen erzählen. In dem ersten Teil wird die Situation geschildert, werden zusätzliche Informationen gegeben und dann bleibt die Frage; „Wie würden Sie entscheiden?“ – so bleibt Zeit zum Überlegen, bis ich erzähle, wie die Geschichte ausgegangen ist.

Das Szenario

Stellen Sie sich vor, Sie sind der Sammlungsmanager eines Museums mit einer großen Sammlung technischer Objekte. Es ist Freitag morgen im Dezember, 7 Uhr 30, und der Technische Dienst meldet sich: Ein Feuermelder hat in der Nacht einen Fehlalarm abgesetzt, es waren 2 Löschzüge im Einsatz. Der Feuermelder wurde zurückgesetzt, löste aber am frühen Morgen einen weiteren Fehlalarm aus. Er muss in Ordnung gebracht werden.

Die Lagerhalle ist mit zwei gleichartigen Infrarot-Feuermeldern bestückt, die jeweils die Hälfte der Halle überwachen. Um ordnungsgemäßes Funktionieren zu erreichen, muss der Feuermelder von einer externen Servicefirma kontrolliert und eventuell ersetzt werden – erreicht werden kann er aber nur mit einem Hubsteiger. Der Platz für den Hubsteiger im Inneren der Halle wird von zwei großen historischen Lastwagen blockiert. Es wäre auch möglich, wenn ein Tor geöffnet wird, den Hubsteiger außerhalb der Halle auf zu stellen. Man kann den Feuermelder auch so erreichen. Allerdings würde dann die Temperatur in der Nähe des Tores von 11 Grad auf fast Null fallen und im Inneren der Halle wäre es nicht viel wärmer.

Klimakonditionen der Lagerhalle

  • In der Halle werden Lastwagen und Eisenbahnmaterial gelagert
  • Die Temperatur beträgt normalerweise 15 Grad Celsius und sollte nicht unter 11 Grad fallen
  • Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt ca. 42%

Wetterbericht

Die lokale Wetterstation meldet -3 Grad Celsius und 55 % relative Luftfeuchtigkeit, das Wetter ist bewölkt aber trocken. Eine Wetterwarnung sagt heftigen Schneefall voraus, der gegen 10.00 Uhr beginnen soll.
Vorhersage für die folgende Woche: Am Montag werden die Temperaturen auf +5 Grad Celsius steigen, Regenwahrscheinlichkeit 85%. Das Wetter wird für die nächsten beiden Wochen warm und feucht bleiben.

Telefonnotizen

7.56 Firma für Brandschutzanlagen
Der Servicetechniker kann um 9.00 Uhr da sein und wird für die Arbeit 1-2 Stunden brauchen, je nachdem, ob der Feuermelder nur gereinigt werden muss, oder komplett ersetzt. Er muss allerdings bis spätesten 10.00 Uhr benachrichtigt werden, sonst könnte er erst am Montag kommen.

7.59 Fahrzeug-Restaurator
Die Lastwagen können bewegt werden, aber es braucht schweres Gerät und Unterstützung vom Technischen Dienst

8.05 Leiter des Technischen Diensts
Zugstange und Wagen zum Ziehen der historischen Lastwagen sind vorhanden, auch Personal zur Unterstützung des Restaurators steht zur Verfügung.

8.07 Fahrzeug-Restaurator
Wo sollen die Lastwagen hin gezogen werden? Der einzig mögliche Platz ist im Hof vor der Halle. Wie lange wird es dauern sie dorthin zu bringen? Wenn die Arbeit sofort beginnt kann sie bis ca. 9.30 Uhr erledigt sein.

Jetzt sind Sie dran!

Haben Sie alle Informationen, um zu entscheiden?
Wie würden Sie vorgehen?
a) die beiden Lastwagen aus der Halle ziehen lassen, sodass der Techniker innen arbeiten kann?
b) Das Tor öffnen, damit der Hubsteiger außen stehen kann und die Arbeit in der Halle erfolgen kann?
c) Bis Montag oder später warten und dabei die Halle zur Hälfte ohne Überwachung lassen und abwarten, bis die Temperatur steigt und trockenes Wetter herrscht?

Jetzt meine lieben Leser:
Wie würden Sie vorgehen?

Lesen Sie hier wie die Geschichte wirklich ausgegangen ist.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

Update: Kunst im Hotel

Manchmal bekommen wir Rückmeldungen zu unseren Artikeln auf Registrar Trek aus den entferntesten Regionen der Welt. Manchmal sind es aber auch Rückmeldungen aus dem Büro nebenan:
„Rat mal, was ich dieses Wochenende gesehen habe?“ fragte Dr. Hajo Neumann, einer unserer Referenten.
Ich war ahnungslos.
„Hotelkunst!“ grinste er und zeigte mir dieses Bild:

Foto00061 by Hajo Neumann

Genau, da hat jemand ein Bild tatsächlich direkt an die Wand genagelt. Und zwar so dicht an die Wand, dass sich der ganze Rahmen biegt. Dass es auch noch so dicht am Fenster hängt, dass es das Maximum an möglicher UV-Belastung abbekommt ist dann noch ein nettes Extra.

Kunst im Hotel

Eins vorab: ich liebe Hotels. Und ich finde, dass wir als Museen viel von ihnen lernen können, wenn es darum geht, Kunden das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Aber es gibt da eine Sache, die mir aus professioneller Sicht immer wieder auffällt. Deshalb erlauben Sie mir heute ein paar Worte zum Thema „Kunst im Hotel“:

Kunst im Hotel ist großartig. Sie kann trösten, wenn man sich einsam fühlt. Sie kann Neues entdecken lassen. Sie kann liebe Erinnerungen wecken. Sie kann inspirieren. Sie kann nach einem hektischen Tag beruhigend wirken. Aber sie kann auch das Gegenteil bewirken: Sie kann dazu führen, dass der Hotelgast sich äußerst unwohl fühlt. Die folgenden Beispiele habe ich alle selbst gesehen, und zwar alle an einem verlängerten Wochenende in unterschiedlichen Hotels:

1. Der subtile Horror von Erbstücken

Nichts ist schöner als Kunst, die man geerbt hat. Oft sind richtige Perlen unter den gut gehüteten Schätzen der Vorfahren. Allerdings gibt es da eine simple Daumenregel: wenn Sie zuhause etwas abhängen müssen, weil das Enkelkind davon Alpträume bekommt, ist es kaum geeignet, statt dessen im Hotelzimmer zu hängen:

horror

Eine Naturszene in Kupfer? Perfekt für ein Landhotel! Was könnte man daran nicht mögen?

horror_detail

Was sagt schließlich besser „herzlich willkommen“ als die toten Augen eines Zombie-Dompfaffs (Pyrrhula pyrrhula)?

2. Bei uns hängen Sie richtig!

Vor einiger Zeit kam ein findiger Verleger von Kunstpostern auf eine Idee: In einer Gesellschaft, in der man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass Leute erkennen, was Kunst ist, muss man eben nachhelfen. Also versah er die Nachdrucke berühmter Kunstwerke immer gleich mit einer vergrößerten, stilisierten Signatur des Künstlers; „Vincent“, „Monet“, „Manet“, usw. Hotels scheinen diese Art von Kunstdrucken zu bevorzugen und ich wette, Sie sind auf die Art auch schon dem einen oder anderen Strauß Sonnenblumen von van Gogh auf begegnet. In einem Hotel hatte ich die „Felder im Frühling“ von Monet über dem Bett:

monet

Zweifelsohne ist das Original ein Meisterwerk impressionistischer Kunst. Allerdings war es in diesem Fall ein Bild, unter dem kein Registrar ruhig schlafen kann. Dass die Farben durch jahrelange UV-Einstrahlung stark verblichen sind, lässt sich ja schon auf dem ersten Foto erahnen. Der wahre Horror zeigt sich aber erst in der Blitzlichtaufnahme:

monet2

Die klimatischen Bedingungen in dem Hotelzimmer waren also offensichtlich alles andere als ideal. Als wäre das nicht genug, ist der Rahmen in einer Art und Weise befestigt, wie ich es zugegebener Maßen noch nicht oft gesehen habe. Leider waren die Lichtverhältnisse zu schlecht, um das ausreichend zu dokumentieren:

nagel

Das Bild war tatsächlich durch den Rahmen in die Wand genagelt worden…
Zur Ehrenrettung des Hotels sei gesagt, dass das Zimmer ansonsten einwandfrei und das Essen hervorragend war.

3. Haben Sie den Monet auch in apricot?

Reproduktionen von Kunstwerken haben eine lange und ehrwürdige Tradition. Sie sind eine Möglichkeit, sich mit hochwertiger Kunst zu umgeben, ohne gleich Unsummen dafür ausgeben zu müssen. Und natürlich hat man immer schon das Kunstwerk passend zum Raum gewählt. In letzter Zeit ist mir aber eine Art von Hotelkunst aufgefallen, die dieses Prinzip auf den Kopf stellt: Statt Kunst zu suchen, die zum Raum passt, wird die Kunst passend gemacht.

Es werden Ausschnitte aus Meisterwerken gemacht, die so vom Künstler nicht vorgesehen waren. Zum Beispiel gibt es die Frau mit dem Sonnenschirm aus den gerade gesehenen Feldern im Frühling auch einzeln, vergrößert, im Hochformat. So passt sie besser an die Wand im Flur und es ist nicht so viel unnötiges Gestrüpp mit auf dem Bild… Im Extremfall lässt man auch noch die Farben etwas korrigieren, damit sie besser mit der Tapete harmonieren.

Eine andere Unsitte sind Massenware, die so tut, als sei sie echt gemalt. Bei näherem Hinsehen sieht man dann allerdings, dass es Tintenstrahl auf Leinwand ist, festgetackert auf eine Lattenkonstruktion, die einen Keilrahmen imitiert. Diese Art von Massenkunst gibt es in allen möglichen Stilen (beliebt ist z.B. etwas in Anlehnung an Edward Hopper für Fast-Food-Restaurants), besonders gern werden allerdings abstrakte Motive genommen. Vermutlich, weil sie äußerst pflegeleicht sind: sie gelten von vornherein als intellektuell und lassen sich in allen möglichen Farben herstellen. Wenn man dann noch ein Motiv findet, das man als Pärchen über dem Doppelbett aufhängen kann, hat man eigentlich schon gewonnen:

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Sicher, über Kunst lässt sich streiten. Ich habe allerdings eher den Verdacht, dass hier aus einem Katalog die passende Deko zum Zimmer herausgesucht wurde. Und dass man sich an der Rezeption keine Wasserwaage borgen konnte, um zumindest die Hängung in Ordnung zu bringen, hat mir dann noch völlig den Rest gegeben.

Aber ich will nicht ausschließen, dass das soeben gezeigte Werk dem Hotelbesitzer einfach ausnehmend gut gefallen hat. Schönheit liegt schließlich im Auge des Betrachters. Trotzdem, auch wenn es einem selbst richtig gut gefällt, so gut, dass man sich gar nicht daran satt sehen kann, sollte man trotzdem als Hotelbesitzer einen Fehler nie machen, Massenproduktion hin oder her: Man sollte das gleiche Werk nicht an zwei Orten aufhängen, zu denen der selbe Hotelgast Zugang hat!

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Wobei ich es schon bewundernswert finde, dass man es zweimal geschafft hat, das Bilderpaar beinahe gleich schief aufzuhängen!

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Angenehme Nachtruhe!
Angela

Dieser Beitrag ist auch auf französisch erhältlich, übersetzt von Marine Martineau.