Neulich las ich eine Email von Alana Cole-Faber, Registrarin bei den Hawaiian Mission Houses in Honolulu, Hawaii, USA. Der Zusammenhang spielt hier keine Rolle, aber ihre Worte waren:
„…wir, die wir im wörtlichen Sinne isoliert sind. Wie auf Inseln. Umgeben von Ozeanen. Wo Registrare eine merkwürdige, bedrohte Tierrasse sind, die selten zu beobachten ist.“
Ein Registrar in seinem natürlichen Lebensraum: er kümmert sich um seine Sammlung. Dank an Matt Leininger für das Bild.
Ich habe immer wieder über diese Worte nachgedacht. Alana arbeitet auf einer Insel, daher sind diese Worte auf ihre Position natürlich ganz besonders zutreffend. Aber ich finde, dass es auch eine brillante Beschreibung unserer Arbeit als Registrare, Sammlungsmanager und Depotverwalter allgemein ist.
Manchmal wenn ich durch die Regalreihen unseres Depots gehe, auf der Suche nach einem Objekt, das ausgeliehen werden soll und in der Datenbank mit „Standort unbekannt“ vermerkt ist, kann ich fast die Stimme von Heinz Sielmann hören: „Die Registrarin schleicht durch den Urwald der Objekte, auf der Suche nach ihrem Opfer. In einiger Entfernung am Gang sitzt ein Objekt zusammen mit Artgenossen. Es ahnt nicht, dass das Verhängnis naht. Die Registrarin nähert sich. Sie erstarrt, überprüft die Unterlagen und mit einer einzigen, zielgerichteten Bewegung schnappt sie sich das Objekt.“
Ein Blick auf die Zahlen
Doch Scherz beiseite. Ist es nicht wirklich so, dass der Registrar ein Tier ist, das selten gesichtet wird? Unsere meiste Arbeit wird hinter den Kulissen geleistet. So weit hinter den Kulissen, dass wir sogar außer Sichtweite und damit auch manchmal aus dem Sinn unserer Kollegen arbeiten. Ich habe eine nicht representative Umfrage in verschiedenen fachbezogenen LinkedIn-Gruppen gestartet, um zu sehen, ob sich meine persönliche Einschätzung mit der Arbeitswirklichkeit anderer KollegInnen deckt. Die Frage war: „Als Registrar: Wie sieht Ihre normale Arbeit aus (mehr als 50% Ihrer normalen Arbeitszeit)?“ Hier sehen Sie das Ergebnis:
Glücklicherweise sind die einsamen Wölfe, die ihr Revier ganz allein durchstreifen müssen in der Minderheit. Aber, um im Bild zu bleiben, Registrare sind auch keine Rudeltiere. Die Arbeit, die der Registrar zu erledigen hat, muss zu 71% von ihm alleine erledigt werden.
Der Einsiedler im Depot
Registrare arbeiten oft hochkonzentriert hinter den Kulissen.
Dank an Lisa Verwys für das Bild.
Wie ist es, alleine zu arbeiten? Ich möchte einen Kommentar von Antony Aristovoulou zitieren, der ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Situation wirft: „Ich wurde selten von denjenigen kontrolliert, die mich beauftragt hatten, noch zeigten sie Anzeichen von Interesse und so wurde es ein sehr einsamer Arbeitsprozess. Die Objekte wurden meine Freunde.“ Niemand wird bestreiten, dass es von Zeit zu Zeit großartig ist, allein im Depot zu sein. Als Registrar allein zu arbeiten bedeutet ein Ausmaß an Freiheit, das sich heutzutage nur noch sehr wenige Menschen leisten können. Je nach Architektur und Infrastruktur kann es sogar bedeuten, ohne Internet und Mobilfunkverbindung zu sein. Abgetrennt vom Rest der Welt, auf einer einsamen Insel.
Was sind die Konsequenzen? Allein zu arbeiten beinhaltet gewisse Risiken. Da sind einmal die rein körperlichen Faktoren. Es muss ein Sicherheitskonzept für diejenigen geben, die alleine arbeiten. Vor allem muss der- oder diejenige, die gezwungen ist, alleine zu arbeiten, jederzeit die Möglichkeit haben, nach Hilfe und Unterstützung zu rufen. Es muss gesichert sein, dass auffällt, wenn sie oder er in eine Situation gerät, in der sie oder er nicht mehr in der Lage ist, um Hilfe zu rufen. Eine Routine, dass er oder sie von Zeit zu Zeit angerufen wird, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist. Ein Handy, das er oder sie ständig bei sich trägt (natürlich nur, wenn Mobilfunkverbindung besteht). Eine Checkliste oder ein Procedere, das sicherstellt, dass niemand in den Lagerräumen eingeschlossen wird. Zusätzliche Kontrollrunden des Wachpersonals. All das sollte organisiert sein, bevor jemand seine Arbeit alleine aufnimmt.
Aber es gibt noch andere Gefahren, wenn man alleine arbeitet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass niemand an den- oder diejenige denkt, die noch im Magazin ist, wenn alle zum Mittagessen gehen. Wichtige Informationen in Institutionen erfährt man oft in den Arbeitspausen bei einer Tasse Kaffee. Menschen, die kein Feedback erhalten oder die Möglichkeit haben, sich mit ihren Kollegen auszutauschen, neigen dazu, eigenbrötlerisch zu werden. Es ist zunächst einmal Aufgabe des Registrars selbst, diesen Tendenzen entgegenzuwirken, indem er oder sie die totale Isolation vermeidet und versucht, weiterhin an den gemeinschaftlichen Aktivitäten im Museum teilzunehmen. Aber es ist auch die Aufgabe seiner/ihrer Kolleginnen und Kollegen, die- oder denjenigen im Depot nicht zu vergessen. Letztendlich ist es auch Aufgabe derjenigen, die für die Arbeitsorganisation verantwortlich sind, dafür zu sorgen, dass Möglichkeiten geschaffen werden, damit die Beschäftigten sich untereinander austauschen können. Dies ist vielleicht der einzige Weg, der verhindert, dass der Registrar das „seltsame Tier aus dem Depot“ wird, sondern der Kollege bleibt. Gut, vielleicht der „Kollege mit dem seltsamen Job“, aber immer noch der Kollege.
Der Job: Spaßbremse sein
Klare Anweisungen zu geben, was zu tun und was zu lassen ist, ist Teil des Jobs.
Dank an Zinnia Willits für das Bild.
Die Zahlen zeigen, warum sich Registrare isoliert fühlen, sogar innerhalb eines Teams. Das hat viel mit der Aufgabe des Registrars zu tun. Sie oder er ist für das Wohlergehen der Sammlungsobjekte verantwortlich. Das schließt mit ein, dass sie oder er oft „nein“ sagen muss, wenn es um Veranstaltungen und Ausleihen geht. Wenn der Direktor der Institution ein großes Fest in den Ausstellungsräumen veranstalten möchte, muss der Registrar seine Position verteidigen und sagen, dass das nur ohne Speisen und Getränke geht. Wenn das Marketing-Team Schülergruppen mit einem historischen Schulbus abholen will, wird der Registrar mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass das unmöglich ist. Wenn eine befreundete Institution eine Flagge aus dem Sammlungsbestand ausleihen und sie ohne Tastschutz im Eingangsbereich der Ausstellung aufhängen will, kann der Registrar nur den Kopf schütteln. Sie oder er agiert als Anwalt der Sammlungsobjekte, die eben nicht für sich selbst sprechen können. Obwohl auf dem Papier alle Museumsangestellten für das Bewahren von Sammlungsgütern für zukünftige Generationen verantwortlich sind, hat trotzdem oft der Registrar den schwarzen Peter. Aber der Registrar ist nicht der Direktor. Normalerweise ist er auch nicht der Abteilungsleiter. Das bedeutet, dass, obwohl die Verantwortung für die Sicherheit der Objekte auf seinem oder ihrem Schreibtisch ruht, nicht sie oder er selbst es ist, der oder die die letztendliche Entscheidung fällt. Dieser Fakt verstärkt das Gefühl der Isolation.
Für die Teammitglieder sieht die Sache anders aus: Ausstellungsmacher haben großartige Ideen für künftige Ausstellungen. Gestalter haben neue Ideen, wie Objekte präsentiert werden können. Marketingverantwortliche denken angestrengt darüber nach, wie man das Museum für Besucher attraktiver machen kann. Und dann kommt der Registrar daher und sagt einfach „nein“ zu ihren Ideen. Natürlich scheint es ihnen, als seien Registrare seltsame Tiere! Diejenigen, die einem jeden Spaß verderben! Aber die bittere Wahrheit ist: das ist der Job. Wenn der Registrar Glück hat, dann sind noch Restauratoren mit von der Partie, die seine Sichtweise unterstützen. Andernfalls kann er nur auf Richtlinien und Standards verweisen (was für den Rest des Teams ziemlich langweilig ist) oder Fälle präsentieren, wo etwas schief gelaufen ist, weil man nicht auf den Registrar gehört hat (was unterhaltsamer, aber nicht notwendigerweise überzeugender ist). Schlussendlich kann der Registrar nicht mehr tun, als seine Meinung darzulegen und den ganzen Entscheidungsprozess dokumentieren, um auf der sicheren Seite zu sein.
Eine bedrohte Art?
Qualitativ hochwertige Arbeit ist wichtig – und braucht Zeit und Geld.
Dank an Sharon Steckline für das Bild.
Also, ist der Registrar eine bedrohte Art? Tja, der Registrar ist wahrscheinlich nicht mehr und nicht weniger bedroht als andere Museumsprofis heutzutage. Wenn das Geld knapp wird, ist der Kulturbereich der erste, der mit einem Stirnrunzeln von Entscheidungsträgern betrachtet wird. Aber soweit ich das beurteilen kann, ist das nicht auf Sammlungsmanagement beschränkt. Politiker fragen gerne, ob ein Museum nicht von weniger Leuten betrieben werden kann oder ob man es überhaupt braucht. Tatsächlich haben in den letzten Jahren einige Länder außerhalb der USA bemerkt, wozu Registrare gut sind und haben mehr Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.
Ein anderer Teil ist, dass die Qualität unserer Arbeit wirklich bedroht ist. Wenn das Geld knapp ist, sind die Entscheidungen, wohin das Geld fließen soll, besonders schwierig. Und of bekommt das Geld der, der am lautesten schreit. Registrare, darauf trainiert, so unauffällig wie möglich zu agieren, werden mit ihren Bitten um archivtaugliche Verpackungen und Manpower dabei gerne überhört. Aber wieder ist das nur ein Teil der Geschichte.
In vielen kleineren Museen ist das Geld so knapp, dass es nicht die Entscheidung zwischen Archivkartons für die Sammlungsabteilung oder Anzeigenschaltung in der Zeitung ist, sondern die Entscheidung, ob man das Dach repariert oder eine Ausstellung veranstaltet. In diesen Fällen ist Arbeitskraft ein großes Thema. Die Stelle mag mit „Registrar“ betitelt sein, beinhaltet aber wesentlich mehr. Er oder sie arbeitet gleichzeitig in der Besucherbetreuung, dient als Beschwerdestelle, verkauft im Shop und sitzt an der Kasse und macht gleichzeitig noch Ausstellungen. Das bedeutet aber auch, dass diese Person nicht so viel Zeit ins Sammlungsmanagement investieren kann, wie vielleicht notwendig wäre.
Andere Museen entscheiden, dass sie sich keinen Registrar im festangestellten Personalstamm leisten können. Sie stellen einen freiberuflichen Registrar ein, wenn sie ihn dringend benötigen. Das ist eine gute Idee, wenn es darum geht, neue Lagereinrichtungen zu planen, Beratungsleistungen zur Inventarisierung und Dokumentation gefragt sind, die Objekte für eine Sonderausstellung in guten Händen sein sollen oder ein bestimmter Sammlungsbestand erfasst werden soll. Anders sieht es aus, wenn die Institution in Besitz eines Sammlungsbestandes ist, der eine gewisse Größe überschreitet (es ist nicht einfach, hier eine Zahl anzugeben, es hängt von der Zielsetzung der Sammlung ebenso ab, wie davon, wie der Bestand von der Institution „genutzt“ wird). Sammlungsverwaltung ist ein Ganztagsjob. Die Idee, die Sammlung einen Registrar katalogisieren zu lassen und dann die Betreuung „jemandem neben seiner sonstigen Aufgaben“ zu übertragen oder zu sagen „alle sind für die Sammlung verantwortlich“, funktioniert nicht.
Qualitätvolle Arbeit in Museen ist immer eine gemeinsame Anstrengung. Teamwork ist der Schlüssel. Dank an Matt Leininger für das Bild.
Ein Registrar ist mehr als eine menschliche Datenbank. Wenn Sie alle Sammlungsgegenstände hundertprozentig korrekt in Ihrer Datenbank haben (nennen Sie mir ein Museum, das das von sich behaupten kann), heißt das nicht, dass das so bleibt. Die Objekte im Blick zu behalten ist eine dauerhafte Anstrengung. Alles richtig in der Datenbank zu haben genauso. Sie können alle Museumsmitarbeiter einen Eid darauf schwören lassen, dass sie jede Objektbewegung in der Datenbank dokumentieren, Sie werden immer noch sehen, dass die Heilige Entropie auf magische Weise Unordnung in Ihre Bestände bringt. Ein guter Registrar behält das im Auge und arbeitet dagegen an. Aber das geht noch weiter… Wie in jeder Bibliothek gehen Dinge „verloren“, weil sie auf den falschen Standort zurückgestellt werden. Ein Registrar, der mit seiner Sammlung vertraut ist, wird eine Ahnung haben, wo er danach suchen muss – basierend auf seiner Erfahrung und auf dem Wissen, wer zuletzt mit dem vermissten Gegenstand zu tun hatte. Vergessen Sie nicht, dass Sie normalerweise nicht einfach einen Registrar unter Vertrag nehmen – sie heuern auch ein Elefantengedächtnis an.
Zuletzt: Ein Registrar, der lange Zeit für eine Sammlung verantwortlich ist, wird irgendwie mit ihr und ihrem Lagerungsort verschmelzen. Er oder sie entwickelt so etwas wie einen sechsten Sinn für Dinge, die nicht so sind, wie sie sein sollen: ein plötzliches Ansteigen der Luftfeuchtigkeit noch bevor jemand das Messgerät überprüft hat, ein Objekt, das nicht so aussieht, wie es immer ausgesehen hat, eine Stimme, die dem Registrar sagt, dass er nochmal um die Lagerhalle gehen soll, bevor er oder sie geht… Das ist etwas, was sich mit der Zeit entwickelt. Das bekommen Sie mit kurzfristigen Verträgen nicht, die nur über ein paar Monate oder ein Jahr laufen.
Schlußfolgerung
Wie wir gesehen haben, ist ein Registrar wirklich ein Tier, das selten zu beobachten ist. Eine gemeinschaftliche Anstrengung ist notwendig, um ihn nicht zur bedrohten Tierart werden zu lassen:
- Für das Individuum: Alle, die im Museum arbeiten müssen darauf achten, dass der Registrar sicher ist, wenn er alleine arbeitet und darauf achten, dass er nicht vom Rest der Museumsgemeinschaft isoliert wird.
- Für die Fachleute: Alle Kollegen müssen verstehen, was die Aufgabe des Registrars ist. Er oder sie will keine Spaßbremse sein, es ist seine / ihre Aufgabe, die Objekte zu schützen, damit auch zukünftige Generationen daran Freude haben.
- Für das Museum: Verantwortliche müssen ernsthaft über den Stellenwert eines professionellen Sammlungsmanagements nachdenken. Es ist ein alter Hut, dass vorbeugende Bestandserhaltung und professionelle Lagerung auf lange Sicht Geld spart. Hier Gelder zu kürzen heißt höhere Ausgaben in der Zukunft in Kauf zu nehmen.
- Für die Gesellschaft: Politiker, Kommunen und Steuerzahler allgemein sollten sich fragen, was ihnen Museen und Sammlungen wert sind. Wir wissen alle, dass ein Mensch, der sein Gedächtnis verliert, sich selbst verliert. Für eine Gesellschaft, die ihre Geschichte verliert, gilt das gleiche. Unser Erbe zu bewahren ist nicht einfach ein Kostenfaktor, es ist ein hoher Wert für unsere Gesellschaft.
Das sind einfach meine Gedanken zu diesem Thema. Nun muss ich gehen. Mir ist so, als hätte ich just in diesem Moment zwei undokumentierte Objekte etwas weiter hinten in diesem Gang gesehen…
Angela Kipp
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