Warum Ausstellungsmacher und Sammlungsmanager oft aneinander vorbei reden – obwohl sie sich eigentlich perfekt ergänzen.
Die Zeit, als Lagerverwalter in Museen starke Männer mit kanaldeckelgroßen Händen waren, ist längst vorbei. Heute liegt das Sammlungsmanagement meist in den Händen von ausgebildeten Spezialisten für Kulturgut. Die Berufsbezeichnungen variieren von Museum zu Museum. Sie lauten Registrar/in, Depotleiter/in, Magazinverwalter/in, Sammlungsmanager/in und dergleichen mehr. Gemeint ist eigentlich immer das gleiche: diese Person ist verantwortlich für die sichere Lagerung und den Transport von Sammlungsgütern inklusive dem dazugehörigen Papierkram. Von allen Profilen im Museumswesen unterscheiden sich wohl keine zwei Personengruppen so stark voneinander wie Ausstellungsmacher und Registrar.
Wer Ausstellungen macht, muss:
- kreativ sein
- Besucher und Partner mit Neuem überraschen
- nicht nur einen Plan B, sondern auch noch einen Plan C, D und E in der Schublade haben
- kurzfristig auf Planänderungen und unvorhergesehene Ereignisse reagieren
- Ausstellungsstücke so in Szene setzen, dass sie im besten Licht erscheinen
Wer Sammlungen verwaltet, muss:
- in langfristigen Zeiträumen denken
- Materialien einsetzen, die auf Herz und Nieren auf ihre Archivtauglichkeit geprüft wurden
- alles, was irgendwie mit einem Ausstellungsstück passiert, dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren
- auf größtmögliche Sicherheit achten
- Aufmerksamkeit von Depoteinrichtungen, Transporten und Ausstellungsstücken ablenken
Kein Wunder also, dass es an dieser Schnittstelle bei Ausstellungen oft zu Reibungsverlusten kommt. Dabei ist das gar nicht nötig. Wenn beide Seiten das Denken und die Anforderungen des jeweils anderen verstehen, sind Ausstellungsgestalter und Sammlungsmanager sogar ein äußerst schlagkräftiges Team. Aus Sicht einer Depotleiterin, die lange genug auch für die »andere Seite« gearbeitet hat, gibt es 5 Punkte, die Ausstellungsmachende verstehen sollten, damit die Zusammenarbeit gut klappt:
Die Zukunft im Blick
Registrare denken in Generationen. Ob ein Objekt in einer Ausstellung für drei Monate zu sehen sein wird oder nicht und ob das für die Besucher toll wäre, ist für sie erst einmal zweitrangig. Wichtig ist, dass das Objekt unbeschädigt zum Ausstellungsort kommt, dort so präsentiert wird, dass es keinen Schaden nimmt und schließlich sicher und wohlbehalten wieder zurück kommt.
Das klingt erst einmal simpel, aber ein guter Registrar wird ein Objekt erst freigeben, wenn alle Stationen auf diesem Weg für sie oder ihn sichergestellt sind. Das bedeutet für Ausstellungsmachende: je mehr Details zur Präsentation sie liefern können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie seitens der Sammlungsverwaltung einen positiven Bescheid bekommen.
Das Procedere unterscheidet sich zwar von Museumssparte zu Museumssparte und oft genug auch von Objekt zu Objekt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Sammlungsverwaltung zu Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Sonneneinstrahlung, Zwischenlagerung, Sicherheitseinrichtungen usw. Rückfragen hat, ist ziemlich hoch. Einen guten Eindruck macht es, wenn diese Daten gleich bei der Leihanfrage für eine Ausstellung mitgeliefert werden. Das zeigt, dass man sich dieser Anforderungen bewusst ist.
Wenn bereits detaillierte Vorstellungen bestehen, wie das Objekt präsentiert werden soll, ist es gut, wenn diese Informationen mitgeliefert werden. Sollte daran etwas problematisch sein, kann das gleich, noch relativ früh im Planungsprozess, besprochen werden. Das ist allemal hilfreicher, als wenn der Kurier der ausleihenden Institution erst bei der Aufstellung kurz vor Ausstellungseröffnung die Notbremse zieht, weil die geplante Präsentation so nicht ohne Schaden für das Objekt möglich ist. Oder – noch schlimmer – das erst nach Ausstellungseröffnung bemerkt wird, die Institution unter Umständen ein wichtiges Stück zurückfordert und die Besucher vor einer leeren Vitrine stehen.
Depots sind keine Warenhäuser
Die Tendenz, seinen Sammlungsbestand auf der hauseigenen Website in einer Online-Datenbank zu präsentieren, ist aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit zu begrüßen. Allerdings weckt diese Art von Präsentation oft falsche Erwartungen. Weder sind alle Stücke, die dort gezeigt werden, grundsätzlich ausleihfähig, noch ist gesagt, dass der Gesamtbestand präsentiert wird.
Das führt bei Ausstellungen gerne zu Missverständnissen. Die Versuchung, sich einen »Warenkorb« zusammenzustellen und dann die Objekte für die nächste Ausstellung zu »bestellen« ist groß. Ebenso die Tendenz, gleich mehr anzufragen, als man eigentlich vernünftigerweise für die Ausstellung braucht, mit dem Hintergedanken aus dem Online-Versandhandel: »was ich nicht brauche, kann ich ja zurückschicken«.
Trotz der neuen Präsentationsformen hat sich aber nichts an der klassischen Sammlungsarbeit geändert: Jedes Objekt muss einzeln herausgesucht und auf seine Ausleihfähigkeit überprüft werden. Dazu gehört nicht nur der generelle Zustand, sondern auch das Abprüfen, ob das Objekt schon für andere Projekte vorgesehen ist, ob es für die speziellen Bedingungen in der anfragenden Ausstellung überhaupt geeignet ist und ob die Daten in der Datenbank noch aktuell sind. Jedes mehr angefragte Objekt erzeugt also beim zuständigen Registrar mehr Arbeitsaufwand. Für sie oder ihn ist es vollkommen unerheblich, ob das Objekt dann später in der Ausstellung real zu sehen sein wird, der Arbeitsaufwand bleibt gleich.
Wenn der zuständige Registrar den Eindruck hat, dass die anfragende Institution mehr oder weniger »auf Vorrat« bestellt, ohne sich vorher ausreichend Gedanken zu machen, wird seine Kooperationsbereitschaft ähnlich hoch sein wie bei einem Ausstellungsmacher, dem man sagt, er müsse ja schließlich nur Bilder an die Wand hängen.
Umgekehrt aber können Ausstellungsmachende immens vom Wissen des Depotleiters profitieren, wenn sie detailliert kommunizieren, um was es ihnen geht. Oft sind interessante Objekte noch gar nicht in der Online-Datenbank gelandet, aber der Registrar erkennt sofort, dass sie in den Ausstellungskontext passen könnten.
Der Faktor Zeit
Niemand hat Zeit, am wenigsten Menschen, die Ausstellungen machen. Trotzdem: gut Ding will Weile haben. Eine Leihanfrage, die zu kurzfristig kommt, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Fehlt die Zeit zur Prüfung, wird der Registrar sich eher auf die für ihn sichere Seite schlagen und Bedenken gegen die Ausleihe anmelden. Je frühzeitiger die Anfrage kommt, umso wahrscheinlicher, dass das Objekt noch nicht für ein anderes Projekt gebucht ist. Für Reinigungs- und Restaurierungsmaßnahmen, die das Objekt in einen ausleihfähigen Zustand bringen, bleibt so eher ein Zeitfenster. Außerdem kann man sich ausreichend Gedanken um die Verpackungs- und Transporterfordernisse machen und kritische Punkte zur Zufriedenheit aller Beteiligten abklären.
Doch wie rechtzeitig ist rechtzeitig? Die Antwort ist wie immer: es kommt darauf an. Wenn sich die Ausstellungsmachenden noch nicht sicher sind, ob ein Objekt überhaupt ausgestellt werden soll oder nicht, ist es in der Regel zu früh. Kein Leihgeber ist begeistert von Leihanfragen, die dann noch mehrmals geändert werden. Andererseits sind auf Leihgeberseite ja wie dargestellt noch diverse Punkte zu klären, so dass noch genügend Zeit bleiben muss, sich gegebenenfalls nach Alternativen umzusehen. Ganz tückisch wird es bei Museen, bei denen noch eine übergeordnete Institution wie ein Stiftungsrat oder ein Board of Trustees seine Zustimmung geben muss. In so einem Fall muss die Leihanfrage so rechtzeitig eingehen, dass sie noch auf der nächsten turnusmäßigen Sitzung behandelt werden kann.
Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist also nicht abschließend zu beantworten. Idealerweise hat man ohnehin eine Person im Ausstellungsteam, die sich schwerpunktmäßig um den Leihverkehr kümmert und daher genügend Gespür, Erfahrung und Kontakte besitzt, um den richtigen Zeitpunkt für die jeweiligen Anfragen zu erkennen.
Sicher von A nach B
Sicherheits- und Transportfragen sind das Tagesgeschäft eines Registrars. Das endgültige »go« wird sie oder er erst geben, wenn sie oder er vollständig davon überzeugt ist, dass alles in Ordnung ist. So kann es Ausstellungsmachenden durchaus blühen, dass ihr Kleintransporter unverrichteter Dinge wieder abfahren muss, weil keine ausreichenden Vorkehrungen zur Ladungssicherung getroffen wurden. Auch hier gilt: Kommunikation ist der Schlüssel.
Wenn klar ist, was ausgeliehen wird, können die Transportbedingungen festgelegt werden. Ist eine Kunstspedition mit klimatisiertem LKW notwendig? Genügt ein Kleintransporter? Passt alles auf die Ladefläche? Werden Klimakisten benötigt und müssen die eventuell extra angefertigt werden? Werden diese während der gesamten Ausleihdauer beim Leihnehmer gelagert oder kommen diese zurück, um dann zum Ausstellungsabbau wieder geliefert zu werden? Muss das Objekt von einem Kurier begeleitet werden? Tausend Kleinigkeiten sind zu beachten und festzulegen, damit es, wenn es dann mit dem Ausstellungsaufbau ernst wird, nicht zu Reibungsverlusten kommt. Ein guter Sammlungsmanager wird den Ausstellungsmacher von sich aus auf kritische Punkte hinweisen bzw. die richtigen Fragen stellen. Ein beliebtes Problem sind z.B. zulässige Deckentraglasten in historischen Gebäuden oder Fahrstühle, die zu klein für die Exponate sind. Trotzdem denkt auch ein Registrar nicht immer an alles. Je besser die Kommunikation im Vorfeld, desto unwahrscheinlicher, dass unliebsame Überraschungen auftauchen.
Von i-Punkten und t-Strichen
Registrare sind schon beinahe sprichwörtlich genau, wenn es um die Dokumentation geht. »Dot every i and cross every t« ist das englische Idiom für »sehr penibel sein« und gleichzeitig so etwas wie der internationale Wahlspruch der Registrare. So kommt es, dass Registrare durchaus nervtötend genau sein können, wenn es um Formalien geht. Im Zweifelsfall wird lieber einmal zu viel dokumentiert und abgezeichnet als einmal zu wenig. Das treibt Ausstellungsmachende, die schon wieder die drei nächsten Baustellen im Kopf haben, gerne in den Wahnsinn.
Ein Beispiel: Der Zustand des Objekts wird vor der Leihgabe protokolliert und in der Regel wird die ausleihende Institution zu jedem Objekt eine Art Laufzettel mitgeben. Auf diesem soll jeweils vermerkt werden, in welchem Zustand das Objekt nach dem Transport beim Leihnehmer ankommt und wie der Zustand nach der Ausstellung, bevor es auf den Rücktransport geht, aussieht. Diese Zustandsprotokolle binden natürlich Arbeitszeit, sowohl beim Aufbau, wo es meist schnell gehen soll, als auch beim Abbau, wo schon das nächste Projekt in den Startlöchern wartet.
Je objektzentrierter die Ausstellung und je mehr Leihen aus unterschiedlichen Institutionen oder gar aus dem Ausland anstehen, desto mehr Papierkrieg ist zu bewältigen und desto eher ist man geneigt, mal das ein oder andere nicht so genau zu nehmen oder genervt zu reagieren, wenn zum gefühlt 387. Mal unterschrieben werden soll, dass alles in Ordnung ist.
Aber spätestens, wenn ein Versicherungsfall da ist oder unangenehme Fragen von den Zollbehörden kommen, kann man froh sein, wenn da jemand im Team war, der eben die i-Punkte und t-Striche im Blick gehalten hat.
Fazit: Ein starkes Team
Ausstellungsmacher und Registrar haben sehr unterschiedliche Aufgaben und meist auch Persönlichkeiten. Aber gerade deshalb können sie sich in einem interdisziplinären Team perfekt ergänzen. Was ein guter Ausstellungsmacher leistet, darüber ist schon viel geschrieben und gesprochen worden. Über den guten Registrar ist weitaus weniger bekannt und das ist insofern konsequent, als das möglichst wenig Auffallen Teil des Berufsbilds ist.
Dabei sind die verborgenen Stärken nicht zu unterschätzen: Da wäre die erwähnte Genauigkeit bei Formalitäten und Detailorientierung bei der Planung. Dazu gehört je nach Museum auch ein reicher Erfahrungsschatz in Hinblick auf Zollformalitäten, Transportunternehmen und regionale oder institutionelle Besonderheiten. Hinzu kommt, dass Sammlungsmanagement in den meisten Fällen bedeutet, mit sehr beschränkten Budgets das bestmögliche herauszuholen. So haben Depotverwalter oft eine Idee, wo man am günstigsten an bestimmte Materialien oder Dienstleistungen kommt. Ein solides Netzwerk unter Kollegen besitzen sie durch ihre Arbeit meist zwangsläufig. Das ist für Ausstellungsmachende dann gut, wenn sie bewiesen haben, dass sie einen sensiblen Umgang mit Objekten an den Tag legen. Dann kann die Empfehlung unter Kollegen oft mehr bewirken als ein noch so schön formulierter Brief an den Museumsdirektor. Das gilt im negativen Fall natürlich analog. Außerdem besitzen Magazinverwalter oft nicht nur eine gute Datenbank, sondern auch noch ein Elefantengedächtnis. Das kann bei der Ausstellungsplanung äußerst hilfreich sein, da man so auf Objekte oder vergangene Ausstellungen hingewiesen wird, die man durch keine Datenbank- oder Internetrecherche findet.
Kurz: Wer mit Registraren zu tun hat, wird sich vielleicht manchmal an die Karikatur eines preußischen Beamten oder gar an Tolkiens Gollum erinnert fühlen. Wer aber versteht, wie sie arbeiten und welche Anforderungen und Grundgedanken dahinter stehen wird gut mit ihnen zusammenarbeiten können. Bei größeren Ausstellungsprojekten empfiehlt es sich ohnehin, einen solchen Detailfetischisten in den eigenen Reihen zu haben.
Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Davide Bordenca