Was passierte am zweiten September? Ein Klima-Kriminalfall für Registrare Teil 4 – Alternative Möglichkeiten

Ich hoffe, dass Ihnen unser kleines Klimarätsel Spaß gemacht hat. Bei vielen unserer Leser war es so und sie schickten uns mögliche Lösungen. Zwei von Ihnen fanden die richtige.

Geert Bellens vermutete sofort, dass der Logger in einen anderen Raum gebracht worden war und er erriet sogar den richtigen Ort:

„Wenn jemand nahe am Logger atmet, kann die Temperatur von 16 auf 30 Grad steigen, aber auch die Feuchtigkeit nimmt zu. Wenn eine Wärmequelle im Spiel ist (Heizkörper, Lampe …) dann ist ein Ansteigen der Temperatur zu erwarten, auch eine niedrigere Luftfeuchtigkeit, aber keine so dramatische Änderung.
Ich vermute, jemand brachte den Datenlogger in einen anderen (wärmeren, trockneren ) Raum, vielleicht auch die Nacht über in ein Auto und brachte ihn am 3. September zurück?“

Und Michael Hall lieferte eine komplette Analyse, die die Sache auf den Punkt brachte:

„Ich meine, der Logger wurde damals von seinem ursprünglichen Standort entfernt. Die Änderungen bei der Luftfeuchtigkeit erfolgen in Abhängigkeit von der Temperatur. Vor und nach den Ausschlägen sind die Bedingungen ziemlich stabil. Die plötzlichen Temperaturänderungen könnten daher rühren, das jemand den Logger aus Versehen in eine Tasche gesteckt hat, die aus einem warmen Umgebung kam, dann das Gebäude verließ, sodass die Temperatur absank, dann ins Auto stieg, mit Klimaanlage nach Hause fuhr und dort ca. 17. 30 ankam. Die Abendsonne erwärmte das Auto, bis es nach dem Sonnenuntergang die Nacht über abkühlte. Um 7.30 am nächsten Morgen fährt die Person zur Arbeit, merkt, dass sie den Logger eingesteckt hat und stellt ihn wieder an seinen Platz.“

Wenn das auch in diesem Fall die richtigen Lösungen waren, so kamen doch auch andere Vorschläge, die Sie in Betracht ziehen sollten, wenn Ihr Datenlogger so merkwürdige Graphiken liefert wie unserer:

„Das Wetter war Anfang September mild, mit Tagestemperaturen um die 24 Grad. Die Temperaturschwankungen sind aber zu groß, um von normalen täglichen Schwankungen hervorgerufen zu sein. Die Luftfeuchtigkeits-Schwankungen stehen im umgekehrten Verhältnis zu den Temperaturschwankungen, d.h. etwas beeinflusste die Temperaturen und es wird deutlich, dass es keine unabhängige Steuerung der relativen Luftfeuchtigkeit gibt. Das Sie sagen, es gäbe keine Klimaanlage, kann auch eine Fehlfunktion der Anlage ausgeschlossen werden. Irgend etwas führte zu dem gleichmäßigen und dann raschen Anstieg der Temperatur, dem langsamen Abfall während der Nacht und der raschen Normalisierung danach. Gibt es eine Zentralheizung in dem Gebäude die ansprang ,wodurch das Depot zu warm wurde und irgendjemand öffnete am Abend des 2. September ein Fenster, das über Nacht offen blieb und das dann am Morgen des 3. September geschlossen wurde?“

„Vielleicht wurde der Datenlogger durch irgend etwas abgedeckt, eine Schachtel, die darauf fiel oder Luftpolsterfolie? Die Angaben beziehen sich dann auf die unmittelbare Umgebung des Datenloggers. Am nächsten Morgen entfernte jemand die Abdeckung.“

„Meine erste Frage wäre die nach dem Zustand des Datenloggers. Wurden die Daten bei der Erfassung, der Interpretation, der Speicherung oder der Übertragung beschädigt oder falsch verarbeitet?
Gibt es zweitens andere Hinweise auf Änderungen bei Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit?
Drittens: Welche Objekte wurden dort aufbewahrt, konnten sie in irgend einer Weise Einfluss haben?
Vielleicht fänden sich in den Antworten auf diese Fragen Hinweise auf das, was passierte.“

„Ein Mitarbeiter tat etwas sehr trockenes als er nach Hause ging und hörte damit auf, als er am Morgen kam. Ich weiß aber nicht, was das war.“

„Ich stimme K. K. zu, es ist etwas auf den Datenlogger gefallen und hat ein besonderes Mikroklima geschaffen, ein Stück Luftpolsterfolie oder ein Stück Stoff – oder irgend ein Tier ist mit dem Sensor in Berührung gekommen – aber vielleicht ist ja auch ein Gespenst in dem Apparat?“

„Es gab starke Sonneneruptionen zwischen dem 1. und 3. September 2013 – könnte das etwas mit den Störungen bei den Aufzeichnungen des Datenloggers zu tun haben?“

Die interessanteste Alternative, etwas woran ich nun wirklich nicht gedacht hatte, kam von Doug Nishimura. Wir gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass wir, oder das Gebäude, oder die technischen Geräte das Klima kontrollieren. Manchmal aber ist es anders herum. Dann kontrollieren die Objekte das Klima.

„Ich wollte darauf hinweisen, dass die Stellen, wo die Temperatur und relative Feuchtigkeit zumindest über kurze Strecken gleich ansteigen oder abfallen, so aussehen, als ob die Objekte die Lagerungsbedingungen beeinflussen. Wir haben das in einem historischen Gebäude gesehen, bei dem die Temperaturen im Dachgeschoss anstiegen und fielen je nach Tageszeit. Tagsüber stieg die Temperatur, manchmal begleitet von einem geringen Absinken der relativen Luftfeuchtigkeit, die dann stark anstieg ehe sie wieder abfiel. Wenn die Temperaturen ihren Höhepunkt erreichten und anfingen wieder zu fallen, sah man eine kleine Aufwärtsbewegung der RL, der dann ein rascher Abfall folgte, wenn die Temperaturen sanken, um dann aber wieder zu steigen. Die Erklärung war das Holz des Dachstuhls, das Wasserdampf abgab, wenn die Temperaturen stiegen (und somit den mit dem Steigen der Temperaturen erwarteten Rückgang ausglichen) und die Absorption des Wassers durch das Holz, wenn die Temperatur wieder fiel. Neulich hatten wir mit einem großen Lager mit Keramik aus archäologischen Ausgrabungen zu tun. Auch der Ton absorbierte Wasser wenn die Temperaturen sanken und gab es wieder frei, wenn sich die Keramik erwärmte.

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Ich habe die Abbildung eines Experiments meines Kollegen, Jean-Louis, eingefügt, das er mit Sensoren innerhalb einer Schachtel mit Fotos machte. Er hatte einen Sensor innerhalb des Stoßes von Fotografien angebracht, einen oben auf dem Stapel, einen daneben und einen außerhalb der Schachtel. Der große Pfeil zeigt die ersten Spitzen der Kurve, die die Wirkung des Materials auf die relative Luftfeuchtigkeit innerhalb der Schachtel anzeigen. Man sieht, wie die Temperatur ansteigt und die Luftfeuchtigkeit dem genau folgt, bis sie langsamer zu einem Gleichgewicht gleitet. Wenn die Temperatur sinkt gibt es einen scharfen Abfall bei der RL und dann eine langsame Bewegung zum Gleichgewicht. Als wir uns dann Daten ansahen die im eClimate Notebook hochgeladen wurden, sahen wir, dass dieses Muster erstaunlich oft erschien und wir bekamen heraus: Wenn man man von einem leeren Raum mit nicht-hygroskopischen Wänden ausgeht, dann ist die klimatische Umgebung so so wie sie ist.

Wenn wir anfangen, den Raum mit Objekten zu bestücken, dann kontrolliert der Raum die Objekte. Schließlich erreicht man aber den Punkt, bei dem das Verhältnis des hygroskopischen Materials zum freien Luftraum so ist, dass die Objekte beginnen, den Raum zu kontrollieren. Wir sehen den Effekt allerdings nicht wirklich bei der Temperatur, wenn ich auch darauf hinweisen möchte, dass ein Ries normales Büro-Kopierpapier (Amerikanisches Kopierpapier hat die Maße 8,5 x 11 Inch, bzw. 215,9 mm x 279,4 mm und ein Ries wiegt 5 pounds bzw. 2268 Gramm) eben so viel Wärme speichert oder abgibt wenn es seine Temperatur um ein Grad ändert, wie 3,64 Kubikmeter trockene Luft. Vielleicht fällt der Effekt nicht so auf wegen der geringen thermalen Leitfähigkeit von Papier – aber es ist ein Beispiel dafür, was passieren kann.“

Also Leute, achtet auf Eure Klimadaten!

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

Was passierte am zweiten September? Ein Klima-Kriminalfall für Registrare
Teil 3 – Die Lösung

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„Sieht nach Hosentasche aus“ meinte mein Kollege.

Nun, es ging nicht um eine Hosentasche, aber so kamen wir auf die richtige Spur. Eindeutig war es die Spur einer Person. Ein Depot von der Größe der erwähnten Halle kann nicht innerhalb von 10 Minuten 20% Luftfeuchtigkeit verlieren, außer im Fall wirklicher Katastrophen. Der Grund war also nicht, dass in dem Depot etwas passiert war, sondern dem Datenlogger war etwas zugestoßen.

Und das ist die Geschichte:

Zu Beginn jedes Monats werden die Daten vom Datenlogger auf einen Laptop geladen, nach Möglichkeit am 1. Tag des Monats. Da der 1. September 2013 ein Sonntag war, sollten die Daten am 2. September gesichert werden.

An diesem Tag um 16.30 rief mich der Restaurator an, der für die Datenlogger zuständig ist, dass er es einfach nicht schaffen würde, die Daten an diesem Tag herunter zu laden. Da wir aber am nächsten Tag ein Teamtreffen hatten und ich gerade in diesem Außendepot war, fragte er mich, ob ich den Logger holen und am nächsten Tag ins Museum bringen könnte.

Natürlich konnte ich das. Also holte ich sofort den Logger und verstaute ihn in meinem Auto, um ihn bei der Schließung des Depots nicht zu vergessen. Während ich nun meine Arbeit in dem Außendepot zu Ende brachte, lag der arme Logger, wie man sehen kann, in meinem Auto, das in der vollen Sonne parkte. Ungefähr 20 Minuten später schloss ich das Depot ab und machte mich auf den Weg. Da es im Auto heiß war, kurbelte ich die Fenster herunter, sodass die Temperatur auf angenehme 25 °C (77 °F) sank. Um halb sechs parkte ich mein Auto zu Hause, wieder in der vollen Sonne eines wunderbaren, milden Septemberabends. Es war einer jener letzten warmen Septembertage, an denen man mit einem kühlen Getränk vor dem Haus sitzen und die warmen Strahlen der untergehenden Sonne genießen kann. Offensichtlich war es im Auto nicht ganz so angenehm, da wurden 30 °C (86 °F)erreicht.

Am nächsten Morgen kam ich wieder zum Auto, das in der Nacht auf 13 °C (55.4 °F) abgekühlt war. Mich fror und so stellte ich die Heizung an. Als ich dann um 8.10 vor dem Museum einen Parkplatz fand war das Auto angenehm warm mit 22.5 °C (72.5 °F). Ich nahm den Logger und brachte ihn unserem Restaurator und so registrierte er von da an das gleichbleibende Klima im Inneren unseres Museums.

Ich hoffe, dieses Rätsel aus der wirklichen Welt hat Ihnen Spaß gemacht!

Wie alles begann
Die Spur

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

Was passierte am zweiten September? Ein Klima-Kriminalfall für Registrare
Teil 2 – Die Spur

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Ich sah mir die Klimakurve an. Sie sah für diesen Tag ganz normal aus, jedenfalls bis etwa 16.30. Es gab einen langsamen Temperaturanstieg von 21 auf 25 Grad Celsius (von 69.8 auf 77 Grad Fahrenheit) und einen Rückgang der Luftfeuchtigkeit von 60% auf unter 50 %. Das ist nichts Außergewöhnliches in der keineswegs idealen Halle in der Übergangszeit eines Deutschen Herbsts. Wenn man die Daten mit denen einer nahegelegenen Wetterstation vergleicht, sieht man, dass unsere Innenraumdaten denen von außen entsprechen: http://archiv.mannheim-wetter.info/2013/pcws/20130902.gif (die dicke grüne Linie gibt die Temperatur, die dünne lila Linie die Luftfeuchtigkeit wieder).

Dann, nach 16.40 Uhr, wurde es skurril. Die Temperatur stieg plötzlich auf 29 °C (84 °F) bei einem Absinken der Luftfeuchtigkeit von 44% auf 23% in bloß 10 Minuten. Als ob das nicht merkwürdig genug gewesen wäre, sehen wir die Temperatur 20 Minuten später wieder auf 25 °C (77 °F) sinken, wobei die Feuchtigkeit langsam bis auf 32% ansteigt. Um 17.30 steigt die Temperatur wieder und klettert bis auf über 30 °C (86 °F) wo sie bis 19.00 verharrt und dann in den nächsten Stunden ganz langsam zu fallen, bis am nächsten Morgen um 7.30 dann 13 °C (55,4 °F) erreicht sind. Dann steigt die Temperatur ganz plötzlich und auf ungewöhnliche Weise wieder: um 7.40 erreicht sie 16 °C (60.8 °F), um 17.50 fast 19 °C (66.2 °F) um dann um 8.10 einen Höhepunkt bei 22,5 °C (72.5 °F) zu erreichen. Anschließend blieb die Temperatur ganz stabil bei 21 °C (68.8 °F) und die relative Luftfeuchtigkeit bei 57%.

Immer wieder sah ich mir die Daten an und diskutierte sie mit Kollegen. Dann murmelte ein Kollege: „Sieht nach Hosentasche aus“.

Nun war mir mit einem Blick auf die Graphik die ganze Geschichte klar. Ihnen auch?

Wie alles begann
Die Lösung

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

Was passierte am zweiten September? Ein Klima-Kriminalfall für Registrare
Teil 1

Ich erhielt einen Anruf von unserer Restaurierungspraktikantin. Sie untersuchte gerade die Klimadaten unserer Depots für das Jahr 2013 und entdeckte etwas wirklich, wirklich Merkwürdiges. Sie schickte mir die Daten und fragte mich, ob ich mir die Daten des 2. und 3. Septembers dieses Jahres irgendwie erklären könnte. Sehen Sie sich das Diagramm unten einmal an, das die Temperatur in Celsius (rote Linie) und die relative Luftfeuchtigkeit in Prozent (blaue Linie) zwischen dem 2. September um 7 Uhr morgens und dem dritten September 12 Uhr zeigt. Können Sie sich das erklären?

what_happened

Der Datenlogger ist ein portables Gerät mit Batterie, das seinen Standort ziemlich zentral in einem großen Depot (etwa 2000 qm, 5 Meter hoch) ohne Klimatisierung hat. Im nächsten Teil werden wir uns das Diagramm genauer ansehen und ich gebe Ihnen auch den Tipp eines Kollegen, der schließlich zur Lösung führte.

Was ist in diesen 29 Stunden passiert, was denken Sie?

Datenblatt

Die Spur
Die Lösung

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

ARCS (Association of Registrars and Collections Specialists) Konferenz 2015: Ausleihen auf dem Universitätskampus

Bericht von Greg Hunter

by pixelcreatures via https://pixabay.com/de/jonglieren-zirkus-geist-ball-b%C3%A4lle-796171/ Der Anfang meines Artikels, der für Registrare geschrieben ist, mag etwas merkwürdig erscheinen, aber vor einigen Jahren verbrachte ich einen Tag in einer Clown-Schule. Es war ein sehr eigenartiges Erlebnis, es sollte sich aber herausstellen, dass es eines Tages (was ich damals noch nicht wissen konnte) etwas mit meiner Tätigkeit als Registrar zu tun haben würde. Gleich ob Clown oder Registrar, die Kunst zu Jonglieren ist von fundamentaler Bedeutung für den Beruf. Für einen Registrar, der mit Ausleihen zu tun hat ist es nötig, die Anforderungen sowohl des Leihnehmers, als auch die seiner eigenen Institution gut aus zu balancieren, um einen Standard halten zu können, der des erlaubt die Ausleihe durch zu führen. Sobald es sich um Universitätsmuseen handelt erreichen diese Leihverhandlungen einen besonders hohen Grad an Komplexität, denn Universitätsmuseen verleihen für gewöhnlich innerhalb der Universität an die verschiedensten Einrichtungen. Die Objekte sind ja vielleicht noch „in situ“ – aber wie kann man unter diesen Umständen noch irgend einen Einfluss nehmen? Jonglierbälle verwandeln sich nur zu schnell in Kettensägen, wenn man feststellt, dass eine Reihe miteinander unvereinbarer Anforderungen berücksichtigt werden müssen und einige davon außerhalb des Einflussbereichs des Registrars angesiedelt sind. Die Erfordernisse der Pflege der Bestände und ihres Erhalts haben zum Beispiel einen schweren Stand gegen die Anforderungen, die die Erwartungen, die Geschichte und die Politik der einzelnen Institute stellen. Wo zieht man unter diesen Umständen dann die Grenzlinie, die nicht überschritten werden darf? Und gibt es diese Grenzlinie überhaupt? Oder ist das vielleicht ein Drahtseilakt? Mit dieser äußerst interessanten Fragestellung beschäftigte sich bei der 2015 ARCS Conference in New Orleans die Sitzung am Vormittag des zweiten Tages.

ARCS 2015: Session on On-Campus Loans (picture by Greg Hunter)
ARCS 2015: Session on On-Campus Loans (picture by Greg Hunter)
Drei verschiedene Redner stellten ihre Erfahrungen vor. Nicole Linderman vom Harvard Art Museums, Trevor Weight von der Brigham Young University (BYU) und Sonja Reid von der University of Texas (UT) berichteten von den verschiedenen Herausforderungen bei Ausleihen an ihren Universitäten. Nicole begann, indem sie ihren Cowboy-Hut aufsetzte und uns durch den „Wilden Westen“ der inneruniversitären Ausleihen führte – und dabei die Bedingungen aufzeigte, die in allen drei Institutionen ziemlich gleich sind, wie sich später zeigte. Alle Sprecher verwiesen darauf, dass in vielen Fällen in ihren Universitäten die Sorge um den Erhalt der Sammlungen in den Hintergrund getreten war. In Harvard zum Beispiel zählte die Tradition mehr als der Erhalt der Sammlungen, was daran ersichtlich war, dass die Objekte in den Instituten seit unvordenklichen Zeiten an einem bestimmten Ort ausgestellt waren und nie Überlegungen stattgefunden hatten, im Hinblick auf einen Wechsel der Ausstellung oder auf präventive Konservierung. Außerdem wurden weiter Ausleihen getätigt, obwohl es ein Moratorium im Hinblick auf Objektbewegungen gab – ein deutlicher Hinweis auf die Missachtung der Sammlungspflege. In der BYU wurden Leihvereinbarungen oft so völlig missachtet, dass Personen, die Objekte für ihre Büros zur Verfügung hatten, diese als „ihre“ ansahen und sie mitnahmen, wenn sie in ein anderes Büro umzogen, oder sie sogar mit nach Hause nahmen. In der UT wurde ein Problem manifest, das alle drei Institutionen hatten: dass die Leihverträge mit Leuten gemacht wurden, die keinerlei Museumserfahrung hatten, was bedeutet, dass sie den Sinn der Leihvereinbarung nicht verstanden und nicht einsahen, dass sie sich daran halten sollten.

An allen drei Orten musste also etwas geschehen, um dieser Situation ab zu helfen. Trevor formulierte das so, es sollte in drei Schritten geschehen: Ändern – schmackhaft machen – verbessern. In jedem Fall bedeutete „Ändern“ auch die Entwicklung einer neuen, energischen Handhabung der Ausleihe. Die Betonung lag dabei mehr auf Handhabung als auf umfassend neuen Verträgen, da es sich ja um interne Vorgänge handelt und die Leihnehmer keine Erfahrung in der Ausleihe haben. Es war daher wichtig, gute Vorgehensweisen zu entwickeln und die Schlüsselfiguren an den Universitäten von der Nützlichkeit solchen Vorgehens zu überzeugen, da es nur dann Erfolg haben konnte.

Die Universitäten hatten alle ähnliche Ideen, aber sie gingen die Sache unterschiedlich an, je nach den jeweils unterschiedlichen Umständen. In Harvard wurde ein Ein-Jahres-Vertrag für Ausleihen eingeführt – zuvor waren viele Ausleihen überhaupt nicht dokumentiert worden. In der UT wurden alle Leihverträge für solche Ausleihen abgeschafft, da sie nicht durch zu setzen waren. Die Richtlinien der Universität bestimmten, dass ein Institut der Universität ein anderes auch dann nicht beklagen konnte, wenn Vereinbarungen gebrochen wurden, sodass diese von geringem Nutzen waren.

Ein wichtiger Faktor bei der institutionellen Regelung von Ausleihen war in allen drei Universitäten die Fortbildung. Damit ist das gemeint, was Trevor „schmackhaft machen“ nannte – je besser die Mitarbeiter die Notwendigkeit dieser Regelungen verstanden, desto wahrscheinlicher war es, dass sie sich daran hielten. Und welcher Platz ist besser zum Lernen geeignet, als die Universität? In Harvard nutzte Nicole die Gelegenheit einer Inventur der Sammlung, zahlreiche betroffene Personen zu treffen und mit ihnen über die neuen Richtlinien zu sprechen. Es ist nicht immer einfach, von bedeutenden Persönlichkeiten gehört zu werden, aber wenn man ihre Dienstzimmer betritt, um nach Kunstwerke zu sehen, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Nicole nutzte diese Gelegenheit sehr intensiv, um sie auf die Bedeutung der Lichtverhältnisse, der Klimaanlage und anderer damit verbundener Faktoren auf zu klären, während sie die Inventarisation vornahm. Auch Trevor begann die Revolution mit der Aufklärung der Nutzer. Dabei bot er jedem, der dazu bereit war, die Möglichkeit an, die vorhandenen Objekte durch Großfotos zu ersetzen, die jedes gewünschte Objekt der Sammlung wiedergaben. Das erwies sich als bahnbrechend, denn so hatten die Leihnehmer den Anreiz einer größeren Auswahl. An der UT sind die neuen Richtlinien noch im Entwurfsstadium, aber Sonja hat schon deutlich gemacht dass mit jedem Leihnehmer darüber gesprochen werden wird, damit ihm seine Verantwortung für die Ausleihe in allen Stadien des Prozesses – vorher, während der Ausleihe und danach – ganz deutlich wird.

Sowohl Nicole als auch Trevor berichteten, dass die Resultate der Einführung der neuen Richtlinien sehr ermutigend waren. Nicoles neue Richtlinien, die den Prozess der Genehmigung der Ausleihe, die Aufstellung, Jahresverträge und Berichte, Facility-Reports, Inventare, Vorgaben für die Luxzahlen, Sicherheit, Verglasung, Befestigung und selbst die Rückholung von Werken enthalten, sind in Harvard weitgehend akzeptiert worden. In der BYU hat sich die Situation sehr verbessert und das Verfahren mit den Großfotos hat dazu geführt, dass die Zahl ausgestellter Kunstwerke deutlich geringer wurde. Der Erfolg der neuen Herangehensweise wurde am Beispiel des Präsidenten deutlich, der es ablehnte, ein Gemälde wieder auf zu hängen, das nach einer auswärtigen Ausleihe in sein Büro zurück kommen sollte und dafür die Reproduktion nahm. Wenn die neuen Richtlinien an der UT angenommen sind, werden sie dort, so hofft Sonja, ähnliche Ergebnisse erzielen.

Alle drei Sprecher haben gute Arbeit geleistet, indem sie uns zeigten, was gute Registrare bewirken können. Mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert, in denen sie ihre Sammlungen verwalten sollen, haben sie große Schritte unternommen um zuerreichen, dass ihre Sammlungen gut betreut werden und für viel Jahre gut erhalten. Das war sehr beflügelnd und ich bin froh, dass ich da sein konnte und das hören. Jonglieren mit Kettensägen? Das ist gar nichts – Universitätsjonglage ist der wahre Jakob!

Greg Hunter ist der Registrar des National Sports Museum am Melbourne Cricket Club in Melbourne, Australien. Er ist sowohl Mitglied des Australasian Registrars Committee (ARC) und der Association of Registrars and Collections Specialists (ARCS) und bekam einen Reisekostenzuschuss für die Teilnahme an der ARCS Konferenz 2015. Er liebt es sich über Museen fortzubilden, zu lesen, zu schreiben und in seiner Freizeit Gitarre zu spielen, obwohl hier „spielen“ vielleicht eine allzu wohlgesonnene Umschreibung seiner Bemühungen in diesem Bereich ist.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Herzlichen Glückwunsch zum 3. Geburtstag, Registrar Trek!

JpegIst es wirklich schon ein Jahr her seit wir auf den zweiten Geburtstag unseres Projektes angestoßen haben? Die Zeit vergeht so schnell! Es war ein turbulentes Jahr für uns alle. Für mich als Administratorin war es besonders dicht gepackt: in meinem Alltagsjob als Depotleiterin des TECHNOSEUM gab es bei der Übernahme einer großen Sammlung zur Rundfunkgeschichte und insbesondere beim Unterbringen in ohnehin schon überfüllten Lagerräumen viel zu tun. Abends und an den Wochenenden stand dann das Schreiben über bislang unbearbeitete Sammlungen im Vordergrund. Eine meiner Katzen wurde vom Auto angefahren und schwer verletzt, befindet sich aber glücklicherweise auf dem Weg der Besserung und ist fast vollständig genesen. Natürlich war das Ausscheiden von Derek als Autor ein herber Verlust. Nun, dies ist nur ein halbherziger Versuch zu entschuldigen, dass ich nicht so umtriebig im Auffinden neuer Mitstreiter und Beiträge war wie in den vergangenen Jahren. Ich hoffe, dass ich 2016 mehr Zeit finde, unser Fachgebiet zu beobachten und mehr Geschichten auszugraben.

Wie dem auch sei, wir hatten da schon ein paar großartige Beiträge: der meist gelesene Beitrag war „Wie man Objekte NICHT nummeriert“. Viele Leser haben angefragt, ob wir nicht einen Nachfolgebeitrag dazu veröffentlichen könnten, wie man Objekte fachgerecht nummeriert. Falls sich jemand berufen fühlt, darüber zu schreiben, und wenn es nur für eine bestimmte Objektgruppe ist, wäre das klasse und möglicherweise der Start einer neuen Serie, die Leuten hilft, die verunsichert sind, vor allem, nachdem sie den erwähnten Beitrag gelesen haben! Beinahe ebenso beliebt war der Beitrag „Mach den Deckel drauf“ von Anne T. Lane und das Experiment zum Lichtschäden an Post-its von Judith Haemmerle. Es wurden auch einige gute Bücher veröffentlicht, leider nur in englischer Sprache: Die vierte Ausgabe von Basic Condition Reporting, Nomenclature 4.0 und das Rights and Reproductions Handbook, die wir alle hier vorgestellt haben. Wir haben auch eine neue Serie begonnen, die „Fehlschläge in Zahlen“.

Will write something about this, soon.
Hierzu bald mehr.
Das Thema der unbearbeiteten Sammlungen hat uns stark beschäftigt und auch wenn das Buch veröffentlicht sein wird möchte ich diesen Schwerpunkt beibehalten, denn ich denke, dass diese Geschichten aus dem richtigen Leben denen helfen, die sich mit ihren eigenen Sammlungen herumschlagen müssen. Die European Registrars Conference ist dieses Jahr in Wien (ein dreifach Hoch unseren Kollegen vom Austrian Registrars Committee!) Ich hoffe, ich kann teilnehmen und einen Bericht schreiben. Es wurden auch einige Berichte von der ARCS-Konferenz in New Orleans versprochen, die hoffentlich bald eintreffen!

Da immer mehr Leser diese Website mit Mobilgeräten besuchen hoffe ich auch, dass ich die Zeit finde, unser Layout etwas angenehmer für diesen Nutzerkreis zu gestalten oder eine alternative Lösung zu finden.

So viel als Ausblick auf 2016, bleiben Sie uns gewogen und behalten Sie Ihre Handschuhe an!

Mit den besten Wünschen,
Angela

Fröhliche Weihnachten 2015

Ich habe gerade dieses fantastische Video entdeckt, das zeigt, wie man „Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr“ in Gebärdensprache auf englisch, russisch, holländisch, chinesisch, australisch, japanisch, finnisch, österreichisch, ungarisch, schwedisch, französisch, amerikanisch und deutsch sagt:

Im Geiste dieses Videos, lasst uns alle Barrieren überwinden! Das gesamte Registrar Trek Team wünscht Ihnen fröhliche Weihnachten und ein glückliches, gesundes und erfolgreiches Neues Jahr 2016!

Merry Christmas in different languages

Tipps und Tricks für die Lagerung von Objekten #reorgtips

Von Simon Lambert

Wir Fachleute für die Sammlungen sind ein kreatives Völkchen. Auf Grund unserer großen Leidenschaft für unseren Beruf lassen wir uns durch beschränkte Ressourcen nicht von unserer Verpflichtung für den Erhalt unserer Sammlungen abbringen und davon, sie der Gesellschaft zugänglich zu machen. Ständig werden in Museen, Bibliotheken und Archiven ganze Berge an innovativen Ideen entwickelt, wie verschiedenen Arten von Objekten am besten zu lagern seien. Trauriger Weise erfährt der Rest der Welt davon nur selten etwas. Dabei gibt es in Ihren Depots Ideen, von denen andere profitieren könnten, wenn sie vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Wenn Sie mit Sammlungen arbeiten, haben Sie oder Ihre Kollegen sicher irgendwann eine Lösung gefunden, auf die Sie besonders stolz sind – egal wie einfach und bescheiden sie sein mag. Sie haben neue Wege gefunden, den vorhandene Platz besser zu nutzen, vorhandene Materialien wieder zu verwenden und die vorhandenen Mittel besonders nutzbringend ein zu setzen. Hier haben Sie nun eine Chance, ihre Ideen mit den Kollegen in aller Welt zu teilen und auch von deren Ideen zu lernen.

Senden Sie uns ein oder zwei Fotos Ihrer Lösung im Bereich der Lagerung mit einem kurzen Satz, der Auskunft gibt

  • Über die Art des Objekts
  • Über das verwendete oder wiederverwendete Material
  • Warum diese System eine Verbesserung darstellt

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Fotos zu teilen

  • Auf der Internationalen Facebook Seite von RE-ORG: http://www.facebook.com/reorgstorage
  • Auf Twitter, Instagramm oder Facebook unter dem Hashtag #reorgtips
  • Mit E-Mail unter: reorgstorage (at) gmail (dot) com

Letzter Termin für Ihre Einsendung ist der 31. März 2016
Die Ergebnisse werden auf einem Tumblr blog geposted und auf der ICCROM Website gehosted.

Wichtiger Hinweise: Wenn Sie Ihre Abbildung schicken bestätigen Sie, dass es Ihre eigenen sind, dass Sie sie übermitteln dürfen und dass sie bereit sind, sie unter der den Vorgaben der Creative-Commons Lizenz (Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International licence) mit anderen zu teilen

Hier ein paar Beispiele:

Lagerung von Rudern und Speeren

“Wir passten ein Regalteil an, um unsere Sammlung von Rudern und Speeren zu lagern. Wir brauchen nun weniger Platz und haben Raum für andere Objekte gewonnen”

Masken lagern in einer gebrauchten Transportkiste
“Wir haben große Holzkisten umgenutzt. Wir haben gesicherte Ketten an den Kisten angebracht um die Masken auf zu hängen. Jetzt sind sie vom Boden weg und wir riskieren nicht mehr, darauf zu treten.”
Lagerung von Stiften
“Wir haben in einer Schachtel Kompartimente geschaffen, indem wir Karton wie eine Zieharmonika falteten. Jetzt können wir jeden Stift einfach greifen. Außerdem reiben die Stifte so nicht aneinander.”

Dies ist eine von ICCROM zusammen mit dem Kanadischen Institut für Restaurierung (CCI) auf den Weg gebrachte RE-ORG International Initiative.

Dieser Beitrag ist auch auf Italienisch erhältlich, übersetzt von Marzia Loddo.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

Fehlschläge in Zahlen – Laxer Umgang mit Standorteinträgen Teil 4

Die Gründe und was man dagegen tun kann II

wantedIm dritten Teil dieser Serie haben wir untersucht, welcher Teil unserer menschlichen Natur für die Fehler verantwortlich ist, die wir im ersten Teil entdeckt haben. Aber das sind nicht die einzigen Gründe. Vorgehensweisen und verfügbare Technik spielen eine große Rolle.

1. Anzahl von Schritten bis zur endgültigen Standortänderung

Wenn man unter Kollegen mal wirklich ehrlich zueinander ist, kommen wir alle zu mehr oder weniger dem gleichen Ergebnis: so exakt und detailverliebt wir alle sein mögen, in 10 Prozent aller Fälle machen wir etwas falsch. Meistens sind es Zahlendreher, aber die ganze Bandbreite der im Teil 1 entdeckten Fehler kommt vor. Dass kaum einer unserer Fehler die Datenbank erreicht, liegt einzig und allein daran, dass wir uns selbst rigide Überprüfungsmechanismen auferlegen. So überprüfen wir zum Beispiel jede aufgeschriebene Nummer noch einmal mit der Nummer auf dem Objekt oder arbeiten zu Zweit beim Verstandorten.
Wenn so eine große Gefahr von Zahlendrehern beim Aufschreiben besteht, ist es auch völlig logisch, dass, je öfter wir das in einem Arbeitsprozess wiederholen müssen, die Wahrscheinlichkeit dieses Fehlers zunimmt. Es ist genau so logisch, dass, je mehr Leute am gesamten Prozess beteiligt sind und je mehr Zeit zwischen realer Standortänderung und Eintrag in der Datenbank vergehen, die Fehlerhäufigkeit ansteigt.
Der schlimmste Arbeitsvorgang zur Standortänderung, dem ich je begegnet bin, sah folgendermaßen aus:

  1. Der Depotverwalter notiert die Standortänderung auf einem Freßzettel im Außendepot.
  2. Der Depotverwalter oder ihre/seine Hilfskraft schreibt eine Email mit der Standortänderung, sobald er/sie in der Nähe eines Computers mit Internetanbindung ist und schickt diese an das Dokumentationsteam.
  3. Ein Mitglied des Dokumentationsteams nimmt die Standortänderung in der Datenbank vor.

Es ist völlig offensichtlich, dass dreimal die Inventarnummer und der Standort notiert wird, so dass es hier dreimal zu Übertragungsfehlern kommen kann (von verlorenen Freßzetteln ganz zu schweigen). Zu den „normalen“ Zahlendrehern kommt die Möglichkeit, die Handschrift falsch zu entziffern hinzu. Zu den Schreib- und Tippfehlern gibt es auch noch die Möglichkeit, den Standort falsch zu übertragen, da der endgültige Standorteintrag von jemandem vorgenommen wird, der nicht mit der Standortsystematik im Depot vertraut ist. Während der/die Depotverwalter/in möglicherweise merkt, dass er/sie die Grammophonnadel unmöglich ins Schwerlastregal getan haben kann, entgeht dieses Detail mit ziemlicher Sicherheit dem Dokumentar in seinem Büro.

Was man dagegen tun kann:

  • Die Anzahl der Schritte zum endgültigen Standorteintrag auf ein Minimum begrenzen. Idealerweise besteht in allen Depots Zugang zur Datenbank, so dass die Änderungen zeitgleich mit dem Standortwechsel des Objekts durchgeführt werden können.
  • Jeder, der reale Standortveränderungen von Objekten vornimmt, besitzt auch die Berechtigung, dies in der Datenbank zu vermerken.
  • Wenn mehrere Beschäftigte an der Standortänderung beteiligt sind, muss sicher gestellt sein, dass es eine Feedback-Funktion gibt, so dass der- oder diejenige, der/die das Objekt bewegt hat überprüfen kann, ob der Datenbankeintrag stimmt.
  • Technik wie Barcodes können, wenn sie flächendeckend und funktionsfähig eingeführt sind, die Zahl der Zahlendreher auf Null reduzieren. (Lesen Sie die Beispiele aus den National Galleries of Scotland und dem TECHNOSEUM).

2. Komplizierte Nummerierungssysteme

Das ist nicht wirklich eine Überraschung, aber man denkt nie wirklich darüber nach: Wenn Ihre Standortnummerierung oder Ihre Inventarnummer verwirrend kompliziert zusammengesetzt ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Inventarnummern, die der Logik „Zugangsjahr/Fortlaufende Nummerierung für das Zugangsjahr/Teilnummer“ folgen, sind wesentlich einfacher zu merken als Inventarnummern, die eine Vielzahl von Informationen zu fassen versuchen wie „Abteilungsnummer/Nummer für Material oder Technik/Zugangsjahr/Nummer für die Unterscheidung zwischen Leihe, museumspädagigischer Gebrauchssammlung und Objektsammlung/Nummer des Objekts/Teilnummer“ 1. Anders als Computer sind Menschen nicht gut darin, Nummern zu behalten. Auch wenn es nur ein kurzer Moment ist, der zwischen dem Lesen der Nummer und dem Aufschreiben vergeht, es ist ein Merkvorgang. Ein Herr Miller hat 1956 herausgefunden, dass das menschliche Gehirn nur 7 Dinge gleichzeitig behalten kann 2. Ich zweifele nicht daran, dass es blitzgescheite Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich mehr merken können, aber mir scheint es in den meisten Fällen zuzutreffen.

"Sie sagen wir vergessen nie, aber ich weiß wirklich nicht mehr, ob das jetzt 1988.1243, 1988.1342 oder 1988.1234 war."
„Sie sagen wir vergessen nie, aber ich weiß wirklich nicht mehr, ob das jetzt 1988.1243, 1988.1342 oder 1988.1234 war.“
Ein Grund, warum das dreiteilige Nummerierungssystem einfacher zu behalten ist als andere Nummerierungssysteme ist, dass ein Teil davon, das Zugangsjahr, einem etwas sagt. Als Mensch liest man 1977 nicht als 1-9-7-7, man liest es als das Jahr in dem Elvis gestorben ist oder Ihre Tochter geboren wurde. Das ist möglicherweise der Grund, warum ich selten auf Fehler im Zugangsjahr gestoßen bin und wenn, dann wenn vorher eine ganze Reihe von Objekten aus einem anderen Jahr verstandortet wurde, so dass davon auszugehen ist, dass das Hirn einfach das bisherige Jahr kopiert und eingesetzt hatte (erinnern Sie sich, was ich zum Thema Konzentration in Teil 3 gesagt habe!) oder wenn es sich um Ziffern handelt, die sich handschriftlich besonders ähnlich sehen wir 5 und 6 oder, in besonders schlimmen Sauklauen 8, 9 und/oder 0. Man könnte also sagen, dass der erste Teil des dreiteiligen Nummerierungssystem nur ein Ding ist, das man sich merken muss, nicht 4. Der nächste Teil enthält dann 3 oder 4 Ziffern, was man sich ohne weiteres merken kann, ebenso wie die Teilenummer, so lange es nicht zu viele Teile sind. Eine 1988.1243.001 lässt sich leichter merken als eine 1988.1243.193, einfach, weil man sich im ersten Fall 6 Dinge merken muss (1 Jahr + 4 Ziffern + 1 Ziffer) und im zweiten Fall 8 Dinge (1 Jahr + 4 Ziffern + 3 Ziffern).

Was man tun kann:

  • Nummerierungssysteme wählen, die dem menschlichen Hirn entgegen kommen.
  • Bleiben Sie einfach. Erwarten Sie nicht von einer Inventarnummer, dass sie gleich ALLE Informationen enthält. Es ist völlig ausreichend, wenn eine Inventarnummer es leistet, dass man zwei gleichartige Objekte voneinander unterscheiden kann. Alle weiteren Informationen kann man der Datenbank oder einer beiliegenden Inventarkarte entnehmen.
  • Vermeiden Sie, wo immer möglich, Arbeitsprozesse, die erfordern, dass man sich Nummern merken muss.
  • Kennzeichnen Sie Ihre Lagereinrichtungen klar und lesbar. Nur, weil ein Standortnummerierungssystem Ihnen völlig logisch erscheint, muss das für den nächsten Kollegen, der damit umgehen soll, nicht auch so sein. Ja, genau, ich gucke in Ihre Richtung, meine Damen und Herren Depotverwalter! Wenn Sie darauf verzichten, die Regalböden zu kennzeichnen, erwarten Sie nicht von anderen, dass sie wissen, welches nun „Boden a“ und „Boden e“ ist!

3. Zuständigkeiten

Mit jeder Person, die für Standortänderungen zuständig ist, steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Und, je mehr Beteiligte, desto schwerer nachzuvollziehen, was schief gegangen ist. Ebenso wächst die Unterschiedlichkeit der Fehler mit der Anzahl der beteiligten Personen. Das mag etwas schwer verständlich sein, daher ein Beispiel: Unse tapfere Depotverwalterin X arbeitet sehr gewissenhaft und genau, hat aber eine ernsthafte Schwäche: sie verwechselt gerne rechts und links. Da Positionen auf Regalböden mit „links“, „Mitte“ und „rechts“ angegeben werden, verwechselt sie auch manchmal die Position von Objekten. Der Kurator Y wird oft von der schieren Schönheit seiner Objekte geblendet und neigt dazu, zu vergessen, von welchem Regalboden er ein Objekt entnommen hat. Da er gleichzeitig davon überzeugt ist, dass er weiß, was er tut, platziert er das Objekt dann auf einem anderen Regalboden. Restauratorin Z vollbringt wahre Wunder an beschädigten Objekten, hat es aber nicht so mit Nummern. Wenn sie drei Inventarnummern auf einen Karton schreibt, ist mit Sicherheit eine davon falsch. Mit jeder dieser Schwächen kann man, einzeln betrachtet, gut umgehen: abhängig davon, wer das Objekt zuletzt bewegt hat, weiß man einfach, dass man auf der anderen Seite des Regalbodens suchen muss (bewegt von X), auf den Regalböden in der Nähe suchen muss (bewegt von Y) oder einfach mit ein paar möglichen Zahlenkombinationen spielen muss (bewegt von Z). Sobald man aber nicht weiß, wer das Objekt zuletzt in der Hand hatte, muss man alle möglichen und unmöglichen Fehlerquellen in Betracht ziehen, was entsprechend mehr investierte Arbeitszeit bedeutet, bis das Objekt gefunden ist.

Was man dagegen tun kann:

  • Die Zahl der Beschäftigten, die Standortwechsel vornehmen (dürfen) begrenzen.
  • Jede Standortänderung nicht nur mit Datum und Grund, sondern auch mit ausführendem Mitarbeiter dokumentieren.
  • In größeren Institutionen: Genau festlegen und kommunizieren, wer für Standortwechsel verantwortlich ist. Zum Beispiel: Wer dokumentiert den Wechsel in der Datenbank, der abgebende oder der empfangende Mitarbeiter? Wenn der/die Depotverwalter/in ein Objekt in die Restaurierung, ins Fotostudio oder zur/zum Ausstellungsmacher/in gibt, dokumentiert der/die Depotverwalter/in. Wenn ein/e Restaurator/in ein Objekt in das Fotostudio schickt, dokumentiert er/sie die Standortänderung. Wenn ein/e Fotograf/in ein Objekt zurück ins Depot schickt, dokumentiert er/sie die Standortänderung.

Dies war der letzte Teil zum Thema Standortänderungen in unserer Serie „Fehlschläge in Zahlen“. Ich bin mir sicher, dass es noch weitere Punkte zu beachten gibt, die ich übersehen habe. Ich freue mich auf Ihre Kommentare, Ergänzungen und Ideen! Ich bin auch dankbar für Anregungen, was wir noch in „Fehlschläge in Zahlen“ untersuchen könnten.

Herzlcihe Grüße
Angela

  1. Lachen Sie nicht, ich habe mal für eine Institution gearbeitet, die einen sehr ähnlichen Inventarnummeraufbau hatte, darunter in der Mitte eine „.1.“ deren Bedeutung mir niemand der dort arbeitenden Menschen erklären konnte, sie war einfach schon immer da gewesen.
  2. Miller, George A., The Magical Number 7, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information, Psychological Review, 1956, S. 81-97

Unbearbeitete Sammlungen – und ein wenig Hilfe von meinen Freunden

Managing Previously Unmanaged Collections - Book CoverAnfang des Jahres fragte ich Sie, ob Sie mich begleiten würden bei dem Abenteuer, ein Buch über bislang unbearbeitete Sammlungen zu schreiben. Und Sie waren dazu bereit. Viele von Ihnen unterstützten das Projekt mit Geschichten, Fotos, Kommentaren und aufmunternden Bemerkungen.
So kann ich heute stolz ankündigen dass ich das Manuskript abgegeben habe und man das Buch im Prospekt der ”Essential New Books for Museum Professionals“ bei Rowman & Littlefield auf Seite 7 schon angezeigt finden kann.
In der letzten Woche feierten unsere Kollegen in den Vereinigten Staaten Thanksgiving und in Deutschland gibt es eine entsprechende Tradition, am Ende der Erntezeit Dank zu sagen, das Erntedankfest. Heute möchte ich mich bedanken bei all denen, die zu dem Projekt beigetragen haben. Danke, dass Sie ihre Zeit und ihre Kenntnisse eingebracht und dass Sie Sich Gedanken gemacht haben.
Vor allem möchte ich die Gelegenheit ergreifen meinem persönlichen „Beirat“ zu danken. Wenn man ein Buch schreibt, sollte man sich einiger Fallstricke bewusst sein. Aber auch wenn sie einem ganz allgemein bewusst sind braucht man doch manchmal ein zweites Augenpaar, damit man sie entdeckt.

Erster Fallstrick: ich weiß, worüber ich schreibe!

Natürlich wissen Sie, worüber Sie schreiben. Sonst würden Sie dieses Buch nicht schreiben. Aber ihre persönliche Erfahrung formt das Buch. Man braucht jemanden, der eben so tief in diesem Arbeitsbereich verankert ist, wie man selbst und der deshalb helfen kann zu erkennen, wo wichtige Punkte übersehen wurden oder wo die Ratschläge, die man gibt unter bestimmten, nicht bedachten Umständen auch nach hinten losgehen können. Und man braucht diese Person um auftauchende Rätsel und Fragen der Definition zu besprechen, denn nicht alles ist so eindeutig und logisch wie man selbst das denkt – eine Tatsache, auf die man erst stößt, wenn man versucht darüber zu schreiben.
Für mein Buch übernahm diese sehr zeitaufwändige Aufgabe Darlene Bialowski, Vorstand der Darlene Bialowski Art Services, und frühere Vorsitzende des Registrar Committees der American Alliance of Museums, die selbst eine große Zahl von unbetreuten Sammlungen gesehen hat. Sie las jedes Kapitel mindestens zweimal, manchmal noch öfter, machte Vorschläge und wir diskutierten viele Aspekte des Buches via Email. Bis heute weiß ich nicht, wie sie das alles in ihrem sowieso engen Zeitplan untergebracht hat, aber ich bin ihr ewig dankbar, dass sie es getan hat. Ganz herzlichen Dank Darlene!

Zweiter Fallstrick: Ein Registrar hat nicht immer die beste Lösung

Wenn man einen bestimmten Beruf ausübt, konzentriert man sich sehr auf die wichtigsten Aspekte der täglichen Arbeit. Dadurch übersieht man leicht Dinge, die zu einem größeren Zusammenhang gehören. Um das zu erkennen braucht man die Hilfe von Jemanden mit einem Beruf, der mit dem eigenen Beruf eng verbunden, aber eben nicht identisch ist. Ich bin sehr dankbar, dass Susan L. Maltby, Restaurator bei Maltby & Associates Inc., die Verantwortung auf sich genommen hat, mein Manuskript aus dem Blickwinkel eines Restaurators zu lesen. Sie hat es um viele praktische Ideen bereichert und sie machte mich auf Stellen aufmerksam, bei denen ich mögliche Schäden an den Objekten nicht berücksichtigt hatte und auch an eventuelle Gesundheitsschäden nicht gedacht hatte. Vielen Dank Sue!

Dritter Fallstrick: Worum geht es hier überhaupt?

Mein Buch ist für Leute bestimmt, die nie mit einer unbetreuten Sammlung zu tun hatten. Es wäre gut, wenn sie eine Grundausbildung in Sammlungsbetreuung und präventiver Restaurierung hätten, aber es soll auch eine Handreichung für diejenigen sein, die bis dahin noch nie mit Sammlungen in Berührung gekommen sind. Wie konnte ich sicher sein, dass jemand, der noch nie für eine Sammlung verantwortlich gewesen ist, überhaupt versteht, wovon ich schrieb? Ich brauchte jemanden, der genügend Phantasie hatte, um sich in die Situation einer Person hinein zu versetzen, die zum ersten Mal mit der Aufgabe konfrontiert wird, eine bis dahin unbetreute Sammlung zu betreuen. Nun, es fand sich ein Freund der genügend Phantasie hat, um sich in einen Heizer auf einem Dampfschiff des 19. Jahrhunderts zu versetzen oder in einen Soldaten, der im Bürgerkrieg bei Bull Run kämpfte. Deshalb fragte ich Paul N. Pallansch von Up-Close Realism, Silver Spring, ob er sich in die Rolle eines Sammlungsmanagers hineinversetzen wolle, der mit einer chaotischen, unbearbeiteten Sammlung konfrontiert würde, mit nichts als meinem Handbuch als Hilfsmittel. Ich bin sehr froh, dass er Ja sagte und war sehr erleichtert, als er zurück schrieb, er hätte so seine Zweifel gehabt, als ich ihn fragte, aber jetzt, nach der Lektüre meint er, er könnte die Aufgabe in Angriff nehmen, wenn er auch noch alles nachschlagen würde, was die Sammlungspflege betrifft. Genau das sollen die Leser auch denken und fühlen, wenn sie das Buch gelesen haben. Vielen Dank Paul!

Das Manuskript durchläuft nun noch die Endredaktion und ich werde Sie über den weiteren Fortschritt des Projekts auf dem Laufenden halten. So wie es im Augenblick aussieht, wird ”Managing Previously Unmanaged Collections – A Practical Guide for Museums“ (Link zur Seite des Verlags mit Vorbestellmöglichkeit) Anfang nächsten Jahres erhältlich sein.

Viele Grüße
Angela

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Das Projekt: Die Mauern der Sprache durchbrechen und Registrare weltweit verbinden.