Liebe Leserinnen und Leser von Registrar Trek,
über den Zeitraum der letzten drei Jahre haben wir immer mehr Leserinnen und Leser gewonnen, die nicht nur mitlesen, sondern auch beitragen, indem sie Beiträge mit anderen teilen, Kommentare verfassen und Kolleginnen und Kollegen zum Meinungsaustausch anstiften. Einige haben sogar Geschichten und Artikel für das Blog geschrieben. Das ist großartig!
Heute möchte ich Ihnen ein neues Projekt vorstellen, an dem ich arbeite und Sie einladen, mitzumachen.
In meinem Arbeitsleben stoße ich immer wieder auf einen Widerspruch: Es gibt wirklich fantastische Bücher über die besten Arbeitsweisen in der Sammlungsverwaltung – die großartige fünfte Ausgabe von „Museum Registration Methods“ steht einem natürlich sofort vor Augen, aber es gibt eine Vielzahl von wirklich guten Werken. Man liest darüber, was das Beste für das Sammlungsgut ist, wie man die Objekte handhabt, dokumentiert, lagert… Alle diese Bücher sind in Hinblick auf „best practice“, die bestmögliche Vorgehensweise, geschrieben und das ist sicherlich gut, denn natürlich wollen wir alle das Beste für unsere Sammlungen. Das Problem ist nur, dass der Ausgangspunkt oft ales andere als „best practice“ ist. Nehmen Sie die Geschichte „Matchball für den Registrar“ von Antony Aristovoulou als Paradebeispiel: man wird für den Umzug und die Dokumentation einer Tennissammlung unter Vertrag genommen, um dann festzustellen, dass alles in einem riesigen Überseecontainer gelagert ist und man von Punkt Null anfängt und sogar Lagerort und Material selbst auftreiben muss.
Viel zu oft besteht, besonders bei historischen, landwirtschaftlichen und/oder technikhistorischen Sammlungen, ein Riesenunterschied zwischen den in den Büchern beschriebenen Voraussetzungen und der Realität. Über die besten Verfahrensweisen zu lesen ist gut und wichtig, aber wenn man in einem heruntergekommenen Schuppen steht, in dem es durchs Dach regnet und in dem stapelweise rostiges Zeug herumliegt, das im Vertrag etwas euphemistisch als landwitschaftliche Sammlung bezeichnet wird, ist man meilenweit davon entfernt, aus säurefreiem Karton eine passgenaue Lagerbox für ein einzelnes Objekt basteln zu können.
Um es kurz zu machen: ich arbeite an einem praktischen Handbuch zum Umgang mit bisher unbearbeiteten Sammlungen. Das Buch wird ausgehend vom schlimmstmöglichen Fall geschrieben, angefangen mit nichts als einer Sammlung in erbarmungswürdigem Zustand, um sich dann Schritt für Schritt damit zu beschäftigen, wie man die Situation verbessert 1. Es wird für die Praktikerin und den Praktiker vor Ort geschrieben sein, die oder der mit allen möglichen und unmöglichen Umständen zu kämpfen hat während sie oder er versucht, seine Sammlung in den Griff zu kriegen. Es wird besonders für den Personenkreis geschrieben sein, der zum ersten Mal mit einer solchen Situation konfrontiert wird – entweder als Berufsanfänger oder als Profi, der bislang nur in größeren und/oder gut organisierten Einrichtungen gearbeitet hat.
Und hier kommen Sie, die Leserinnen und Leser ins Spiel. Das Buch wird sicherlich besser und ermutigender sein, wenn es genügend Beispiele aus dem wahren Leben enthält. Natürlich, jeder ist gerne das Beispiel für „best practice“, aber was ich benötige sind Beispiele, wie mit Schwierigkeiten umgegangen wurde und wie Lösungen gefunden wurden. Wie Sammlungen aus einem erbrarmungswürdigen Zustand in einen besseren Zustand gebracht wurden. Vielleicht immer noch nicht „best practice“ aber sicherlich wesentlich besser als zuvor. Ich sammle auch alle möglichen Arten von schlimmstmöglichen Szenarien, eingebracht von alten und jungen Museumsveteranen, die Unglaubliches in der Sammlungsverwaltung gesehen haben (ich habe eine Hauptabwasserleitung gesehen, die direkt über den Regalen eines Archives verlief, die Möglichkeiten sind also endlos…).
Ab und zu werde ich hier auf diesem Blog über Aspekte schreiben, die ich gerade bearbeite und Sie nach Ihren Erfahrungen und Gedanken dazu fragen. Es wäre großartig, wenn Sie bereit wären diese zu teilen. Ich verspreche Ihnen schon jetzt, dass ich diese Bereitschaft nicht mißbrauchen werde und immer abklären werde, ob die Art und Weise, wie ich einige dieser Beispiele im Buch verwenden möchte für Sie und/oder Ihre Institution akzeptabel ist.
Danke fürs Lesen und beste Grüße
Angela
Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.
- Janice Klein und ich haben einen kurzen Artikel unter dem Titel ”Tackling Uncatalogued Collections“ („Undokumentierte Sammlungen in den Griff bekommen“) für die diesjährige März/April Ausgabe von ”museum“, dem Magazin der American Alliance of Museums, verfasst (Seite 59-63). Hier finden Sie weitere Ideen und in welche Richtung das Projekt generell gehen wird, wobei das undokumentiert sein nur einen Teilaspekt des Problems einer unbearbeiteten Sammlung darstellt. ↩