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Museum professional, lover of all collections work, former collections manager of the TECHNOSEUM in Mannheim, Germany. Now Professional Services Specialist for Gallery Systems. Independent museum professional. Cat wrangler and #SciFi enthusiast. Views are my own. Of course, they are. I can't make anybody responsible for the garbage my brain produces!

ARCS (Association of Registrars and Collections Specialists) Konferenz 2015: Ausleihen auf dem Universitätskampus

Bericht von Greg Hunter

by pixelcreatures via https://pixabay.com/de/jonglieren-zirkus-geist-ball-b%C3%A4lle-796171/ Der Anfang meines Artikels, der für Registrare geschrieben ist, mag etwas merkwürdig erscheinen, aber vor einigen Jahren verbrachte ich einen Tag in einer Clown-Schule. Es war ein sehr eigenartiges Erlebnis, es sollte sich aber herausstellen, dass es eines Tages (was ich damals noch nicht wissen konnte) etwas mit meiner Tätigkeit als Registrar zu tun haben würde. Gleich ob Clown oder Registrar, die Kunst zu Jonglieren ist von fundamentaler Bedeutung für den Beruf. Für einen Registrar, der mit Ausleihen zu tun hat ist es nötig, die Anforderungen sowohl des Leihnehmers, als auch die seiner eigenen Institution gut aus zu balancieren, um einen Standard halten zu können, der des erlaubt die Ausleihe durch zu führen. Sobald es sich um Universitätsmuseen handelt erreichen diese Leihverhandlungen einen besonders hohen Grad an Komplexität, denn Universitätsmuseen verleihen für gewöhnlich innerhalb der Universität an die verschiedensten Einrichtungen. Die Objekte sind ja vielleicht noch „in situ“ – aber wie kann man unter diesen Umständen noch irgend einen Einfluss nehmen? Jonglierbälle verwandeln sich nur zu schnell in Kettensägen, wenn man feststellt, dass eine Reihe miteinander unvereinbarer Anforderungen berücksichtigt werden müssen und einige davon außerhalb des Einflussbereichs des Registrars angesiedelt sind. Die Erfordernisse der Pflege der Bestände und ihres Erhalts haben zum Beispiel einen schweren Stand gegen die Anforderungen, die die Erwartungen, die Geschichte und die Politik der einzelnen Institute stellen. Wo zieht man unter diesen Umständen dann die Grenzlinie, die nicht überschritten werden darf? Und gibt es diese Grenzlinie überhaupt? Oder ist das vielleicht ein Drahtseilakt? Mit dieser äußerst interessanten Fragestellung beschäftigte sich bei der 2015 ARCS Conference in New Orleans die Sitzung am Vormittag des zweiten Tages.

ARCS 2015: Session on On-Campus Loans (picture by Greg Hunter)
ARCS 2015: Session on On-Campus Loans (picture by Greg Hunter)
Drei verschiedene Redner stellten ihre Erfahrungen vor. Nicole Linderman vom Harvard Art Museums, Trevor Weight von der Brigham Young University (BYU) und Sonja Reid von der University of Texas (UT) berichteten von den verschiedenen Herausforderungen bei Ausleihen an ihren Universitäten. Nicole begann, indem sie ihren Cowboy-Hut aufsetzte und uns durch den „Wilden Westen“ der inneruniversitären Ausleihen führte – und dabei die Bedingungen aufzeigte, die in allen drei Institutionen ziemlich gleich sind, wie sich später zeigte. Alle Sprecher verwiesen darauf, dass in vielen Fällen in ihren Universitäten die Sorge um den Erhalt der Sammlungen in den Hintergrund getreten war. In Harvard zum Beispiel zählte die Tradition mehr als der Erhalt der Sammlungen, was daran ersichtlich war, dass die Objekte in den Instituten seit unvordenklichen Zeiten an einem bestimmten Ort ausgestellt waren und nie Überlegungen stattgefunden hatten, im Hinblick auf einen Wechsel der Ausstellung oder auf präventive Konservierung. Außerdem wurden weiter Ausleihen getätigt, obwohl es ein Moratorium im Hinblick auf Objektbewegungen gab – ein deutlicher Hinweis auf die Missachtung der Sammlungspflege. In der BYU wurden Leihvereinbarungen oft so völlig missachtet, dass Personen, die Objekte für ihre Büros zur Verfügung hatten, diese als „ihre“ ansahen und sie mitnahmen, wenn sie in ein anderes Büro umzogen, oder sie sogar mit nach Hause nahmen. In der UT wurde ein Problem manifest, das alle drei Institutionen hatten: dass die Leihverträge mit Leuten gemacht wurden, die keinerlei Museumserfahrung hatten, was bedeutet, dass sie den Sinn der Leihvereinbarung nicht verstanden und nicht einsahen, dass sie sich daran halten sollten.

An allen drei Orten musste also etwas geschehen, um dieser Situation ab zu helfen. Trevor formulierte das so, es sollte in drei Schritten geschehen: Ändern – schmackhaft machen – verbessern. In jedem Fall bedeutete „Ändern“ auch die Entwicklung einer neuen, energischen Handhabung der Ausleihe. Die Betonung lag dabei mehr auf Handhabung als auf umfassend neuen Verträgen, da es sich ja um interne Vorgänge handelt und die Leihnehmer keine Erfahrung in der Ausleihe haben. Es war daher wichtig, gute Vorgehensweisen zu entwickeln und die Schlüsselfiguren an den Universitäten von der Nützlichkeit solchen Vorgehens zu überzeugen, da es nur dann Erfolg haben konnte.

Die Universitäten hatten alle ähnliche Ideen, aber sie gingen die Sache unterschiedlich an, je nach den jeweils unterschiedlichen Umständen. In Harvard wurde ein Ein-Jahres-Vertrag für Ausleihen eingeführt – zuvor waren viele Ausleihen überhaupt nicht dokumentiert worden. In der UT wurden alle Leihverträge für solche Ausleihen abgeschafft, da sie nicht durch zu setzen waren. Die Richtlinien der Universität bestimmten, dass ein Institut der Universität ein anderes auch dann nicht beklagen konnte, wenn Vereinbarungen gebrochen wurden, sodass diese von geringem Nutzen waren.

Ein wichtiger Faktor bei der institutionellen Regelung von Ausleihen war in allen drei Universitäten die Fortbildung. Damit ist das gemeint, was Trevor „schmackhaft machen“ nannte – je besser die Mitarbeiter die Notwendigkeit dieser Regelungen verstanden, desto wahrscheinlicher war es, dass sie sich daran hielten. Und welcher Platz ist besser zum Lernen geeignet, als die Universität? In Harvard nutzte Nicole die Gelegenheit einer Inventur der Sammlung, zahlreiche betroffene Personen zu treffen und mit ihnen über die neuen Richtlinien zu sprechen. Es ist nicht immer einfach, von bedeutenden Persönlichkeiten gehört zu werden, aber wenn man ihre Dienstzimmer betritt, um nach Kunstwerke zu sehen, ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten. Nicole nutzte diese Gelegenheit sehr intensiv, um sie auf die Bedeutung der Lichtverhältnisse, der Klimaanlage und anderer damit verbundener Faktoren auf zu klären, während sie die Inventarisation vornahm. Auch Trevor begann die Revolution mit der Aufklärung der Nutzer. Dabei bot er jedem, der dazu bereit war, die Möglichkeit an, die vorhandenen Objekte durch Großfotos zu ersetzen, die jedes gewünschte Objekt der Sammlung wiedergaben. Das erwies sich als bahnbrechend, denn so hatten die Leihnehmer den Anreiz einer größeren Auswahl. An der UT sind die neuen Richtlinien noch im Entwurfsstadium, aber Sonja hat schon deutlich gemacht dass mit jedem Leihnehmer darüber gesprochen werden wird, damit ihm seine Verantwortung für die Ausleihe in allen Stadien des Prozesses – vorher, während der Ausleihe und danach – ganz deutlich wird.

Sowohl Nicole als auch Trevor berichteten, dass die Resultate der Einführung der neuen Richtlinien sehr ermutigend waren. Nicoles neue Richtlinien, die den Prozess der Genehmigung der Ausleihe, die Aufstellung, Jahresverträge und Berichte, Facility-Reports, Inventare, Vorgaben für die Luxzahlen, Sicherheit, Verglasung, Befestigung und selbst die Rückholung von Werken enthalten, sind in Harvard weitgehend akzeptiert worden. In der BYU hat sich die Situation sehr verbessert und das Verfahren mit den Großfotos hat dazu geführt, dass die Zahl ausgestellter Kunstwerke deutlich geringer wurde. Der Erfolg der neuen Herangehensweise wurde am Beispiel des Präsidenten deutlich, der es ablehnte, ein Gemälde wieder auf zu hängen, das nach einer auswärtigen Ausleihe in sein Büro zurück kommen sollte und dafür die Reproduktion nahm. Wenn die neuen Richtlinien an der UT angenommen sind, werden sie dort, so hofft Sonja, ähnliche Ergebnisse erzielen.

Alle drei Sprecher haben gute Arbeit geleistet, indem sie uns zeigten, was gute Registrare bewirken können. Mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert, in denen sie ihre Sammlungen verwalten sollen, haben sie große Schritte unternommen um zuerreichen, dass ihre Sammlungen gut betreut werden und für viel Jahre gut erhalten. Das war sehr beflügelnd und ich bin froh, dass ich da sein konnte und das hören. Jonglieren mit Kettensägen? Das ist gar nichts – Universitätsjonglage ist der wahre Jakob!

Greg Hunter ist der Registrar des National Sports Museum am Melbourne Cricket Club in Melbourne, Australien. Er ist sowohl Mitglied des Australasian Registrars Committee (ARC) und der Association of Registrars and Collections Specialists (ARCS) und bekam einen Reisekostenzuschuss für die Teilnahme an der ARCS Konferenz 2015. Er liebt es sich über Museen fortzubilden, zu lesen, zu schreiben und in seiner Freizeit Gitarre zu spielen, obwohl hier „spielen“ vielleicht eine allzu wohlgesonnene Umschreibung seiner Bemühungen in diesem Bereich ist.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Herzlichen Glückwunsch zum 3. Geburtstag, Registrar Trek!

JpegIst es wirklich schon ein Jahr her seit wir auf den zweiten Geburtstag unseres Projektes angestoßen haben? Die Zeit vergeht so schnell! Es war ein turbulentes Jahr für uns alle. Für mich als Administratorin war es besonders dicht gepackt: in meinem Alltagsjob als Depotleiterin des TECHNOSEUM gab es bei der Übernahme einer großen Sammlung zur Rundfunkgeschichte und insbesondere beim Unterbringen in ohnehin schon überfüllten Lagerräumen viel zu tun. Abends und an den Wochenenden stand dann das Schreiben über bislang unbearbeitete Sammlungen im Vordergrund. Eine meiner Katzen wurde vom Auto angefahren und schwer verletzt, befindet sich aber glücklicherweise auf dem Weg der Besserung und ist fast vollständig genesen. Natürlich war das Ausscheiden von Derek als Autor ein herber Verlust. Nun, dies ist nur ein halbherziger Versuch zu entschuldigen, dass ich nicht so umtriebig im Auffinden neuer Mitstreiter und Beiträge war wie in den vergangenen Jahren. Ich hoffe, dass ich 2016 mehr Zeit finde, unser Fachgebiet zu beobachten und mehr Geschichten auszugraben.

Wie dem auch sei, wir hatten da schon ein paar großartige Beiträge: der meist gelesene Beitrag war „Wie man Objekte NICHT nummeriert“. Viele Leser haben angefragt, ob wir nicht einen Nachfolgebeitrag dazu veröffentlichen könnten, wie man Objekte fachgerecht nummeriert. Falls sich jemand berufen fühlt, darüber zu schreiben, und wenn es nur für eine bestimmte Objektgruppe ist, wäre das klasse und möglicherweise der Start einer neuen Serie, die Leuten hilft, die verunsichert sind, vor allem, nachdem sie den erwähnten Beitrag gelesen haben! Beinahe ebenso beliebt war der Beitrag „Mach den Deckel drauf“ von Anne T. Lane und das Experiment zum Lichtschäden an Post-its von Judith Haemmerle. Es wurden auch einige gute Bücher veröffentlicht, leider nur in englischer Sprache: Die vierte Ausgabe von Basic Condition Reporting, Nomenclature 4.0 und das Rights and Reproductions Handbook, die wir alle hier vorgestellt haben. Wir haben auch eine neue Serie begonnen, die „Fehlschläge in Zahlen“.

Will write something about this, soon.
Hierzu bald mehr.
Das Thema der unbearbeiteten Sammlungen hat uns stark beschäftigt und auch wenn das Buch veröffentlicht sein wird möchte ich diesen Schwerpunkt beibehalten, denn ich denke, dass diese Geschichten aus dem richtigen Leben denen helfen, die sich mit ihren eigenen Sammlungen herumschlagen müssen. Die European Registrars Conference ist dieses Jahr in Wien (ein dreifach Hoch unseren Kollegen vom Austrian Registrars Committee!) Ich hoffe, ich kann teilnehmen und einen Bericht schreiben. Es wurden auch einige Berichte von der ARCS-Konferenz in New Orleans versprochen, die hoffentlich bald eintreffen!

Da immer mehr Leser diese Website mit Mobilgeräten besuchen hoffe ich auch, dass ich die Zeit finde, unser Layout etwas angenehmer für diesen Nutzerkreis zu gestalten oder eine alternative Lösung zu finden.

So viel als Ausblick auf 2016, bleiben Sie uns gewogen und behalten Sie Ihre Handschuhe an!

Mit den besten Wünschen,
Angela

Fröhliche Weihnachten 2015

Ich habe gerade dieses fantastische Video entdeckt, das zeigt, wie man „Frohe Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr“ in Gebärdensprache auf englisch, russisch, holländisch, chinesisch, australisch, japanisch, finnisch, österreichisch, ungarisch, schwedisch, französisch, amerikanisch und deutsch sagt:

Im Geiste dieses Videos, lasst uns alle Barrieren überwinden! Das gesamte Registrar Trek Team wünscht Ihnen fröhliche Weihnachten und ein glückliches, gesundes und erfolgreiches Neues Jahr 2016!

Merry Christmas in different languages

Tipps und Tricks für die Lagerung von Objekten #reorgtips

Von Simon Lambert

Wir Fachleute für die Sammlungen sind ein kreatives Völkchen. Auf Grund unserer großen Leidenschaft für unseren Beruf lassen wir uns durch beschränkte Ressourcen nicht von unserer Verpflichtung für den Erhalt unserer Sammlungen abbringen und davon, sie der Gesellschaft zugänglich zu machen. Ständig werden in Museen, Bibliotheken und Archiven ganze Berge an innovativen Ideen entwickelt, wie verschiedenen Arten von Objekten am besten zu lagern seien. Trauriger Weise erfährt der Rest der Welt davon nur selten etwas. Dabei gibt es in Ihren Depots Ideen, von denen andere profitieren könnten, wenn sie vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Wenn Sie mit Sammlungen arbeiten, haben Sie oder Ihre Kollegen sicher irgendwann eine Lösung gefunden, auf die Sie besonders stolz sind – egal wie einfach und bescheiden sie sein mag. Sie haben neue Wege gefunden, den vorhandene Platz besser zu nutzen, vorhandene Materialien wieder zu verwenden und die vorhandenen Mittel besonders nutzbringend ein zu setzen. Hier haben Sie nun eine Chance, ihre Ideen mit den Kollegen in aller Welt zu teilen und auch von deren Ideen zu lernen.

Senden Sie uns ein oder zwei Fotos Ihrer Lösung im Bereich der Lagerung mit einem kurzen Satz, der Auskunft gibt

  • Über die Art des Objekts
  • Über das verwendete oder wiederverwendete Material
  • Warum diese System eine Verbesserung darstellt

Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Fotos zu teilen

  • Auf der Internationalen Facebook Seite von RE-ORG: http://www.facebook.com/reorgstorage
  • Auf Twitter, Instagramm oder Facebook unter dem Hashtag #reorgtips
  • Mit E-Mail unter: reorgstorage (at) gmail (dot) com

Letzter Termin für Ihre Einsendung ist der 31. März 2016
Die Ergebnisse werden auf einem Tumblr blog geposted und auf der ICCROM Website gehosted.

Wichtiger Hinweise: Wenn Sie Ihre Abbildung schicken bestätigen Sie, dass es Ihre eigenen sind, dass Sie sie übermitteln dürfen und dass sie bereit sind, sie unter der den Vorgaben der Creative-Commons Lizenz (Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International licence) mit anderen zu teilen

Hier ein paar Beispiele:

Lagerung von Rudern und Speeren

“Wir passten ein Regalteil an, um unsere Sammlung von Rudern und Speeren zu lagern. Wir brauchen nun weniger Platz und haben Raum für andere Objekte gewonnen”

Masken lagern in einer gebrauchten Transportkiste
“Wir haben große Holzkisten umgenutzt. Wir haben gesicherte Ketten an den Kisten angebracht um die Masken auf zu hängen. Jetzt sind sie vom Boden weg und wir riskieren nicht mehr, darauf zu treten.”
Lagerung von Stiften
“Wir haben in einer Schachtel Kompartimente geschaffen, indem wir Karton wie eine Zieharmonika falteten. Jetzt können wir jeden Stift einfach greifen. Außerdem reiben die Stifte so nicht aneinander.”

Dies ist eine von ICCROM zusammen mit dem Kanadischen Institut für Restaurierung (CCI) auf den Weg gebrachte RE-ORG International Initiative.

Dieser Beitrag ist auch auf Italienisch erhältlich, übersetzt von Marzia Loddo.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

Fehlschläge in Zahlen – Laxer Umgang mit Standorteinträgen Teil 4

Die Gründe und was man dagegen tun kann II

wantedIm dritten Teil dieser Serie haben wir untersucht, welcher Teil unserer menschlichen Natur für die Fehler verantwortlich ist, die wir im ersten Teil entdeckt haben. Aber das sind nicht die einzigen Gründe. Vorgehensweisen und verfügbare Technik spielen eine große Rolle.

1. Anzahl von Schritten bis zur endgültigen Standortänderung

Wenn man unter Kollegen mal wirklich ehrlich zueinander ist, kommen wir alle zu mehr oder weniger dem gleichen Ergebnis: so exakt und detailverliebt wir alle sein mögen, in 10 Prozent aller Fälle machen wir etwas falsch. Meistens sind es Zahlendreher, aber die ganze Bandbreite der im Teil 1 entdeckten Fehler kommt vor. Dass kaum einer unserer Fehler die Datenbank erreicht, liegt einzig und allein daran, dass wir uns selbst rigide Überprüfungsmechanismen auferlegen. So überprüfen wir zum Beispiel jede aufgeschriebene Nummer noch einmal mit der Nummer auf dem Objekt oder arbeiten zu Zweit beim Verstandorten.
Wenn so eine große Gefahr von Zahlendrehern beim Aufschreiben besteht, ist es auch völlig logisch, dass, je öfter wir das in einem Arbeitsprozess wiederholen müssen, die Wahrscheinlichkeit dieses Fehlers zunimmt. Es ist genau so logisch, dass, je mehr Leute am gesamten Prozess beteiligt sind und je mehr Zeit zwischen realer Standortänderung und Eintrag in der Datenbank vergehen, die Fehlerhäufigkeit ansteigt.
Der schlimmste Arbeitsvorgang zur Standortänderung, dem ich je begegnet bin, sah folgendermaßen aus:

  1. Der Depotverwalter notiert die Standortänderung auf einem Freßzettel im Außendepot.
  2. Der Depotverwalter oder ihre/seine Hilfskraft schreibt eine Email mit der Standortänderung, sobald er/sie in der Nähe eines Computers mit Internetanbindung ist und schickt diese an das Dokumentationsteam.
  3. Ein Mitglied des Dokumentationsteams nimmt die Standortänderung in der Datenbank vor.

Es ist völlig offensichtlich, dass dreimal die Inventarnummer und der Standort notiert wird, so dass es hier dreimal zu Übertragungsfehlern kommen kann (von verlorenen Freßzetteln ganz zu schweigen). Zu den „normalen“ Zahlendrehern kommt die Möglichkeit, die Handschrift falsch zu entziffern hinzu. Zu den Schreib- und Tippfehlern gibt es auch noch die Möglichkeit, den Standort falsch zu übertragen, da der endgültige Standorteintrag von jemandem vorgenommen wird, der nicht mit der Standortsystematik im Depot vertraut ist. Während der/die Depotverwalter/in möglicherweise merkt, dass er/sie die Grammophonnadel unmöglich ins Schwerlastregal getan haben kann, entgeht dieses Detail mit ziemlicher Sicherheit dem Dokumentar in seinem Büro.

Was man dagegen tun kann:

  • Die Anzahl der Schritte zum endgültigen Standorteintrag auf ein Minimum begrenzen. Idealerweise besteht in allen Depots Zugang zur Datenbank, so dass die Änderungen zeitgleich mit dem Standortwechsel des Objekts durchgeführt werden können.
  • Jeder, der reale Standortveränderungen von Objekten vornimmt, besitzt auch die Berechtigung, dies in der Datenbank zu vermerken.
  • Wenn mehrere Beschäftigte an der Standortänderung beteiligt sind, muss sicher gestellt sein, dass es eine Feedback-Funktion gibt, so dass der- oder diejenige, der/die das Objekt bewegt hat überprüfen kann, ob der Datenbankeintrag stimmt.
  • Technik wie Barcodes können, wenn sie flächendeckend und funktionsfähig eingeführt sind, die Zahl der Zahlendreher auf Null reduzieren. (Lesen Sie die Beispiele aus den National Galleries of Scotland und dem TECHNOSEUM).

2. Komplizierte Nummerierungssysteme

Das ist nicht wirklich eine Überraschung, aber man denkt nie wirklich darüber nach: Wenn Ihre Standortnummerierung oder Ihre Inventarnummer verwirrend kompliziert zusammengesetzt ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Inventarnummern, die der Logik „Zugangsjahr/Fortlaufende Nummerierung für das Zugangsjahr/Teilnummer“ folgen, sind wesentlich einfacher zu merken als Inventarnummern, die eine Vielzahl von Informationen zu fassen versuchen wie „Abteilungsnummer/Nummer für Material oder Technik/Zugangsjahr/Nummer für die Unterscheidung zwischen Leihe, museumspädagigischer Gebrauchssammlung und Objektsammlung/Nummer des Objekts/Teilnummer“ 1. Anders als Computer sind Menschen nicht gut darin, Nummern zu behalten. Auch wenn es nur ein kurzer Moment ist, der zwischen dem Lesen der Nummer und dem Aufschreiben vergeht, es ist ein Merkvorgang. Ein Herr Miller hat 1956 herausgefunden, dass das menschliche Gehirn nur 7 Dinge gleichzeitig behalten kann 2. Ich zweifele nicht daran, dass es blitzgescheite Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich mehr merken können, aber mir scheint es in den meisten Fällen zuzutreffen.

"Sie sagen wir vergessen nie, aber ich weiß wirklich nicht mehr, ob das jetzt 1988.1243, 1988.1342 oder 1988.1234 war."
„Sie sagen wir vergessen nie, aber ich weiß wirklich nicht mehr, ob das jetzt 1988.1243, 1988.1342 oder 1988.1234 war.“
Ein Grund, warum das dreiteilige Nummerierungssystem einfacher zu behalten ist als andere Nummerierungssysteme ist, dass ein Teil davon, das Zugangsjahr, einem etwas sagt. Als Mensch liest man 1977 nicht als 1-9-7-7, man liest es als das Jahr in dem Elvis gestorben ist oder Ihre Tochter geboren wurde. Das ist möglicherweise der Grund, warum ich selten auf Fehler im Zugangsjahr gestoßen bin und wenn, dann wenn vorher eine ganze Reihe von Objekten aus einem anderen Jahr verstandortet wurde, so dass davon auszugehen ist, dass das Hirn einfach das bisherige Jahr kopiert und eingesetzt hatte (erinnern Sie sich, was ich zum Thema Konzentration in Teil 3 gesagt habe!) oder wenn es sich um Ziffern handelt, die sich handschriftlich besonders ähnlich sehen wir 5 und 6 oder, in besonders schlimmen Sauklauen 8, 9 und/oder 0. Man könnte also sagen, dass der erste Teil des dreiteiligen Nummerierungssystem nur ein Ding ist, das man sich merken muss, nicht 4. Der nächste Teil enthält dann 3 oder 4 Ziffern, was man sich ohne weiteres merken kann, ebenso wie die Teilenummer, so lange es nicht zu viele Teile sind. Eine 1988.1243.001 lässt sich leichter merken als eine 1988.1243.193, einfach, weil man sich im ersten Fall 6 Dinge merken muss (1 Jahr + 4 Ziffern + 1 Ziffer) und im zweiten Fall 8 Dinge (1 Jahr + 4 Ziffern + 3 Ziffern).

Was man tun kann:

  • Nummerierungssysteme wählen, die dem menschlichen Hirn entgegen kommen.
  • Bleiben Sie einfach. Erwarten Sie nicht von einer Inventarnummer, dass sie gleich ALLE Informationen enthält. Es ist völlig ausreichend, wenn eine Inventarnummer es leistet, dass man zwei gleichartige Objekte voneinander unterscheiden kann. Alle weiteren Informationen kann man der Datenbank oder einer beiliegenden Inventarkarte entnehmen.
  • Vermeiden Sie, wo immer möglich, Arbeitsprozesse, die erfordern, dass man sich Nummern merken muss.
  • Kennzeichnen Sie Ihre Lagereinrichtungen klar und lesbar. Nur, weil ein Standortnummerierungssystem Ihnen völlig logisch erscheint, muss das für den nächsten Kollegen, der damit umgehen soll, nicht auch so sein. Ja, genau, ich gucke in Ihre Richtung, meine Damen und Herren Depotverwalter! Wenn Sie darauf verzichten, die Regalböden zu kennzeichnen, erwarten Sie nicht von anderen, dass sie wissen, welches nun „Boden a“ und „Boden e“ ist!

3. Zuständigkeiten

Mit jeder Person, die für Standortänderungen zuständig ist, steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern. Und, je mehr Beteiligte, desto schwerer nachzuvollziehen, was schief gegangen ist. Ebenso wächst die Unterschiedlichkeit der Fehler mit der Anzahl der beteiligten Personen. Das mag etwas schwer verständlich sein, daher ein Beispiel: Unse tapfere Depotverwalterin X arbeitet sehr gewissenhaft und genau, hat aber eine ernsthafte Schwäche: sie verwechselt gerne rechts und links. Da Positionen auf Regalböden mit „links“, „Mitte“ und „rechts“ angegeben werden, verwechselt sie auch manchmal die Position von Objekten. Der Kurator Y wird oft von der schieren Schönheit seiner Objekte geblendet und neigt dazu, zu vergessen, von welchem Regalboden er ein Objekt entnommen hat. Da er gleichzeitig davon überzeugt ist, dass er weiß, was er tut, platziert er das Objekt dann auf einem anderen Regalboden. Restauratorin Z vollbringt wahre Wunder an beschädigten Objekten, hat es aber nicht so mit Nummern. Wenn sie drei Inventarnummern auf einen Karton schreibt, ist mit Sicherheit eine davon falsch. Mit jeder dieser Schwächen kann man, einzeln betrachtet, gut umgehen: abhängig davon, wer das Objekt zuletzt bewegt hat, weiß man einfach, dass man auf der anderen Seite des Regalbodens suchen muss (bewegt von X), auf den Regalböden in der Nähe suchen muss (bewegt von Y) oder einfach mit ein paar möglichen Zahlenkombinationen spielen muss (bewegt von Z). Sobald man aber nicht weiß, wer das Objekt zuletzt in der Hand hatte, muss man alle möglichen und unmöglichen Fehlerquellen in Betracht ziehen, was entsprechend mehr investierte Arbeitszeit bedeutet, bis das Objekt gefunden ist.

Was man dagegen tun kann:

  • Die Zahl der Beschäftigten, die Standortwechsel vornehmen (dürfen) begrenzen.
  • Jede Standortänderung nicht nur mit Datum und Grund, sondern auch mit ausführendem Mitarbeiter dokumentieren.
  • In größeren Institutionen: Genau festlegen und kommunizieren, wer für Standortwechsel verantwortlich ist. Zum Beispiel: Wer dokumentiert den Wechsel in der Datenbank, der abgebende oder der empfangende Mitarbeiter? Wenn der/die Depotverwalter/in ein Objekt in die Restaurierung, ins Fotostudio oder zur/zum Ausstellungsmacher/in gibt, dokumentiert der/die Depotverwalter/in. Wenn ein/e Restaurator/in ein Objekt in das Fotostudio schickt, dokumentiert er/sie die Standortänderung. Wenn ein/e Fotograf/in ein Objekt zurück ins Depot schickt, dokumentiert er/sie die Standortänderung.

Dies war der letzte Teil zum Thema Standortänderungen in unserer Serie „Fehlschläge in Zahlen“. Ich bin mir sicher, dass es noch weitere Punkte zu beachten gibt, die ich übersehen habe. Ich freue mich auf Ihre Kommentare, Ergänzungen und Ideen! Ich bin auch dankbar für Anregungen, was wir noch in „Fehlschläge in Zahlen“ untersuchen könnten.

Herzlcihe Grüße
Angela

  1. Lachen Sie nicht, ich habe mal für eine Institution gearbeitet, die einen sehr ähnlichen Inventarnummeraufbau hatte, darunter in der Mitte eine „.1.“ deren Bedeutung mir niemand der dort arbeitenden Menschen erklären konnte, sie war einfach schon immer da gewesen.
  2. Miller, George A., The Magical Number 7, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information, Psychological Review, 1956, S. 81-97

Unbearbeitete Sammlungen – und ein wenig Hilfe von meinen Freunden

Managing Previously Unmanaged Collections - Book CoverAnfang des Jahres fragte ich Sie, ob Sie mich begleiten würden bei dem Abenteuer, ein Buch über bislang unbearbeitete Sammlungen zu schreiben. Und Sie waren dazu bereit. Viele von Ihnen unterstützten das Projekt mit Geschichten, Fotos, Kommentaren und aufmunternden Bemerkungen.
So kann ich heute stolz ankündigen dass ich das Manuskript abgegeben habe und man das Buch im Prospekt der ”Essential New Books for Museum Professionals“ bei Rowman & Littlefield auf Seite 7 schon angezeigt finden kann.
In der letzten Woche feierten unsere Kollegen in den Vereinigten Staaten Thanksgiving und in Deutschland gibt es eine entsprechende Tradition, am Ende der Erntezeit Dank zu sagen, das Erntedankfest. Heute möchte ich mich bedanken bei all denen, die zu dem Projekt beigetragen haben. Danke, dass Sie ihre Zeit und ihre Kenntnisse eingebracht und dass Sie Sich Gedanken gemacht haben.
Vor allem möchte ich die Gelegenheit ergreifen meinem persönlichen „Beirat“ zu danken. Wenn man ein Buch schreibt, sollte man sich einiger Fallstricke bewusst sein. Aber auch wenn sie einem ganz allgemein bewusst sind braucht man doch manchmal ein zweites Augenpaar, damit man sie entdeckt.

Erster Fallstrick: ich weiß, worüber ich schreibe!

Natürlich wissen Sie, worüber Sie schreiben. Sonst würden Sie dieses Buch nicht schreiben. Aber ihre persönliche Erfahrung formt das Buch. Man braucht jemanden, der eben so tief in diesem Arbeitsbereich verankert ist, wie man selbst und der deshalb helfen kann zu erkennen, wo wichtige Punkte übersehen wurden oder wo die Ratschläge, die man gibt unter bestimmten, nicht bedachten Umständen auch nach hinten losgehen können. Und man braucht diese Person um auftauchende Rätsel und Fragen der Definition zu besprechen, denn nicht alles ist so eindeutig und logisch wie man selbst das denkt – eine Tatsache, auf die man erst stößt, wenn man versucht darüber zu schreiben.
Für mein Buch übernahm diese sehr zeitaufwändige Aufgabe Darlene Bialowski, Vorstand der Darlene Bialowski Art Services, und frühere Vorsitzende des Registrar Committees der American Alliance of Museums, die selbst eine große Zahl von unbetreuten Sammlungen gesehen hat. Sie las jedes Kapitel mindestens zweimal, manchmal noch öfter, machte Vorschläge und wir diskutierten viele Aspekte des Buches via Email. Bis heute weiß ich nicht, wie sie das alles in ihrem sowieso engen Zeitplan untergebracht hat, aber ich bin ihr ewig dankbar, dass sie es getan hat. Ganz herzlichen Dank Darlene!

Zweiter Fallstrick: Ein Registrar hat nicht immer die beste Lösung

Wenn man einen bestimmten Beruf ausübt, konzentriert man sich sehr auf die wichtigsten Aspekte der täglichen Arbeit. Dadurch übersieht man leicht Dinge, die zu einem größeren Zusammenhang gehören. Um das zu erkennen braucht man die Hilfe von Jemanden mit einem Beruf, der mit dem eigenen Beruf eng verbunden, aber eben nicht identisch ist. Ich bin sehr dankbar, dass Susan L. Maltby, Restaurator bei Maltby & Associates Inc., die Verantwortung auf sich genommen hat, mein Manuskript aus dem Blickwinkel eines Restaurators zu lesen. Sie hat es um viele praktische Ideen bereichert und sie machte mich auf Stellen aufmerksam, bei denen ich mögliche Schäden an den Objekten nicht berücksichtigt hatte und auch an eventuelle Gesundheitsschäden nicht gedacht hatte. Vielen Dank Sue!

Dritter Fallstrick: Worum geht es hier überhaupt?

Mein Buch ist für Leute bestimmt, die nie mit einer unbetreuten Sammlung zu tun hatten. Es wäre gut, wenn sie eine Grundausbildung in Sammlungsbetreuung und präventiver Restaurierung hätten, aber es soll auch eine Handreichung für diejenigen sein, die bis dahin noch nie mit Sammlungen in Berührung gekommen sind. Wie konnte ich sicher sein, dass jemand, der noch nie für eine Sammlung verantwortlich gewesen ist, überhaupt versteht, wovon ich schrieb? Ich brauchte jemanden, der genügend Phantasie hatte, um sich in die Situation einer Person hinein zu versetzen, die zum ersten Mal mit der Aufgabe konfrontiert wird, eine bis dahin unbetreute Sammlung zu betreuen. Nun, es fand sich ein Freund der genügend Phantasie hat, um sich in einen Heizer auf einem Dampfschiff des 19. Jahrhunderts zu versetzen oder in einen Soldaten, der im Bürgerkrieg bei Bull Run kämpfte. Deshalb fragte ich Paul N. Pallansch von Up-Close Realism, Silver Spring, ob er sich in die Rolle eines Sammlungsmanagers hineinversetzen wolle, der mit einer chaotischen, unbearbeiteten Sammlung konfrontiert würde, mit nichts als meinem Handbuch als Hilfsmittel. Ich bin sehr froh, dass er Ja sagte und war sehr erleichtert, als er zurück schrieb, er hätte so seine Zweifel gehabt, als ich ihn fragte, aber jetzt, nach der Lektüre meint er, er könnte die Aufgabe in Angriff nehmen, wenn er auch noch alles nachschlagen würde, was die Sammlungspflege betrifft. Genau das sollen die Leser auch denken und fühlen, wenn sie das Buch gelesen haben. Vielen Dank Paul!

Das Manuskript durchläuft nun noch die Endredaktion und ich werde Sie über den weiteren Fortschritt des Projekts auf dem Laufenden halten. So wie es im Augenblick aussieht, wird ”Managing Previously Unmanaged Collections – A Practical Guide for Museums“ (Link zur Seite des Verlags mit Vorbestellmöglichkeit) Anfang nächsten Jahres erhältlich sein.

Viele Grüße
Angela

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Nous sommes Paris!

Wir sind Paris!

Picture via pixabay by stux

Es gibt keine Worte für das, was letztes Wochenende in Paris passiert ist. Lassen Sie uns statt dessen einen Moment still sein und an all die unschuldigen Opfer denken, die brutal umgebracht wurden, während sie ein Konzert, ein Café oder ein Restaurant in einer der schönsten und kulturell bedeutsamsten Hauptstädte Europas besucht haben. Lassen Sie uns auch an all diejenigen denken, die jeden Tag weltweit durch Terroranschläge ums Leben kommen und an jene, die auf der Flucht vor Terror leiden und sterben.

The Registrar Trek Team

Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Marzia Loddo.

Fehlschläge in Zahlen – Laxer Umgang mit Standorteinträgen Teil 3

Die Gründe und was man dagegen tun kann

wantedIm zweiten Teil habe ich am Ende die Frage gestellt, wie es zu den Fehlern kommt, warum wir eine Fehlerquote von 21,91 % in unserem Beispiel hatten. Sie werden es bereits erraten haben, während Schlamperei ein Grund sein KANN, ist es meistens nicht der wahre Grund. Lassen Sie uns einen Blick auf häufige Gründe werfen und uns Gedanken machen darüber, was man dagegen tun kann:

1. Hektik

Wir kennen alle diese Anfragen in letzter Minute, bei denen man das Objekt JETZT braucht, am besten sogar noch gestern. Das passiert besonders häufig vor großen Eröffnungen oder anderen zeitkritischen Veranstaltungen, wenn die Sammlungsverwaltung ohnehin schon bis zum Hals mit anderen Arbeitsaufgaben eingedeckt ist, was natürlich die Wahrscheinlichkeit erhöhnt, dass mit der Standortverwaltung etwas schief geht.
Wenn der oder die Depotverwalter/in das Objekt selbst heraussucht, ist das wahrscheinlichste, was passieren kann, ein Zahlendreher in der Inventarnummer, der zu einem falschen Standorteintrag führt. Das liegt daran, dass er oder sie die Nummer sehr wahrscheinlich schnell auf einen Zettel kritzelt und entgegen der üblichen Vorsichtsmaßnahmen nicht zusätzlich noch den Titel oder den Objekteigennamen notiert. Wenn er oder sie dann den Standort in der Datenbank ändert, wird er oder sie möglicherweise den Eintrag nicht so sorgfältig prüfen, wie das ohne Zeitdruck der Fall wäre.
Wenn ein anderer Museumsbeschäftigter das Objekt heraussucht wird er oder sie möglicherweise vergessen, die Standortänderung zu notieren. Das liegt daran, dass er oder sie, anders als die Sammlungsverwaltung, nicht tagtäglich mit Standortänderungen zu tun hat und vor allem nie nach verstellten Objekten suchen muss. Das macht es sehr einfach zu vergessen, dass die Standortänderung notiert werden muss. Genauso wahrscheinlich ist es, dass weitere Standortänderungen nicht notiert werden, zum Beispiel, wenn Objekte herausgenommen und an einen anderen Platz gestellt werden, um an das gesuchte Objekt zu kommen. Oft werden diese Objekte dann nicht an ihren richtigen Platz zurück gestellt.

Was man dagegen tun kann:

  • Klare zeitliche Grenzen für Objektanfragen bei innerbetrieblichen Projekten festlegen. Das erfordert zwar einigen Aufwand in der Durchsetzung und braucht ständiges Erinnern, aber es spart viel Sucharbeit und reduziert den Stress. Insidertipp: Positive Verstärkung wirkt hier Wunder, zum Beispiel Ausstellungsmacher, die ihre Objektlisten rechtzeitig liefern und nicht alle Nase lang mit neuen Objektwünschen kommen öffentlich loben.
  • Klare Fristen für externe Anfragen festlegen, beispielsweise für Leihanfragen.
  • Die Anzahl an Beschäftigten, die selbst Objekte entnehmen dürfen begrenzen.

2. Multitasking

Obwohl es der Normalfall sein dürfte, dass Sammlungsmanager für sehr viele verschiedene Arbeiten eingesetzt werden, verträgt sich Multitasking nicht wirklich mit Arbeiten, die ein hohes Maß an Konzentration erfordern, wie das bei Standortänderungen der Fall ist. Es ist beinahe unvermeidlich, dass Fehler passieren, wenn man zeitgleich Standorte ändert, Datenbankeinträge korrigiert, Emails liest, telefoniert und Anweisungen an Mitarbeiter gibt.

Was man dagegen tun kann:

  • Machen Sie es sich zur Regel, dass Sie nicht erreichbar sind, wenn Sie Standorte ändern. Schließen Sie das Emailprgramm und stellen Sie ihr Telefon auf einen Kollegen oder eine Kollegin um, bzw geben Sie ihm oder ihr ihr Handy. Falls es notwendig sein sollte, dass Sie im Notfall erreichbar sind, nehmen Sie ein Handy mit, das nur in RICHTIGEN Notfällen angerufen werden darf.
    Insidertipp: Falls Sie glaube, dass Sie zu wichtig sind, um nicht ständig erreichbar zu sein, machen Sie folgendes einfaches Experiment: nehmen sie zufällig herausgegriffen zwei Stunden aus ihrem Arbeitstag. Notieren Sie, wer versucht hat, Sie zu erreichen und warum. Dann schauen Sie sich die Anfragen an und versuchen Sie diejenige zu benennen, die unbedingt innerhalb dieses Zeitrahmens beantwortet werden mussten und welche unproblematisch gewesen wären, wenn Sie erst zwei Stunden später davon erfahren und dann reagiert hätten. Ich wette, dass die meisten, wenn nicht gar alle, Anfragen in die zweite Kategorie fallen und dass sogar einige Anfragen dabei waren, die sich auf anderem Wege innerhalb dieser zwei Stunden erledigt hätten.

3. Konzentration

Ein Mensch kann sich nicht 8 Stunden am Tag voll konzentrieren. Während das irgendwie logisch ist, wird es trotzdem häufig vergessen. Gerade Sammlungsleute glauben gern, dass sie die Ausnahme von der Regel darstellen, dass sie sich alles merken können und dass sie die ganze Zeit konzentriert arbeiten. Stimmt aber nicht. Standortänderungen brauchen eine extreme Aufmerksamkeit und wenn man müde wird, wird man dabei unweigerlich Fehler machen. Und da man unkonzentriert ist, merkt man natürlich sehr wahrscheinlich auch nicht, dass man gerade einen Fehler gemacht hat.

Was man dagegen tun kann:

  • Keinen ganzen Tag für Standortänderungen einplanen. Lieber einen vernünftigen Zeitraum festlegen, zum Beispiel eine oder zwei Stunden, in denen nichts anderes gemacht wird. Planen Sie selbst in diesem kurzen Rahmen Pausen ein und hören Sie sofort auf, wenn Sie merken, dass Sie nicht voll konzentriert sind und ihre Gedanken abschweifen.
  • Wo immer es möglich ist, führen Sie Verstandortungen mit einer zweiten Person durch, vor allem, wenn größere Mengen von Objekten einen neuen Standort bekommen sollen. Das reduziert die Anzahl der Fehler signifikant und man kann aufeinander aufpassen. Man selbst bekommt oft gar nicht mit, dass man nicht mehr konzentriert ist. Logisch, man ist schließlich unkonzentriert. Eine zweite Person bemerkt dies aber sehr wahrscheinlich und kann dann sagen „Ich glaube, wir brauchen eine Pause.“

Es gibt noch mehr…
Dies sind nur die Gründe, die in unserer menschlichen Natur zu suchen sind. Es gibt noch mehr Gründe, die mehr mit Verfahrensweisen und Technik zu tun haben. Darum wird es in unserem nächsten Teil gehen.

Fehlschläge in Zahlen – Laxer Umgang mit Standorteinträgen Teil 2

Der tatsächlich entstehende Schaden

wantedIch habe versprochen, dass wir uns den Schaden, der durch die in Teil 1 festgestellten Fehler wirklich entsteht, dieses Mal genauer ansehen.
Vorbemerkung: die in Minuten angegebenen Arbeitszeiten sind Schätzungen, die auf realen Versuchen basieren. Zusammenhangsarbeiten sind hier mit einberechnet, zum Beispiel, dass man die Schuber einer Schiebewandanlage herausziehen und wieder zurück schieben muss oder dass man, wenn Schilder in in einer Kiste verstaut sind, jedes Objekt herausnehmen und auf einem Tisch zwischenlagern und alle Schilder nach der Überprüfung wieder sicher in der Kiste verpacken muss. Nicht einberechnet sind die Zeiten, die man beinahe automatisch für die Verbesserung der Lagerung investiert, zum Beispiel säubern, schlecht Verpacktes besser verpacken oder falsche Objektangaben, die man bei der Gelegenheit entdeckt in der Datenbank verbessern.

Diejenigen, die glauben, dass nicht auffindbare Objekte keinen ernst zu nehmenden Schaden verursachen haben normalerweise eine falsche Vorstellung davon, wie hinter den Kulissen gearbeitet wird. Ihre Berechnung lautet folgendermaßen:

Zum in der Datenbank angegebenen Ort gehen, das Objekt suchen, es dort nicht finden:
3 Minuten (unter der Annahme, dass jedes Objekt innerhalb von 3 Minuten auffindbar ist, wie es zu den Grundprinzipien der RE-ORG-Methode für Museumsdepots gehört, hier gibt es weitere informationen: http://www.re-org.info/).

Das Objekt als „Standort unbekannt“ in der Datenbank vermerken:
1 Minute

4 Minuten verschwendete Arbeitszeit.

Aber das entspricht nicht der Realität. Objekte, nach denen gesucht wird, werden ja für einen bestimmten Zweck gebraucht, zum Beispiel für eine Ausstellung oder ein Forschungsprojekt. Das bedeutet, dass, wenn ein Objekt nicht aufgefunden wird, eine ganze Suchprozedur ausgelöst wird. Wie viel Zeit investiert werden muss, hängt sehr von den örtlichen Gegebenheiten ab. Gehen wir einmal davon aus, dass die normale Vorgehensweise so ist, dass der oder die Ausstellungsmacher/in, Kurator/in oder Referent/in Objekte, die sie oder er für eine Ausstellung benötigt, selbst heraussucht und sich nur dann an die Sammlungsverwaltung wendet, wenn er oder sie Probleme beim Auffinden eines Objektes hat. Was passiert in diesem Szenario?

Der/die Kurator/in sucht das Objekt am angegebenen Ort:
3 Minuten

Der/die Kurator/in sucht das Objekt in unmittelbarer Nähe des angegebenen Standorts um sicher zu gehen, dass es tatsächlich nicht da ist und er/sie es nicht einfach übersehen hat:
10 Minuten

Der/die Kurator/in überprüft noch einmal den Datenbankeintrag um sicher zu gehen, dass er/sie am richtigen Platz gesucht hat:
1 Minute

Der/die Kurator/in informiert den/die Depotverwalter/in, dass das Objekt nicht auffindbar ist:
5 Minuten

Der/die Depotverwalter/in durchsucht den angegebenen Standort und seine unmittelbare Nähe erneut, um sicher zu gehen, dass der/die Kurator/in es nicht einfach übersehen hat:
13 Minuten

Der/die Depotverwalter/in wirft einen Blick in die Datenbank und überlegt, was schief gegangen sein könnte. So probiert er oder sie verschiedene übliche Zahlendreher und Verwechslungen aus, die zum tatsächlichen Standort des Objektes führen könnten. Zum Beispiel: wenn 1988.1243 und 1989.1243 beides Emailschilder sind und 1988.1243 nicht an seinem Standort war, könnte es am Standort der bei 1989.1243 angegeben ist gelandet sein. Diese Überprüfung erstreckt sich oft auch auf vorherige Nutzungen, zum Beispiel wird überprüft, ob das Objekt zur Restaurierung oder für eine Ausleihe entnommen wurde, ohne dass das vermerkt wurde.
30 Minuten

Der/die Depotverwalter/in überprüft alle Objekte des gleichen Art um sicher zu gehen, dass das Objekt wirklich nicht da ist. Wie lange das braucht ist sehr vom Objekttyp, den Lagerungsbedingungen und der Qualität der Museumsdokumentation abhängig. Wenn alle Emailschilder ausnahmslos an einem Ort lagern sind sie natürlich einfacher zu überprüfen als wenn sie an verschiedenen Orten oder gar auf mehrere Depots verteilt gelagert sind. Wenn alle Emailschilder offen und sichtbar an Schiebewänden hängen sind sie einfacher und schneller zu überprüfen, als wenn sie in Luftpolsterfolie verpackt sind. Wenn sie verpackt hängen sind sie einfacher zu überprüfen, als wenn sie in ein Regalfach oder eine Kiste gequetscht sind. Wenn die Luftpolsterfolie mit einem Ausdruck des Objektfotos versehen ist, ist es einfacher zu überprüfen als wenn nur die Inventarnummer darauf steht.

Nun, wir haben etwa 750 Emailschilder. Sagen wir, man kann die Auswahl auf 200 Stück eingrenzen, wenn wir die Größe als schnelles Ausschlusskriterium für unsere Überprüfung nehmen können. Dies setzt allerdings voraus, dass unsere Sammlungsdokumentation zumindest so gut ist, dass wir die Größe unseres gesuchten Objektes kennen.
Hier ist die Zeit, die wir zur Überprüfung in den drei bereits genannten Szenarien brauchen:

Schiebewandanlage (unter der Annahme, dass eine Schiebewand 20 Emailschilder trägt, die entweder offen hängen oder die zwar verpackt sind, aber einen großen Ausdruck des Objektfotos tragen):
4 Minuten pro Wand = 40 Minuten

Schiebewandanlage (unter der Annahme, dass eine Schiebewand 20 Emailschilder trägt, die verpackt sind und groß und deutlich mit der Inventarnummer gekennzeichnet sind):
7 Minuten pro Wand = 70 Minuten

Regalfächer oder Kisten (unter der Annahme, dass jeweils 10 Schilder in ein Fach oder eine Kiste passen)
15 Minuten pro Kiste = 300 Minuten

Es ist beeindruckend zu sehen, wie nicht ideale Lagerbedingungen die Arbeitszeit erhöhen. Die Zeit, die hier für die Lagerung in Kisten angegeben ist, ist immer noch in vielerlei Hinsicht ideal: Die investierte Arbeitszeit erhöht sich noch weiter, wenn Kisten mit dem Hubwagen oder dem Gabelstapler bewegt werden müssen, wenn die Schilder nicht alle an einem Ort gelagert sind oder wenn die Standortangaben vage sind. Natürlich muss man nicht jedes Mal alle 200 Schilder durchsehen, um das richtige zu finden. Auf der anderen Seite gibt es da Murphy’s Gesetz, also kann es gut sein, dass man tatsächlich bis zum letzten Schild suchen muss. Und: nach Emailschildern lässt sich vergleichsweise einfach suchen, verglichen mit einer Kaffeemaschine in einer Sammlung von 200 Kaffeemaschinen, die sich über 18 Regale erstreckt, vor allem, wenn man annimmt, dass diese alle gut in Luftpolsterfolie verpackt sind und nur irgendwo mit der Inventarnummer gekennzeichnet sind. Immer noch eine lösbare Aufgabe, sofern alle Kaffeemaschinen zusammen gelagert sind. Völlig aussichtslos wird das Unterfangen, wenn jedes nett verpackte Objektpäckchen in 400 Regalen potentiell den gesuchten Gegenstand enthalten könnte.
Zurück zu den Zahlen…

Der/die Depotverwalter/in ändert den Standorteintrag wenn sie oder er das Objekt gefunden hat oder setzt ihn auf „Standort unbekannt“, falls dies nicht der Fall ist:
1 Minute

Der/die Depotverwalter/in informiert den oder die Kurator/in ob das Objekt gefunden wurde oder nicht:
5 Minuten

Im schlimmsten Fall, in dem das Objekt trotz aller Anstrengungen nicht wieder aufgefunden wird, muss noch mehr Arbeitszeit investiert werden, denn der oder die Kurator/in muss nun nach Ersatz suchen. Zum zusätzlichen Rechercheaufwand kommen nun eventuell noch zusätzliche Kosten wie Transportkosten wenn ein Objekt von einer anderen Institution geliehen werden muss oder Reisekosten, wenn der oder die Kurator/in für ihre Forschungen zu einer anderen Institution reisen muss. Aber ziehen wir an dieser Stelle mal Bilanz:

Insgesamt eingesetzte Arbeitszeit der oder des Kurators/in (Der Informationsaustausch zwischen Kurator/in und Depotverwalter/in zählt jeweils bei beiden):
24 Minuten
Insgesamt eingesetzte Arbeitszeit der oder des Depotverwalters/in in einer ideal organisierten Sammlung:
94 Minuten
Insgesamt eingesetzte Arbeitszeit der oder des Depotverwalters/in in einer Sammlung, deren Organisation dem Standard entspricht:
124 Minutes
Insgesamt eingesetzte Arbeitszeit der oder des Depotverwalters/in in einer Sammlung, deren Organisation unterhalb des Standards liegt:
354 Minutes

Das bedeutet, dass sogar in ideal organisierten Sammlungen falsche Standorteinträge einen Arbeitszeitverlust von etwa 2 Stunden verursachen.
zeit_deutsch

So stellt sich natürlich die Frage, wie oft so etwas vorkommt. Vorgesetzte werden normalerweise annehmen, dass dieser Fall die absolute Ausnahme darstellt. Sie vermuten, dass ihre Depotverwalter/innen äußerst genau arbeiten und ihre Sammlung im Griff haben, so dass solche Vorkommnisse mit Sicherheit nicht die Regel sein können. Auf der anderen Seite werden viele Depotverwalter/innen jetzt vermutlich ausgerufen haben „aber es passiert JEDESMAL!“ Welche Annahme ist jetzt richtig? Sie sind beide richtig und falsch. Wenn wir uns die Zahlen vom ersten Teil betrachten, kamen wir da auf eine Fehlerquote von 21,91 %. Da nur die Objekte, die aus verschiedenen Gründen keinen gültigen Standort hatten, für unseren Fall relevant sind, können wir den Fall „fehlendes Bild“ außer acht lassen, auch wenn der das Wiederauffinden etwas verkomplizieren könnte. Dann haben wir aber immer noch eine Fehlerquote von 20,54 %. Wenn wir für einen Moment annehmen, dass unsere experimentell ermittelte Fehlerquote der Realität in vielen Sammlungen entspricht, ist mit dem Standorteintrag von jedem fünften Objekt etwas nicht in Ordnung. Anders gesagt: wenn man eine Liste mit 15 Objekten erhält, wird man bei 3 Probleme haben, sie auf Anhieb zu finden. Das ist natürlich nicht zwangsläufig der Fall, aber es erklärt, warum viele Depotverwalter/innen glauben, dass es JEDESMAL passiert, weil so oft zumindest ein Objekt in jedem Vorgang, den sie auf den Schreibtisch bekommen, betroffen ist.

Tja, bedeutet das, dass die meisten Depotverwalter/innen nicht so detailversessen und sorgfältig sind wie ihre Vorgesetzten glauben? Ist unsere Selbstwahrnehmung, dass wir oft bis zur Zwanghaftigkeit sorgfältig arbeiten eine komplette Täuschung? Sind wir wirklich Schlamper? Oder gibt es außer Schlampigkeit andere Erklärungen für die Zahlen, die uns vorliegen? Das wollen wir uns im nächsten Teil einmal genauer ansehen.

Fehlschläge in Zahlen – Eine Serie mit praktischen Beispielen und echten Zahlen

Heutzutage scheinen alle von Zahlen besessen zu sein. Big Data, KPIs, ROI, die Menschen lieben es zu zählen und scheinbar glauben viele, wenn sie nur genügend Zahlen gezählt haben, könnten sie verstehen, was um sie herum passiert. Neulich fragte jemand, wie viele Objekte man braucht, um die Position eines Konservators oder Fachreferenten am Museum zu rechtfertigen. Die Leute fragen „Wieviele Objekte habt ihr in eurer Sammlung?“ als ob diese Information irgendetwas darüber aussagt, wie bedeutend oder wertvoll die Sammlung ist oder wie gut sich um sie gekümmert wird. Datenbankeinträge, die nur deshalb gemacht wurden, um unrealistische „erfasste Objekte pro Tag/Monat/Jahr“ Ziele zu erreichen, statt sich auf die Qualität der Einträge zu konzentrieren sorgen regelmäßig dafür, dass ich den Kopf gegen die Wand schlagen möchte.

Ich könnte mich stundenlang darüber auslassen, was an diesen Ansätzen falsch ist, aber das können Sie, unsere Leser, vermutlich eben so gut. Stattdessen versuche ich das Thema aus einem anderen Blickwinkel aufzurollen: Wir, die wir im Sammlungsbereich arbeiten, gehen tagtäglich mit Daten um. Man könnte sogar sagen, dass Zahlen und Daten fast schon unsere Muttersprache sind. Aber bisher lassen wir uns von anderen Leuten, die diese Sprache weniger beherrschen, vorschreiben, welche Zahlen und Daten wichtig sind und was sie uns sagen sollen. Deshalb beginne ich heute mit einer Serie, die auf ganz alltäglichen Sammlungsproblemen basiert, welche man anhand von Zahlen deutlich machen kann. Ich werde Ihnen Zahlen präsentieren und Ihnen sagen, was man daran erkennen kann.

Teil 1: Wie schlimm ist ein laxer Umgang mit Standorteinträgen wirklich?

Neulich haben wir die Lagerung von unseren Blech- und Emailschildern verbessert. Dies ist eine jener Gelegenheiten, bei denen man auf eine Reihe von sehr verschiedenen Fehlern bei der Einlagerung stößt: Zahlendreher, falsche Datenbankeinträge, fehlende Standorteinträge… Tatsächlich sind diese Umlagerungsprojekte, die einem strengen Ablauf folgen, bei dem jedes einzelne Stück herausgenommen und mit seinem Datenbankeintrag abgeglichen wird, oft die einzigen Gelegenheiten, bei denen eine reale Chance besteht, Objekte wieder aufzufinden, die als „Standort unbekannt“ gekennzeichnet sind.

Gesamt_deutsch

Das sind auch die Projekte, bei denen man oft mit „Zeitsparideen“ konfrontiert wird, wie z.B. „Aber die Objekte sind doch alle in der Datenbank erfasst, können wir da nicht einfach den Standorteintrag mit Gruppenkorrektur ändern und uns das Überprüfen sparen?“ Es ist manchmal gar nicht einfach, dagegen zu argumentieren – außer, man hat Zahlen, die belegen, warum es eben keine gute Idee ist. Also, sehen wir uns die Zahlen doch einmal an:

Wir haben an einem Tag 73 Schilder umgelagert. Beim Überprüfen entdeckten wir die folgenden Fehler und Probleme:

9 Schilder hatten einen falschen Standorteintrag in der Datenbank. Manchmal war das ein „alter“ Standorteintrag, der Ort, an dem das Schild früher einmal gestanden hatte. Da hatte entweder jemand vergessen, den Standorteintrag in der Datenbank zu ändern, nachdem er das Schild umgelagert hatte oder er oder sie hatte einen Zahlendreher in der Inventarnummer und hatte den Standort für ein völlig anderes Objekt, das nicht bewegt wurde, geändert. Manchmal war der Standort einfach falsch, entweder, weil der falsche Standort aus dem Standortthesaurus ausgewählt wurde, oder, schon wieder, weil es einen Zahlendreher bei der Inventarnummer eines völlig anderen Objektes gab.
2 Schilder hatten den Eintrag „Standort unbekannt“. Sie waren also bereits gesucht und nicht gefunden worden. Sie wurden entdeckt, als ein Schild ausgepackt wurde und man entdeckte, dass ein anderes Schild einfach mit dazu gepackt worden war. Eines der beiden war nicht mit einer Inventarnummer versehen, konnte aber später anhand der Datenbank identifiziert werden.
4 Schilder trugen falsche Inventarnummern, und das, obwohl fast alle unsere Inventarkarten (und tatsächlich alle 4 Inventarkarten in diesem Fall) ein Bild des Objektes zeigen.
1 Datenbankeintrag hatte ein falsches Bild eingebunden.

Das entspricht einer Fehlerquote von 21,91 % was bedeutet, dass mit jedem fünften Datenbankeintrag etwas nicht stimmte. Führend sind falsche Verstandortungen mit 12%, gefolgt von fehlerhaft angebrachten Inventarnummern mit 5,48%, “fehlenden” Objekten mit 2,74% und falsch eingebundenen Bildern mit 1,37%.

Fehler_deutsch

In den nächsten Teilen sehen wir uns an, wie es zu solchen Fehlern kommt, wie sie hätten vermieden werden können und was das konkret in Arbeitszeit bedeutet.

Teil 2: Der Schaden, der durch fehlerhafte Verstandortung entsteht