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Museum professional, lover of all collections work, former collections manager of the TECHNOSEUM in Mannheim, Germany. Now Professional Services Specialist for Gallery Systems. Independent museum professional. Cat wrangler and #SciFi enthusiast. Views are my own. Of course, they are. I can't make anybody responsible for the garbage my brain produces!

Wie ich ein Museumsregistrar wurde II

Vagabundin in verschiedenen Arbeitsfeldern im Museum

Angela Kipp

picture by Bernd Kiessling

Einblick in meinen derzeitigen Arbeitsplatz.
HDR-Foto von Bernd Kießling

Es sollte wohl besser heißen: Wie ich entdeckte, dass ich eine Registrarin bin. Aber von Anfang an…

Ich mochte schon immer altes Zeug und bin so lange ich denken kann auf Burgen herumgeklettert und in Museen gegangen. Also war es irgendwie logisch, dass ich mich nach der Schule für ein Studium der Museumskunde entschied. Übrigens fand das mein Berater beim Arbeitsamt eine dumme Idee… Wie auch immer, ich entschied mich für das Studium an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) in Berlin. Dies bedeutete, dass ich sechs Monate Praktikum in einem Museum oder einem Archiv vorweisen musste, um die Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen.

Ich entschloß mich, das Vorpraktikum am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim zu absolvieren. Das war das erste Mal, dass ich in Kontakt mit der Arbeit in Museumssammlungen kam, denn eine meiner Aufgaben war die Inventarisierung und Dokumentation einer 500 Objekte umfassenden Blechdosensammlung, vom sehr kleinen Medikamentendöschen bis zur großen Kaffeedose.

Der Vorteil dieses Praktikums war nicht nur, dass ich im Herbst 1998 in Berlin als Studentin der Museumskunde angenommen wurde, sondern auch, dass ich in den ersten Semesterferien einen Museumsjob hatte. Das Landesmuseum für Technik und Arbeit hatte da eine Ausstellung „automatisch aromatisch – wie Kaffee zubereitet wird und wie er schmeckt“ und ich arbeitete als eine Mischung aus Vorführtechniker und Kellnerin: erst erklärte ich anhand eines Proberösters, wie Kaffee geröstet wird und dann schenkte ich Kaffee an die Besucher aus. Wenn es nichts zu tun gab, dokumentierte ich eine Sammlung von Kaffeemaschinen und Kaffeemühlen. Bis heute kann ich Ihnen aus dem Stand einen 5-Minuten-Vortrag darüber halten, was „rezirkulierende Perkolatoren“ sind und warum es eine dumme Idee ist, damit seinen Kaffee zuzubereiten.

In meinen nächsten Semesterferien absolvierte ich ein Praktikum am Museum für Kommunikation (dem ehemaligen Postmuseum) in Berlin. Dort wurde gerade die neue Dauerausstellung vorbereitet und so musste ich „leider“ mein Studium unterbrechen, weil ich als Projektassistentin unter Vertrag genommen wurde. Das war eine sehr spannende Zeit und ich hatte Gelegenheit, viel über Ausstellungen, Recherche, Textarbeit, Urheberrechtsfragen, Umgang mit Objekten und Problemlösung zu lernen.

Im Mai 2000 nahm ich mein Studium wieder auf, aber seit dieser Zeit gab es keinen Zeitraum mehr, in dem ich nicht für Museen oder ähnliche Einrichtungen gearbeitet hätte. Ich arbeitete neben meinem Studium her als Freiberuflerin und hatte sehr unterschiedliche Jobs, die aber alle mehr oder weniger mit Sonderausstellungen zu tun hatten. So lernte ich viel über die Enigma, das Preussische Militär, Ziegel, Papierherstellung, die Entwicklung der Landwirtschaft im Land Brandenburg, Paramente und Kirchengeschichte, das menschliche Gehirn und Schraubenherstellung.

Im Frühjahr 2002 war ich mit meinem Studium fertig und arbeitete weiterhin als Freiberuflerin, hauptsächlich für das Deutsche Museum in München und für das Dommuseum in Brandenburg/Havel. Nebenher schaute ich immer wieder nach befristeten und unbefristeten Stellen in Museen. Eines Tages, als ich wieder Stellenanzeigen im Internet durchforstete, tauchte ein sehr bekannter Name auf. Das Landesmuseum für Technik und Arbeit suchte einen wissenschaftlichen Angestellten für die Betreuung der Ausstellungseinheit Kunststoffe und für den Sammlungsbereich Chemie. Da ich ohnehin nichts zu verlieren hatte, schickte ich eine Bewerbung, ohne mir große Hoffnungen zu machen, denn sie suchten einen Spezialisten im Fach Chemie. Sehr zu meiner Überraschung wurde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen und im Februar 2003 war ich zurück in „meinem alten Museum“ und fühlte mich, als wäre ich nach Hause zurückgekommen.

Developing Banana Key Rings (from left to right): Polypropylene let the key ring break too easy, blue was the wrong color, polyethylene with yellow color was just perfect.

Entwicklungsreihe der Bananen-Schlüsselanhänger: bei Polypropylen brach der Schlüsselring zu leicht, blau war offensichtlich die falsche Farbe, Polyethylen mit gelber Farbe war einfach perfekt.

Die Ausstellungseinheit Kunststoffe umfasste auch einige Spritzgußmaschinen, die immer noch funktionstüchtig waren. Als das Museum eine Sonderausstellung zum Thema Bananen zeigte, gelang es uns, einen Hersteller von Spritzgußformen aus der Nähe zu gewinnen, der uns eine Spritzgußform für einen Schlüsselanhänger in Bananenform entwarf, herstellte und spendete. Die Vorführtechniker und ich hatten viel Spaß dabei, den richtigen Kunststoff und die richtige Farbe für eine perfekte Banane zu finden. Wir hatten weiße, rosane und blaue Bananen und schließlich sogar eine, die aussah, als sei sie verfault, weil die Temperatur zu hoch eingestellt war und der Kunststoff außen etwas verbrannt war. Nach einiger Zeit konnten wir dann perfekte gelbe Polyethylen-Bananen-Schlüsselanhänger herstellen. Die Besucher liebten sie. (Entschuldigung für den Exkurs, aber da das keine Registrar-Geschichte ist, werde ich sie wohl nirgends sonst erzählen können.)

As a side note: The little blue banana is travelling the world as a geocaching travelbug, see http://www.geocaching.com/track/details.aspx?guid=0bbfcf4f-c2e6-4f21-8539-ab73e54b9dfa

Randbemerkung: die blaue Banane zieht als Geocaching Travelbug „little blue banana“ um die Welt, derzeit befindet er sich in Schweden…

Aber der „Kunststoffmensch“ zu sein, bedeutete nicht nur Ausstellungsarbeit, sondern auch Sammlungsarbeit. Es gab eine riesige Sammlung von Magnetbändern, die bis zu den ersten Entwicklungen von 1934 zurückreichte, aber auch die aktuellsten Typen umfasste. Dieser Bestand musste gesichtet und dokumentiert werden. Die größten Schwierigkeiten bereitete die Recherche nach den Lagerungsbedingungen und dazu, wie man die Inhalte sichern konnte – ein Problem das bis heute noch nicht zufriedenstellend gelöst ist.

Wie Sie sich vorstellen können, verging die Zeit wie im Fluge und ich hatte nur einen Zweijahresvertrag. In meinem zweiten Jahr wurde die Stelle des Depotverwalters am Landesmuseum ausgeschrieben. Da ich wieder nichts zu verlieren hatte, bewarb ich mich und wurde genommen. Dies markiert den Wendepunkt, ab dem ich aus der Ausstellungsarbeit komplett in die Sammlungsarbeit wechselte.

Es war wesentlich später, nachdem wir 2006 die Schließung eines unserer Depots und den Umzug unserer Sammlungen in die beiden verbliebenen Hallen über die Bühne gebracht hatten, als ich versuchte, einem Amerikanischen Kollegen zu erklären, was ich eigentlich machte. Ich konsultierte das Internet und grub zwei Stellenbeschreibungen aus, eine von einem „Collection Manager“ und eine von einem „Registrar“. Da ich der Meinung war, dass ich mehr mit dem praktischen Umgang mit Objekten zu tun hatte, wählte ich die Bezeichnung „Collection Manager“. Später erfuhr ich, dass die Verwendung dieser Bezeichnungen sich von Museum zu Museum unterscheidet und, da ich auch viel mit unserer Datenbank und mit dem Leihverkehr befasst bin, ich mich durchaus auch als „Registrar“ hätte bezeichnen können.

Das war’s Leute! So wurde ich Registrar, bzw. merkte ich, dass ich eine Registrarin war.

 

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Hoch am Himmel

Diese Geschichte erhielt ich per Email, nachdem ich nach den Hintergründen zu den faszinierenden Fotos gefragt hatte. Sharon McCullar ist die Sammlungskuratorin (Curator of Collections) am Lakeshore Museum Center in Muskegon, USA. Sie empfiehlt, sich beim Lesen der Geschichte vorzustellen, wie sie über den Rand des Hubsteigers gelehnt versucht, das einem vorbeigehenden Passanten zuzurufen. 🙂

Die Sammlungskuratorin vom Lakeshore Museum Center, Sharon McCullar, die Archivarin Beryl Gabel und der Hubsteigerfahrer der Stadt Muskegon aschen und wachsen die oberste Statue des „Soldiers and Sailors Monument“ (70 feet tall) in der Innenstadt von Muskegon, Michigan. Mehr Details in der Geschichte.

Hackley Park ist ein wichtiger Blickpunkt in der Innenstadt von Muskegon Michigan. Der Park wurde am 30. Mai 1892, am Volkstrauertag eingeweiht. Charles H. Hackley, ein prominenter einheimischer Sägemühlenbesitzer, hatte das Stück Land erworben und das Denkmal für die Soldaten und Seeleute in Auftrag gegeben, um des Einsatzes der Einwohner des Bezirks Muskegon während des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) zu gedenken. Das etwa 23 Meter hohe Granitmonument mit fünf Bronzestatuen wurde von dem in Italien geborenen Architekt Joseph Carabelli gestaltet. Um den Sockel stehen ein Seemann, ein Kavalerist, ein Infantrist und ein Artillerist. An der Spitze der Säule steht eine über 4 Meter hohe Statue der Siegesgöttin Victoria. Das Denkmal trägt die Inschrift „Nicht Eroberung, sondern Frieden – den Soldaten und Seemännern, die gekämpft haben und allen patriotischen Männern und Frauen, die geholfen haben, im Krieg der Rebellion unsere Nation zu erhalten.“

Vier weitere Statuen wurden von Charles H. Hackley in Auftrag gegeben und am Volkstrauertag 1900 an den vier Ecken des Parks aufgestellt. Es sind die Plastiken von bedeutenden Personen des Amerikanischen Bürgerkriegs. President Abraham Lincoln und Admiral Farragut wurden vom Bildhauer Charles Niehaus gefertigt. General U.S. Grant and General William T. Sherman wurden von J. Massey Rhind gemacht.

Die Sammlungskuratorin vom Lakeshore Museum Center Sharon McCullar, die Archivarin Beryl Gabel and der Hubsteigerfahrer der Stadt Muskegon reinigen die Statue des Kavaleristen am Denkmal für die Seemänner und Soldaten. Die Statue befindet sich etwa 6 Meter über dem Boden, aber sie haben immer noch die volle Sicherheitsausstattung an. Der Fahrer des Hubsteigers braucht viel Fingerspitzengefühl, um beim Manövrieren nicht gegen die Statue zu stoßen.

Zwischen 1997 und 1998 wurden die Statuen von McKay Lodge Fine Arts Conservation aus Oberlin, Ohio restauriert. Das Lakeshore Museum Center hat zusammen mit der Stadt Muskegon einen einfachen Wartungsplan entworfen, um die restaurierten Statuen zu erhalten. Teil der Zusammenarbeit ist, dass „unsere“ Kuratoren (das heißt, ich (Sharon McCullar) als Sammlungskuratorin und andere Kuratoren, wie sie gerade verfügbar sind) mit der Stadt zusammenarbeiten, um die Statuen jedes Jahr zu reinigen und leicht einzuwachsen. Wir planen das immer in den frühen Septembertagen ein. Dann ist es normalerweise mild mit günstiger relativer Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Wenn es zu heiß ist, hält das Wachs schlecht am Untergrund, aber wenn es zu kalt ist, ist das Reinigen äußerst unangenehm und der Wachsauftrag wird ungleichmäßig. Das reinigen beseitigt oberflächlichen Schmutz und gibt uns die Möglichkeit, die Statuen auf Beschädigungen und Verfallserscheinungen hin zu untersuchen. Wir benutzen ein mildes Waschmittel, das vom Restaurator empfohlen wurde, und ziemlich weiche Bürsten. Die leichte Wachsschicht erzeugt eine dünne Schutzschicht gegen den Schmutz und macht das Reinigen im nächsten Jahr einfacher. Aggressievere Mittel setzen wir nicht ein, weil wir keine Metallrestauratoren sind. Der Zeitaufwand beträgt, je nachdem, wie die Bedingungen sind, pro Statue etwa vier Stunden. An warmen Tagen mit einer leichten Brise trocknen die Statuen ziemlich schnell wieder ab. Wespennester in den Kleiderfalten der Statuen sind eine unangenehme Überraschung. Ich habe auch schon ein paar sehr große Spinnen mit einem Seifenbad geärgert.

Um an die Statuen heranzukommen, stellt uns die Stadt Muskegon einen großen Hubsteiger zur Verfügung – Wir müssen etwa 24 Meter in die Höhe, um auch an den höchsten Punkt der Viktoria-Statue zu kommen. Dazu braucht man einen geübten Hubsteigerfahrer und Nerven aus Stahl. Es kann da oben sehr windig werden – besonders wenn über Lake Michigan ein Sturm aufzieht. Um die Statuen und das Granitpodest herumzukommen braucht auch besondere Fähigkeiten. Wir müssen nahe genug sein, um effektiv arbeiten zu können, dürfen aber nicht mit dem Fahrkorb an das Denkmal anstoßen. Der Fahrkorb schwankt ein bißchen hin und her – am Ende der Woche läuft man wie beschwipster Seemann, denn die Welt schwankt, egal, ob man auf dem Hubsteiger oder auf der Erde ist. Aber die Aussicht über den Muskegon Lake, über die Stadt und Lake Michigan ist einfach spektakulär!

Text und Bilder: Sharon McCullar

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Ein seltsamer "Stift"

A misterious pen

Es kann Teil der Arbeit eines Registrars sein, herauszufinden, um was für ein Objekt es sich überhaupt handelt. Es klingt vielleicht seltsam, aber es gibt auf dieser Welt viele Objekte, die einen zunächst ratlos lassen, wenn man sie noch nie zuvor gesehen hat. Dieser Stift ist so ein Objekt, der als „Was ist das?“ in die Sammlung kam, ein unidentifiziertes Objekt unbekannter Verwendung. Dies ist die Geschichte, wie das Objekt seinen Namen und seine Bedeutung zurückbekommen hat.

Wenn man herausfinden will, wozu etwas dient, wird man das Objekt zunächst einmal von allen Seiten untersuchen und außerdem wenn möglich versuchen, einen Kontext herzustellen. In diesem Fall war das Objekt in einem Konvolut von Funkzubehör ins Haus gekommen, das ein Funkamateur dem Museum gespendet hatte. Dies legte nahe, dass es ein Werkzeug war, das man zur Reparatur von Funkgeräten oder etwas ähnlichem benötigte. Unsere naheliegndste Vermutung war, dass es sich um einen Phasenprüfer handelte, aber diese Erklärung befriedigte uns nicht. Es unterschied sich zu stark von den anderen Phasenprüfern, die wir kannten und in der Sammlung hatten. Wer zweifelt, sollte fragen. Also schickten wir das folgende Bild und die Beschreibung an die Mailingliste des RC-AAM (Registrars Comittee of the American Association of Museums):

disassembled pen

(Übersetzung, Original siehe Englische Version)

Während wir gerade eine Schenkung eines Funkamateurs fiel uns dieses seltsame Objekt in die Hände.

Es ist etwa 17 cm lang, der Durchmesser ist 11 mm. Es hat einen Clip an der Seite, um es an einer Hemdtasche o.ä. zu befestigen. Der rote Plastikknopf ist um 90 Grad drehbar, bis es ein klickendes Geräusch von sich gibt. Das rote Ding mit dem Metall- stift am vorderen Ende ist abschraubbar, so dass zwei AA-Batterien eingefügt werden können. Im Inneren des roten transparenten Plastikkopfes vorne sieht man, dass der Metallstift an etwas im Inneren angelötet ist und ebenfalls an eine kleine Lampe angelötet ist (ich wette auf nichts, aber es scheint sich um eine Glühlampe zu handeln, nicht um eine LED).

Wie wir alle wissen, funktioniert Netzwerken oft sehr gut. Keiner der Kollegen kam mit einer besseren Lösung als einem Durchgangsprüfer, aber eine Kollegin gab uns den Ratschlag, einmal in einem Elektronikshop in Berkeley/California/USA nachzufragen: „Die Leute dort sind in der Lage so ziemlich jede Frage zu beantworten, die Elektronik betrifft.“

Die Antwort von dort kam innerhalb weniger Stunden, kurz und bündig (Original in der Englischen Version):

Hi

Ich denke, es ist ein Buzz-it.

Es ist ein Signalinjektor.                

Bob Lasher

http://www.antiqueradios.com/forums/viewtopic.php?t=812

Nun wussten wir, dass es eine Art kleiner Oszilator ist mit dem man analysieren kann, welcher Teil in einem Radio oder Funkgerät nicht arbeitet. Wir hatten sogar Bilder eines ähnlichen Werkzeuges inklusive einer kurzen Bedienungsanleitung.

Für mich ist es ein großartiges Beispiel, dass Arbeit mit Sammlungen nie langweilig ist. Es ist oft Detektivarbeit und manchmal sogar internationale Zusammenarbeit.

Angela

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5 Tipps zum Umgang mit Registraren

Warum Ausstellungsmacher und Sammlungsmanager oft aneinander vorbei reden – obwohl sie sich eigentlich perfekt ergänzen.

Die Zeit, als Lagerverwalter in Museen starke Männer mit kanaldeckelgroßen Händen waren, ist längst vorbei. Heute liegt das Sammlungsmanagement meist in den Händen von ausgebildeten Spezialisten für Kulturgut. Die Berufsbezeichnungen variieren von Museum zu Museum. Sie lauten Registrar/in, Depotleiter/in, Magazinverwalter/in, Sammlungsmanager/in und dergleichen mehr. Gemeint ist eigentlich immer das gleiche: diese Person ist verantwortlich für die sichere Lagerung und den Transport von Sammlungsgütern inklusive dem dazugehörigen Papierkram. Von allen Profilen im Museumswesen unterscheiden sich wohl keine zwei Personengruppen so stark voneinander wie Ausstellungsmacher und Registrar.

Wer Ausstellungen macht, muss:

  • kreativ sein
  • Besucher und Partner mit Neuem überraschen
  • nicht nur einen Plan B, sondern auch noch einen Plan C, D und E in der Schublade haben
  • kurzfristig auf Planänderungen und unvorhergesehene Ereignisse reagieren
  • Ausstellungsstücke so in Szene setzen, dass sie im besten Licht erscheinen

Wer Sammlungen verwaltet, muss:

  • in langfristigen Zeiträumen denken
  • Materialien einsetzen, die auf Herz und Nieren auf ihre Archivtauglichkeit geprüft wurden
  • alles, was irgendwie mit einem Ausstellungsstück passiert, dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren
  • auf größtmögliche Sicherheit achten
  • Aufmerksamkeit von Depoteinrichtungen, Transporten und Ausstellungsstücken ablenken

© Claudia Wagner, Der Super-Registrar

Kein Wunder also, dass es an dieser Schnittstelle bei Ausstellungen oft zu Reibungsverlusten kommt. Dabei ist das gar nicht nötig. Wenn beide Seiten das Denken und die Anforderungen des jeweils anderen verstehen, sind Ausstellungsgestalter und Sammlungsmanager sogar ein äußerst schlagkräftiges Team. Aus Sicht einer Depotleiterin, die lange genug auch für die »andere Seite« gearbeitet hat, gibt es 5 Punkte, die Ausstellungsmachende verstehen sollten, damit die Zusammenarbeit gut klappt:

Die Zukunft im Blick

Registrare denken in Generationen. Ob ein Objekt in einer Ausstellung für drei Monate zu sehen sein wird oder nicht und ob das für die Besucher toll wäre, ist für sie erst einmal zweitrangig. Wichtig ist, dass das Objekt unbeschädigt zum Ausstellungsort kommt, dort so präsentiert wird, dass es keinen Schaden nimmt und schließlich sicher und wohlbehalten wieder zurück kommt.

Das klingt erst einmal simpel, aber ein guter Registrar wird ein Objekt erst freigeben, wenn alle Stationen auf diesem Weg für sie oder ihn sichergestellt sind. Das bedeutet für Ausstellungsmachende: je mehr Details zur Präsentation sie liefern können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie seitens der Sammlungsverwaltung einen positiven Bescheid bekommen.

Das Procedere unterscheidet sich zwar von Museumssparte zu Museumssparte und oft genug auch von Objekt zu Objekt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Sammlungsverwaltung zu Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Sonneneinstrahlung, Zwischenlagerung, Sicherheitseinrichtungen usw. Rückfragen hat, ist ziemlich hoch. Einen guten Eindruck macht es, wenn diese Daten gleich bei der Leihanfrage für eine Ausstellung mitgeliefert werden. Das zeigt, dass man sich dieser Anforderungen bewusst ist.

Wenn bereits detaillierte Vorstellungen bestehen, wie das Objekt präsentiert werden soll, ist es gut, wenn diese Informationen mitgeliefert werden. Sollte daran etwas problematisch sein, kann das gleich, noch relativ früh im Planungsprozess, besprochen werden. Das ist allemal hilfreicher, als wenn der Kurier der ausleihenden Institution erst bei der Aufstellung kurz vor Ausstellungseröffnung die Notbremse zieht, weil die geplante Präsentation so nicht ohne Schaden für das Objekt möglich ist. Oder – noch schlimmer – das erst nach Ausstellungseröffnung bemerkt wird, die Institution unter Umständen ein wichtiges Stück zurückfordert und die Besucher vor einer leeren Vitrine stehen.

Depots sind keine Warenhäuser

Die Tendenz, seinen Sammlungsbestand auf der hauseigenen Website in einer Online-Datenbank zu präsentieren, ist aus Sicht der Öffentlichkeitsarbeit zu begrüßen. Allerdings weckt diese Art von Präsentation oft falsche Erwartungen. Weder sind alle Stücke, die dort gezeigt werden, grundsätzlich ausleihfähig, noch ist gesagt, dass der Gesamtbestand präsentiert wird.

Das führt bei Ausstellungen gerne zu Missverständnissen. Die Versuchung, sich einen »Warenkorb« zusammenzustellen und dann die Objekte für die nächste Ausstellung zu »bestellen« ist groß. Ebenso die Tendenz, gleich mehr anzufragen, als man eigentlich vernünftigerweise für die Ausstellung braucht, mit dem Hintergedanken aus dem Online-Versandhandel: »was ich nicht brauche, kann ich ja zurückschicken«.

Trotz der neuen Präsentationsformen hat sich aber nichts an der klassischen Sammlungsarbeit geändert: Jedes Objekt muss einzeln herausgesucht und auf seine Ausleihfähigkeit überprüft werden. Dazu gehört nicht nur der generelle Zustand, sondern auch das Abprüfen, ob das Objekt schon für andere Projekte vorgesehen ist, ob es für die speziellen Bedingungen in der anfragenden Ausstellung überhaupt geeignet ist und ob die Daten in der Datenbank noch aktuell sind. Jedes mehr angefragte Objekt erzeugt also beim zuständigen Registrar mehr Arbeitsaufwand. Für sie oder ihn ist es vollkommen unerheblich, ob das Objekt dann später in der Ausstellung real zu sehen sein wird, der Arbeitsaufwand bleibt gleich.

Wenn der zuständige Registrar den Eindruck hat, dass die anfragende Institution mehr oder weniger »auf Vorrat« bestellt, ohne sich vorher ausreichend Gedanken zu machen, wird seine Kooperationsbereitschaft ähnlich hoch sein wie bei einem Ausstellungsmacher, dem man sagt, er müsse ja schließlich nur Bilder an die Wand hängen.

Umgekehrt aber können Ausstellungsmachende immens vom Wissen des Depotleiters profitieren, wenn sie detailliert kommunizieren, um was es ihnen geht. Oft sind interessante Objekte noch gar nicht in der Online-Datenbank gelandet, aber der Registrar erkennt sofort, dass sie in den Ausstellungskontext passen könnten.

Der Faktor Zeit

Niemand hat Zeit, am wenigsten Menschen, die Ausstellungen machen. Trotzdem: gut Ding will Weile haben. Eine Leihanfrage, die zu kurzfristig kommt, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Fehlt die Zeit zur Prüfung, wird der Registrar sich eher auf die für ihn sichere Seite schlagen und Bedenken gegen die Ausleihe anmelden. Je frühzeitiger die Anfrage kommt, umso wahrscheinlicher, dass das Objekt noch nicht für ein anderes Projekt gebucht ist. Für Reinigungs- und Restaurierungsmaßnahmen, die das Objekt in einen ausleihfähigen Zustand bringen, bleibt so eher ein Zeitfenster. Außerdem kann man sich ausreichend Gedanken um die Verpackungs- und Transporterfordernisse machen und kritische Punkte zur Zufriedenheit aller Beteiligten abklären.

Doch wie rechtzeitig ist rechtzeitig? Die Antwort ist wie immer: es kommt darauf an. Wenn sich die Ausstellungsmachenden noch nicht sicher sind, ob ein Objekt überhaupt ausgestellt werden soll oder nicht, ist es in der Regel zu früh. Kein Leihgeber ist begeistert von Leihanfragen, die dann noch mehrmals geändert werden. Andererseits sind auf Leihgeberseite ja wie dargestellt noch diverse Punkte zu klären, so dass noch genügend Zeit bleiben muss, sich gegebenenfalls nach Alternativen umzusehen. Ganz tückisch wird es bei Museen, bei denen noch eine übergeordnete Institution wie ein Stiftungsrat oder ein Board of Trustees seine Zustimmung geben muss. In so einem Fall muss die Leihanfrage so rechtzeitig eingehen, dass sie noch auf der nächsten turnusmäßigen Sitzung behandelt werden kann.

Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist also nicht abschließend zu beantworten. Idealerweise hat man ohnehin eine Person im Ausstellungsteam, die sich schwerpunktmäßig um den Leihverkehr kümmert und daher genügend Gespür, Erfahrung und Kontakte besitzt, um den richtigen Zeitpunkt für die jeweiligen Anfragen zu erkennen.

Sicher von A nach B

Sicherheits- und Transportfragen sind das Tagesgeschäft eines Registrars. Das endgültige »go« wird sie oder er erst geben, wenn sie oder er vollständig davon überzeugt ist, dass alles in Ordnung ist. So kann es Ausstellungsmachenden durchaus blühen, dass ihr Kleintransporter unverrichteter Dinge wieder abfahren muss, weil keine ausreichenden Vorkehrungen zur Ladungssicherung getroffen wurden. Auch hier gilt: Kommunikation ist der Schlüssel.

Wenn klar ist, was ausgeliehen wird, können die Transportbedingungen festgelegt werden. Ist eine Kunstspedition mit klimatisiertem LKW notwendig? Genügt ein Kleintransporter? Passt alles auf die Ladefläche? Werden Klimakisten benötigt und müssen die eventuell extra angefertigt werden? Werden diese während der gesamten Ausleihdauer beim Leihnehmer gelagert oder kommen diese zurück, um dann zum Ausstellungsabbau wieder geliefert zu werden? Muss das Objekt von einem Kurier begeleitet werden? Tausend Kleinigkeiten sind zu beachten und festzulegen, damit es, wenn es dann mit dem Ausstellungsaufbau ernst wird, nicht zu Reibungsverlusten kommt. Ein guter Sammlungsmanager wird den Ausstellungsmacher von sich aus auf kritische Punkte hinweisen bzw. die richtigen Fragen stellen. Ein beliebtes Problem sind z.B. zulässige Deckentraglasten in historischen Gebäuden oder Fahrstühle, die zu klein für die Exponate sind. Trotzdem denkt auch ein Registrar nicht immer an alles. Je besser die Kommunikation im Vorfeld, desto unwahrscheinlicher, dass unliebsame Überraschungen auftauchen.

Von i-Punkten und t-Strichen

Registrare sind schon beinahe sprichwörtlich genau, wenn es um die Dokumentation geht. »Dot every i and cross every t« ist das englische Idiom für »sehr penibel sein« und gleichzeitig so etwas wie der internationale Wahlspruch der Registrare. So kommt es, dass Registrare durchaus nervtötend genau sein können, wenn es um Formalien geht. Im Zweifelsfall wird lieber einmal zu viel dokumentiert und abgezeichnet als einmal zu wenig. Das treibt Ausstellungsmachende, die schon wieder die drei nächsten Baustellen im Kopf haben, gerne in den Wahnsinn.

Ein Beispiel: Der Zustand des Objekts wird vor der Leihgabe protokolliert und in der Regel wird die ausleihende Institution zu jedem Objekt eine Art Laufzettel mitgeben. Auf diesem soll jeweils vermerkt werden, in welchem Zustand das Objekt nach dem Transport beim Leihnehmer ankommt und wie der Zustand nach der Ausstellung, bevor es auf den Rücktransport geht, aussieht. Diese Zustandsprotokolle binden natürlich Arbeitszeit, sowohl beim Aufbau, wo es meist schnell gehen soll, als auch beim Abbau, wo schon das nächste Projekt in den Startlöchern wartet.

Je objektzentrierter die Ausstellung und je mehr Leihen aus unterschiedlichen Institutionen oder gar aus dem Ausland anstehen, desto mehr Papierkrieg ist zu bewältigen und desto eher ist man geneigt, mal das ein oder andere nicht so genau zu nehmen oder genervt zu reagieren, wenn zum gefühlt 387. Mal unterschrieben werden soll, dass alles in Ordnung ist.

Aber spätestens, wenn ein Versicherungsfall da ist oder unangenehme Fragen von den Zollbehörden kommen, kann man froh sein, wenn da jemand im Team war, der eben die i-Punkte und t-Striche im Blick gehalten hat.

Fazit: Ein starkes Team

Ausstellungsmacher und Registrar haben sehr unterschiedliche Aufgaben und meist auch Persönlichkeiten. Aber gerade deshalb können sie sich in einem interdisziplinären Team perfekt ergänzen. Was ein guter Ausstellungsmacher leistet, darüber ist schon viel geschrieben und gesprochen worden. Über den guten Registrar ist weitaus weniger bekannt und das ist insofern konsequent, als das möglichst wenig Auffallen Teil des Berufsbilds ist.

Dabei sind die verborgenen Stärken nicht zu unterschätzen: Da wäre die erwähnte Genauigkeit bei Formalitäten und Detailorientierung bei der Planung. Dazu gehört je nach Museum auch ein reicher Erfahrungsschatz in Hinblick auf Zollformalitäten, Transportunternehmen und regionale oder institutionelle Besonderheiten. Hinzu kommt, dass Sammlungsmanagement in den meisten Fällen bedeutet, mit sehr beschränkten Budgets das bestmögliche herauszuholen. So haben Depotverwalter oft eine Idee, wo man am günstigsten an bestimmte Materialien oder Dienstleistungen kommt. Ein solides Netzwerk unter Kollegen besitzen sie durch ihre Arbeit meist zwangsläufig. Das ist für Ausstellungsmachende dann gut, wenn sie bewiesen haben, dass sie einen sensiblen Umgang mit Objekten an den Tag legen. Dann kann die Empfehlung unter Kollegen oft mehr bewirken als ein noch so schön formulierter Brief an den Museumsdirektor. Das gilt im negativen Fall natürlich analog. Außerdem besitzen Magazinverwalter oft nicht nur eine gute Datenbank, sondern auch noch ein Elefantengedächtnis. Das kann bei der Ausstellungsplanung äußerst hilfreich sein, da man so auf Objekte oder vergangene Ausstellungen hingewiesen wird, die man durch keine Datenbank- oder Internetrecherche findet.

Kurz: Wer mit Registraren zu tun hat, wird sich vielleicht manchmal an die Karikatur eines preußischen Beamten oder gar an Tolkiens Gollum erinnert fühlen. Wer aber versteht, wie sie arbeiten und welche Anforderungen und Grundgedanken dahinter stehen wird gut mit ihnen zusammenarbeiten können. Bei größeren Ausstellungsprojekten empfiehlt es sich ohnehin, einen solchen Detailfetischisten in den eigenen Reihen zu haben.

Dieser Beitrag ist auch auf italienisch erhältlich, übersetzt von Davide Bordenca

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