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Fehlschläge in Zahlen – Eine Serie mit praktischen Beispielen und echten Zahlen

Heutzutage scheinen alle von Zahlen besessen zu sein. Big Data, KPIs, ROI, die Menschen lieben es zu zählen und scheinbar glauben viele, wenn sie nur genügend Zahlen gezählt haben, könnten sie verstehen, was um sie herum passiert. Neulich fragte jemand, wie viele Objekte man braucht, um die Position eines Konservators oder Fachreferenten am Museum zu rechtfertigen. Die Leute fragen „Wieviele Objekte habt ihr in eurer Sammlung?“ als ob diese Information irgendetwas darüber aussagt, wie bedeutend oder wertvoll die Sammlung ist oder wie gut sich um sie gekümmert wird. Datenbankeinträge, die nur deshalb gemacht wurden, um unrealistische „erfasste Objekte pro Tag/Monat/Jahr“ Ziele zu erreichen, statt sich auf die Qualität der Einträge zu konzentrieren sorgen regelmäßig dafür, dass ich den Kopf gegen die Wand schlagen möchte.

Ich könnte mich stundenlang darüber auslassen, was an diesen Ansätzen falsch ist, aber das können Sie, unsere Leser, vermutlich eben so gut. Stattdessen versuche ich das Thema aus einem anderen Blickwinkel aufzurollen: Wir, die wir im Sammlungsbereich arbeiten, gehen tagtäglich mit Daten um. Man könnte sogar sagen, dass Zahlen und Daten fast schon unsere Muttersprache sind. Aber bisher lassen wir uns von anderen Leuten, die diese Sprache weniger beherrschen, vorschreiben, welche Zahlen und Daten wichtig sind und was sie uns sagen sollen. Deshalb beginne ich heute mit einer Serie, die auf ganz alltäglichen Sammlungsproblemen basiert, welche man anhand von Zahlen deutlich machen kann. Ich werde Ihnen Zahlen präsentieren und Ihnen sagen, was man daran erkennen kann.

Teil 1: Wie schlimm ist ein laxer Umgang mit Standorteinträgen wirklich?

Neulich haben wir die Lagerung von unseren Blech- und Emailschildern verbessert. Dies ist eine jener Gelegenheiten, bei denen man auf eine Reihe von sehr verschiedenen Fehlern bei der Einlagerung stößt: Zahlendreher, falsche Datenbankeinträge, fehlende Standorteinträge… Tatsächlich sind diese Umlagerungsprojekte, die einem strengen Ablauf folgen, bei dem jedes einzelne Stück herausgenommen und mit seinem Datenbankeintrag abgeglichen wird, oft die einzigen Gelegenheiten, bei denen eine reale Chance besteht, Objekte wieder aufzufinden, die als „Standort unbekannt“ gekennzeichnet sind.

Gesamt_deutsch

Das sind auch die Projekte, bei denen man oft mit „Zeitsparideen“ konfrontiert wird, wie z.B. „Aber die Objekte sind doch alle in der Datenbank erfasst, können wir da nicht einfach den Standorteintrag mit Gruppenkorrektur ändern und uns das Überprüfen sparen?“ Es ist manchmal gar nicht einfach, dagegen zu argumentieren – außer, man hat Zahlen, die belegen, warum es eben keine gute Idee ist. Also, sehen wir uns die Zahlen doch einmal an:

Wir haben an einem Tag 73 Schilder umgelagert. Beim Überprüfen entdeckten wir die folgenden Fehler und Probleme:

9 Schilder hatten einen falschen Standorteintrag in der Datenbank. Manchmal war das ein „alter“ Standorteintrag, der Ort, an dem das Schild früher einmal gestanden hatte. Da hatte entweder jemand vergessen, den Standorteintrag in der Datenbank zu ändern, nachdem er das Schild umgelagert hatte oder er oder sie hatte einen Zahlendreher in der Inventarnummer und hatte den Standort für ein völlig anderes Objekt, das nicht bewegt wurde, geändert. Manchmal war der Standort einfach falsch, entweder, weil der falsche Standort aus dem Standortthesaurus ausgewählt wurde, oder, schon wieder, weil es einen Zahlendreher bei der Inventarnummer eines völlig anderen Objektes gab.
2 Schilder hatten den Eintrag „Standort unbekannt“. Sie waren also bereits gesucht und nicht gefunden worden. Sie wurden entdeckt, als ein Schild ausgepackt wurde und man entdeckte, dass ein anderes Schild einfach mit dazu gepackt worden war. Eines der beiden war nicht mit einer Inventarnummer versehen, konnte aber später anhand der Datenbank identifiziert werden.
4 Schilder trugen falsche Inventarnummern, und das, obwohl fast alle unsere Inventarkarten (und tatsächlich alle 4 Inventarkarten in diesem Fall) ein Bild des Objektes zeigen.
1 Datenbankeintrag hatte ein falsches Bild eingebunden.

Das entspricht einer Fehlerquote von 21,91 % was bedeutet, dass mit jedem fünften Datenbankeintrag etwas nicht stimmte. Führend sind falsche Verstandortungen mit 12%, gefolgt von fehlerhaft angebrachten Inventarnummern mit 5,48%, “fehlenden” Objekten mit 2,74% und falsch eingebundenen Bildern mit 1,37%.

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In den nächsten Teilen sehen wir uns an, wie es zu solchen Fehlern kommt, wie sie hätten vermieden werden können und was das konkret in Arbeitszeit bedeutet.

Teil 2: Der Schaden, der durch fehlerhafte Verstandortung entsteht

Ja, wo isses denn?

Barcodes in der Standortverwaltung im TECHNOSEUM

Einfache und effektive Standortverwaltung: Der größte Teil der Rundfunksammlung ist bereits mit Barcodes versehen. TECHNOSEUM, Foto Hans Bleh
Einfache und effektive Standortverwaltung: Der größte Teil der Rundfunksammlung ist bereits mit Barcodes versehen.
© TECHNOSEUM; Foto: Hans Bleh
Wenn Dinge im Museum verschwinden, denkt jeder an Einbruch und Diebstahl. Tatsächlich werden tagtäglich Objekte in Museen vermisst, doch die Gründe sind meist eher banal: Das Objekt wurde entnommen, um es auszustellen, zu verleihen oder zu restaurieren. Die Nachverfolgung dieser Standortänderungen erfolgt über eine Datenbank. Dieses System hat eine Schwachstelle: Ein Mensch gibt die Inventarnummer des Objekts in die Datenbank ein und vermerkt den neuen Standort. Ein kleiner Zahlendreher und statt der Kaffeekanne ist plötzlich die Druckmaschine in der Restaurierung, obwohl die ihren Standort nie verlassen hat. Der Fehler fällt meist erst dann auf, wenn ein dringend benötigtes Objekt nicht an dem in der Datenbank angegebenen Standort zu finden ist. Wenn regelmäßig tausende Objekte im Jahr bewegt werden, wie dies im TECHNOSEUM der Fall ist, stellen Fehler in der Standortverwaltung ein ernstzunehmendes Problem dar. Die naheliegende Lösung ist es, sowohl die Inventarnummer als auch die Standorte maschinenlesbar zu machen und damit die Schwachstelle „Falscheingabe“ auszuschalten.

Barcode oder RFID?

Wie bei jedem Praxisproblem gibt es auf der einen Seite die Fülle des technisch Machbaren, auf der anderen die konkreten Rahmenbedingungen vor Ort. Was in dem einen Museum sinnvoll ist, muss es nicht automatisch im nächsten auch sein. Wir haben zunächst ergebnisoffen mehrere Möglichkeiten geprüft: Zum einen Barcodes. Sie kennt man vom Einkaufen als eindimensionaler Strichcode auf den Verpackungen, von Werbeplakaten und Zeitschriften als zweidimensionalen Code, hier meist verallgemeinernd QR-Code genannt. Zum anderen RFID-Chips, die eher von Diebstahlsicherungen und Tierkennzeichnungen bekannt sind. Dann schlossen wir uns mit Kolleginnen und Kollegen weltweit kurz, die die verschiedenen Systeme in ihren Museen einsetzen. So bekamen wir einen recht guten Überblick über Möglichkeiten und Probleme. Nachdem wir diese Informationen mit unseren Anforderungen vor Ort abgeglichen hatten, entschieden wir uns für den eindimensionalen Strichcode.

Der Mensch macht‘s

Inventarkarte an einem „Einstein-Bierkrug“, eines von etwa 100 Exemplaren in den Sammlungsbeständen. Das TECHNOSEUM zeigt 2016 eine Sonderausstellung zum Thema „Bier“ © TECHNOSEUM; Foto: Hans Bleh
Inventarkarte an einem „Einstein-Bierkrug“, eines von etwa 100 Exemplaren in den Sammlungsbeständen. Das TECHNOSEUM zeigt 2016 eine Sonderausstellung zum Thema „Bier“
TECHNOSEUM, Foto: Hans Bleh
Von Anfang an stand für uns fest, dass wir die Barcodes nicht direkt auf den Objekten anbringen wollten. Hier bleibt es puristisch bei der Kennzeichnung mit der Inventarnummer. Der Barcode ist Bestandteil der Inventarkarte, einer laserbedruckten Polyesterfolie, die im TECHNOSEUM jedes Objekt begleitet. Der Barcode auf dieser Karte ist lediglich eine Umsetzung unserer Inventarnummer in maschinenlesbare Form. Ebenso verhält es sich mit den Barcodes, die die Standorte kennzeichnen: sie sind keine willkürliche Nummer, sondern eine vereinfachte Umsetzung unserer alphanumerischen Standortkennung.
Diese Art der Umsetzung bietet gleich mehrere Vorteile:
• Die Standortverwaltung kann auch bei Totalausfall der Scanner-Technik weitergehen. Alle Nummern bleiben menschlich lesbar, die Standorte auffindbar.
• Die Einführung der Barcodes kann sukzessive, parallel zur gewohnten Art der Verstandortung erfolgen. Es gibt keine Verzögerungen im Arbeitsablauf, wenn ein Objekt oder ein Standort noch keinen Barcode hat.
• Durch die geringe Zeichenzahl reicht die Kapazität des klassischen Strichcodes aus, wodurch günstigere Lesegeräte verwendet werden können.

Arbeit vor Ort und in der Datenbank

Die Barcode-Scanner arbeiten nicht anders als eine Tastatur oder eine Maus. Wenn der Barcode gescannt wird, zeigt unsere Datenbank (Faust 7) den zugehörigen Datensatz an, der dann bearbeitet werden kann. Soll der Standort verändert werden, wird der Standortbarcode direkt an der Lagereinheit oder aus einer Liste am Arbeitsplatz abgescannt. Die im TECHNOSEUM eingesetzten Barcode-Lesegeräte arbeiten drahtlos über Funk. Sie besitzen außerdem eine Speicherfunktion, wodurch auch Barcodes außerhalb der Reichweite des Empfängers eingelesen und dann am Arbeitsplatz ausgegeben werden können.

Die Umsetzung: Von Null auf 170.000?

Die Umsetzung einer solchen Maßnahme sieht zunächst wie eine Mammutaufgabe aus. Schließlich sollen irgendwann alle rund 170.000 Objekte des TECHNOSEUM „ihren“ Barcode tragen. Durch die simple Direktive „Alles, was wir in die Hand nehmen, bekommt einen Barcode.“ stellt sich das jedoch in der Realität wesentlich weniger dramatisch dar. Seit Februar 2015 bekommt jede Neuerwerbung zeitgleich mit der Inventarisierung ihren Barcode. Dazu bekommt jedes ausgeliehene, fotografierte, überprüfte oder restaurierte Objekt seinen Barcode umgehängt – pro Jahr betrifft das zwischen 4.000 und 6.000 Objekte. In der Datenbank haben ohnehin alle Objekte bereits einen Barcode, wodurch er automatisch auf jeder neu ausgedruckten Inventarkarte, Packliste und Kartonkennzeichnung erscheint. Freie Hilfskraftstunden werden dazu genutzt, komplette Lagereinheiten mit neuen Inventarkarten zu versehen.
Die erste Feuertaufe haben die Barcodes bereits bestanden: den Abbau der Ausstellung „Herzblut“. Etwa 600 der 700 ausgestellten Objekte entstammten dem hauseigenen Sammlungsbestand und wurden im Juni verpackt und zurück ins Depot gebracht. Dank der Barcodes gab es zum ersten Mal keine „blinden Flecken“ in der Logistikkette: jedes Objekt war zu jeder Zeit auffindbar, ob noch in der Vitrine, schon im nummerierten Umzugskarton oder bereits eingelagert im Depot. Und noch ein Novum: dies war der erste Ausstellungsabbau in der 25-jährigen Geschichte des Museums, der ganz ohne Zahlendreher ablief!

Angela Kipp

Der Artikel erschien ursprünglich in „KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven“; Ausgabe drei (August 2015); www.kulturbetrieb-magazin.de

Verwendete Kürzel und technische Begriffe

RFID (engl. Abkürzung für „radio-frequency identification“): Identifizierung mit Hilfe von Radiowellen.

Urheberrechte und wie man damit umgeht: Neues E-Book nun erhältlich!

(Rights & Reproductions: The Handbook for Cultural Institutions)

Von Anne M.Young
Zuständig für Urheberrechte
Indianapolismuseum of Art

In der vorletzten Woche erschien Rights & Reproductions: The Handbook for Cultural Institutions herausgegeben vom Indianapolis Museum of Art und der American Alliance of Museums, s. die offizielle Pressemitteilung. Nach zwei Jahren intensiver Arbeit an dem Handbuch freue ich mich sehr, dass die Anstrengung so vieler Leute Früchte getragen hat, die nun der Öffentlichkeit übergeben werden. Da ich das Handbuch gerne mein drittes „Kind“ genannt habe – hier ist es nun, ein springlebendiges neugeborenes E-book.

Umschlag der Publikation: Ausschnitt aus dem Gemälde von Edward Hopper (Amerikaner, 1882-1967): Hotellobby, 1943, Ölfarbe auf Leinwand, 81 x 100 cm, im Indianapolis Museum of Art, William Ray Adams Memorial Collection, 47.4 © Edward Hopper.
Umschlag der Publikation: Ausschnitt aus dem Gemälde von Edward Hopper (Amerikaner, 1882-1967): Hotellobby, 1943, Ölfarbe auf Leinwand, 81 x 100 cm, im Indianapolis Museum of Art, William Ray Adams Memorial Collection, 47.4 © Edward Hopper.

Das Handbook ist die erste Publikation für Spezialisten auf dem Gebiet des Urheberrechts und der Nutzungsbedingungen für geistiges Eigentum, das sich einzig auf die entsprechenden Richtlinien, Normen und die sich herausbildenden Usancen konzentriert. Wie im Handbook erklärt, muss jeder der in einer Kulturinstitution arbeitet und mit diesen Dingen zu tun hat, sich damit beschäftigen, das betrifft Registrare, Archivare, Bibliothekare, Rechtsanwälte und andere mehr.

Das Schreiben, Editieren und Gestalten von Rights & Reproductions: The Handbook for Cultural Institutions war, vergleichsweise, die einfachere Aufgabe. Die Kärrnerarbeit war die Koordination all der beweglichen Elemente, die mit dieser Produktion in Verbindung standen. Der einzige Grund, warum es nun erscheinen kann ist der: es gelang IMA (Indianapolis Museum of Art) und AAM (American Alliance of Museums) als Verleger auf eine Linie zu bringen, mehr als 20 Autoren und juristische Gutachter zusammen zu bringen, das IMA erhielt eine Beihilfe vom U.S. Institute of Museum and Library Services (IMLS) und die Getty-Stiftung ermöglichte die elektronische Publikation mit Hilfe seines Online Scholarly Catalogue Initiative (OSCI) Toolkit. Einer der Beiträger scherzte deshalb: Anne, du wirst jetzt zum „Obersten Floh-Hüter“ ernannt, ein Titel, den ich in aller Bescheidenheit annehme.

Hervor zu heben sind u.a. die folgenden Punkte:

  • 400 „Seiten“ Text und fast 800 Fußnoten (nur vier fehlen – wie dumm)
  • Ein Überblick über die Gesetze die das geistige Eigentum betreffen, ethische Richtlinien und Risiken (in den USA), sowie Verweise auf andere persönliche und moralische Rechte und Rechte Dritter, die mit den sehr unterschiedlichen internationalen Urheberrechten abgeglichen werden.
  • Darstellung der Wichtigkeit einer einheitlichen Politik im Hinblick auf die Urheberrechte unter Berücksichtigung von Open Access und deren regelmäßige Überprüfung
  • Je 50 Bezugnahmen auf Lizenzen für freie Dokumentation und Open Access und über 170 auf „gerechte“ Nutzung und/oder kulanten Umgang mit dem Urheberrecht
  • Rechtsfragen in Ständigen Sammlungen: Bestimmung des rechtlichen Status der Objekte, Identifizierung des Rechte-Inhabers und die Erarbeitung nicht-exklusiver Genehmigungen.
  • Nutzung von Material unter Berücksichtigung von, aber nicht Beschränkung auf, Internetgegebenheiten im Hinblick auf Publikationen und Ausstellungen, Material für pädagogische Zwecke, Webseiten und Sozialen Netze, Marketing und Werbung, Einzel- und Großhandel
  • Unterschiedliche Vorgehensweisen um Genehmigungen zu erhalten und Material zu finden, auch wenn „gerechte Nutzung“ anwendbar ist und die unterschiedlichen Bedingungen, die dabei gelten
  • 20 Fallstudien, die tatsächliche Beispiele der beitragenden Autoren nachzeichnen und ihre Erfahrungen und die Vorgehensweisen ihrer jeweiligen Arbeitgeber darlegen
  • Wie mit externen Vertriebspartnern der Vermehrung der Nutzerzahlen und einer möglichen Vergrößerung des Einkommens zum Durchbruch verholfen wird
  • Analyse, wie die Internetkommunikation mit dem Publikum funktioniert, einschließlich der Vermarktung eigener Lizenzen und der Weiterentwicklung der Strategien hinsichtlich der Fotoverwertung
  • Direkte Hyperlinks zu externen Quellen und verwandten Artikeln innerhalb der Fußnoten, der Anhänge und der Bibliographie ebenso wie zu eingefügten Videos
  • Vier Anhänge: Internationale Vereinbarungen, Gesetze und Urteile der Vereinigten Staaten, Dokumente und Vorlagen für Verträge (über 100 Seiten!),
    Literatur- und Quellenangaben.

Wer es noch nicht getan hat sollte die nächste Kaffeepause nutzen, um ein Exemplar von Rights & Reproductions: The Handbook for Cultural Institutions von der AAM Website https://aam-us.org/ProductCatalog/Product?ID=5186 herunter zu laden. Es kostet nur $4.99!

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Rights & Reproductions: The Handbook for Cultural Institutions wurde ermöglicht durch einen Zuschuss des U.S. Institute of Museum and Library Services. Es nutzt das OSCI Toolkit, das von der Getty-Foundation als Teil seiner Initiative für wissenschafltiche Online-Kataloge unterstützt wird.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Aber wie nennt man das? Nomenclature 4.0 hilft!

Die korrekte Terminologie zu nutzen ist für eine gute Museumsdokumentation von grundlegender Bedeutung, es ist die Basis jeder fachlich fundierten Museumsarbeit. Wir haben dieses Thema schon mehrfach aufgegriffen. Ich bin sehr froh, dass Nomenclature, das Standardwerk für die richtige Benennung von Objekten in den historischen Museen der USA nun in 4. Auflage erschienen ist. Jeder von Ihnen, der schon mit Kollegen darüber diskutiert hat ob ein Werkzeug (je nach Gegend) ein „Engländer“ oder ein „Franzose“ ist oder ob man einen von vier weiteren, offiziellen Bezeichnungen verwenden soll (im englischsprachigen Bereich kann man sich um „adjustabel spanner“ oder „monkey wrench“ streiten), der weiß, warum es ein Segen ist, ein normiertes Vokabular zu haben. Ich habe deshalb Jennifer Toelle gebeten, uns anlässlich der Neuauflage ein paar Zeilen zu schreiben.

nimnclatureNomenclature 4.0 ist die allerneuste Print-Ausgabe von einem der beliebtesten Thesauri für die Klassifizierung und Benennung von Objekten in Historischen Museen in Amerika.
Aufbauend auf Expertenwissen und auf die hierarchische Gliederung, die in der letzten Ausgabe eingeführt wurde, bietet Nomenclature 4.0 nun einen breiteren Anwendungsbereich und Verbesserungen, die neue Forschungen und Beiträge von Museumsfachleuten aus den Vereinigten Staaten und Kanada berücksichtigen.

Seit über 35 Jahren bietet Nomenclature einen praktischen und flexiblen Rahmen der sicherstellte, dass Museumsdokumentation, Datensuche und gemeinsame Datennutzung einheitlich erfolgen können. Dieses System bleibt das Standard-Katalogwerk für tausende von Museen und historischen Vereinen. Nomenclature unterstützt Museen, indem es ein System vorgibt, nach dem Objekte gleichartig benannt werden können und so den Austausch von Informationen zwischen Mitarbeitern, Wissenschaftlern, anderen Institutionen und der Öffentlichkeit erleichtert.

Nomenclature ermöglicht es den Katalogisierenden, die Objekte ihrer Sammlung genau und gleichartig zu benennen. Wie Pflanzen nach Familien, Gattungen und Arten unterschieden werden, so gruppiert Nomenclature die Dinge nach hierarchischen Ebenen, auf der Basis ihrer Funktion. So werden etwas die Objekte, die ursprünglich als Spielzeug entstanden oder für Spiele, Sport, Glücksspiel oder öffentliche Vergnügungen genutzt wurden in einer Kategorie zusammengestellt (Kategorie 9: Freizeitobjeke), Objekte, die dazu dienten, Ideen aus zu drücken (z.B. Kunst, Archivalien, Kultgegenstände) dagegen in der Gruppe 9: Kommunikation (von Ideen und Werten).

Das Lexikon hat zehn Kategorien, die alle von Menschen hervorgebrachten Objekte umfassen, von Gebäuden, Möbeln, Persönlichen Gegenständen, Werkzeug und Ausrüstungsgegenständen zur Materialbearbeitung, Werkzeug und Ausrüstungsgegenstände für Naturwissenschaft und Technik, Werkzeug und Ausrüstungsgegenstände für Kommunikation, Objekte für die Verteilung und den Transport von Dingen, Objekte, die Ideen und Werte kommunizieren, Freizeitobjekte und Objekte, die nicht zu klassifizieren sind. Jede Kategorie wird dann wieder in Klassen und weitere Untergliederungen aufgeteilt, wobei primäre, sekundäre und tertiäre Objektbegriffe zur Verfügung stehen.

Vielleicht finden Katalogisierende außerhalb der Grenzen Nordamerikas die Objektbezeichnungen von Nomenclature 4.0 bei ihrer täglichen Arbeit auch nützlich.
Es kann ein praktisches Referenzwerk sein, das eine bestehende Terminologie ergänzt und deshalb in den Alltag der Museumspraxis mit einbezogen werden könnte.

Nomenclature 4.0 enthält:

  • eine einführende Handreichung zur Nutzung von Nomenclature und eine Darstellung von erprobten Beispielen der Katalogisierung
  • neue und auf den neuesten Stand gebrachte Tipps und Hinweise
  • ein alphabetisches Verzeichnis von mehr als 16.900 Deskriptoren (= Normbegriffen, vorzugsweise zu benutzenden Begriffen) und weiteren Begriffen
  • einen erweiterten Thesaurus mit fast 950 neu aufgenommenen Deskriptoren
  • 475 neu in den Katalog aufgenommenen Nicht-Deskriptoren (Begriffe, die nicht verwendet werden sollen)
  • eine erweiterte und neu organisierte Abteilung für Wassertransport
  • Netzwerke, Digitale Sammlungen, Elektronische Medien, archäologische und ethnographische Objekte und vieles mehr ist nun besser abgedeckt!
  • Der Inhalt wurde überarbeitet, um kulturellem Wandel und sich entwickelnden Sammlungen http://community.aaslh.org/nomenclature/ besser gerecht werden zu können, so kann nun zeitgenössische materielle Kultur besser beschrieben werden, ebenso wie traditionelle Dinge.
  • Der Zugang zu diesen aktualisierten Daten sichert die Konsistenz der Katalogeinträge und verbessert und erleichtert das Teilen und Finden von Informationen beträchtlich.
  • Diese Edition enthält eine ganze Reihe von neuen Begriffen, die von Kollegen „vor Ort “ in Sammlungen und Dokumentationen vorgeschlagen und erbeten wurden.

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Ordering Nomenclature 4.0

Nomenclature 4.0 For Museum Cataloging bestellen: https://rowman.com/ISBN/9781442250987

Jennifer Toelle arbeitet als Registrar im Smoky Hill Museum in Salina, Kansas, U.S.A. und ist Mitglied des Arbeitskreises für Nomenklatur der American Association for State and Local History. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich an sie unter: jennifer.toelle@salina.org

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Was sind das für Objekte und wo kommen sie her?

Erschließung der Sammlung der Historischen Gesellschaft der Anna Maria Insel (Anna Maria Island Historical Society (AMIHS)

Von Ashley Burke

Im ganzen Land gibt es Gemeinden, die sich darum bemühen ihr historisches Erbe zu erhalten. In Folge dessen gibt es kleine historische Gesellschaften und Museen entstehen zu diesem Zweck. Viele dieser Organisationen werden von Ehrenamtlichen betrieben, die keine spezielle Museumsausbildung haben, besonders im Hinblick auf die Betreuung einer Sammlung. Diese Museen beherbergen oft Sammlungen, zu denen es sehr wenige Informationen gibt und die daher in Zukunft wahrscheinlich Schwierigkeiten haben werden, sowohl bei der Forschung als auch bei ihrer Entwicklung.

Das Erbe der Anna Maria Insel (Florida) erhalten

AMIHS on eHiveDas AMIHS war ein solches Museum. Es war 1992 von Bürgern gegründet worden, die von den Veränderungen in ihrer Gemeinde beunruhigt waren. Viele der früheren Bewohner zogen weg oder starben und eine rasche Veränderung der Insel hatte begonnen. AMIHS versuchte nun, die Geschichte ein zu fangen, ehe sie verschwand und dazu auch historische Objekte zu sammeln, um die einzelnen Geschichten besser erzählen zu können. In den folgenden 18 Jahren wurden mehr als 1300 Objekte, ein Häuschen aus den 1920er Jahren und noch viel mehr Archivmaterial und Notizbücher angehäuft, die noch bearbeitet werden müssen.

Viele Jahre später, nämlich 2014, an einem heißen Sommertag, besuchte eine unbekannte Museumsperson die Sammlung und erklärte dem Ehrenamtlichen, der gerade Dienst hatte, dass das Museum kein guter Hüter seiner Sammlungen sei. Von dem Augenblick an änderte sich der Blick des Museum auf die Sammlung und man bemühte sich um eine Verbindung zu einem örtlichen Museumsberater (der Autorin). Die erste Aufgabe bestand darin, das Museum zu evaluieren, um die notwendigen Konservierungsmaßnahmen zu skizzieren und Empfehlungen für deren Implementierung zu geben. Eine der wichtigsten Empfehlungen war, die Sammlung vollständig zu erfassen und zu katalogisieren. Auf der Basis der Empfehlungen und der Evaluation entschied sich das Museum, das Katalogisierungsprojekt in Angriff zu nehmen.

Katalogisieren – wie am Fließband

Das Museum beschloss eine Schließung von 1 ½ Monaten (während der Zeit, in der am wenigsten Touristen kommen) um der Museumsberaterin umfassenden Zugang zum Museum zu ermöglichen, ohne von Ehrenamtlichen und Sponsoren belästigt zu werden. So konnte eine Art Fließbandbearbeitung eingerichtet werden, bei der die Objekte Raum um Raum erfasst und fotografiert wurden, Notizen in einem Tabellenprogramm festgehalten wurden, zugleich Stützen und andere Hilfsmittel angebracht, die für eine bessere Konservierung der ausgestellten Objekte sinnvoll waren. Nach und nach wurde das Vorgehen immer stromlinienförmiger und zentrierte sich immer mehr auf das Fotografieren. Eine große Zahl von Objekten wurde aufgestellt, nummeriert, fotografiert und dann zurück gestellt. Beim Fotografieren wurde erst die Nummern fotografiert und dann das Objekt. Wenn die Fotos auf den Computer überspielt waren, wurden die Objekte den Inventarnummern entsprechend neu nummeriert. So konnte der größte Teil der Arbeit außerhalb des Museums erledigt werden. Versehen mit den Fotos der Sammlung in hoher Auflösung konnte die Museumsberaterin leicht die Bezeichnungen nach der Nomenklatur 3.0 anfügen und auch ein paar Web-Recherchen erledigen.

Nachdem die Sammlung vollständig verzeichnet und katalogisiert war (zum Schluss betrug die Zeit pro Objekt ca. 7 Minuten) wurden noch das Archiv und die Zeitungen nach Informationen über Schenker durchsucht. Nachdem die Museumsberaterin nach der Katalogisierung die Sammlung recht gut kannte war es nun leichter, Informationen der Schenker den Objekten zu zu ordnen.

Die Sammlung online verfügbar machen

Am Ende des Katalogisierungsprojekts war das ganze Museum vollständig erfasst, die Objekte mit Nummern versehen und fotografiert – nur, was anfangen mit all diesen Informationen? Das Museum bekam einen vollständigen Ausdruck für einen raschen Zugriff – aber das Museum brauchte eine Computerlösung, die mehr bot als eine Exceltabelle. Da gab es allerdings einige Hürden, die höchste war die, dass das Museum nur einen einzigen Computer besaß, der zudem meistens weggeschlossen war. Es gab keinen Server und technische Unterstützung gab es auch nicht wirklich. Das Museum brauchte aber eine preiswerte, Cloud-gestützte Internet-Lösung. Mit diesem Wissen machte sich die Museumsberaterin auf, alle Museums-Management-Programme auf zu spüren, die Opensource im Netz zu finden sind.

Im Anhang findet sich der ursprüngliche Bericht über die verschiedenen untersuchten Systeme (einschließlich der Kosten und einer Auflistung von Pro und Contra). Auf Grund dieses Berichts und nach längeren Gesprächen mit dem Museum bleib zum Schluss noch die Wahl zwischen eHive und OMEKA. In beide Systeme wurden Daten aus dem Museum eingegeben und dann dem Museumsvorstand vorgeführt. Auf Grund all dieser Informationen entschloss sich das Museum eHive zu wählen.

Nachdem die Software fest stand, wurden mit Hilfe einer Zusammenarbeit von Museum und Museumsberaterin sowie der Softwarefirma die vorhandenen Daten in die Sammlungsdatenbank eingespielt. Das AMIHS hat jetzt eine nutzbare, recherchierbare Sammlungs-Datenbank – eine auf die Forscher leicht zugreifen können, in die Neuerwerbungen leicht eingetragen werden können und in die auch das vorhandene Archivmaterial eingearbeitet werden kann.

Ashley Burke ist die Sammlungsmanagerin des Leepa-Rattner Kunstmuseums in Tarpon Springs, Florida und Museumsberaterin für Burke Museum Services. Sie hat mehr als 10 Jahre Erfahrung in Museen mit den unterschiedlichsten Sammlungen von Kunst bis Kunsthandwerk, von naturgeschichtlichen und archäologischen Objekten bis zu medizinischen (einschließlich Feuchtpräparate). Sie begeistert sich für alles, was mit Museum zu tun hat und für die Geschichte Floridas. Außerdem ist sie Teilzeit-Schmied. Sie stellt in ihrer Freizeit von Museen inspirierten Schmuck her.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Rembrandt auf dem Gabelstapler

Ursprüngliche Veröffentlichung am 25. März 2015 auf dem TECHNOblog des TECHNOSEUM

Der Gabelstapler ist im Depot unersetzlich. TECHNOSEUM, Bild Bernd Kießling
Der Gabelstapler ist im Depot unersetzlich. TECHNOSEUM, Bild Bernd Kießling
Zugegeben, wenn Kollegen aus den Kunstmuseen Sammlungen übernehmen, könnte man manchmal vor Neid erblassen. Rembrandt, Goya, Cranach… Zwar ist unser AEG Magnetophon K2 rarer als eine blaue Mauritius, aber es entfacht eben nur bei wenigen Begeisterungsstürme. Und ob die Mona Lisa oder unsere Dampflok „Eschenau“ mehr Kinderaugen zum Strahlen gebracht hat, wäre eine Wette wert. Technikliebhaber müssen aber zugeben, dass bei der Benennung technischer Geräte der Glamour oft zu kurz kommt.

Von Berlin nach Mannheim

Als jetzt die Sammlung des Deutschen Rundfunkarchivs angeliefert wurde, wurden wir für vieles entschädigt. Etwa 1.500 Geräte des ehemaligen Deutschen Rundfunkmuseums haben wir in den vergangenen Wochen von diversen Lastwagen geladen und in unseren Depots eingelagert. Selbstverständlich musste auch abgeglichen werden, ob alles, was in Berlin war, auch sicher in Mannheim gelandet ist. Bei dieser Kontrolle konnten wir uns dann plötzlich doch ein bisschen so fühlen wie die Kollegen aus den Kunstmuseen – oder doch eher wie Reiseveranstalter und Standesbeamte?

Ein Rembrandt für daheim

Die Kolleginnen und Kollegen im Depot wissen genau, wo sich welcher Fernseher befindet. TECHNOSEUM, Bild Bernd Kießling
Die Kolleginnen und Kollegen im Depot wissen genau, wo sich welcher Fernseher befindet 1 TECHNOSEUM, Bild Bernd Kießling.
Sachsenwerk bzw. Rafena in Radeberg gaben ihren Fernsehgeräten klingende Künstlernamen wie Rembrandt, Dürer oder Cranach. Philips hingen zwar an ihren kryptischen Typenbezeichnungen wie „23TD321A“, die Beinamen lesen sich aber ebenfalls wie ein „Who is Who?“ der Kunstgeschichte: Raffael, Leonardo, Michelangelo, Tizian, Bellini, Goya und schon wieder ein Rembrandt, diesmal von 1962. Blaupunkt träumte sich dagegen in südliche Urlaubsparadiese, hier stoßen wir auf „Toskana“ und „Sevilla“. Adelig wurde es bei Graetz mit „Landgraf“ und „Markgraf“. Nordmende schickte einen „Diplomat“ ins Feld, Philips einen „Mediator“, die Marketingspezialisten von Loewe entschieden sich gar für einen „Optimat“. Einen anderen Weg schlugen die VEB Fernsehgerätewerke Staßfurt ein: Hier sorgte eine Ines, Marion oder Sibylle für den guten Ton und gutes Bild. Und falls nicht – wer könnte einem Gerät mit einem so hübschen Namen schon ernstlich böse sein?

Wir in der Sammlungsabteilung können uns allerdings von den klingenden Namen nicht blenden lassen. In den nächsten Monaten geht es darum, die Sammlung zu sichten, zu sortieren und zu erfassen. Dann müssen sie noch so verpackt werden, dass ihnen die nächsten Jahrzehnte nichts passiert und sie trotzdem jederzeit zur Verfügung stehen: der „Zauberspiegel“ ebenso wie der „Bildmeister“, die „Lady“ und ihr „Kornett“ – und natürlich auch der eine oder andere „Rembrandt“.

Angela Kipp

  1. Hinweis: Weder ich noch meine Kollegen sind dafür verantwortlich, dass hier bis zu drei Fernsehgeräte übereinander gestapelt sind. Die Paletten kamen so bei uns an. Wir haben das schnellstmöglich in Ordnung gebracht.

Bisher unbearbeitete Sammlungen in den Griff kriegen – machen Sie mit?

Liebe Leserinnen und Leser von Registrar Trek,

über den Zeitraum der letzten drei Jahre haben wir immer mehr Leserinnen und Leser gewonnen, die nicht nur mitlesen, sondern auch beitragen, indem sie Beiträge mit anderen teilen, Kommentare verfassen und Kolleginnen und Kollegen zum Meinungsaustausch anstiften. Einige haben sogar Geschichten und Artikel für das Blog geschrieben. Das ist großartig!

Heute möchte ich Ihnen ein neues Projekt vorstellen, an dem ich arbeite und Sie einladen, mitzumachen.

In meinem Arbeitsleben stoße ich immer wieder auf einen Widerspruch: Es gibt wirklich fantastische Bücher über die besten Arbeitsweisen in der Sammlungsverwaltung – die großartige fünfte Ausgabe von „Museum Registration Methods“ steht einem natürlich sofort vor Augen, aber es gibt eine Vielzahl von wirklich guten Werken. Man liest darüber, was das Beste für das Sammlungsgut ist, wie man die Objekte handhabt, dokumentiert, lagert… Alle diese Bücher sind in Hinblick auf „best practice“, die bestmögliche Vorgehensweise, geschrieben und das ist sicherlich gut, denn natürlich wollen wir alle das Beste für unsere Sammlungen. Das Problem ist nur, dass der Ausgangspunkt oft ales andere als „best practice“ ist. Nehmen Sie die Geschichte „Matchball für den Registrar“ von Antony Aristovoulou als Paradebeispiel: man wird für den Umzug und die Dokumentation einer Tennissammlung unter Vertrag genommen, um dann festzustellen, dass alles in einem riesigen Überseecontainer gelagert ist und man von Punkt Null anfängt und sogar Lagerort und Material selbst auftreiben muss.

hhViel zu oft besteht, besonders bei historischen, landwirtschaftlichen und/oder technikhistorischen Sammlungen, ein Riesenunterschied zwischen den in den Büchern beschriebenen Voraussetzungen und der Realität. Über die besten Verfahrensweisen zu lesen ist gut und wichtig, aber wenn man in einem heruntergekommenen Schuppen steht, in dem es durchs Dach regnet und in dem stapelweise rostiges Zeug herumliegt, das im Vertrag etwas euphemistisch als landwitschaftliche Sammlung bezeichnet wird, ist man meilenweit davon entfernt, aus säurefreiem Karton eine passgenaue Lagerbox für ein einzelnes Objekt basteln zu können.

Um es kurz zu machen: ich arbeite an einem praktischen Handbuch zum Umgang mit bisher unbearbeiteten Sammlungen. Das Buch wird ausgehend vom schlimmstmöglichen Fall geschrieben, angefangen mit nichts als einer Sammlung in erbarmungswürdigem Zustand, um sich dann Schritt für Schritt damit zu beschäftigen, wie man die Situation verbessert 1. Es wird für die Praktikerin und den Praktiker vor Ort geschrieben sein, die oder der mit allen möglichen und unmöglichen Umständen zu kämpfen hat während sie oder er versucht, seine Sammlung in den Griff zu kriegen. Es wird besonders für den Personenkreis geschrieben sein, der zum ersten Mal mit einer solchen Situation konfrontiert wird – entweder als Berufsanfänger oder als Profi, der bislang nur in größeren und/oder gut organisierten Einrichtungen gearbeitet hat.

DSCF0373Und hier kommen Sie, die Leserinnen und Leser ins Spiel. Das Buch wird sicherlich besser und ermutigender sein, wenn es genügend Beispiele aus dem wahren Leben enthält. Natürlich, jeder ist gerne das Beispiel für „best practice“, aber was ich benötige sind Beispiele, wie mit Schwierigkeiten umgegangen wurde und wie Lösungen gefunden wurden. Wie Sammlungen aus einem erbrarmungswürdigen Zustand in einen besseren Zustand gebracht wurden. Vielleicht immer noch nicht „best practice“ aber sicherlich wesentlich besser als zuvor. Ich sammle auch alle möglichen Arten von schlimmstmöglichen Szenarien, eingebracht von alten und jungen Museumsveteranen, die Unglaubliches in der Sammlungsverwaltung gesehen haben (ich habe eine Hauptabwasserleitung gesehen, die direkt über den Regalen eines Archives verlief, die Möglichkeiten sind also endlos…).

Ab und zu werde ich hier auf diesem Blog über Aspekte schreiben, die ich gerade bearbeite und Sie nach Ihren Erfahrungen und Gedanken dazu fragen. Es wäre großartig, wenn Sie bereit wären diese zu teilen. Ich verspreche Ihnen schon jetzt, dass ich diese Bereitschaft nicht mißbrauchen werde und immer abklären werde, ob die Art und Weise, wie ich einige dieser Beispiele im Buch verwenden möchte für Sie und/oder Ihre Institution akzeptabel ist.

Danke fürs Lesen und beste Grüße

Angela

Dieser Beitrag ist auch auf russisch erhältlich, übersetzt von Helena Tomashevskaya.

  1. Janice Klein und ich haben einen kurzen Artikel unter dem Titel ”Tackling Uncatalogued Collections“ („Undokumentierte Sammlungen in den Griff bekommen“) für die diesjährige März/April Ausgabe von ”museum“, dem Magazin der American Alliance of Museums, verfasst (Seite 59-63). Hier finden Sie weitere Ideen und in welche Richtung das Projekt generell gehen wird, wobei das undokumentiert sein nur einen Teilaspekt des Problems einer unbearbeiteten Sammlung darstellt.

Der Weg zu vierten Auflage von „Basic Condition Reporting“

von Deborah Rose Van Horn

BCRVor mehr als drei Jahren entschied die Southeastern Registrar Association (SERA) eine bearbeitete Neuauflage ihres Handbuches Basic Condition Reporting erscheinen zu lassen. Die dritte Auflage war 1998 erschienen und seitdem nicht mehr aktualisiert worden. Das Buch war mit der Absicht entstanden einen gemeinsamen Rahmen für Fachleute zu schaffen, wenn Zustandsprotokolle zu erstellen sind. Es sollte ein Referenzwerk für erfahrende Sammlungsmitarbeiter sein, aber auch ein Lehrbuch für Neulinge auf diesem Gebiet.

Im Lauf der Zeit war dieses Buch immer beliebter geworden. SERA bekam eine wachsende Zahl von Bestellungen, sowohl aus den USA als auch von Übersee. Das bedeutete, dass der Schatzmeister von SERA wöchentlich oder alle zwei Wochen einen Stoß Bücher zur Post tragen musste. Das sind Aufgaben, die ein ehrenamtlich Tätiger gerne vermeidet.

Als wir dann anfingen, über eine vierte Auflage des Basic Condition Reporting nachzudenken, sahen wir das Buch aus einer ganz neuen Perspektive. Ob es gelingen würde einen Partner für die Publikation zu finden? Wie viel Arbeit würde das mit sich bringen? Wäre das mit finanziellen Verlusten verbunden? Wir beschlossen, das heraus zu finden, aber zuerst musste das Buch entstehen.

Der erste Schritt bestand darin, alle Autoren der vorherigen Ausgabe zu kontaktieren und sie zu fragen, ob sie ihr Kapitel auf den neuesten Stand bringen wollten. Weniger als die Hälfte war dazu bereit und so mussten wir uns auf die Suche nach neuen Autoren machen. Das war anfangs leicht, aber als wir den Verlagskontakten näher kamen zogen sich eine Reihe von Autoren und Redakteuren wieder aus dem Projekt zurück. Also standen wir wieder ganz am Anfang und mussten weitere Autoren einwerben. Manchmal war das wie Flöhe hüten!

Wir ließen den Autoren die Wahl, das jeweilige Kapitel vollständig neu zu schreiben, oder das existierende Kapitel zu überarbeiten mit der Vorgabe, den ursprünglichen Verfasser als Mitautor zu nennen. Wir baten die Autoren auch, die Kapitel durch Abbildungen auf den neuesten Stand zu bringen und dem Buch so ein modernes Aussehen zu geben. Nach zweieinhalb Jahren hatten wir dann endlich etwas, das wir einem Verleger präsentieren konnten.

Natürlich hatten wir noch nicht jedes Kapitel, aber wir hatten den Eindruck, dass das bald so sein würde. Wir wandten uns an Rowman & Littlefield, die Gesellschaft der Alta Mira Press gehört, um zu sehen, ob Interesse besteht. Innerhalb von zwei Tagen hatten wir einen Partner für die Publikation.

Nun wurde es ernst damit, die restlichen Kapitel für die Herausgabe zu bekommen. Das Kapitel des Mailens und Telefonierens begann und dann schlug das Schicksal zu! Einer unserer Autoren verschwand! Weder telefonisch noch mit E-Mail war er zu erreichen und wir brauchten das Kapitel. Nochmals wandten wir uns an die ursprünglichen Autoren und fragten, ob wir das Kapitel übernehmen dürften. Gerettet! Sie stimmten zu und das Projekt konnte voranschreiten.

Nach drei Jahren Arbeit an diesem Projekt freue ich mich jetzt, das Erscheinen der vierten Auflage des Basic Condition Reporting. A Handbook am 27. Februar 2015 ankündigen zu dürfen. Die neue Ausgabe hat mehr als 70 neue Abbildungen, die verschiedene Arten von Schäden zeigen und Beispiele von Zustandsberichten für viele verschiedene Materialien. Es hat auch auf den neuesten Stand gebrachte und erweiterte Kapitel für eine Vielzahl von Materialien, einschließlich Archäologischen Materials, Korbwaren, Keramik, Glas, ethnographische Objekte, Möbel, Metall, Naturkundliches Material, Gemälde, Papier, Fotografie, Skulptur, Häute und Leder sowie Textilien. Das Buch enthält nun auch ein neues Kapitel, das sich mit Zustandsberichten für Ausleihen beschäftigt. Wir hoffen, dass Sie das Buch für ebenso nützlich halten, wie wir das tun!

Es ist über die Website von Rowman & Littlefield erhältlich und über Amazon.com.

BCR Flugblatt mit spezieller Preisermäßigung

Deborah Rose Van Horn ist Registrarin bei der Kentucky Historical Society und zusammen mit Heather Culligan und Corinne Midgett Herausgeberin von „Basic Condition Reporting: A Handbook“.

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Post-its sterben nie, sie verblassen nur!

Ein faszinierende Experiment im Hinblick auf Lichtschäden

Judith Haemmerle, Executive Director
Digital Game Museum, Santa Clara, California

In unserem Museum für Videospiele, einem Start-up Unternehmen, wird alles von Ehrenamtlichen gemacht und das mit einem lächerlich geringen Budget. So müssen wir immer versuchen, das Gleichgewicht zu halten zwischen der Pflege der Sammlung – und einfach allem übrigen. Meine größte Sorge im letzten Jahr waren Schäden durch Licht.

Wir entfernten die Hälfte der Neonröhren in dem Sammlungsbereich und versahen die übrigen mit UV Folien; das war nicht sehr kostspielig und eine Arbeit, die leicht zu erledigen war. Aber die große Fensterfront in dem Raum, in dem wir unsere Ausstellungen zeigen, blieb ungeschützt. Niemand war gewillt, die mühsame Arbeit auf sich zu nehmen, eine UV-Folie an zu bringen und das in Auftrag zu geben war viel zu teuer, zumal in einem Gebäude, für das wir nur einen Mietvertrag mit kurzer Laufzeit hatten. Wir stellten Dinge aus, die von Interesse sind, die aber leicht ersetzt werden konnten und ich machte mir Sorgen wegen des Lichts. Dann kam uns eines Tages unsere Vergangenheit zu Hilfe.

Zu der ersten öffentliche Veranstaltung die wir gemacht hatten gehörte ein 10×10 Fuß großer Raum, den kein Besucher so leicht von sich aus betreten hätte. So hielten wir jeden an, der vorbei ging und baten ihn, den Namen seines liebsten Videospiels und sein Geburtsjahr auf einen farbigen Post-it-Zettel zu schreiben. Das war natürlich nur zum Spaß und keine ernsthafte Forschung, aber wir fanden auch so ein paar interessante Dinge heraus 1. Wir befestigten die Zettel an der Rückwand, nach Dekaden gruppiert und das erwies sich als Blickfang. Und da wir so auch hunderte von Personen für unsere Mailing-List gewannen war es auch eine sehr effektive Strategie.

The Post-it wall, photo by Brian Quan
Die Post-it-Wand, Foto von Brian Quan

Wir hatten Berge von Post-it-Zetteln übrig, denn wir hatten eine Menge gekauft, um eine gute Auswahl bei den Farben zu haben. Eines Tages, als ich mir gerade wieder Gedanken wegen des Lichts machte, nahm ich eine Pappe von der Rückseite eines Notizblocks und reihte dort Post-its in verschiedenen Farben auf, sodass sie halb hinter der Pappe waren und zur Hälfte dem Licht ausgesetzt. Aus irgend einem Grund befestigte ich sie so, dass sie sich gegenseitig überlappten. Und dann hängte ich das ins Fenster.

Monate gingen vorbei. Ich weiß nicht mehr wie viele, denn ich hatte kein Datum angebracht. Ich schätze es waren sechs oder acht. Wir kauften schließlich die Lichtschutzfolien, auch wenn keiner Lust hatte, sie an zu bringen und ich nahm den Farbtest mit den Post-its ab und bat unseren Fotografen ein paar Aufnahmen zu machen. Die folgenden Aufnahmen zeigen das Vorher und Nachher.

Post-its from the outside, photo by Brian Quan
Post-its von Außen, Foto von Brian Quan

Das Foto oben zeigt den Zustand von außerhalb des Fensters als ich das Ding herunter holte. Das Foto unten zeigt, wie es aussah, als wir die Zettel umklappten, um den von der Pappe geschützten Teil mit dem der Sonne ausgesetzten zu vergleichen.

Faded post-its, photo by Brian Quan
Verblasste Post-its, Foto von Brian Quan

Der Kontrast zwischen den Originalfarben und denen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt waren ist überwältigend, dabei sind es die Rückseiten der Zettel – das Verblassen ging durch bis auf die Rückseite. Darüber hinaus haben die überlappenden Farben miteinander reagiert, sodass das Orange auf dem Blau nicht nur zu Gelb verblasste, sondern von dem Blau auch einen Stich ins Grüne erhielt. Einige der Teile in Rosa und Pink sind fast zu Weiß verblasst; das waren zwei deutlich unterschiedliche Farben als wir anfingen: ein kräftiges Rosa und ein leuchtendes Pink.

Overlapping Post-its, photo by Brian Quan
Überlappende Post-ist, Foto von Brian Quan

Ich zeigte das den Ehrenamtlichen und die Folien waren rasch angebracht! Wir heben den Post-it-Verblassungs-Test im Museum auf und zeigen ihn den Besuchern, wenn wir die Bedeutung von Konservierung und Sammlungspflege erklären. Manchmal können die einfachsten Mittel unsere größten Probleme lösen!

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

  1. Erstens: das Spiel, das die ältesten (über 60) und die jüngsten (5) Teilnehmer wählten war das gleiche: Angry birds! Zweitens, die Dekade der Leute, die in den 1960er Jahren geboren wurden wählte viele Arcade-Spiele. Vorher gab es keine und kurz nach 1970 hört das abrupt auf. Für diejenigen von Ihnen, die Rohdaten lieben, sind sie hier einzusehen.

Staub: Erzfeind und Kunstwerk

Staub aus dem Naturkundemuseum (c) Klaus Pichler
Staub aus dem Naturkundemuseum
(c) Klaus Pichler
Tagein, tagaus sind wir Sammlungsleute in Museen damit beschäftigt, den Staub zu bekämpfen. Wir verpacken Kunstwerke, verhüllen Saurierskelette oder verstauen Blechdosen in Archivkartons, alles nur, um unserem Erzfeind, dem Staub, keinen Zugriff auf unsere Objekte zu gestatten. Und während wir pinseln, wischen und saugen ist wohl keinem von uns je die Idee gekommen, dass dieser Übeltäter eine ästhetische Seite haben könnte.

Doch der Fotograf Klaus Pichler, den wir schon von seiner Serie „Skeletons in the Closet“ kennen, hat diese ästhetische Seite nun ans Licht gebracht. Und während ich immer noch fasziniert vergleiche, wie sich der Staub eines Naturkundemuseums von dem eines Modegeschäfts unterscheidet, habe ich ihn gefragt, wie er auf die Idee gekommen ist.

Klaus Pichler:
„Die Idee zu meinem Projekt kam durch einen bloßen Zufall: ich bin aus meiner alten Wohnung ausgezogen und habe beim Ausräumen gemerkt, dass der Staub im Wohnzimmer rot gefärbt ist, und im Schlafzimmer blau. Das hat mich gewundert und nicht mehr losgelassen, und ich habe dann beschlossen, dass ich der Sache auf den Grund gehen und mich systematischer mit Staub, und da vor allem mit den berühmt-berüchtigten ‚Wollmäusen‘ – also Agglomerationen aus Staub – beschäftigen möchte. Mein Plan war von Beginn an, über die Zeit ein Staubarchiv anzulegen, das Staub aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft enthalten sollte, und diese Staubproben dann zu fotografieren. Ich habe mir für die Festlegung der Orte, an denen ich Staub entnehmen werde, das soziologische Modell der Daseinsgrundfunktionen (Wohnen, Arbeiten, Erholung, Verkehr,…) hergenommen und anhand dieses Modells eine ungefähre Gewichtung vorgenommen, welche Orte in welcher Menge im Projekt enthalten sein sollen. Und dann war es soweit: ich ging auf die Jagd nach Staub!

Staub aus einem Modegeschäft  (c) Klaus Pichler
Staub aus einem Modegeschäft
(c) Klaus Pichler
Sie können sich wahrscheinlich vorstellen, welche Reaktionen ich erntete, als ich (ohne Voranmeldung, wohlgemerkt!) in den verschiedenen Geschäften, Wohnungen, Museen, Schulen, Lokalen usw., deren Staub mich interessierte, auftauchte und darum bat, mich auf die Suche nach Staub machen zu dürfen. Erst recht, weil ich gar nicht viel erklärte, warum ich das mache, sondern, als ich die Erlaubnis dazu bekam, mich gleich auf alle Viere begab und die Räume nach Staubmäusen absuchte. Für viele Leute, die ich mit meinem Anliegen konfrontierte, dürfte das jedenfalls eine der seltsameren Anfragen in ihrem Berufsleben gewesen sein…

Die gefundenen Staubproben (obwohl ich in jedem Raum versuchte, mehrere zu finden, wählte ich daraus immer nur eine aus) kamen dann in mein Staubarchiv – ich katalogisierte sie mit gleichbleibenden Angaben (Datum, Ort, Adresse, Beschreibung, Katalognummer) und archivierte sie in nummerierten Petrischalen. Und wenn ich wieder 25 neue Proben zusammenhatte, dann gab es eine Fotosession, bei der ich die Staubproben unter gleichbleibenden Bedingungen mit einer speziellen, hochauflösenden Makrokamera abfotografierte. Und die Resultate meiner Sammlungstätigkeit sind im Buch ‚Dust‘ zu finden, das dieser Tage erschien.“

Was fasziniert Sie an Staub, der doch von den meisten Menschen eher als Ärgernis wahrgenommen wird?

Klaus Pichler:

Staub aus einem Kunstmuseum (c) Klaus Pichler
Staub aus einem Kunstmuseum
(c) Klaus Pichler
„Als ich das Projekt begann, dachte ich mir schon, dass ich eine gewisse Bandbreite an Staub zu sehen bekommen würde, aber was ich dann wirklich fand, damit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet: jeder Staub war anders, und vom angenommenen monochrom grauen Staub war keine Spur. Im Gegenteil, die verschiedenen Staubmäuse waren oft von großer Farbenpracht, manche in einer Hauptfarbe, manche bunt gemischt, manche farblich harmonisch, andere wieder dissonant. Und dazu passend hat mich auch die Vielfalt von Bestandteilen irritiert – von Fasern und Haare bis zu Teilen, die der jeweiligen Nutzung des Raums, in dem der Staub entstand, geschuldet sind. Popcornstücke im Kinostaub, tote Insekten im Staub der entomologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, Brotkrumen im Bäckereistaub. Manchmal ist es fast möglich, anhand der Bestandteile und Farben zu raten, woher denn der jeweilige Staub gekommen ist, da jeder Raum durch seine Gestaltung und Nutzung seinen jeweils eigenen Staub produziert. Für mich war das alles extrem faszinierend.

Deshalb eine kleine Handlungsanweisung von mir: nehmen Sie sich, wenn Sie das nächste Mal damit beschäftigt sind, Staub zu kehren, einen Moment Zeit, richten Sie den Strahl einer starken Taschenlampe auf die Wollmäuse und tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Staubs.“

Danke für diese wunderbare Gelegenheit, Staub mit anderen Augen zu sehen!

Das Buch „Dust“:

Dust_Book-003Hardcover, Einband handgemacht aus 2mm dickem Stoff und mit dem „Dust“ Logo beflockt. 30x30cm (offen: 30x60cm), 102 Seiten (4 Seiten Transparentpapier, 98 Seiten ungestrichenes Papier), 45 Bilder. Inklusive gefaltetes Poster, 50x70cm, ebenfalls auf ungestrichenen Papier gedruckt. Fotos von Klaus Pichler, Text von Josef Haslinger, zweisprachig Deutsch/Englisch.
Es kann über die Website des Fotografen bezogen werden:
http://kpic.at/images/4497