Wir basteln uns einen Datenlogger – Die Klimadiagramme unter die Lupe nehmen

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie alle schon unzählige Male auf Klimagrafiken gestarrt und versucht haben, sich das zu erklären, was Sie da sehen. Wir möchten nun Calc oder Excel dafür verwenden, unser Klima im Lager und/oder in der Ausstellung besser kennen zu lernen und Entscheidungen darüber zu treffen, bei welchen Werten ein zukünftiges Alarmsystem anschlagen soll. Ja, im Moment ist unser Logger nur ein dummes Ding, das in der Ecke sitzt und aufzeichnet, was passiert. Aber wir können ihm beibringen, mit seinen LEDs Warnmeldungen zu blinken, oder wir können ihm einen Piezo-Lautsprecher verpassen, mit dem er einen Warnton ausgeben kann, oder wir können einen anderen Logger bauen, der in der Lage ist, Warnmeldungen über WLAN zu verschicken. Aber Sie erinnern sich an Aesop’s Jungen, der immer vor dem Wolf warnte? Genau, wenn Warnmeldungen zu häufig und ohne ernsthaften Grund kommen, neigen wir dazu, sie zu ignorieren. Deshalb müssen wir zunächst verstehen, was übliches und unübliches Verhalten in unserem Raumklima ist, indem wir unsere Klimadiagramme analysieren.

Das Problem mit festen Warnwerten

Die meisten Geräte mit Alarmfunktion erlauben es uns einen Alarm einzustellen, wenn die Temperatur oder Luftfeuchtigkeit einen gewissen Wert übersteigt oder darunter fällt. Gute, professionelle Geräte besitzen zudem eine einstellbare Funktion, die festlegt, wie häufig ein Wert über- oder unterschritten sein muss, bevor gewarnt wird, um unnötige Alarme durch minimale Überschreitungen und falsche Messungen zu vermeiden.
Das ist gut für Institutionen, die ein sehr stabiles Raumklima haben, wie es zum Beispiel durch Klimaanlagen möglich ist. Hier können wir einen Alarm einstellen, der warnt, wenn die Temperatur unter 19 °C (66 °F) fällt oder über 22 °C (71 °F) ansteigt. Wir können für die Luftfeuchtigkeit einen etwas breiteren Korridor festlegen, der wahrscheinlich irgendwo um die 55% herum liegt. Aber wenn Sie immer noch eine Artikelserie lesen, das sich damit beschäftigt, einen Datenlogger selbst zu bauen, haben Sie vermutlich keine so idealen Bedingungen.
Viel wahrscheinlicher (Achtung, Studenten der Museumskunde/Museologie, hier kommt ein Klimadiagramm aus dem wahren Leben) sieht es irgendwie so aus:

A real-life graph with usual and unusual climate swings.

Ein Klimadiagramm aus dem richtigen Leben mit üblichen und unüblichen Klimaschwankungen.

Es ist nicht so, dass dieses Raumklima nicht problematisch wäre. Aber es gibt darin problematische Dinge und einige Dinge, die einfach „normal“ für diesen nicht idealen Lagerort sind. Zum Beispiel ist es völlig normal, dass die Temperatur in Auf- und Abbewegungen von 17 °C auf 23 °C (62 auf 73 °F) steigt. Eine Warnmeldung bei 22 °C (71 °F) wäre ziemlich sinnlos, da der Raum lediglich eine Heizung besitzt.

Am 2. Mai gibt es plötzlich einen rapiden Anstieg der Luftfeuchtigkeit in nur 35 Minuten:

A sudden rise of relative humidity from under 47% to over 52% within 35 minutes.

A sudden rise of relative humidity from under 47% to over 52% within 35 minutes.


Ironischerweise würde ein normaler Feuchtigkeitsalarm hier aufhören zu alarmieren, da der Wert von einem theoretisch nicht so guten Wert in den Idealbereich wechselt. Aber für den Sammlungsverwalter in einer nicht so idealen Umgebung ist diese Verhalten des Raumklimas definitiv unnormal. jemand hat eventuell die Tür aufgelassen und die feuchte Luft kommt hereingeströmt. Sie möchten überprüfen, was los ist. Doch wie erfahren Sie davon?

Eine Warnung über plötzliche Veränderungen

Wir brauchen ein flexibleres Warnsystem, eines, das uns warnt, wenn sich plötzliche Veränderungen in Temperatur und Feuchte ereignen. Ein einfacher Weg das zu erreichen ist, den aktuellen Messwert vom vorigen Messwert abzuziehen. Wir erhalten einen Wert, der etwas über die Veränderung in der Zeit zwischen zwei Messungen aussagt.

Mit unserem Wissen aus dem vorigen Artikel über die Verwendung von Calc sollten Sie nun in der Lage sein, eine solche Formel zu definieren, die den zweiten Feuchtigkeitswert vom ersten abzieht (Tipp: Die Formel lautet „=C2-C1“) und diese Formel mit der „Füllen“ Funktion auf die ganze Spalte zu übertragen. In Excel ist das übrigens sehr ähnlich.

Subtracting a humidity value from the previous value.

Einen Feuchtigkeitswert vom vorhergehenden abziehen.

Wir erhalten eine Spalte die uns etwas über die Veränderungen über die Zeit sagt. Es ist nun einfach, daraus ein Diagramm zu machen, mit dem wir sehen können, welche Werte ziemlich daneben liegen. Tipp: Sie können die Spalten, die sie für das Diagramm nicht benötigen, über das Kontextmenü ausblenden, bevor sie die Spalten für Ihr Diagramm markieren. Vielleicht nutzen wir dieses Mal auch Punkte statt Linien:

A diagramm of changes.

Ein Diagramm der Veränderungen.

Natürlich konnten Sie die Veränderungen vom ursprünglichen Diagramm ablesen, aber dieses neue Diagramm gibt Ihnen einen besseren Überblick und eine Handhabe zu definieren, über welche Veränderungen Sie wirklich informiert werden möchten. Sie sehen zum Beispiel, dass alles unter 1 wahrscheinlich ziemlch normal ist und zu viele Warnmeldungen produzieren würde, wenn Sie den Warnwert dort ansiedeln. Alles über 1 ist vermutlich etwas, von dem Sie sofort erfahren möchten, nicht erst, wenn der monatliche Klimabericht eintrudelt.

Im wirklichen Leben haben wir diese Form des Finetuning für die Klimawarnungen am TECHNOSEUM verwendet. Es gibt Bereiche mit wohlbekannten Klimaschwankungen und andere, die ein genaueres Hinsehen erfordern. Für die meisten Bereiche bekomme ich eine Warnmail, wenn sich Temperatur oder Feuchte um mehr als 1 Grad innerhalb von 5 Minuten ändert. Wenn die Veränderungen über 3 Grad liegen, bekommen andere Kolleginnen oder Kollegen, die für diesen Bereich verantwortlich sind auch eine Warnung. Das hält mich über die meisten Veränderungen informiert und ich kann entscheiden, ob ich mir das ansehen oder einen Kollegen informieren muss, während die anderen Kollegen meistenteils unbehelligt bleiben, aber trotzdem sofort nach dem Rechten sehen können, wenn etwas ganz schief läuft.

Die langsame, kontinuierliche, böse Veränderung

Das ist schon gut, aber es warnt einen nicht vor einer anderen Sache, die den Sammlungsverwalter ängstigt: die langsame und kontinuierliche Veränderung, hervorgerufen durch eine ausfallende Heizung oder einen Wasserrohrbruch. Um Ihnen zu zeigen, was ich meine, sehen wir uns ein anderes echtes Klimadiagramm an:

A slow and steady rise in humidity.

Eine langsame und kontinuierliche Veränderung der Luftfeuchtigkeit.

Dieser Raum hat eigentlich ein ziemlich stabiles Klima um die 40% relative Luftfeuchtigkeit. Gegen 8 Uhr morgens fängt die Luftfeuchtigkeit langsam an zu steigen. Langsam aber kontinuierlich, bis sie gegen 13:30 Uhr 46,7% erreicht. Kein Ereignis, über das unser Warnsystem uns informiert hätte, da die Veränderungen zwischen zwei Feuchtigkeitswerten sehr gering sind. Wenn wir ein Warnsystem für diese Art von Veränderungen haben wollen, brauchen wir etwas anderes. Wir brauchen eine Warnung vor problematischen Tendenzen.

Wie können wir das erreichen? Wir müssen zunächst einen Zeitraum definieren, der die Grundlage unserer Berechnung bilden soll. Sagen wir 30 Minuten. Wenn wir die Differenzen zwischen den letzten 6 Werten nehmen und durch 5 teilen, bekommen wir einen Wert für die Tendenz. Sie sollten nun in der Lage sein, die Formel dafür zusammen zu stellen. Sie lautet:
=(C2-C1)+(C3-C2)+(C4-C3)+(C5-C4)+(C6-C5)/5
(Wenn C die Spalte mit Feuchtigkeitswerten ist.)

Wenn wir daraus ein Diagramm machen und es mit der ursprünglichen Kurve vergleichen, bekommen wir eine Vorstellung, wie problematische Veränderungen aussehen:

The tendency values against the original curve.

Tendenzwerte verglichen mit der Ursprungskurve.

Wir können daraus ableiten, dass es eine gute Idee sein könnte eine Warnung zu bekommen, wenn der Tendenzwert über 0,5 liegt. Aber noch viel mehr als der Wert für die plötzliche Veränderung hängt das doch sehr von den örtlichen Gegebenheiten ab und kann von überwachtem Raum zu überwachtem Raum unterschiedlich sein. Es könnte weniger ideale Lagerräume geben bei denen man den Wert überhaupt nicht verwenden kann, da das Schwanken der Temperatur- und/oder Feuchtigkeitswerte einfach normal ist und man daran nichts ändern kann. Lassen Sie uns ein Beispiel ansehen, damit klar wird, was ich meine…

Alles zusammengefasst…

Wenn wir uns noch einmal die ersten drei Tage des beängstigenden Klimadiagramms vom Anfang ansehen (Sie können sich hier die kompletten Daten herunterladen), wie würde unser Warnsystem reagieren?

3 Tage im Mai…

Unsere erste Warnmeldung kommt am ersten Mai kurz nach 8, als der langsame Anstieg der Feuchtigkeit zuerst die 0,5 Marke erreicht. Dieser Wert wird den ganzen Vormittag über einige Male erreicht, es wäre also genügend Zeit zu reagieren.

Die erste Warnmeldung kommt um 8:07 Uhr am 1. Mai.

Die nächste Warnung kommt einen Tag später gegen 10 Uhr. Dies ist eine Warnung wegen einer plötzlichen Änderung. Wir sehen dass dieser Warnung 5 Minuten später eine Tendenzwarnung folgt:

Warnung über eine plötzliche Veränderung gefolgt von einer Tendenzwarnung am 2. Mai.

Etwa eineinhalb Stunden später sehen wir einen rapiden Abfall der Luftfeuchtigkeit, als diese sich wieder in Richtung „normal“ bewegt.

Wir sehen wieder eine steigende Tendenz (wenn auch nicht so stark und lang andauernd wie am 1.5.) gegen 16:30 Uhr an diesem Tag, die nächste am Folgetag gegen 10:30 Uhr, die nächste gegen 13 Uhr, die nächste gegen 20 Uhr.

7 Warnmeldungen in 3 Tagen.

In einem Zeitrahmen von lediglich 3 Tagen hatten wir 7 Tendenzwarnungen. Warnungen über rapide Änderungen kamen zweimal. Eine Warnung bei Grenzwertüberschreitung… tja, wenn wir eine Warnung ausgelöst hätten, wenn die Feuchtigkeit über 40% steigt, wäre ab 13:00 Uhr am 1. Mai kontinuierlich gewarnt worden – 5 Stunden nach der ersten Tendenzwarnung.

Wenn dieses Klimadiagramm aus einem Raum mit Klimaanlage stammen würde, hätte ich sicherlich alle 7 Tendenzwarnungen erhalten wollen, denn, ehrlich, das ist KEINE schöne Klimagrafik! Ich würde wahrscheinlich meine Tendenzwarnungen sogar auf 0,2 oder 0,3 setzen. Für einen wohlbekannten, nicht so idealen Lagerbereich… tja, da reicht dann wohl doch die Warnung bei rapiden Veränderungen. Ich werde das deutsche Wetter nicht ändern, möchte aber sehr wohl lecke Dachfenster oder offene Tore bei feuchtem Wetter mitbekommen.

Ich hoffe, Sie hatten Spaß an dieser kleinen Datenanalyse. Ich schon. Wir möchten eventuell unseren Logger auf Grundlage dieser Beobachtungen verbessern…

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