Fauler Kerl! Das Verhalten von sauren Gasen in gepufferten Papierverpackungen verstehen

Das Problem, wie saure Gase auf gepufferte Papierhüllen einwirken, ist interessant und das Ergebnis nicht ganz so, wie wir das erwarten. Die meisten von uns, selbst Wissenschaftler in der Industrie, die mit Fragestellungen zur Stabilität arbeiten, haben gelernt, dass gepuffertes Papier mit sauren Gasen reagiert und sie deshalb daran hindert das Papier zu durchdringen. Manche von diesen Spezialisten haben auch schon davon gehört, dass die Papierhülle das Objekt im Inneren nicht unbedingt vor dem Einfluss der sauren Gase schützt, aber der Puffer würde zumindest die Hülle schützen und bewirken, dass sie länger hält (und so, wie eine Rüstung, auch das Objekt schützen).

Nun, als erstes ist zu klären, was dieser Puffer eigentlich ist. Das Oxford Concise Science Dictionary definiert einen Puffer so: „Eine Lösung die Änderungen im pH-Wert verhindert, wenn eine Säure oder Base hinzugefügt wird oder die Lösung verdünnt wird.“ Da wir unsere Papierhüllen aber relativ trocken halten müssen entspricht ein Puffer im Papier nicht der wissenschaftlichen Definition. ISO 1890 Bildaufzeichnungsmaterialien – verarbeitete Bildaufzeichnungsmaterialien – Alben, Rahmen und Aufbewahrungsmaterialien verwendet den Begriff „Basische Reserve“ statt „Puffer“.
Natürlich ist das, was wir als Puffer im Papier erwarten per Definition „alkalisch“. Dabei handelt es sich unter anderem um alkalische Carbonatgesteine wie Kalzium- oder Magnesiumkarbonat oder um Metalloxyd wie Zinkoxyd. Wenn wir der Pulpe eine Base zufügen, z. B. Natriumhydroxid oder Alkalikarbonat oder Borax, dann verteilt sie sich in der Lösung und ebenso im Papier. Sehr viel davon wird wieder entfernt, wenn das Wasser von der Pulpe separiert wird und der Rest reguliert den pH-Wert des Papiers. In der Regel, da auch Säuren im Papier sind, wird einfach der pH-Wert niedriger ausfallen. D. h. trotz der Anwesenheit von Basen gibt es keine Basen-Reserve. Der Reserve-Aspekt wird dann erreicht, wenn man Basen mit geringer Löslichkeit wählt, die einen geringen Einfluss auf den ph-Wert des Papiers haben, aber doch für eine Reaktion mit Säuren zur Verfügung stehen. Ein Beispiel: wenn man mit reinem Wasser von 25 Grad C beginnt, kann man in einem Liter 0,007 Gramm Calziumkarbonat auflösen. Nun wird zum Beispiel lt. Papierindustrie das normale Büro-Kopierpapier so produziert, dass es die Papiermühle mit einem Wassergehalt von 5% seines Gewichts verlässt; damit enthält ein Blatt dieses Papiers etwa 0,2 Gramm Wasser, genügend um 0,000001 Gramm Kalziumkarbonat zu enthalten. Das ist aber nicht gleichmäßig im Papier verteilt, sondern die Basische Reserve besteht aus einzelnen Partikel im Papier, wobei sie typischerweise 2-3% des Gewichts ausmachen.
Die andere Seite des Problems besteht aus den sauren Gasmolekülen und der Art, wie sie sich bewegen. Gasmoleküle bewegen sich ganz zufällig, sodass wir nie wissen, was ein einzelnes Molekül zu einem bestimmten Zeitpunkt macht (außer, wenn eben diese Bewegung untersucht wird). Glücklicherweise gibt es statistische Regeln, die es uns erlauben zu sagen, wie sich eine große Zahl von Gasmolekülen verhalten wird. Uns jedoch interessiert das einzelne Molekül. Pufferpartikel haben keine Anziehungskraft auf Gasmoleküle, um sie an sich zu binden – also ist es alleine dem Zufall überlassen, ob ein Gasmolekül auf ein Pufferpartikel stößt. Es gibt eine sehr große Zahl von Zufallswegen durch das gepufferte Papier, die nicht bei einem Puffermedium enden und daraus folgt, dass das Gas problemlos das Papier passieren kann. Auch können Säuren und Pufferpartikel im Papier co-existieren.

Wir haben das zuerst in den 1990er Jahren beobachtet, im Zusammenhang mit der Wirkung von Stickstoffdioxyd auf Fotografien in gepufferten Papierumschlägen. In Anwesenheit von Wasser bildet Stickstoffdioxyd (NO2) Salpetersäure (HNO3) und salpetrige Säure (HNO2), die wiederum in Salpetersäure und Stickstoff (NO)zerfällt.
Zu unserer großen Überraschung hatte das Papier sowohl einen hohe Säuregrad als auch eine hohe basische Reserve. Jahre später wurde der gleiche Effekt bei sich zersetzenden Acetat-Filmen in gepufferten Papier-Umschlägen beobachtet. Hoher Säuregehalt und ein hoher Pufferanteil fanden sich im gleichen Umschlagpapier.
Nachdem wir erklärt hatten, wie ein System mit statischen Pufferpartikeln und sich per Zufallsprinzip bewegenden sauren Gasmolekülen zu dieser Situation führt, rief ein Kollege spontan: „So ein fauler Kerl!“ (lazy dad im Englischen ist natürlich schöner). Er erklärte das dann so: der faule Kerl sitzt vor dem Fernseher und möchte auf keinen Fall irgend etwas von der Fußballübertragung verpassen (ersetzen Sie das durch Ihren Lieblingssport). Der faule Kerl, der Pufferpartikel, hat nicht die Absicht sich zu bewegen, außer das Haus brennt ab. Inzwischen rennen die Kinder, die sauren Gasmoleküle, wie wild durch das Haus. Es ist ihnen ganz egal wo sie sich bewegen, Hauptsache sie können weiter rennen. Nichts wird sich an diesem System ändern, außer wenn eines der Kinder dem Vater zu nahe kommt, der sich das Kind dann schnappen wird und ihm sagen „Stopp, hör auf im Haus herum zu rennen“. Es gibt sehr viele Wege in einem Haus auf denen man sich bewegen kann, die nicht in Vaters Nähe führen, und so werden sie nicht aufhören herum zu rennen, bis sie doch einmal die Kurve nicht erwischen und den Vater stupsen (Reaktion). Da der bequeme Vater nicht die Absicht hat, den Kindern nach zu rennen können er und die herumrennenden Kinder im gleichen Haus (Papier) koexistieren.
Anmerkung: auch andere feste Additive in Papier haben die gleichen Beschränkungen. In manchen Laboratorien verwenden wir zum Beispiel Aktivkohle auf gefaltetem Papier um die Luft zu filtern und diese Filter gehorchen mehr oder weniger den gleichen physikalischen Gesetzen, auch wenn es ein paar Unterschiede gibt. Die Filter haben Ventilatoren, die große Luftvolumen durch die Filter blasen, sodass die Molekularbewegung nicht auf die zufällige Bewegung der Moleküle beschränkt ist. Außerdem ist der Kohleanteil nicht auf wenige Prozent beschränkt – die Filter sind schön schwarz von der Kohle. Dennoch: bei einem geringeren Kohleanteil und ohne die Ventilatoren wäre der Effekt von den gleichen physikalischen Gesetzen bestimmt wie bei dem Puffer im gepufferten Papier.
So hat also gepuffertes Papier nicht den Effekt, den wir von ihm erwarten und das liegt an Naturgesetzen und nicht an einer falschen Rezeptur für das Papier.

-Doug

Douglas Nishimura
Image Permanence Institute
Rochester Institute of Technology!

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

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2 thoughts on “Fauler Kerl! Das Verhalten von sauren Gasen in gepufferten Papierverpackungen verstehen”

  1. Hallo Frau Kipp,

    sehr interessanter Artikel, vielen Dank für den Hinweis in der museums-Liste. Werde ihn an zwei Kolleginnen weiterreichen.

    Viele Grüße aus dem Schwarzwald

    Sabine Grimmig

    ______

    Hello Ms. Kipp,

    very interesting article, thank you very much for the hint in the German museum listserv. I will forward this to two colleagues.

    Greetings from the Black Forest
    Sabine Grimmig

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