CIDOC 2016 – Bei der Dokumentation geht es um Menschen

Als ich meine Notizen von der CIDOC Konferenz in Mailand1 sortierte, stelle ich fest dass ich – anders als bei den Notizen von anderen Konferenzen – Mühe hatte, die einzelnen Sitzungen voneinander zu trennen und meine Gespräche mit Kollegen von den Präsentationen und Diskussionen der Konferenz zu unterscheiden. Schließlich gab ich es auf, Resümees der einzelnen Sessionen zu schreiben und sah auf das Gesamtbild. Gab es ein Generalthema, etwas, das in allen Sessionen und Diskussionen eine Rolle spielte? Ja, das gab es und zu meiner großen Überraschung war das nicht so etwas wie „wir müssen mehr Kontext für unsere Daten schaffen“ oder „wir brauchen bessere Standards“ oder “wir müssen unseren Beruf besser verkaufen“ – das Generalthema war – zumindest für mich: Gute Dokumentation beginnt mit den Menschen, die sie machen und sie ist nur gut, wenn sie für andere Menschen nützlich ist.

Colleagues enjoying the opening ceremony of ICOM 2016 Milano at Castello Sforzesco.

Kollegen bei der Eröffnungszeremonie von ICOM 2016 im Castello Sforzesco in Mailand.

Nehmen Sie zum Bespiel die Präsentation von Alexandro Matos über die Einführung von bestimmten Standards in ein paar Museen von São Paulo: die Übersetzung der SPECTRUM Normen ins portugiesische, die Anpassung an die lokalen Gegebenheiten und die Einführung in drei Museen wurde durch die Leute möglich, die das machten – einschließlich der Personen im Staatssekretariat, vielleicht waren sie sogar die Wichtigsten, die davon überzeugt waren, dass es eine gute und notwendige Sache ist, dass Museen bestimmten Standards genügen. Wie viele gute Projekte im Hinblick auf eine Professionalisierung der Museen werden abgeblockt, weil Entscheidungsträger sie nicht als notwendig ansehen?

So ist es auch mit anderen Projekten, wie der Entwicklung eines umfassenden und verbesserten Textilthesaurus aus den verschiedenen, schon existierenden an der HTW in Berlin oder mit dem “International Image Interoperability Framework (IIIF)” (http://iiif.io/) das in Yale entwickelt wurde, um die Arbeit von Forschern zu unterstützen oder die Erfahrungen mit Automatisierten Prozessen in einer Museumsbibliothek in Sambia. Immer kommt es auf die Personen an, die die Initiative ergreifen, um laufende Prozesse zu verbessern oder neue zu entwickeln – und das nicht einfach aus der Freude an dieser Arbeit sondern mit dem Blick auf ihre Nutzer und ihre Kollegen.

Presentation ”Spreading the word: explaining what Museum Documentation is - and why it is important“ (photo via @CIDOCevents)

Präsentation von: Erwecken Sie Aufmerksamkeit: Was ist Dokumentation und wozu ist sie gut?

Ich hatte Sorge gehabt, mich als Depotleiterin unter Dokumentaren fremd zu fühlen. Schließlich nutze ich die Datenbank oft, aber um ein Objekt an dem Ort zu finden, den sie mir angibt und nicht um mir den Kopf über Thesauri und Definitionen zu zerbrechen. Aber ich entdeckte, dass die Themen, die behandelt wurden für meine Arbeit sehr relevant sind. Das wurde mir vielleicht am deutlichsten in der Präsentation von Michael Jones: „Achtung Fehlstelle: fehlende Verknüpfungen in Museumsdokumentationen.“ Er beschrieb den Fall, dass bei der Suche in der Dokumentation oft Verknüpfungen fehlen, da man oft etwas entweder im Archiv, oder in der Objektdatenbank oder im Fotoarchiv sucht, aber keine Verbindungen zwischen ihnen hat. Man könnte also ein Expeditions-Tagebuch im Archiv haben und doch nicht merken, dass Objekte, die bei der Expedition gefunden wurden im Depot liegen und im Fotoarchiv Aufnahmen der Expeditionsmannschaft. Das sprach mich sehr an, denn wir schaffen diese Verknüpfungen in unserer Datenbank im TECHNOSEUM ständig. Wann immer ich eine Verbindung zwischen zwei Dingen finde, dokumentiere ich das in der Datenbank. Wenn wir Archivmaterial zu einem Objekt haben, oder wenn dieses in einem Buch erwähnt wird, steht das oft schon im Objektkatalog. Wenn das Objekt in einer Ausstellung gezeigt wurde findet man den Text des Beschriftungsschildes in der Datenbank. Ich hielt diesen hohen Grad von Vernetzung immer für selbstverständlich, nicht für etwas, worüber man groß nachdenken müsste. Erst hier, bei der CIDOC Konferenz erkannte ich, dass das nicht selbstverständlich ist. Und wieder sind es Menschen, die dafür sorgen, dass die Daten verfügbar sind. Die Personen, die bei der Entscheidung für eine Software für die Datenbank eine solche wählten, die die Verknüpfung verschiedener Kategorien von Material ermöglicht, Personen, die Felder zur Verfügung stellten und Prozesse einrichteten, die es jedem einfach machen, solche Verbindungen her zu stellen.

Ein Projekt, das meine Aufmerksamkeit gleich auf sich zog und mich faszinierte, war die “Encyclopaedia of Museum Practice” (http://cidoc-dswg.org/ ), die von Jonathan Whitson-Cloud auf den Weg gebracht wurde. Es ist ein Projekt, das einen mehrsprachigen Wiki für Museumsterminologie entwickeln soll, so dass jeder, der irgendwo auf der Welt auf diesem Gebiet arbeitet, die Begriffe nachschlagen und ihre Bedeutung verstehen kann. Es gab eine ertragreiche Diskussion zu diesem Projekt und wir konnten einiges ganz praktisch mit der Software ausprobieren. Ich brachte die Erfahrungen ein, die wir beim Registrar Trek mit Mehrsprachigkeit gemacht haben. Wieder ist das Projekt in hohem Grad abhängig von Leuten, die sich ein Herz fassen, Begriffe beisteuern und Übersetzungen bereitstellen, sodass ich Sie hier, liebe Leser, ermutigen möchte, einen Nutzeraccount zu eröffnen, um die „Encyclopaedia“ mit Inhalt zu füllen.

Marzia Loddo and I at the Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia "Leonardo da Vinci"

Marzia Loddo und ich im Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia „Leonardo da Vinci“

Vielleicht sind aber die Menschen, die ich traf und die Gespräche, die ich führte das, woran ich mich am meisten erinnern werde, wenn ich an Mailand denke. Und wieder spielte die Dokumentation eine Rolle. Wenn man einen Kunsthistoriker wie Rupert Shepherd an der „Porta Nuova“ in Mailand trifft, dann lernt man, dass sie für einen Renaissanceforscher an andere Stelle liegt, als für einen reisenden Depotleiter. Ja, Terminologie ist wichtig, aber wir fanden uns und die Mit-Dokumentarin Susanne Nickel um zusammen wunderbar italienisch Abend zu essen. Natürlich gibt es nichts Besseres als Horrorgeschichten aus der Dokumentation mit anderen Dokumentaren zu tauschen und ich habe das mit vielen Kollegen getan, die ich bislang nicht getroffen hatte, oder nur über das Internet kannte. Es ist lustig, dass man seit Jahren in der Nachbarstadt arbeitet, aber nach Italien gehen muss, um sich zu treffen und eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wein zusammen zu trinken. Und ich habe erfahren, dass nichts einen Registrar-Trekker aufhalten kann! Marzia Loddo, eine unserer Italienisch-Übersetzerinnen und ich schafften es, uns zu treffen, obwohl eine Reihe von Zwischenfällen, darunter eine kaputte Waschmaschine, alles taten, das zu verhindern.

Es war ein wunderbares Erlebnis, danke Mailand! Und vielleicht treffen wir uns bei der Mitarbeit an der “Encyclopaedia” wieder?

Herzliche Grüße

Angela

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Dieser Beitrag ist auch auf Polnisch erhältlich, übersetzt von Marcin Mondzelewski, die Übersetzung erschien ursprünglisch auf dem Blog der Polish Museum Registrar Association http://inwentaryzatorzy.blogspot.de/.

  1. Wenn Sie wissen wollen, was Teilnehmer während der Konferenz bemerkenswert fanden, dann sehen Sie sich das Hashtag #CIDOC2016 auf Twitter an
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5 thoughts on “CIDOC 2016 – Bei der Dokumentation geht es um Menschen”

  1. I have faught for over 30 years about documentation in databases. Far too often I have found documentation such as „a table“ or „porcelain company products“. Databases are the heart of any institution. Far to often Boards and Archivists fail to realize the importance of documentation and lose the history of their community or institution.

  2. Highly recommended. But, I am sure that all of you have considered this: it can be used terminologies besides the documents by themselves: Tags as „significative evidences“ of those connections between two or more objects (I mean terminology gathered in thesauri).

    I usually use Tags (naming them „Referencias“ in Spanish) assigned to each object, as part of its technical data. So, any used software can make „match“ with the objects marked with the same Tag, showing on screen, and in a printed list, those results.

    These Tags will gather those terminologies as „clues“ matching the objects, its documentation and its significances as „evidences“.

    I completed too a kind of „Directory of Tags“ for each collection of some museums. By this way, the people and investigators can consult it and find the specific object (with its documentation) depending on the own interest.

    This is a mission for Curators, Registrars, Collections Managers, Documentalists and Educators in the museum, applying resources as those you are referring. Thank you.

  3. I also took it for granted that connections between artefacts and archival material would be documented on the database. Sure it takes longer but is essential.

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