Europäische Konferenz der Registrare 2014: Sicherheitsbelange

Älä laita kaikkia munia samaan koriin.

Man soll nicht alle Eier in einen Korb legen
(Finnisches Sprichwort)

Nach der Eröffnung und der ersten Sektion „Ist es denn Kunst?“ mit Daniel Birnbaum gab es Parallelveranstaltungen: Sicherheitsbelange und das Einmaleins des Kuriertransports. Da in unserem Museum selten Mitarbeiter als Kuriere eingesetzt werden habe ich die Sektion Sicherheit gewählt.

Der eindrucksvollste Vortrag war wohl der von Tygve Lauritzen, Verantwortlicher für Sicherheit und Transporte im Munchmuseet in Norwegen. Seine Präsentation umfasste ganz praktische hands-on Hinweise in Bezug auf die Sicherheit bei Transporten und einige ganz allgemeine Hinweise.

Was uns am meisten beeindruckte war eine Karte mit Angriffen auf Lastwagen in Europa (grün: niedrigste Rate, rot die höchste):

Tygve Lauritzen on the risk of road transportation

Tygve Lauritzen über die Risiken des Transports auf der Straße (Bild via twitter @ERC2014)

Tatsächlich ist Kunst, die auf der Straße transportiert wird, 1000mal gefährdeter als bei Luftfracht – was logisch, aber auch irgendwie erschreckend ist. Einer der Gedanken, die Tygve vorbrachte war, es sich zu überlegen, ob man Kuriere dem Risiko auf diesen Straßen aussetzen dürfe. Aus seiner Sicht ist die Gefahr, der man das wertvollste Gut – nämlich das Leben des Kollegen – aussetzt viel größer als der Nutzen. Was kann der Kurier tun, wenn der Lastwagen Feuer fängt? Was kann er tun, wenn der Wagen aufgehalten und von falschen Polizisten entführt wird?

Der Transport von Kunst auf der Straße ist ein Risiko, das nicht vermieden, aber durch gute Organisation minimiert werden kann. Einige seiner Empfehlungen waren:

  • Die Fahrt vorher zu planen, einschließlich Pausen, sicheren Parkmöglichkeiten und alternativen Routen
  • Den Fahrer mit allen nötigen Telefonnummern versehen und mit Anweisungen, was er jeweils tun soll und wen anrufen in welcher Situation.
  • Den Fahrer mit gedruckten Schildern versehen, auf denen in allen Sprachen der Länder, die er durchqueren muss steht: „Ich darf die Fenster nicht öffnen, bitte rufen Sie (Name +Telefonnummer) an und begleiten Sie mich zur nächsten Polizeistation.“ Es gibt viele Beispiele für Lastwagen, die von Verbrechern entführt wurden, die sich als Polizisten verkleidet haben. Zu ihrer Sicherheit sollten Fahrer nie die Fenster öffnen. Echte Polizisten eskortieren selbstverständlich einen Lastwagen zur nächsten Polizeistation.
  • Zahlenschlösser verwenden, die nur dann am Ziel die gleiche Nummer zeigen, wenn sie währen des Transports nicht geöffnet wurden. Das ist ein gutes Mittel um heraus zu finden, ob unterwegs etwas schief gelaufen ist.

Im Hinblick auf die Risiken des Straßentransports ist es logisch, eine Obergrenze für den Wert eines Kunsttransports in einem einzelnen Wagen fest zu legen. Auf dem Papier ist das sehr einfach, aber natürlich ist der Knackpunkt, das unter allen Umständen auch in der Praxis durch zu setzen.

Tygve betonte auch, wie wichtig es wäre, sich als Registrar in die „zukünftige Denkweise Krimineller“ hinein zu versetzen. Kunst wird heute im organisierten Verbrechen als Zahlungsmittel genutzt und wir sollten das Risiko nicht unterschätzen. Wir sollten uns darüber klar sein, dass Insiderwissen für Kriminelle sehr wertvoll ist und dass sie sich aktiv darum bemühen es zu erhalten. Scheinbar harmlose Fragen wie: “könnten Sie mir eine Telefonliste ihrer Institution geben“ sind keineswegs harmlos. Tatsächlich ist es, als ob man dem Verbrecher eine Hintertüre öffnet. Sie werden Erkundigungen über diese Leute einziehen und sicher finden sie irgendwo einen Schwachpunkt: jemanden, der Geld braucht, jemanden mit einem Alkoholproblem, jemand mit persönlichen Problemen …

Die „zukünftige Denkweise Krimineller“ muss auch im Hinblick auf die Sicherheit von Dokumenten bedacht werden. Wir machen uns oft nicht klar, dass Informationen, die wir mit Email schicken oder auf unseren Telefonen und Tablets mit uns herumtragen, ebenfalls Dokumente sind.
Einige von Tygves Empfehlungen:

  • Jedes Dokument vor dem Senden mit Passwort schützen. Denken Sie daran, dass jede normale, ungeschützte Email so etwas wie eine Postkarte ist – der Inhalt kann leicht ausspioniert werden. NIEMALS Dokumente offen versenden.
  • Das Passwort an die Personen, die das Dokument lesen müssen, am Telefon, nicht mit Mail weitergeben.
  • Dropbox ist kein sicherer Ort für Dokumente mit sensiblen Informationen.

In der nächsten Sektion stellte Simon Mears, der Gutachter für Sicherheitsrisiken und den Schutz von hohen Werten ist, GRASP vor, das Global Risk Art Survey Program (Programm zur Erhebung globaler Risiken). Es handelt sich dabei um ein System, das von Versicherern als Reaktion auf Unfälle erarbeitet wurde, bei denen auch Kunst betroffen war. Es ist ein holistisches Verfahren, um eine Abschätzung aller Risiken vor zu nehmen, die eine Sammlung treffen können, also nicht nur Diebstähle und Katastrophen, sondern auch Schäden, die durch das Klima entstehen können.

Pascal Matthey speaking on risk aggregation

Pascal Matthey spricht über die Kumulation von Risiken (Bild via twitter @ERC2014)

Der letzte Sprecher war Pascal Matthey (Schweiz) vom Rückversicherer XLGroup, Leiter der Abteilung Hochrisiko. Er sprach vom Ganzheitlichen Risiko-Management für Museen. Einige seiner Schlüsselsätze, an die ich mich noch erinnere:

  • Bei dem ganzheitlichen Risiko-Management hat man den größten vorhersehbaren Verlust (Maximum Foreseeable Loss – MFL) bei einem einzigen Unfall in Betracht zu ziehen. Das ist Murphys Gesetz in der Praxis: ein Feuer bricht aus, die Sprinkler funktionieren nicht, die Feuerwehr kommt mit Verzögerung – wie groß ist der größtmögliche Schaden?
  • Machen Sie sich klar, dass Versicherung und Risikomanagement nicht direkt miteinander zu tun haben – das Geld bringt die Kunstwerke nicht wieder und es bringt auch die Reputation des Museums nach einem Diebstahl nicht zurück.
  • Eine guter Ansatz bei der Risikoaggregation ist es, dieses Risiko für einzelne Bereiche des Museums zu definieren und nicht den MFL beim kompletten Verlust der Sammlung, der ja sehr unwahrscheinlich ist. Damit werden auch die Versicherungswerte in einer vernünftigen Höhe gehalten.
  • Beispiel: Das höchste Risiko für die Schauräume könnte Diebstahl und Feuer sein, Risiken, die man durch organisatorische Maßnahmen zu verringern sucht (z.B. indem man es so einrichtet, dass ein Dieb viel Zeit braucht, um das Gebäude zu verlassen, so dass die Polizei eine Chance hat, ihn noch innerhalb des Gebäudes zufassen) und versichert dann den MFL im Fall von Feuer und Diebstahl. Wenn die Schauräume nicht im Erdgeschoss sind, kann das Hochwasserrisiko sehr gering sein. Wenn sich das Depot im Keller befindet kann das Feuerrisiko gering sein – aber dann wird der MFL in Bezug auf Hochwasser versichert.

Sie können sich vorstellen, dass wir in der folgenden Mittagspause gut mit Ideen und Gesprächsstoff versorgt waren und daran zu knabbern hatten …

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt

Dieser Beitrag ist auch auf Italienisch erhältlich, übersetzt von Silvia Telmon.

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