Kunstwerk, Werkstück, Auto und Heiligtum der Pop-Kultur, 2. Teil

Transport und Ausstellung des Rolls-Royce von John Lennon

Von Derek Swallow – Royal BC Museum

Ich hatte das Gefühl zu ersticken, da das ja nur schief gehen konnte und versuchte langsam aus zu atmen. Entspanne dich, murmelte ich. Ich bin nur dafür verantwortlich ein Auto aus unserer Sammlung zu einer Ausstellung in Montreal zu bringen, wenn auch mit ein paar erschwerenden Faktoren: das Auto ist ein Oldtimer, den einst die Beatels–Legende John Lennon fuhr; die gesamte Metall-Oberfläche ist zugleich Malgrund für ein originales Ölgemälde, es wiegt 2700 kg und kann deshalb nur mit funktionierenden Bremsen transportiert werden – diese funktionieren aber nur, wenn der Motor läuft; der Motor und andere mechanische Teilen müssen überholt werden: außerdem entdeckte das Restauratorenteam, dass Farbe abblättert UND wir haben weniger als fünf Wochen Zeit, bis das Auto bei dem Leihnehmer sein muss. Der Eröffnungtermin konnte auf keinen Fall verschoben werden. Also, dache ich, packen wir’s an. Ich rief gleich unseren zuständigen Mechaniker an und rief einen unserer Restauratoren zu mir, der zufälligerweise auf bemaltes Metall spezialisiert war. Ersatzteile wurden bestellt und die Restaurierung der Oberfläche begann.

Was den Transportplan betrifft: ursprünglich gingen wir davon aus, dass der Wagen natürlich in einer Transportkiste bewegt würde. Wir entschieden uns dafür, den Wagen in einer Kiste zu verpacken, auf einen Transportwagen mit Bremsen zu setzen und das Transportrisiko dadurch zu minimieren, dass wir einen Flugtransport wählten.

Ein guter Plan? Nein!

Eine Kiste in dieser Größte müsste mit einem Frachtflugzeug transportiert werde, der nächste Landeplatz war Seattle. Das hätte bedeutet, die Kiste von der Insel zu holen auf der Victoria liegt, die Grenze zu den USA zu überschreiten und schließlich den Wagen zurück in die USA zu bringen – ein logistischer und bürokratischer Albtraum. Außerdem zeigte ein zweiter Blick auf den Facility Report des Leihnehmers, dass die Kiste die größte Eingangstüre nicht hätte passieren können.

Mehr als nur ein bißchen beunruhigt fragte ich unsern Rolls-Royce Mechaniker um Rat. Der schlug vor, eine Transportfirma unter Vertrag zu nehmen, die auf hochwertigste millionenschwere Rennautos spezialisiert ist. Ich suchte wie verrückt nach einer solchen Firma, fand sie schließlich und regelte den Vertrag. Gut zwei Wochen vergingen wie im Flug: die Logistik organisieren, ebenso Leihvereinbarungen und Versicherung. Der Termin, zu dem der Wagen abgeholt werden sollte, war in einer Woche. Die Konservierungsarbeiten schritten voran, die am meisten geschädigten Stellen waren stabilisiert, aber aus Zeitmangel konnte die Arbeit nicht fertiggestellt werden. Wir hatten uns aber darauf verlassen, denn das einzige klimatisierte Fahrzeug der Transportfirma war schon vor 6 Monaten vergeben gewesen.

Verzweifelt riefen wir beim Nationalen Institut für Konservierung an, mit der Frage, wie diese Farbe auf Metall reagieren würde bei den raschen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen denen Wagen und Fracht bei der Überlandfahrt ausgesetzt sein würden. Unter Wettergesichtspunkten gab es in Kanada keinen schlechteren Monat für diesen Transport. Das Kanadische Nationale Konservierungsinstitut antwortete rasch, dass diese ungewöhnliche Farbe normalerweise nur auf Holz verwendet wird. Jedoch, so meinten sie unter Vorbehalt, könnte die Farbe unter diesen Bedingungen halten. Das ergab eine allgemeines Aufatmen, das aber doch von Unruhe gedämpft war.

Ich rief unseren Mechaniker an. Die Ersatzteile sollten am Donnerstag ankommen. Donnerstag? Der Transporter würde am folgenden Dienstag sehr früh da sein. Können Sie die Reparaturen rechtzeitig fertigstellen, fragte ich erwartungsvoll. Sollte kein Problem sein, war die Antwort – noch ein zögerlicher Seufzer der Erleichterung.

Rolls load – RBCM secure storage

Rolls load – RBCM Sicherheitsdepot

Der Dienstagmorgen kam. Die Ersatzteile waren gekommen, die Reparaturen durchgeführt, der Wagen geprüft und fertig fürs Verladen. Der Lastwagen kam herein und ließ seine Hebebühne herab. Der Fahrer hielt, kam aus seiner Kabine, blickte auf den Rolls, sah skeptisch drein und sagte: wie lang ist nochmal der Achsabstand des Wagens? Alle Augen richteten sich darauf und alle Herzen des Teams blieben einen Moment lang stehen, während dieser fürchterliche Gedanke in allen Köpfen gleichzeitig erschien: der Rolls ist zu lang für die Hebebühne. Messbänder erschienen und Maße wurden genommen. Das Ergebnis: der Wagen sollte so gerade passen. Unser Mechaniker setzte sich in den Wagen und bugsierte ihn zuversichtlich, aber vorsichtig in seine richtige Position. Es funktionierte. Die Bremsen wurden angezogen, der Wagen angehoben, dann in den Laster gefahren und an den Rädern gesichert.

Der Fahrer verschloss die Ladefläche, sprang in seinen Führerstand und die Überlandreise begann. Wie blieben regelmäßig in Kontakt mit dem Fahrer, der gute Wetterbedingungen meldete, bis kurz vor dem Ende seiner Reise, als die Wettervorhersage mit einem großen Tiefdruckgebiet drohte, das vom Nordwesten her mit hoher Windgeschwindigkeiten und Schnee seine Route kreuzen würden. Der Fahrer schlug vor, weiter zu fahren um dem Sturm zuvor zu kommen. Das war die eine Möglichkeit – oder das Ende des Sturms abwarten und damit den Termin für die Ablieferung verpassen. Nachdem wir uns vergewissert hatten, dass er erst vor kurzem eine Rast eingelegt hatte, ließen wir ihn fahren.

heavy duty dollies

Schwerlast-Transporteinrichtung

Am späten Nachmittag des 4. März, mit 8 Stunden Verspätung, steuerte er sein sperriges Fahrzeug durch die schmalen Straßen der Innenstadt von Montreal. Zuvor war die Polizei von Montreal aufgeboten worden, die Gegend zu sichern, kritische Straßen zu sperren und Fußgänger um zu leiten und die Museumsmitarbeiter versammelten sich schon, um den Lastwagen zu empfangen. Die Mitarbeiter hatten sich – mit wunderbaren Schwerlast-Transportwagen ausgerüstet – darauf eingestellt, den Rolls auf der Straße vom Lastwagen zu ziehen und dann eine Metallrampe zum Museum hinauf zu schieben.

Unser Mechaniker und unser Oberrestaurator, die beide voraus geflogen waren, erklärten aber, dass die Karosserie durch das Schieben beschädigt würde und dass es nur eine Möglichkeit gäbe: den Wagen an seinen Platz zu fahren. Die Straße war nass und voll Streusalz sodass der Weg erst abgedeckt werden musste, ehe der Wagen bewegt werden konnte. Decken, Plastikfolien und Verpackungsschaumplatten wurden aus dem Lastwagen und dem Museum entführt, aber das reichte nicht.

off  load

off load

In seiner Verzweiflung durchsuchte jemand einen Müllcontainer in der Nähe und entdeckte eine große Rolle orangener Plastikfolie, die für diesen Zweck mehr als ausreichte.

Als der Weg bereitet war startete unser Mechaniker vorsichtig den Wagen, setzet ihn zurück aus dem Transporter heraus und manövrierte ihn dann die Straße hinunter zum Museumseingang. Da gab es den nächsten kurzen Herzstillstand – es sah so aus, als sei der Eingang zu schmal für den Rolls. Wir hatten die Maße des Eingangstores vorher erhalten und hatten für die Maße des Wagens die der Katalogbeschreibung benutzt. Menschen mit Maßbändern traten in Aktion. Schließlich erklärte ein Museumsangestellter mit selbstgerechtem Lächeln, dass wir gerade mal 10 cm auf jeder Seite Luft hätten. Es gibt Leute, die sagen Sammlungsverwalter wären geradezu obsessiv, wenn es um die Größe und andere Details der Sammlungsobjekte geht. Gott sei dank erwies sich diese Behauptung als richtig.

into the museum

in das Museum

Die nächste Herausforderung für unseren Mechaniker war es, den großen Wagen mit viel Fingerspitzengefühl durch einen ziemlich engen Gang zu bugsieren. Das waren schwierige Minuten mit Leuten, die Anweisungen brüllten und mit wachsender Spannung, aber schließlich erreichte der Wagen unversehrt die Ausstellungshalle.

Den Wagen rasch an seine Ausstellungsposition auf verstärkten Bodenplatten zu bringen war die nächste große Herausforderung. Die Meisten der schwimmend verlegten Bodenfliesen vertrugen maximal 567 Kilo Gewicht, während die Last an jedem Einzelnen der Räder 680 kg betrug. Ziemlich sofort nachdem der Wagen in die Halle gekommen war, begannen sich die ersten Bodenfliesen zu wölben und drohten zu brechen. Der Wagen drohte den Boden zu zerstören. Die Museumsmittarbeiter eilten in eine Schreinerei und kamen mit Sperrholplatten zurück. Rasch wurde der Wagen auf sie gefahren, um so das Gewicht besser zu verteilen und das Unglück ab zu wenden. Aber wie sollte der Wagen nun an seinen Platz gebracht werden? Eine kreative Lösung, die Technik und rohe Gewalt verband wurde ausgekocht.

creative moving technique

kreative Transporttechnik

Transportrollen mit anhängenden Gurtbändern wurden unter jedes Rad platziert. Dann zog das Team den Wagen händisch über die Spanplatten bis neben die verstärkten Bodenfliesen. Dann fuhr der Mechaniker den Wagen rasch und sicher so, dass die vier Räder genau auf den verstärkten Fliesen standen. Der Wagen war nun in Position. Ja! Nun galt unsere Sorge der Farbe. Hatten der dramatische Wechsel der Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit ernste Folgen gehabt? Ein Gemälderestaurator vor Ort, der die Eingangsprotokolle anfertigte, untersuchte den Wagen sorgfältig und fand die Farbe unbeschädigt.

Geschafft! Wir hatten die Zielvorgabe eingehalten. Der Wagen war an seinem Platz, 24 Stunden vor der feierlichen Eröffnung mit den beiden bedeutendsten Politikern der Provinz Quebec, dem Premierminister und dem Vizegouverneur. Harte Arbeit und Planung, unterstützt von einer außerordentlich genauen Katalogisierung und gemildert durch innovative Problemlösungen hatten zum Erfolg dieses Projekts geholfen.
http://pacmusee.qc.ca/en/media/press-releases/john-lennon-s-rolls-royce-at-pointe-a-calliere (Geschichte des Rolls und seine Überführung)

Dies ist meine letzte Geschichte für RegTrek. Ich möchte dem Team von RegTrek für seine intensive Arbeit und Unterstützung danken, besonders Angela Kipp für den Enthusiasmus mit dem sie dieses wunderbare Projekt voran treibt. Ich möchte allen von Herzen alles Gute wünschen, da ich einen neuen Lebensabschnitt beginne: ich unterrichte Englisch als Fremdsprache und entwickle Unterrichtsmaterial und Lehrpläne dazu. Ich wünsche allen das Beste bei diesem erstaunlichen Abenteuer RegTrek voran zu bringen und bedanke mich dafür, dass ich teilnehmen konnte.

Herzliche Grüße
Derek Swallow
Senior Registrar, Royal BC Museum

Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche von Brigitte Herrbach-Schmidt.

Facebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmail

6 thoughts on “Kunstwerk, Werkstück, Auto und Heiligtum der Pop-Kultur, 2. Teil”

  1. Imagine being asked to transport the most iconic guitar in the world. This is exactly what happened when the guitar belonging to John Lennon was to be transported from Seattle to New York. This blog will explain the journey and what happened along the way.

  2. Great story, good thing you got the job done safely. John Lenon is a great legend. If I had been the owner of that car & someone had even touched it with dirty hands, then I think I might’ve blown a fuse run that guy down with it.

  3. Wow, Derek, what a story! No wonder you’re taking another job. Makes our upcoming need to move a small covered wagon look like a mere trifle. Best of luck in your new career.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert